auszutauschen. Wir sind dankbar für entsprechende Unterrichtungen, die wir noch nicht haben. Wir wollen konstruktiv mitarbeiten, was nicht ausschließt, dass wir dort kritisieren, wo wir glauben, dass kritisiert werden muss. Das ist unsere Aufgabe als Opposition. Die Opposition können wir in Corona-Zeiten nicht aufgeben. Ich glaube, da stimmen selbst die Vertreter der Regierungsparteien zu.
Auf die Frage, ob das Parlament ausreichend befasst worden ist, hat der Ministerpräsident ausreichend Bezug genommen. Das ist weitgehend geschehen. Es ist nicht zu beanstanden. Es ist aber von den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder gefragt worden, ob die Regierung machen kann, was sie will. Zumindest bin ich öfter darauf angesprochen worden. Es wurde gefragt: Wo bleibt ihr denn? Diese Fragen wurden besonders von denjenigen gestellt, die es kritisch gesehen haben. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion hat gesagt, das Parlament sollte etwas stärker beteiligt werden. Wir ziehen daraus den Schluss, dass man das vielleicht institutionalisieren sollte. Wir haben dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser richtet sich nach der Gemeindeordnung. Man kann ihn aber auch verändern. Wenn irgendjemand bessere Vorschläge hat, sind wir bereit, darauf einzugehen. Es ist gar nicht unser Ehrgeiz, dass es unbedingt unser Entwurf sein muss, aber dieser Entwurf, der sich an der Gemeindeordnung ausrichtet, hat einen Vorteil. Ich habe ja zehn Jahre lang unter solchen Bedingungen gearbeitet. Regierungen sind immer, in diesem Falle die Gemeinderegierungen, geneigt, etwas zu weit zu gehen, oder aus Schnelligkeitsgründen vielleicht geneigt, die Parlamente nicht ausreichend einzubeziehen. Wenn da aber ein Paragraf vorhanden ist, der besagt, dass das Parlament unverzüglich zu informieren ist, und der zusätzlich besagt, dass es notfalls die Anordnungen, wenn nicht Rechte Dritter berührt sind, zurücknehmen kann, dann ist das eine Bremse. Jeder, der regiert, sollte diese Bremse akzeptieren. Unsere Demokratie fußt auf Gewaltenteilung. Deshalb sind wir im Interesse der Gewaltenteilung für eine institutionalisierte Beteiligung des Parlamentes, wenn es zu solchen Situationen kommt.
In diesem Zusammenhang ist natürlich auch das Urteil des Verfassungsgerichtshofes zu begrüßen. Das war nicht unbedingt eine schallende Ohrfeige für die Regierung. Aber vielleicht gehört das heute zur Sprache dazu. Entscheidend war die Klarstellung, dass wir auf der Grundlage der Gewaltenteilung leben. Jede Regierung muss die Entscheidung von der Gerichtsbarkeit überprüfen lassen. Wenn der Verfassungsgerichtshof an dieser Stelle sagt, da und dort seid ihr zu weit gegangen, dann ist das natürlich eine Kritik, vielleicht auch eine berechtigte Kritik. Nach unserer Meinung war sie es. Aber es ist auch
ein Beweis dafür, dass unsere demokratische Ordnung und die Gewaltenteilung in diesem Land an dieser Stelle funktionieren. Wir begrüßen ausdrücklich dieses Urteil des saarländischen Verfassungsgerichtshofs.
Nun wird oft darüber diskutiert, wenn wir den Schutz des Lebens in den Mittelpunkt gestellt haben, ob wir denn wirklich die moralische Grundlage oder die ethische Überzeugung haben, das auch zu tun. Sie wissen, dass wir in unserer Gesellschaft vieles verdrängen. Sie wissen, dass alle 10 Sekunden ein Kind stirbt und dass Industriestaaten das verhindern könnten, aber es geschieht nicht. Sie wissen, dass 9 Millionen Menschen im Jahr verhungern. Das wird auf den Demonstrationen immer wieder gesagt. Die Industriestaaten mit ihren gewaltigen Rüstungshaushalten könnten das von heute auf morgen verhindern, aber sie tun es nicht. Sie wissen, dass 120.000 Menschen sterben, weil geraucht wird. Aber wir verbieten die Zigaretten nicht. Sie wissen auch, dass 74.000 Menschen an Alkoholkrankheit sterben und so weiter. Das alles wissen wir. Es wird immer wieder auf diesen kritischen Versammlungen angesprochen. Dennoch sind diese Verdrängungsmechanismen, die von den Kritikern zu Recht infrage gestellt werden, keine Grundlage zu sagen, weil ihr dort nicht entsprechend vorgeht, seid ihr jetzt nicht berechtigt, die Menschen zu schützen. Es gibt auch von dieser Betrachtungsweise her keinen Grund, die Handlungsweise der Landesregierung oder der Länderregierungen infrage zu stellen.
