Ich begrüße das, weil an dieser Stelle die Schamlosigkeit sichtbar wird, die in unserer Gesellschaft immer weiter um sich greift. Wenn VW 25 Milliarden auf der hohen Kante hat, wenn Daimler 15 Milliarden hat, wenn BMW 11 Milliarden hat und wenn man weiß, dass die letzte Abwrackprämie 6 Milliarden gekostet hat und dass VW - der größte Konzern - trotzdem sagt, wir brauchen jetzt Geld, dann könnte man sagen, dass VW diese Abwrackprämie doch von seinen 25 Milliarden aus der eigenen Tasche bezahlen soll. Es ist eine Unverschämtheit angesichts der Not vieler Menschen, die gar nichts mehr haben, solche Forderungen zu stellen. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.
Da müssen wir einen Riegel vorschieben. Deshalb begrüße ich die Überlegungen, dass gesagt wird, Betriebe sollten selbstverständlich gefördert werden, wenn sie in wirtschaftlicher Not sind. Das ist nicht unser Interesse. Das ist das Interesse der Menschen, die davon betroffen sind.
Ich begrüße das Vorgehen der sozialdemokratischen Regierung in Dänemark und das Vorgehen der französischen Regierung des Präsidenten Macron, die sagt, wir stützen Betriebe, aber nicht solche, die noch große Dividenden ausschütten, und nicht solche, die Riesengehälter haben, und nicht solche, die in Steueroasen Tochterfirmen haben, und so weiter. Die Lufthansa hat übrigens auch eine Tochterfirma auf den Cayman-Inseln. Was das alles soll und wohin das läuft, muss man sich manchmal fragen.
Da ist ein Riegel vorzuschieben, denn sonst greift der Geist der Schamlosigkeit immer mehr um sich. Das viele Geld, das jetzt ausgeschüttet wird - ich glaube, ich spreche für die Mehrheit in diesem Parlament -, muss doch bei den Menschen ankommen, die es am dringendsten brauchen. Davon sind wir alle hier nicht betroffen. Aber mir tun die Leute leid, die zu Hause sitzen und nicht wissen, wie es weitergeht. Wenn ich lese, dass die Autokonzerne nur 6 Milliarden brauchen, aber 30 Milliarden, 40 Milliarden oder mehr auf der hohen Kante haben, dann ist das einfach unangemessen und unverschämt. Da müssen wir eine Veränderung haben.
Ich will eines zur Elektromobilität wiederholen, das wir hier schon diskutiert haben: Den Verbrennungsmotor ganz abzuschreiben - das sage ich auch im Hinblick auf Ford ‑, ist einfach nicht zulässig. Umweltpolitisch wäre es sinnvoller, ein 3‑Liter‑Auto auf das Band zu legen als Hybrid- oder Elektroautos mit großen Batterielasten zu verkaufen. Das kann man alles nachrechnen. Den Verbrennungsmotor ganz abzuschreiben, nur weil alle den GRÜNEN hinterherrennen, da sie plötzlich ein Hoch in den Umfragen hatten, ist nicht zielführend. Ein 3- oder 1‑Liter‑Auto, das Herr Piëch mal vorgestellt hat, wäre auch ein Weg, um die Umwelt zu schützen, und ein Weg, der nicht darauf setzen würde, dass die Interessen von Konzernen gewahrt bleiben, die nicht an der Saar produzieren. Ich möchte das nur anmahnen und bitte Sie, das im Auge zu behalten, liebe Freundinnen und Freunde.
Ich möchte noch etwas zu den Gaststätten sagen Sie, Herr Ministerpräsident haben darauf schon Bezug genommen. Ich habe mit vielen Menschen gesprochen. Sie wissen, dass das Gastgewerbe mir immer persönlich am Herzen lag.
