Protokoll der Sitzung vom 05.03.2008

Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fordert mit ihrem Antrag die Einführung des Kommunalwahlrechts für ausländische Mitbürger, die die Staatsangehörigkeit eines Staates außerhalb der Europäischen Union besitzen.

Grundsätzlich erachten wir dies für eine sinnvolle Maßnahme.

Nach Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Mit der Gewährung des Kommunalwahlrechts für Nicht-EU-Ausländer würde der Gesetzgeber darauf reagieren, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland in den letzten Jahren deutlich geändert haben. Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass in Deutschland Millionen von Ausländern nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer leben.

Selbstverständlich gibt es die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit und damit das Wahlrecht zu erwerben. Unabhängig davon bleibt es aber eine Tatsache, dass – aus welchen Gründen auch immer – viele in Deutschland lebende Ausländer dauerhaft ausschließlich ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit haben, keine doppelte Staatsangehörigkeit erwerben können und nicht die deutsche Staatsangehörigkeit unter Aufgabe ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit anstreben.

Meine Fraktion ist davon überzeugt, dass es falsch ist, diese große Gruppe von der Mitgestaltung des unmittelbaren Umfeldes durch Ausübung des kommunalen Wahlrechts auszuschließen. Es dient der Integration, jedenfalls auf der Ebene, wo ein unmittelbarer persönlicher Bezug zu den politischen Entscheidungen besteht, die Mitbestimmung durch Übertragung des Kommunalwahlrechts für alle Ausländer zuzulassen.

Dennoch können wir dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zustimmen. Unserer Ansicht nach muss Voraussetzung für ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer eine gewisse Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland sein. Demgemäß hat die

FDP in ihrem Bundestagswahlprogramm 1994 gefordert, das Kommunalwahlrecht für alle Ausländer einzuführen, die sich seit acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Die erneute Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz weicht im Übrigen von einem eigenen Gesetzentwurf der GRÜNEN, ebenfalls aus dem Jahr 1997, ab. Damals haben auch sie das Kommunalwahlrecht für Nicht-EUAusländer noch an einen rechtmäßigen fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland geknüpft. Auch dem könnten wir zustimmen.

Die aber jetzt über Rheinland-Pfalz eingebrachte Bundesratsinitiative für ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EUAusländer ohne Voraussetzungen lehnen wir ab und somit auch Ihren vorliegenden Antrag.

Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass, wenn zu ihrem im Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf eine öffentliche Anhörung beschlossen wurde, wir auch in Sachsen das Ergebnis dieser öffentlichen Anhörung abwarten sollten.

Ziel des Gesetzesantrags des Landes Rheinland-Pfalz, den die Staatsregierung unterstützen soll, ist die Einführung des Kommunalwahlrechts für Nicht-EU-Ausländer als Gesetzgebungsangelegenheit des Landesgesetzgebers.

Der federführende Rechtsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrates haben dem Bundesratsplenum empfohlen, den Gesetzesantrag nicht in den Deutschen Bundestag einzubringen. Im Plenum ist die Sache bisher nicht auf die Tagesordnung gekommen. Die Staatsregierung legt ihr Bestimmungsverhalten im Bundesrat jeweils in der Kabinettssitzung vor dem Bundesratsplenum fest. So wird sie es auch hier halten; im Moment ist das Bestimmungsverhalten und wegen unterschiedlicher Haltungen der Koalitionspartner zu der hier in Rede stehenden Frage noch nicht entschieden.

Ich trage Ihnen daher im Folgenden nicht die Auffassung der Staatsregierung vor, sondern allein die Auffassung des Innenministers, den ich auch bei diesem Tagesordnungspunkt vertreten darf. Der Innenminister lehnt eine Unterstützung der Initiative im Bundesrat ab.

Erst sollte die Integration abgeschlossen sein, dann – sozusagen als vorletzter Schritt – kann es um die deutsche Staatsbürgerschaft gehen, aus der sich dann das Wahlrecht ableitet.

Das Wahlrecht ist das mit Abstand wichtigste Recht des Bürgers zur unmittelbaren Beteiligung an der Ausübung politischer Macht. Deshalb kann es nicht beliebig verliehen oder gar zum bloßen Mittel zur Integration Einzelner herabgestuft werden.

Das Wahlrecht ist vielmehr denen vorbehalten, die eine besondere – zeitliche, aber auch persönliche – Bindung an das Staatsgebiet haben. Diese Bindung vermittelt sich eben zunächst und nur durch die Staatsbürgerschaft. Wenn ein Nicht-EU-Ausländer eine solche besondere Bindung

eingehen will, so steht es ihm frei, die Staatsbürgerschaft anzustreben. Danach stehen ihm selbstverständlich alle sogenannten Deutschenrechte nach unseren Gesetzen zu.

Solange er aber die Voraussetzung für die Erlangung der Staatsbürgerschaft nicht erfüllt oder diese erst gar nicht anstrebt, ist auch nicht einzusehen, weshalb ihm das wichtigste Teilhaberecht verliehen werden soll, was ein demokratischer Staat überhaupt verleihen kann: das Wahlrecht.

Das 1992 eingeführte Wahlrecht für EU-Bürger steht dem nicht entgegen. Es wurde geschaffen, um den Integrationsprozess der Mitgliedsstaaten innerhalb der EU zu erleichtern und zu fördern. Es dient also dem Zweck, das Zusammenwachsen der Mitgliedsstaaten in der EU zu stärken. Deshalb – und nicht zur beliebigen Ausdehnung des Wahlrechts – steht es den EU-Bürgern innerhalb der EU-Staaten wechselseitig und in gleichem Umfang zu.

Der EG-Vertrag differenziert zwischen EU-Staatsbürgern und anderen Staatsbürgern, räumt das kommunale Wahlrecht allen EU-Bürgern ein und erfasst bewusst nicht alle

Ausländer. Somit liegt auch keine Ungleichbehandlung zwischen EU-Ausländern und Nicht-EU-Ausländern vor, wie immer wieder behauptet wird. Für eine Ausdehnung des Kommunalwahlrechts auf alle Ausländer fehlt es an einem vergleichbaren Grund, wie er im EG-Vertrag und im Grundgesetz festgeschrieben ist.

Der Antrag ist abzulehnen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und so auch die 101. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Das Präsidium hat den Termin für die 102. Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 6. März, 10:00 Uhr, festgelegt. Die Einladung liegt Ihnen vor. Ich wünsche Ihnen jetzt einen guten Nachhauseweg.