Protokoll der Sitzung vom 13.05.2020

Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass historische Vergleiche immer hinken und wir heute nicht in die Depression der Zwanzigerjahre hineinrutschen werden, bereiten mir doch gewisse Parallelen Sorgen: Die Staatsschuldenkrise in Europa ist nicht gelöst, Handelshemmnisse nehmen zu, der Welthandel nimmt ab. Und jeder schaut derzeit zunächst einmal auf sich selbst. So hat der deutsche Staat in kürzester Zeit insgesamt 1,4 Billionen Euro mobilisiert, die Größe des Hilfspakets für die deutsche Wirtschaft umfasst 33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und

das wird noch mehr werden, denn nach dem Ende der Corona-Krise sind große Konjunkturprogramme erforderlich, um die Volkswirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Unser Motto dabei ist: Wir können uns das leisten. Denn wir haben, auch darauf wurde bereits hingewiesen, einen starken Rechtsstaat; dass das so ist, haben wir in den vergangenen Wochen gesehen. Wir haben auch eine starke soziale Marktwirtschaft, bei der wir aus dem Vollen schöpfen können, um die Folgen dieser Krise abzumildern. Andere Länder haben das nicht und können das nicht. Nur zum Vergleich: Die Rettungspakete von Spanien und Italien haben ein Volumen von 7 Prozent des jeweiligen BIP.

Da aber das Problem gesamteuropäisch ist, sollten auch die Gegenmaßnahmen gesamteuropäisch sein. Europa benötigt ein gemeinsames Hilfspaket, das für alle zugänglich ist und das Geld dorthin verteilt, wo die wirtschaftlichen Schäden am schlimmsten sind. Nur so kann Europa als Gemeinschaft mit dieser Jahrhundertkrise fertigwerden! Das Argument, damit belohne man nur das unverantwortliche Fehlverhalten der Schuldenländer, ist aktuell ein völlig deplatziertes Totschlagargument. Denn es geht hier nicht um die permanente Einführung von Eurobonds, sondern um einen einmaligen Sonderfonds zur Bewältigung der Folgen einer globalen Pandemie. Dafür braucht man Mut und es bedarf des politischen Willens. Europa könnte damit ein starkes Signal sowohl nach innen als auch nach außen senden: Wir stehen diese Krise gemeinsam durch. - Das würde die Finanzmärkte beruhigen und spekulative Attacken schon im Keim ersticken.

Darüber hinaus gibt es aus unserer Sicht aber auch ein starkes eigennütziges Argument: Deutschland braucht als Exportnation Handelspartner, die nicht am Boden liegen. Benötigt werden Partner, die unsere Spitzenprodukte nicht nur kaufen wollen, sondern auch kaufen können. Helfen wir also Italien und Spanien, so helfen wir auch ein Stück weit uns selbst.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei der LINKEN.)

Denn auch unsere Wirtschaft braucht Europa. Globalisierung, lange Lieferketten, Just-in-Time-Produktion werden sicherlich auch in Zukunft nicht ganz verschwinden. Das ist auch gut so, denn Deutschland war einer der großen Profiteure der Globalisierung. Die Krise verdeutlicht aber wie unter einem Brennglas, wo die Schwächen dieses Systems liegen. Der Selbstversorgungsgrad ist, abgesehen vom Lebensmittelbereich, in den zurückliegenden Jahren stetig gesunken.

Lebenswichtige Medikamente und Grundstoffe werden teilweise nur noch in einem Land produziert. So etwas kann in einer Krise Leben kosten. In unserem Homeoffice machen wir Videoschalten mit Systemen

(Abg. Funk (CDU) )

und auf Basis von Servern aus den Vereinigten Staaten. Das alles heizt den Wettbewerb der Systeme an. China und andere Staaten bewerben bereits heute im Ausland ihr staatszentriertes Wirtschaftssystem, dies gepaart mit einem prall gefüllten Geldbeutel, mit dem China schon nach der letzten Finanzkrise auf große Shopping-Tour durch Europa ging und damit seinen Einfluss in vielen europäischen Unternehmen massiv erhöht hat. So etwas darf sich nicht wiederholen, wir müssen europäisch helfen und müssen den weiteren Ausverkauf unserer Unternehmenslandschaft verhindern.

(Beifall der Regierungsfraktionen und bei der LINKEN.)