In früheren Jahren habe ich es intensiver in Anspruch genommen als heute, aber es liegt mir gleichwohl noch am Herzen. Ich bedauere, wie es den ganz kleinen Betrieben geht. Ich habe eine Bitte: Wir haben alle begrüßt, dass die Mehrwertsteuer gesenkt wird.
Ja, das haben wir alle begrüßt. Ich habe nun die Bitte, dass man die Getränke mit einbezieht, denn von den Getränken leben die meisten.
Das ist unser Vorschlag. Ich bitte Sie, dies vielleicht bei den Beratungen im Bundesrat mit einzubeziehen. Das gilt nicht nur für die Edelgastronomie, es gilt eben auch für die kleinste Kneipe an der Ecke, die keine Speisen verkauft. Ich habe gelesen, dass Sie sich, Herr Strobel, dafür eingesetzt haben, und es sofort begrüßt. Wir sollten das hier als Gemeinsamkeit sehen und uns dafür einsetzen, dass auch die kleinen Kneipen unterstützt werden. Allein in Paris - das habe ich in Le Monde gelesen - wurden 25.000 Restaurants geschlossen. Stellen Sie sich einmal diese Zahl vor. Der Gaststättenverband rechnet damit, dass 70.000 Restaurants in ganz Deutschland geschlossen werden - damit man mal die Größenordnung kennt. Wenn es von unserer Seite irgendwie möglich ist, sollte man helfen. Ich sage bei den fraktionsinternen Beratungen immer
wieder, dass der Staat nicht alles lösen kann. Herr Schäuble hatte recht, als er gesagt hat, dass der Staat den Umsatz von allen Betrieben nicht garantieren kann. Deswegen sage ich: Wir müssen helfen, soweit wir können. Wir müssen aber die Hilfe dort konzentrieren, wo sie am dringendsten gebraucht wird, und nicht dort, wo letztendlich nur noch die Dividenden steigen.
Noch ein Wort zur Kultur. Ich sehe es schon, die Redezeitanzeige wird rot. Ich sehe die Farbe Rot zwar gerne, aber das hier war eine Warnung.
Ein Wort zur Kultur. Ich mache es kurz aufgrund der verbleibenden Zeit. Jack Lang hat kürzlich in Frankreich ein Interview gegeben und eine Lanze für die Kultur gebrochen. Er hat gesagt: Die Kultur ist Brot für die Seele, sie ist Quell des Glücks und der Großzügigkeit. - Ich sehe das auch so. Er war, glaube ich, einmal bei uns zu Gast, so ganz sicher bin ich aber nicht. Die Kultur sollte auch nicht aus den Augen verloren werden. Ich denke dabei nicht nur an die großen Institutionen, die wir alle immer im Auge haben, sondern ich denke an die vielen kleinen. Vielleicht sollte man sich Gedanken machen, wie man helfen kann. Mir ist die Idee gekommen, dass der Rundfunk behilflich sein und einen Platz bieten könnte, wo Kunst angeboten werden kann. Es könnte ein Mindesthonorar dafür ausgezahlt werden. Das wäre doch vielleicht eine Möglichkeit, um den Menschen zu helfen, die als Künstler überhaupt keine Perspektive mehr sehen und in immer größere Schwierigkeiten kommen. Sie wissen doch, dass in diesem Bereich teilweise von der Hand in den Mund gelebt wird. Das ist das Künstlerleben, das besungen und gepriesen wurde, aber in diesen Krisen führt es dazu, dass man von heute auf morgen dasteht und nicht mehr weiter weiß.