Nun möchte ich einige Ableitungen machen, die für uns wichtig sind, zunächst einmal was die Zeit davor angeht. In der Zeit, bevor die Krise ausbrach, haben alle Regierungen in der Welt versagt, wenn man so will. Das haben wir überall gesehen. Es sind nirgendwo ausreichende Vorbereitungen getroffen worden, obwohl - das gilt auch für die Bundesrepublik ausreichend Pläne vorlagen. Selbst vom RKI lagen Pläne vor, was denn zu tun sei, welche Schutzausrüstungen zu kaufen seien und so weiter. Das alles lag vor. Das ist im Bundestag ausführlich diskutiert worden.
Nun kann man im Nachhinein sagen, dass ich klüger bin. Aber einen Schluss sollte man daraus ziehen; das ist die zweite Forderung, die wir ableiten. Wenn wir die Dinge bewältigt haben, dann sollte es Übung werden, eine Art Pandemiebericht der Landesregierung im Gesundheitsausschuss abzugeben, in dem sie sagt, das und das haben wir an Vorbereitungen getroffen, falls es wieder einmal passiert. Das ist wiederum eine Kontrollfunktion des Parlamentes, damit solche Versäumnisse in Zukunft nicht mehr stattfinden. Ich glaube, da trete ich niemandem auf den Schlips. Das sollte so sein. Wir sollten also einen Pandemiebericht einführen oder einen Katastrophenschutzbericht oder wie immer Sie wollen, damit
wir kontrollieren können, ob ausreichend vorgesorgt worden ist, damit wir nicht noch einmal so in die Angelegenheit hineinstolpern.
Dann kam die Warnphase, die ich ansprechen möchte. Da haben die meisten Regierungen versagt, denn in der Warnphase haben viele einfach die Warnung nicht rechtzeitig aufgegriffen und haben gehofft, das geht an uns vorbei. Es gab ganz extreme Beispiele. Wir brauchen nur nach Brasilien oder in die Vereinigten Staaten oder nach Großbritannien zu schauen, wo letztendlich viel zu spät reagiert worden ist, was man in diesem Ausmaß unseren Regierungen im Bund und in den Ländern nicht vorwerfen kann. Sie haben gerade noch, soweit die Zahlen das hergeben, rechtzeitig die Kurve gekriegt und die Notbremse gezogen. Das ist aber relativ spät gewesen; das sollte man wissen.
Mitte März haben das RKI und auch die Bundeskanzlerin Herdenimmunität empfohlen - das ist heute von vielen vergessen. Erst am 23. kam der gemeinsame Lockdown; wir haben etwas früher angefangen. Der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen. Ich erwähne das nicht, um hier zu sagen, seht da oder da. Das zeigt, auf welch dünnem Eis wir uns bewegt haben und dass nicht hinreichend vorgesorgt und reagiert worden ist. Immer wieder ist kritisiert worden, dass wir beispielsweise Flüge aus China hatten, ohne dass eine Kontrolle stattgefunden hätte, obwohl die Epidemie dort längst ausgebrochen war, und zwar sehr intensiv. Das ist nur ein Hinweis, dass in dieser Warnphase Fehler gemacht worden sind.
Nachdem wir diese Entscheidung getroffen haben, haben wir nun eine ganze Reihe von Problemen. Der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen. Ich will das nicht alles wiederholen. Ich will daran erinnern, dass man zum Beispiel bei der Wirtschaft wissen muss, dass wir die Aktivitäten der gewerblichen Wirtschaft nicht von Staats wegen eingeschränkt haben und dass eine ganze Reihe von gewerblichen Betrieben längst vor dem Lockdown Kurzarbeit gefahren und die Produktion eingestellt haben. Das soll nicht alles durcheinanderkommen und verwischt werden. Natürlich hat das etwas mit der Globalisierung zu tun, denn die Betriebe haben viele Zulieferteile aus anderen Ländern. Wenn beispielsweise in China oder Italien irgendetwas passiert, dann merken wir das hier sofort.