Ich glaube, angesichts dessen müssen wir uns in der Zukunft einer Frage stellen, der Frage der Abwägung zwischen wirtschaftlicher Effizienz und Risikoabschätzung. Wir müssen uns darüber klar werden, was Schlüsseltechnologien sind und was wir bereit sind, für den Erhalt dieser Technologien zu bezahlen. Was ist uns eine Reduzierung der Abhängigkeit letzten Endes wert und wie finanzieren wir diese Kosten? An dieser Stelle kommt wieder die Europäische Union ins Spiel: Schutzmasken, Medikamente oder IT-Ausstattung müssen ja nicht unbedingt einzig und allein bei uns hier im Saarland produziert werden, das können auch unsere Freunde in Frankreich, in Spanien oder in anderen Ländern der EU. Aber dann darf es eben in einer Krise auch keine Ausfuhrbeschränkungen und keine nationalen Egoismen in Europa mehr geben. Oder, wie Helmut Kohl es formulierte: Nur wenn Europa mit einer Stimme spricht und seine Kräfte bündelt, kann es sein Gewicht angemessen zur Geltung bringen. Volkswirtschaftliches Vertrauen in der Europäischen Union ist der Schlüssel zu mehr Selbstständigkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das alles wird in Deutschland, auch im Saarland, Investitionen erfordern. Das beziehe ich übrigens auch auf unsere Krankenhäuser. Ja, Herr Lafontaine, auch darüber müssen wir diskutieren. Ob wir nun gleich wieder über ein Gewinnerzielungsverbot gehen müssen oder doch andere Lösungen wählen zunächst einmal ist mir wichtig, dass die Krankenhäuser ausreichend in ihre Gebäude investieren können. Denn in einer solchen Krise ist es notwendig, dass auch insoweit die Voraussetzungen stimmen.

(Beifall von der CDU und bei der SPD.)

Es bedarf eines gesellschaftlichen Konsenses darüber, was uns in unserem Land und in unserer Wirtschaft lieb und wichtig ist und was das Ganze kosten darf. Diese Debatte möchte die CDU‑Fraktion von der heutigen Plenarsitzung ausgehend starten. Schon im nächsten Plenum, am 24. Juni, werden wir einen Nachtragshaushalt verabschieden und damit auch für uns im Saarland entscheiden, wie wir diese

Krise als Chance nutzen können. Für mich ist klar, dass dafür dringend Investitionen in unsere Infrastruktur notwendig sind, dass wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern müssen und dass wir auch unsere Kommunen nicht im Stich lassen dürfen. Ich werbe dafür, dass der Nachtragshaushalt, der in Form eines Sondervermögens „Corona“ gestaltet wird, alle direkten und indirekten finanziellen Folgen dieser Pandemie abdeckt und dazu beiträgt, dass wir künftige Krisen dieser Art noch besser abfangen können. Ich warne davor, den Blick zu eng zu fassen und zu glauben, man könne dies in fünf oder zehn Jahren leisten beziehungsweise das in diesem Zeitraum finanzieren. Nein, es handelt sich hier um eine Generationenaufgabe. Sie beinhaltet den ökologischen Umbau unserer Wirtschaft, Gebäudesanierungen zur Energieeinsparung und die Aufrechterhaltung unseres sozialen und kulturellen Lebens im Saarland.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Auch unsere Kommunen müssen handlungsfähig bleiben. Unser Ministerpräsident hat es schon gesagt, ich halte das für einen der wesentlichen Punkte: Der Erfolg des Saarland-Paktes darf durch die Folgen der Corona-Pandemie nicht verpuffen. Deshalb setzen wir uns für die Unterstützung unserer Kommunen ein. Rettungsschirme sind nicht nur für die Wirtschaft, für Unternehmer, Künstler, für Vereine, für wen auch immer sonst noch notwendig, sondern auch für das Herz unserer Gesellschaft, gerade für unsere Kommunen. Dort, wo unser Zusammenleben organisiert wird, müssen wir handlungsfähig bleiben. Deshalb darf ich bereits heute unseren Kommunen versprechen, dass wir sie mit den Kosten der Pandemie nicht allein lassen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich werbe auch dafür, dass nun eine Digitalisierungsoffensive folgt, die den Bildungsbereich ebenso umfasst wie die Landes- und Kommunalverwaltungen, ja, auch unseren Landtag. Das Abstandsgebot und die daraus resultierende Heimarbeit oder der Heimunterricht haben unsere Schwachstellen schonungslos offengelegt. Die öffentliche IT-Infrastruktur ist ebenso wie die IT-Infrastruktur in manchen Unternehmen unterentwickelt oder überlastet. Der Umgang mit Video- und Telefonkonferenzen ist teilweise viel zu wenig erprobt. Wesentliche Prozesse in der öffentlichen Verwaltung, nicht nur in der Gesundheitsversorgung, sind noch nicht digitalisiert und sorgen für eine langsamere Handlungs- und Reaktionsfähigkeit. Auch ist der Anteil digitaler Geschäftsmodelle und digitaler Arbeitsprozesse an der Bruttowertschöpfung in Deutschland noch zu gering, um die Konjunktur beim Rückgang im produzierenden Gewerbe substanziell stabilisieren zu können. Auch dies ist mindestens anteilig eine Folge der unterentwickelten öffentlichen IT-Infrastruktur.