Eine letzte Bemerkung zu den Finanzen. Wir haben uns sicherlich ein bisschen Luft verschafft, aber wir als Land haben nach wie vor große Probleme. Das wollte ich nur noch mal anmerken, nicht aus Beckmesserei. Ich vergleiche unsere Entwicklung immer mit den anderen Bundesländern. Das ist, glaube ich, nicht unbillig. Im Vergleich zu anderen Bundesländern haben wir einfach eine große Investitionslücke. Das wollte ich im Jahrzehnt der Investitionen nur anmerken. Wenn die Investitionslücke zu groß wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, fallen wir einfach weiter zurück. Deshalb müssen wir immer wieder überlegen, was wir tun können. Wir sollten vielleicht den Widerstand in der Unionsfraktion gegen den Vorschlag des Bundesfinanzministers - ich denke da an Herrn Rehberg -, dass wir an die Gemeinden denken und ihnen helfen, brechen. Das wäre jetzt besonders wichtig, weil die Gemeinden in Not sind. Auch der Saarland-Pakt nützt irgendwann nichts mehr, wenn das so weitergeht. Sie haben das auch
angedeutet, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Deshalb sollten wir in der Hinsicht Anstrengungen unternehmen.
Ich fasse zusammen: Wenn wir an die wirtschaftliche Entwicklung denken, sollten wir auch - den Gedanken will ich noch anbringen - unser Exportmodell überprüfen. Das Exportmodell, auf das wir jahrelang so stolz waren, führt zu großen Problemen. Wir werden es sehen. Es ist ein Modell, das darauf setzt, Exportüberschüsse zu erwirtschaften. Das ist - ich kann es nicht oft genug sagen - im Übrigen gesetzeswidrig. Obwohl viele Minister Eide auch auf dieses Gesetz leisteten, kennen sie es gar nicht mehr. Das ist das Gesetz zur Förderung und Stabilisierung von Wachstum aus den Siebzigerjahren, in dem gesagt worden ist, dass wir Außenwirtschaftsgleichgewicht brauchen. Das heißt, wir müssen den anderen so viel abkaufen, wie wir ihnen verkaufen. Es ist völlig verloren gegangen, aber dieses Exportmodell unserer Wirtschaft muss überprüft und geändert werden, auch wenn manch ein Betriebsratsvorsitzender oder Automobilkonzern es beispielsweise nicht begreifen will - ich sage das jetzt bewusst, um nicht nur in diese Richtung zu sprechen. Man kann nicht nur auf Kosten der Nachbarn leben.
Was unsere Zukunft angeht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir noch lange nicht über den Berg. Ich kann dem Ministerpräsidenten nur zustimmen: Niemand von uns weiß, was in den nächsten Wochen und Monaten passiert. Ich hoffe, dass sich der Coronavirus wie andere Viruserkrankungen verhält, das heißt, dass er seinen Höhepunkt im Januar/ Februar hat und im Sommer langsam ausklingt. Ich habe außerdem die geheime Hoffnung, dass er sich wie ein voriger Virus verhält, der nicht mehr wiedergekommen ist. Das wissen wir alles nicht. Die große Herausforderung wird sein, dass wir diesen „Lockdown“ - mir persönlich wäre der französische Begriff „confinement“ lieber gewesen - nicht auf Dauer aufrechterhalten. Darüber müssen wir jetzt schon anfangen nachzudenken. Was machen wir denn, wenn sich die Situation stabilisiert und wir immer wieder tätig werden müssen? - Das bedarf einer wirklichen Kraftanstrengung, da müssen wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Wir müssen vielleicht auch unseren Ehrgeiz darauf verwenden, andere neue Ideen zu entwickeln, die uns weiterbringen. - In diesem Sinne, Glück auf.