Um zum nächsten Punkt zu kommen, will ich noch etwas zur Grenzschließung sagen. Die Grenzschließungen sind an sich nicht zu kritisieren. Sie sind überall auf der Welt in unterschiedlicher Stärke durchgeführt worden. Allerdings möchte ich kritisieren, dass man Grenzschließungen nicht durchführen darf ohne Abstimmung mit den Nachbarn. Das war der entscheidende Fehler, der gemacht worden ist. Da ist in erster Linie die Bundesregierung angespro
Die Bundesregierung hat die Hoheit, die Grenzen zu schließen. Dabei will ich nicht die Grenzschließung als solche infrage stellen; darüber müsste man reden. Aber wenn man beispielsweise die Verärgerung sieht, die in Frankreich und Luxemburg herrscht - sie wird überall geäußert -, dann war das völlig überflüssig. Europa verlangt, dass wir solche Maßnahmen untereinander abstimmen. Das muss doch möglich sein. Auf jeden Fall bestehen wir als Fraktion darauf, dass man das in Zukunft so macht.
Der Innenminister ist jetzt nicht da. Wir alle wissen, dass er manchmal etwas dynamisch vorgeht und etwas hemdsärmelig ist. Aber auch hier ist nicht die Tatsache, dass er Grenzschließungen befürwortet hat, zu kritisieren; das möchte ich doch etwas relativieren. Es ist aber zu kritisieren, dass eben der Eindruck entstanden ist, dass man sich zu wenig mit den Nachbarn abstimmt. Ich habe mit ihm darüber gesprochen.
Aber wenn ich ihn schon anspreche, dann möchte ich ihm aufgrund meiner Lebenserfahrung meine und unsere Anteilnahme versichern angesichts dieses feigen Mordanschlags, der auf ihn verübt worden ist. Hier stehen wir solidarisch zu ihm als Demokraten. Das möchte ich hier sagen.
Ich denke auch an seine Familie, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil man nachvollziehen muss, wie das in einer solchen Situation ist und wie es der Familie geht. Das möchte ich angesichts dieses Themas ansprechen. Mich hat das bewegt.
Zum Thema Grenzschließungen. Ich habe jahrzehntelang für die Verständigung insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich gearbeitet. Wenn JeanClaude Juncker, den wir einmal eingeladen hatten, sagt, die Art und Weise, wie Deutschland vorgegangen ist, wird bleibende Schäden zur Folge haben, dann sollten wir das ernst nehmen. Ich sage das nicht aus irgendeinem vordergründigen Opportunismus. Das war ein Fehler der Bundesregierung, so vorzugehen.
Ich möchte Ihnen sagen, woran das liegt. Das liegt daran, dass bei den Entscheidern - hier nenne ich Namen - Frau Merkel und Herrn Seehofer zu wenig Zugang zur Kultur Frankreichs oder zur Kultur südeuropäischer Staaten vorhanden ist. Das ist der entscheidende Punkt. Ich habe das jahrelang beobachtet. Das ist einfach so. Das letzte Mal, als das deutsch-französische Verhältnis noch wirklich funktioniert hat, war zuzeiten von Kohl und Mitterand. Danach ging es langsam zurück. Chirac und Schröder haben sich noch einigermaßen verstanden, aber was danach kam, ist doch ziemlich bedenklich.
Wir können noch so viel über Europa reden, wenn die Abstimmung mit Frankreich nicht gelingt, wenn der französische Präsident in der Financial Times ein Interview gibt, das an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt, und sagt, es gibt Länder, ohne sie zu nennen, die sich an Europa erinnern, wenn sie ihre Waren verkaufen, aber nicht, wenn sie solidarisch sein sollen, dann sollten wir das als Warnruf nehmen. Dann sollten wir darauf hinarbeiten, dass die Zusammenarbeit mit Frankreich in erster Linie, aber auch mit den anderen europäischen Nachbarn intensiviert wird und dass keine Schäden zurückbleiben. Wir müssen da einiges aufarbeiten.
Ich möchte all denjenigen auch in der Landesregierung danken, die immer wieder darauf gedrungen haben - das war ja nicht alles einmütig innerhalb der Landesregierung; Herr Ministerpräsident, Sie müssen ein wenig den Mantel darüber breiten -, dass wir keine Schäden gegenüber Frankreich anrichten. Das möchte ich in aller Klarheit sagen.