(Abg. Funk (CDU) )

Diese Schwachstellen zu beseitigen und dort zu helfen, wo Hilfe notwendig und erforderlich ist, wird natürlich viel Geld kosten. Auch insoweit bin ich, lieber Tobias, dankbar, dass du genau das angekündigt hast: Dass wir jetzt auf dem Weg in die Wirtschaft 4.0 die Digitalisierung schneller angehen wollen und angehen werden, denn auch das ist notwendig, um zukünftige Krisen dieser Art schneller zu bewältigen. Das mag viel Geld kosten, aber wir müssen nun bereit sein, dieses Geld zur Verfügung zu stellen.

So sehr die Schuldenbremse in der Vergangenheit notwendig und richtig war - schließlich ist sie auch die Voraussetzung dafür, dass Deutschland in dieser Situation so handlungsfähig ist - und so sehr diese Schuldenbremse auch in der Zukunft gebraucht wird, so richtig ist es jetzt, dieses geplante Sondervermögen - das ja im eigentlichen Sinne kein Vermögen ist, sondern die Möglichkeit, neue Schulden zu machen - zu nutzen, um unser Land zukunftsfähig zu machen.

Meine Damen und Herren, die vergangenen Wochen haben vielen Saarländerinnen und Saarländern, haben uns allen vieles abverlangt. Sie haben uns aber auch verdeutlicht, dass wir zusammenhalten. Am 01. Januar 1957 ging mit der Ankündigung des Baus der Congresshalle, in der wir heute tagen, schon einmal ein Signal ins Land. Ich wünsche mir, dass auch von der heutigen Plenarsitzung in diesem Haus ein Signal ausgeht, ein Signal des Aufbruchs in unserem Land. Ein Signal, dass wir bereit sind, anzupacken und die Zukunft mit Mut und Tatendrang zu gestalten. Dazu rufe ich Sie alle auf!

(Anhaltender Beifall von den Regierungsfraktio- nen.)

Vielen Dank. - Zur Begründung des Antrags der AfDLandtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Lutz Hecker das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich begründe hier nun zunächst unseren Antrag, der Fraktionsvorsitzende wird sich im Anschluss zur Regierungserklärung äußern.

Wir wissen, dass das Saarland seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seinen Schlüsselindustrien verdankt. Seit Jahrzehnten und teilweise seit Jahrhunderten und bis heute verdankt unsere Region den Großteil ihrer Wertschöpfung den Unternehmen der Stahlindustrie, dem Kohlebergbau, der Automobilindustrie mit ihren Zulieferern und den Kraftwerken. Es ist schon bezeichnend, Herr Ministerpräsident, dass das einzige, was Ihnen zu den Schlüsselindustrien in Ihrer Regierungserklärung eingefallen ist, der folgende Satz ist: Alte Industrien sind noch nicht weit

genug modernisiert und damit gefährdet. - Das ist uns eindeutig zu wenig.

Ich möchte nun die Forderungen unseres Antrags begründen. Ein Rechtsgutachten des juristischen Dienstes des EU-Parlaments hat erst kürzlich, am 20. März dieses Jahres, ergeben, dass der Versuch der EU-Kommission, sogenannte Delegierte Rechtsakte zur Erreichung der Emissionsziele im Rahmen des Green Deal zu verwenden, mit Art. 290 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU unvereinbar ist. Klar ist außerdem, dass das Saarland im Rahmen des Green Deal, insbesondere mit dem neu aufzulegenden Just Transition Fund, Stand heute daraus keinerlei Mittel erhalten wird. Im Gegenteil, dieser Fonds soll mit erheblichen Mitteln aus den bisherigen Fonds EFRE und EFS kofinanziert werden, die damit dem Saarland zwangsläufig nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Das wird erhebliche Mindereinnahmen in den Haushalten, insbesondere im Haushalt des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, nach sich ziehen.