Vielen Dank. - Zur Begründung des Antrages der Koalitionsfraktionen erteile ich Herrn CDU‑Fraktionsvorsitzenden Alexander Funk das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lafontaine, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede der Landtagsverwaltung für die hervorragende Organisation gedankt. Das gibt mir die Gelegenheit, zunächst auf diesen Ort einzugehen, denn wir tagen heute an einem besonderen Ort, der mehr ist als nur ein Ausweichquartier in Corona-Zeiten. Die Congresshalle im Herzen von Saarbrücken ist eng verbunden mit der Geschichte unseres Saarlandes. Am 01. Januar 1957 schloss sich das Saarland als zehntes Bundesland an die Bundesrepublik Deutschland an. An diesem geschichtsträchtigen Tag bei der Feierstunde im heutigen Staatstheater verkündete der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer, dass die Bundesregierung beschlossen habe, zur Erinnerung an den damaligen Tag die Mittel für die Errichtung eines Hauses zur Verfügung zu stellen, das der Mittelpunkt aller kulturellen Bestrebungen des Landes werden soll. Der 01. Januar 1957 war die Geburtsstunde der Congresshalle. Der Bau und die Finanzierung waren ein Kraftakt, ein gemeinsames Aufbäumen von Stadt, Land und Bund so kurz nach der Wiedereingliederung, sozusagen ein erster gelebter Akt des Zusammenhalts. Dieser Ort ist aber nicht nur ein Ort der Vergangenheit, sondern vielmehr ein Ort der Zukunft. Bis 2025 soll an dieser Stelle ein modernes Messe- und Kongresszentrum, ein neuer Mittelpunkt der Kulturlandschaft im Saarland, entstehen.
Zusammenhalt leben, Zukunft gestalten - dieser Leitsatz gilt in diesen Wochen und Monaten ganz besonders für unser Saarland. Wir erleben eine Krise mit historischem Ausmaß. Sie kam unerwartet, plötzlich und ihre Folgen sind immer noch nicht abzuschätzen. Zehn Wochen ist es nun her, dass der erste Corona-Fall im Saarland festgestellt wurde. Von einem auf den anderen Tag stand das öffentliche Leben still, genauso still wie die Bänder in den saarländischen Betrieben in Völklingen, Dillingen und Saarlouis. Einige schwierige Wochen liegen hinter uns und noch mehr schwierige Wochen vor uns, denn der Kampf gegen das Coronavirus ist noch lange nicht gewonnen, auch wenn wir uns in der ersten Runde recht gut geschlagen haben. Trotzdem können wir positiv und mit Tatendrang nach vorne blicken, denn wir haben in den vergangenen Wochen erlebt, was unser Land und seine Menschen leisten können, dass sie über sich hinauswachsen können, dass sie zusammenhalten.
Unser Ministerpräsident Tobias Hans hat in seiner Regierungserklärung all diesen Menschen gedankt und sie aufgezählt. Er hat die systemrelevanten Berufsgruppen genannt. Natürlich, Herr Lafontaine, gehört es auch dazu, dass sie ausreichend und angemessen bezahlt werden, aber in unserer sozialen Marktwirtschaft ist es richtig und wichtig, dass die
Tarifpartner diese Löhne verhandeln. In dieser Krise sollte man von diesem Prinzip der Marktwirtschaft keinen Abstand gewinnen.
Bei dieser ganzen Aufzählung wurde zumindest bei unserem Ministerpräsidenten eine Gruppe nicht erwähnt, deswegen mache ich das gerne: Ich möchte der Landesregierung danken. An vorderster Front steht unser Ministerpräsident, aber natürlich auch die stellvertretende Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und das gesamte Kabinett. Sie haben in den vergangenen Wochen Hervorragendes geleistet. Wir als CDU-Fraktion können sagen, dass wir stolz auf diese Landesregierung sind.