Ich habe keine Uhr hier. Ist hier eine Uhr? - Ach, da ist sie. Ich sehe, ich habe noch 17 Minuten. Das Zweite, was wir bei dieser Diskussion beachten müssen, ist, dass wir unser Krankenhauswesen reformieren müssen. Wir werden eine andere Ansicht haben als beispielsweise die Unionsfraktion; ich weiß es nicht. Auf jeden Fall möchte ich sagen, es hat sich wieder gezeigt, dass die Privatisierung des Krankenhauswesens der falsche Weg ist. Wir sind überzeugt - das gilt nicht für Spezialkliniken -, dass die Krankenversorgung im Grundsatz eine öffentliche Angelegenheit ist und in öffentliche Hand gehört. Der Privatisierungswahn der letzten Jahrzehnte war falsch. Die Krankenhäuser gehören in öffentliche Hand.
Wenn sie nämlich in öffentlicher Hand sind, dann wird die Gewinnerzielung nicht das oberste Prinzip eines Krankenhauses sein. Die war einmal gesetzlich verboten; ich habe es kürzlich wieder gelesen und hatte das längst vergessen. Die Gewinnerzielung war in den Achtzigerjahren noch verboten. Das oberste Prinzip eines Krankenhauses muss es sein, die öffentlichen Mittel so zu nutzen, dass eine optimale Gesundheitsversorgung möglich ist. Nichts Anderes.
Die Privatisierung führt in die Irre. Ich glaube, wenn man sich beim Prinzip der Fallpauschalen - das alles ist in diesem Haus schon diskutiert worden - anschaut, was alles so läuft, und hört, was die Bediensteten und die Ärzte sagen, dann ist es notwendig, dass eine Reform durchgeführt wird und man die Reformen zurücknimmt, die früher durchgeführt worden sind.
An dieser Stelle sieht man auch, dass es viel Misstrauen hervorruft - jetzt komme ich wieder auf die Demonstrationen zurück -, wenn die WHO nur noch zu 20 Prozent staatlich und zu 80 Prozent von Privaten finanziert ist. Das ist eine völlig falsche Entwicklung. Wenn der ehemalige Inhaber eines Internetgiganten - ich meine Bill Gates - große Teile der Aktivitäten der WHO insbesondere auf dem Impfsektor finanziert, dann werden die Menschen misstrauisch. Sie haben recht, misstrauisch zu werden, wenn man weiß, dass dieser Finanzier auch an den Firmen beteiligt ist, die letztendlich das Geschäft mit diesen Impfstoffen machen. Das ist der falsche Weg. Wir müssen den Lobbyismus in der Gesundheitsversorgung zurückdrängen. Das gilt nicht nur für die WHO, das gilt auch für Deutschland. Die Pharmaindustrie darf nicht diktieren, was und wo geforscht wird. Das gehört letztendlich in staatliche Regie. Das ist unsere Überzeugung. Das ist eine der Konsequenzen, die wir aus dieser Entwicklung ziehen.
Wenn ich schon den Namen Bill Gates genannt habe, bin ich bei den systemrelevanten Kräften. Es wird Sie überraschen, wie ich darauf komme. Wir haben jetzt gelernt, wer alles systemrelevant ist. Wir haben gelernt, dass das überraschenderweise diejenigen sind, die sehr schlecht bezahlt werden. Ich möchte Sie mit einer weiteren Einsicht konfrontieren. Diejenigen Kräfte, die am meisten systemzerstörerisch sind, sind am besten bezahlt und häufen das größte Vermögen an. Ich wiederhole, es ist eine merkwürdige Entwicklung unserer Gesellschaft. Diejenigen, die systemrelevant sind, werden am schlechtesten bezahlt und diejenigen, die systemzerstörerisch arbeiten, haben Riesengehälter und häufen irre Vermögen an.
Was meine ich? - Die systemrelevanten Kräfte brauche ich hier nicht noch einmal alle aufzuführen. Das sind diejenigen, die den Laden am Laufen gehalten haben. Ich möchte ganz nachdrücklich sagen, da genügt es nicht, dass wir klatschen, und auch nicht, dass wir einen Bonus zahlen. Ich bitte doch sehr inständig: Diese Menschen verdienen, dass wir endlich dafür sorgen, dass sie auf Dauer besser bezahlt werden. Es genügt nicht, nur Krokodilstränen zu weinen und so weiter.