Allein aus diesem Grunde kann die Landesregierung nicht glaubhaft über den sogenannten Green Deal hocherfreut jubeln. Aus den Planungen der EU geht hervor, dass von den tatsächlich nur 7,5 Milliarden Euro - und auch die sind noch keineswegs sicher -, die im gesamten Billionenpaket Green Deal die einzigen wirklich zusätzlich durch die EU bereitgestellten Mittel darstellen, nur 877 Millionen Euro auf Deutschland entfallen. Und das erstens verteilt auf einen Zeitraum von zehn Jahren, zweitens werden nach den Planungen der EU in Deutschland ausschließlich die drei großen Braunkohlereviere davon profitieren. Im Gegenzug sollen diese Mittel um das bis zu Dreifache aus ESF und EFRE, also denjenigen EU-Mitteln, die eine wesentliche Säule des Haushalts des Saarlandes darstellen, aufgestockt werden.

Noch einmal: Deutschland soll aus dem JTF bis zum Jahr 2030 etwa 877 Millionen Euro bekommen, das sind im Schnitt 87,7 Millionen Euro pro Jahr, von denen das Saarland voraussichtlich nichts erhalten wird. Im Gegenzug werden ESF- und EFRE-Mittel in Höhe von bis zu 2,6 Milliarden Euro in den JTF umgeleitet. Laut Ministerium ist der JTF eine von drei Säulen des sogenannten Just Transition Mechanism, der letztlich die 1 Milliarde Euro für den Green Deal bereitstellen soll.

Wir haben nun festgestellt, dass das Saarland, Stand heute, aus dieser ersten Säule überhaupt nicht profitiert, sich aber darum bemühen wird, aus den durchschnittlich 87 Millionen Euro pro Jahr, die für ganz Deutschland zur Verfügung stehen, einen Anteil für das Saarland zu generieren. Demgegenüber besteht aber die reale Wahrscheinlichkeit, dass wir in Deutschland gemäß Vorschlag der Kommission mit 21 Prozent erhebliche Mindereinnahmen aus ESF und EFRE erleiden werden. Aus den beiden

(Abg. Funk (CDU) )

anderen Säulen des JTM wird nach Einschätzung des Wirtschaftsministeriums das Saarland kaum oder gar nicht profitieren können. Insbesondere das Programm Invest EU, für das die Kommission im kommenden Haushalt 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung stellen will, dürfte nach Einschätzung des Hauses von Frau Ministerin Rehlinger für das Saarland, für die Stahlindustrie nicht von Interesse sein.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Der Green Deal mit seinem Kernelement Just Transition Mechanism wird für das Saarland unterm Strich erhebliche Mindereinnahmen aus ESF und EFRE bedeuten. Dass überhaupt nennenswerte Gelder aus dem JTF in das Saarland fließen werden, ist im Moment sehr unwahrscheinlich. Falls es gelingen sollte, daraus Mittel für das Saarland zu generieren, werden diese nicht ansatzweise die Mindereinnahmen aus den anderen Fonds ausgleichen können. Ein Desaster für unsere künftigen Haushalte!

Was bedeutet das nun für unsere Industrie, im Speziellen für die Stahlindustrie? Nun, die schöne Zahl von 1 Billion Euro, die Frau von der Leyen für den Green Deal angekündigt hat, resultiert zur Hälfte, nämlich zu mehr als 500 Milliarden Euro, aus den Einnahmen aus dem ETS-Zertifikatehandel. Die jährliche Mehrbelastung für die saarländische Stahlindustrie allein daraus bewegt sich für die Handelsperiode bis 2030 in der Größenordnung von jährlich 100 Milliarden Euro oder mehr.