Die Große Koalition hat an einem Strang gezogen bis hin zu den Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern im Land und in den Kommunen. Auch ihnen gebührt unser Dank. Die vergangenen Wochen waren für jeden von uns Wochen der Entbehrung, Wochen schwieriger Entscheidungen, vielleicht sogar Wochen der Verzweiflung. Jeder von uns kann dazu eine Geschichte erzählen. Es sind Geschichten von großen und kleinen Unternehmern, die nachts nicht schlafen konnten, weil sie Angst um ihre Beschäftigten und ihren Betrieb hatten, und von Beschäftigten, die nachts auch nicht schlafen konnten, weil sie Angst um ihren Lohn und die Zukunft ihrer Familie hatten, und von Familien, die nachts nicht schlafen konnten, weil sie Angst um ihre Liebsten hatten, die sie nicht besuchen oder gar auf ihrem letzten Weg begleiten konnten, die plötzlich durch Grenzen getrennt waren, die es lange Zeit gar nicht mehr gab. All das sind Geschichten, die uns zeigen, dass diese Krise jeden einzelnen von uns auf ihre ganz eigene Art getroffen hat. Genau deswegen danke ich Ihnen allen, liebe Saarländerinnen und Saarländer, für Ihr Durchhaltevermögen, Ihr Verständnis für diese Maßnahmen, für den besonderen Zusammenhalt in unserem Land und für das Miteinander der letzten Wochen. Herzlichen Dank!
Der Zusammenhalt im Saarland wird auch weiterhin dringend nötig sein. Wir können die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen dieser Krise nur gemeinsam bestehen. Das Saarland, Deutschland, Europa und die gesamte Welt steuern auf eine Wirtschaftskrise zu, deren Ausmaße heute noch gar nicht abzuschätzen sind. Nicht wenige Experten vergleichen sie mit der großen Depression der Zwanzigerjahre.
Prompt melden sich auch die ersten Schlaumeier zu Wort und behaupten: Die gesamten Schutzmaßnahmen und das Herunterfahren der Wirtschaft seien überhaupt nicht notwendig gewesen. - Natürlich gibt es ein moralisches Dilemma der Krise. Natürlich gibt
es ein moralisches Dilemma bei der Bekämpfung dieser Pandemie. Welchen Preis ist eine Gesellschaft bereit zu zahlen, um Menschenleben zu retten? - Das ist eine Frage, die in weniger existenziellen Zeiten mit einem Tabu belegt ist, aber selbst da stellt sie sich, zum Beispiel wenn es um die Finanzierung teurer Krebsmedikamente oder um den Personalabbau im Gesundheitswesen geht. In diesen Wochen und Monaten stellt sie sich jedoch drängender und für viele von uns. Eigentlich geht es nicht um ein Dilemma, sondern um ein Trilemma. Drei Güter müssen gegeneinander abgewogen werden: Wohlstand und soziale Sicherheit, Freiheitsrechte der Demokratie und die Pflicht des Staates, Gesundheit und Menschenleben zu retten. - Demokratie lebt von offener Debatte, von der Abwägung dieser Güter. Gerade in einer Krise darf sie das auch nicht aufgeben.
Herr Lafontaine, da bin ich bei Ihren Ausführungen, dass das Parlament regelmäßig oder sogar vor diesen einschneidenden Maßnahmen, die die Regierung getroffen hat, gehört werden soll. Ich glaube, dass das in der Tat eine Bremse wäre. Es musste oft schnell von heute auf morgen reagiert werden. Natürlich hat die Landesregierung im sogenannten Corona-Ausschuss das Parlament darüber informiert. Wir waren also informiert. Jedoch eine Pflicht daraus zu machen, vor einer solchen Maßnahme das Parlament zu hören, halte ich in einer solchen Krise für gefährlich. Selbstverständlich können wir über andere Vorschläge der LINKEN diskutieren wie Ihren Vorschlag eines Pandemieberichts, der dann jährlich im Parlament zu hören ist. Das halte ich für durchaus möglich. Außerdem hat ein Parlament jederzeit die Möglichkeit, handlungsfähig zu sein und zu bleiben, Sitzungen einzuberufen und andere Gesetze zu machen. Wie es der Landtagspräsident zu Beginn der heutigen Sitzung gesagt hat: All diese Maßnahmen basierten auf einer gesetzlichen Grundlage, dem Infektionsschutzgesetz, das im Bundesrat und Bundestag beschlossen wurde. - Insofern waren alle Maßnahmen demokratisch legitimiert.