Sie müssen auf Dauer besser bezahlt werden. Sie kennen den ganzen Maßnahmenkatalog. Das beginnt mit dem Mindestlohn. Den kann man nicht auf der jetzigen Größenordnung lassen. Wenn sie im Alter nicht auf die Grundsicherung angewiesen sein sollen, dann brauchen sie mittlerweile 13 Euro. Das hat die Bundesregierung zehnmal vorgerechnet. Das beginnt auch damit, dass man sich endlich dazu durchringt, dass wir eine wirkliche, sinnvolle Konsequenz aus dieser Krise ziehen. Tarifverträge sollen
in Zukunft allgemeinverbindlich werden, damit man diesen Wildwuchs an Niedriglohnsektor in Deutschland zurückführt und unterbindet. Das ist unsere Überzeugung.
Was meine ich mit systemzerstörerisch? - Die erste große Krise, die wir hatten, war die Bankenkrise. Die machen alle weiter wie bisher. Sie haben weiter Riesengehälter und Vermögen. Sie verdienen jetzt in empörender Weise wieder an dieser Krise. Ist nicht etwas krank an unserem System, wenn man mit Leerverkäufen und Spekulationen wieder Milliarden schaufelt, in der Hoffnung, dass die Wirtschaft richtig herunterkracht? Ist das nicht in irgendeiner Form krank?
Wenn wir wissen - das meine ich mit systemzerstörerisch und demokratiegefährdend -, dass 45 Menschen so viel besitzen wie die Hälfte der Weltbevölkerung, dann muss man doch sehen, dass dieses System krank ist. Man muss wissen, dass das nicht nur Besitz heißt, sondern auch Vermögen. Vermögen heißt nun einmal, dass nicht jeder Mensch in einer Gesellschaft die gleiche Mitwirkungsmöglichkeit hat, sondern die, die ein unendliches Vermögen angehäuft haben, bestimmen die Richtung einer Gesellschaft. Von daher ist die Demokratie in Gefahr. Nicht zuletzt deshalb hat Jimmy Carter die USA eine korrupte Oligarchie genannt, nicht eine Demokratie. Wir müssen dieser Entwicklung der ständigen Konzentration von Vermögen wirklich entgegentreten, sonst ist eine demokratische Gesellschaft unmöglich.
Der Fehler, der auf diesen Demonstrationen gemacht wird, ist, dass man das nur an Bill Gates festmacht. Das ist geradezu albern. Wir haben auch hier in Deutschland genügend zu tun, um zu fragen, ob der Einfluss von diesem oder jenem - ich denke an die Bertelsmann-Stiftung - zu groß ist. Wohin der Einfluss führt, hätten wir gesehen, wenn man im neoliberalen Wahn der Empfehlung der Bertelsmann-Stiftung gefolgt wäre, die Hälfte der Krankenhäuser zu schließen. Das wäre doch eine katastrophale Entwicklung. Diese Ratschläge der Bertelsmann-Stiftung sind ein klarer Hinweis für uns Parlamentarier, darauf hinzuwirken, dass der Lobbyismus in unserer Gesellschaft zurückgedrängt wird und nicht Fehlentwicklungen eintreten, weil wenige, die mehr Geld verdienen wollen, es so wollen.
Nein. Demokratie heißt, die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung müssen sich durchsetzen. Es ist im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung, nicht Betten abzubauen, sondern möglichst solide ein ordentliches Gesundheitswesen zu finanzieren.
Aus zeitlichen Gründen kann ich natürlich nicht alle Bereiche der Wirtschaft ansprechen. Den Automobilsektor möchte ich schon noch ansprechen; das gehört hier hinein. Es wird diskutiert, dass wieder eine Abwrackprämie gezahlt werden soll. Gott sei Dank haben sich jetzt viele Politiker dagegen ausgesprochen, zum Beispiel mit dem Hinweis, dass die Elektroautos ohnehin gefördert werden. Es ist bekannt, dass sie gefördert werden. Auch die Mittelstandsvereinigung der Union hat sich jetzt dagegen ausgesprochen; heute konnten Sie das nachlesen.
Ich begrüße das, weil an dieser Stelle die Schamlosigkeit sichtbar wird, die in unserer Gesellschaft immer weiter um sich greift. Wenn VW 25 Milliarden auf der hohen Kante hat, wenn Daimler 15 Milliarden hat, wenn BMW 11 Milliarden hat und wenn man weiß, dass die letzte Abwrackprämie 6 Milliarden gekostet hat und dass VW - der größte Konzern - trotzdem sagt, wir brauchen jetzt Geld, dann könnte man sagen, dass VW diese Abwrackprämie doch von seinen 25 Milliarden aus der eigenen Tasche bezahlen soll. Es ist eine Unverschämtheit angesichts der Not vieler Menschen, die gar nichts mehr haben, solche Forderungen zu stellen. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.