Wir haben gesehen, dass aus allen drei Säulen des Green Deal keine Gelder in nennenswertem Umfang ins Saarland fließen werden, schon gar nicht in Investitionen der Stahlindustrie. Die Gründe dafür hat das Ministerium in der Sitzung des Wissenschaftsausschusses ausführlich erläutert. Nun wird aber sowohl von der Industrie selbst als auch von den Gewerkschaften und von großen Teilen der Politik, insbesondere auch von der Regierung, erwartet und gewünscht, dass auf eine auf Grünem Wasserstoff und Grünem Strom basierende Produktion von Roheisen und Stahl umgestellt wird. Als Zeitpunkte für die Umstellung wurden von Herrn Hartmann die anstehenden Revisionen der Hochöfen in den Jahren 2027 und 2030 genannt; Kostenpunkt: 2,5 Milliarden Euro.

Nun wurde aus den gerade angestellten Überlegungen deutlich, dass die saarländische Stahlindustrie zwar erheblich zur Finanzierung eines Green Deal beitragen darf, sie selbst aber mit keinerlei Mitteln daraus für eine politisch gewollte Umstellung auf eine CO2-freie Produktionen rechnen kann. Bleibt also noch die Bundesregierung, die es kaum erwarten kann, der saarländischen Stahlindustrie beihilfetechnisch höchst fragwürdige Milliardeninvestitionsbeihilfen zuzuschießen.

Ich denke, aus diesen Überlegungen, die letztlich auf den Ausführungen des Ministeriums im Wirt

schaftsausschuss beruhen, wird deutlich, dass der Green Deal für das Saarland nur Nachteile mit sich bringt und unserer Stahlindustrie keinerlei Perspektiven bietet, aus der Krise, die bereits seit 2019 erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen mit sich brachte und sich durch die Auswirkungen der aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus weiter verschärft hat, halbwegs zukunftssicher herauszukommen. Der Green Deal ist also auch ohne grundsätzliche parteipolitische Überlegungen im Eigeninteresse des Saarlandes abzulehnen!

Weitere Forderung aus unserem Antrag möchte ich ebenfalls am Beispiel der Stahlindustrie begründen, als da wären die Aussetzung des EDS‑Zertifikate‑Handels, die Aussetzung des Kohleausstieges und die Lockerung der Grundlagen der Berechnung der EEG-Umlage. Auch daraus können Sie ersehen, meine Damen und Herren, dass es mir eben heute nicht um grundsätzliche parteipolitische Erwägungen geht - wie Sie wissen, lehnen wir das EEG-Gesetz grundsätzlich ab -, sondern es geht mir darum, für die sogenannten stromintensiven Unternehmen den Weg aus der Krise flexibler zu gestalten und zu erleichtern. Die Regelung würde § 64 Abs. 1 Ziffer 1 des EEG betreffen und könnte so lauten, dass man sich für die Berechnung der EEG-Umlage eben nicht auf das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr bezieht, sondern den Unternehmen die Möglichkeit lässt, sich auch auf das vorhergehende abgeschlossene Geschäftsjahr zu beziehen. Diese Regelung kann befristet werden, bis die Wirtschaft die gröbsten Folgen der Corona-Krise überwunden hat.

Was ist der Hintergrund? - § 64 im EEG legt fest, ab welcher Stromkostenintensität ein Unternehmen von einem Großteil der EEG-Umlage befreit werden kann. Der Bezug ist immer das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr. Übersteigen nun die Stromkosten 14 Prozent, wie bei unserem Beispiel aus der Stahlindustrie, so werden dem Unternehmen im kommenden Geschäftsjahr 80 Prozent der EEG-Umlage erlassen für den über 1 Gigawattstunde hinausgehenden Verbrauch. Ein zweiter Schwellenwert liegt bei 17 Prozent, ab diesem werden 85 Prozent der Umlage erlassen.

Nun ist die Situation zum Beispiel bei Saarstahl so, das in diesen Zeiten der Krise der Stromverbrauch gegenüber durchschnittlichen Jahren, in denen über 4 Millionen Tonnen Roheisen und Stahl produziert werden, ganz erheblich einbricht. In Zeiten von Kurzarbeit sinken die Lohn- und Gehaltskosten ebenfalls ganz erheblich. Andere Fixkosten werden sich kaum verändern. Diese Änderungen der Kostenstruktur können nun dazu führen, dass die Stromkosten des Unternehmens unter den Schwellenwert von 17 Prozent oder, viel gravierender, unter 14 Prozent absinken. In diesem Fall könnte das Unternehmen nicht mehr von der weitgehenden Befreiung von der EEG-Umlage profitieren. Diese erhebliche

(Abg. Hecker (AfD) )

Steigerung der ohnehin im Weltmaßstab höchsten Industriestromkosten um circa zwei Drittel würde der Wettbewerbsfähigkeit der saarländischen Stahlindustrie einen nachhaltigen Schlag versetzen. Deshalb ist es klug, den Unternehmen einen flexibleren Rahmen für die Berechnung ihrer Stromkostenintensität zu geben, indem man beispielsweise als Bezugszeitraum das letzte o d e r vorletzte abgeschlossene Betriebsjahr zulässt. So kann man energieintensiven Unternehmen, die krisenbedingt weniger Umsatz machen, eine Bestrafung durch erheblich höhere Stromkosten ersparen.