Trotzdem ist es richtig, dass gerade diese schwierigen Entscheidungen nicht getroffen werden dürfen, ohne dass klar ist, was auf dem Spiel steht. Es ist weder unmoralisch noch zynisch zu benennen, was gegeneinander abgewogen werden muss. Die Politik muss diese Abwägung offener als bisher debattieren und kommunizieren. Wenn wir jetzt die gesundheitlich Schwächsten schützen, müssen wir sicherstellen, dass die wirtschaftlich Schwächsten nicht langfristig den Preis dafür zahlen. Das gilt für Deutschland, das gilt aber ganz besonders für die Europäische Union.
Die ersten Reaktionen auf COVID-19-Virus waren besorgniserregend. Grenzschließungen, Abschottung und der Kampf um Masken und Schutzausrüs
tung - jeder war sich zunächst selbst der Nächste. Beinahe hätten wir unseren europäischen Kompass verloren. Zum Glück kehrt aber eine Besinnung auf unsere Gemeinschaft zurück. Deutschland und das Saarland stellen freie Krankenhauskapazitäten für unsere europäischen Freunde zur Verfügung. Auch die gemeinsame europäische Beschaffung von Schutzausrüstung im Kampf gegen das Virus ist ein wichtiger Schritt. Der Weg der Solidarität und Zusammenarbeit muss fortgesetzt werden. Ich bin daher unserer Kollegin Helma Kuhn-Theis ausgesprochen dankbar dafür, dass sie gemeinsam mit dem Interregionalen Parlamentarierrat bereits frühzeitig einen grenzüberschreitenden Pandemieplan gefordert hat. Dieser sollte nun auch zügig erarbeitet werden. Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht hat, dass wir natürlich den Austausch mit unseren Nachbarn benötigen und dass er daher als Gipfelpräsident der Großregion einschlägige Gespräche führt.
An dieser Stelle möchte ich auch Ihnen, Herr Lafontaine, ausdrücklich beipflichten, dass die Abschottung, dass die Grenzschließung vonseiten der Bundesregierung besser hätte kommuniziert werden müssen. Dabei wurde Porzellan zerschlagen und es liegt nun an uns, dafür zu sorgen, dass die grenzüberschreitende Freundschaft auch künftig mit Leben gefüllt wird. Wir müssen begreifen, dass Europa diese Pandemie gemeinsam angehen muss - auch und gerade, was die wirtschaftlichen Folgen angeht.
Ich habe davon gesprochen, diese Wirtschaftskrise könne die Dimensionen der Krise in den Zwanzigerjahren annehmen. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen, damit die damaligen Fehler nicht wiederholt werden. Viele glauben ja, Auslöser der damaligen Krise sei der „schwarze Freitag“ gewesen, der weltweite Börsencrash. Dabei war dies nur der Funke, der das Pulverfass zum Explodieren brachte. Infolge des Ersten Weltkriegs bestanden weltweit zwischen nahezu allen Ländern Spannungen. Nahezu alle Länder waren hochverschuldet, jedes Land versuchte, durch hohe Zollmauern, Abschottung und Nationalismus für sich den größten Vorteil herauszuschlagen. Statt sich auf den Weltmarkt zu konzentrieren, konzentrierte man sich auf den Binnenmarkt.
Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass historische Vergleiche immer hinken und wir heute nicht in die Depression der Zwanzigerjahre hineinrutschen werden, bereiten mir doch gewisse Parallelen Sorgen: Die Staatsschuldenkrise in Europa ist nicht gelöst, Handelshemmnisse nehmen zu, der Welthandel nimmt ab. Und jeder schaut derzeit zunächst einmal auf sich selbst. So hat der deutsche Staat in kürzester Zeit insgesamt 1,4 Billionen Euro mobilisiert, die Größe des Hilfspakets für die deutsche Wirtschaft umfasst 33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und