Eine weitere Betrachtung drängt sich mir an dieser Stelle geradezu auf. Ich möchte das wenigstens kurz erklären, da ich glaube, dass die Überlegungen, die ich Ihnen zum Unsinn einer Umstellung der saarländischen Stahlerzeugung auf die Wasserstofflinie schon öfter dargelegt habe, nicht von allen verstanden worden sind. Anhand einiger weniger Zahlen kann das vielleicht etwas klarer werden.

Anhand meiner vorherigen Ausführungen zur EEGUmlage kann man einen halbwegs realistischen Rahmen für den derzeitigen Anteil der Stromkosten bei Saarstahl festlegen. Dieser liegt irgendwo zwischen 14 und 20 Prozent, genauere Zahlen bekommt man als einfacher AfD-Abgeordneter nicht so ohne Weiteres. Gehen wir also der Einfachheit halber vom Mittelwert aus, von 17 Prozent. Das heißt, von 100 Euro Kosten für ein Stahlprodukt entfielen vor der Krise 17 Euro auf den benötigten Strom. Weiter wissen wir, dass Saarstahl und Dillinger vor der Krise ungefähr die Hälfte des im Saarland verbrauchten Stroms benötigt haben, nämlich rund 4 Terawattstunden pro Jahr. Ebenfalls wissen wir von Herrn Hartmann, dass eine Umstellung auf Wasserstoff einen zusätzlichen Energiebedarf von 16 Terawattstunden verursachen würde, in Zukunft also in Summe 20 statt 4 Terawattstunden, das ist eine Verfünffachung! Bei gleichbleibenden Strompreisen auch wenn die Annahme unrealistisch ist - erhöhen sich also unsere 17 Euro auf 85 Euro.

Weiterhin müssen wir davon ausgehen, dass die an 100 fehlenden 83 Euro deutlich geringer werden, sofern wir künftige Kostensteigerungen außer Acht lassen. Wir wissen, dass Saarstahl und Dillinger Anstrengungen unternehmen, um die Personalkostenintensität zu verringern. Weiter werden dann künftig keine Kosten für Koks und andere Rohstoffe für den traditionellen Hüttenprozess mehr anfallen. Das bedeutet also, dass ein Stahlprodukt, das heute 100 Euro kostet, künftig 168 minus X Euro kostet und der Anteil der Stromkosten daran sich auf deutlich mehr als 50 Prozent belaufen wird.

Damit komme ich zu meiner Schlussfolgerung: Ein Produkt, das sich qualitativ nicht von seinem Vorgängerprodukt unterscheidet, jedoch mehr als das Eineinhalbfache davon kostet, wird sich nicht verkaufen lassen! Und selbst, wenn die ganze Welt ihre

Produktion ebenfalls auf Wasserstoff umstellt, wird diese Produktion nicht dort stattfinden können, wo die Industriestromkosten die höchsten der Welt sind. Deshalb noch mal die Forderung: Lassen Sie den Unfug Green Deal, wehren Sie sich dagegen! Es bringt unserem Saarland nichts, es kostet nur und bringt unserer Automobil- und Stahlindustrie erst recht nichts. Setzen Sie sich für eine Aussetzung des Zertifikatehandels ein und setzen Sie sich schließlich für eine Aussetzung des Kohleausstiegs ein. Kein Land auf dieser Welt ist so naiv, dass es zunächst auf die sichere und kostengünstige Energieversorgung aus Kernkraft verzichtet und parallel dazu beginnt, auf den letzten einheimischen Energieträger zu verzichten. Mit dieser Politik nehmen Sie vielen Industrieunternehmen, aber auch allen daran hängenden Zulieferern und Dienstleistern die Chance, halbwegs unbeschadet aus dieser jetzt schon schlimmsten Rezession der Nachkriegszeit zu kommen.