Protokoll der Sitzung vom 06.03.2008

(Antje Hermenau, GRÜNE: Nein!)

Verhalten soll geschlechtsspezifisch verordnet oder umgeordnet werden, und zwar mit Mitteln der Politik. Wir wollen keine politisch definierten Geschlechtsbilder – weder so herum noch anders herum.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wie denn?)

Wir wollen auch nicht auf den Weg dorthin. Das ist der – Herr Porsch, auch von Ihnen – immer wieder geträumte Traum des 20. Jahrhunderts von der Machbarkeit der

Gesellschaft durch die Politik: Politiker schaffen sich ihre Gesellschaft.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wozu brauchen wir dann die Politiker?)

Politiker bestimmen, was die Menschen fühlen, wie sie sich verhalten sollen, welche Rollenbilder sie übernehmen sollen oder sonst etwas.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Trotzdem kann ich die gesellschaftlichen Verhältnisse kritisieren!)

Das ist nichts anderes als das Tradierte, nur mit anderem Vorzeichen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Wenn Sie das ernst nehmen und in die letzte Konsequenz denken, dann kommen Sie tatsächlich aus diesen Träumen des 20. Jahrhundert zu jenen kommunistischen Utopien, die so kläglich gescheitert sind,

(Beifall bei der CDU – Zurufe und Unruhe)

indem Sie sagen, wir schaffen uns unsere Gesellschaft, nicht heraus – genauso wie die anderen, die in irgendwelchem Herrenmenschenwahn toben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das will ich den GRÜNEN nicht unterstellen; das soll nicht der Fall sein. Bei Ihnen geht es um die Besserung der bestehenden Gesellschaft mit demokratischen Mitteln. Das setze ich voraus.

Herr Dr. Martens, ich hatte Ihre Antwort nicht verstanden: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, Herr Prof. Porsch.

(Jürgen Gansel, NPD: Lange vermisster Auftritt!)

Politik hat ja offensichtlich doch etwas mit öffentlichen gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun. Herr Dr. Martens stimmen Sie mir nicht zu, dass es legitim ist, wenn Politik und Politikerinnen und Politiker die Gesellschaft, so wie sie ist, zur Kenntnis nehmen, analysieren, feststellen, da könnte man etwas verändern müssen, es wäre nicht schlecht, und das dann auch versuchen? Oder wollen Sie das nicht als Politiker?

Die bloße Kenntnisnahme, der Kenntnisgewinn ist nicht das Problem, Herr Prof. Porsch, – –

Aber etwas verändern wollen?

– aber die Annahme, menschliches Verhalten und die Gesellschaft bis in alle kleinsten Einzelheiten hinein regeln zu können, – –

Nein, darum geht es nicht. Das hat mit Gesellschaftsveränderung nichts zu tun, was Sie hier erzählen.

Bei Ihnen, wie gesagt, geht es um das Bessere der Gesellschaft. Folge ist eine permanente Überforderung des Staates und ein Anspruch, den der Staat gar nicht erfüllen kann. Die Folgen sind Freiheitsverlust und dass ein Verbot, natürlich nur zur Beförderung korrekten Verhaltens, das nächste jagt, meine Damen und Herren.

(Elke Herrmann, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt möchte ich gern zu Ende kommen.

Dafür brauchen wir natürlich mehr Staat, wir brauchen mehr Beauftragte, wir brauchen mehr Geld, wir brauchen mehr Formulare, wir brauchen noch mehr Statistiken und Beauftragten-Beauftragte,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

kurzum, das alles zum Wohle der Menschen. Böckenförde, Verfassungsrichter, hat gesagt: „Der Staat lebt von Voraussetzungen, die er nicht schaffen kann.“ Das müssen manche Politiker wirklich erst verstehen, anstatt ständig neue Allmachtsfantasien zu entwickeln und sie auf den Weg zu bringen in der Hoffnung: Je mehr ich frage, je mehr ich weiß, desto mehr kann ich auch in der Gesellschaft anrichten. – Nein, das geht nicht. Etwas mehr Bescheidenheit wäre hier angebracht.

Diese Große Anfrage wie auch der Entschließungsantrag haben nichts gebracht. Der Erkenntnisgewinn ist sehr bescheiden, aber um im GRÜNEN-Jargon zu bleiben: Es war gut, dass wir mal drüber geredet haben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Das war die erste Runde der Fraktionen. Frau Hermenau beginnt die nächste Runde. Bitte schön.

Herr Kollege Martens, ich muss noch einmal lange darüber nachdenken, warum Sie mit den GRÜNEN so vertraut sind. Haben Sie einmal mit uns geliebäugelt? Wollten Sie uns einmal beitreten? Sie kennen sich sehr gut aus, was auf internen Sitzungen passiert. Das schafft in mir große Verdächtigungen.

Unabhängig davon, Herr Martens, waren Sie – da bin ich überhaupt nicht enttäuscht – außerordentlich unterhaltsam in Ihrer Rede, aber die Substanz habe ich vermisst.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sie haben nur ein Klischee bedient, nicht, dass ich das nicht erwartet hätte – das ist ein typisches Verdrängungsmuster von Männern, das ist normal –,

(Gelächter bei der NPD – Beifall bei der Linksfraktion)

und uns unterstellt, wir würden das Verhalten der Geschlechter politisch verordnen wollen.

(Elke Herrmann, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Jetzt nicht, bitte.

Wir wollen aber unterschiedliche Lebensmodelle für Männer und Frauen ermöglichen. Zurzeit ist dieser Staat, in dem wir alle leben, nämlich anders aufgestellt. Das Ehegattensplitting ist eine steuerrechtliche Verordnung, die dafür sorgt, dass das tradierte Rollenmuster von einem sehr gut verdienenden Ehemann und einer kaum verdienenden Ehefrau weiter unterstützt wird. Das ist ein staatlicher Eingriff in Rollenmuster und Lebensweisen von Männern und Frauen.

Das wollen wir eigentlich nicht. Wir wollen nicht, dass der Staat vorgibt, wie Männer und Frauen zusammen- oder auseinander leben sollen, sondern dass viele Modelle möglich sind. Wenn sich der Staat auf die Seite von einem Rollenmuster schlägt, wird alles andere schlechter möglich gemacht. Hören Sie auf mit diesen komischen Zwangsfantasien, die GRÜNEN-Männer und -Frauen würden die Liberalen einsperren wollen. Lüften Sie noch einmal Ihre Mottenkiste durch, denn dem ist nicht so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir Frauen müssen die Männer täglich aushalten. Was denken Sie, warum frauenbewegte GRÜNE ein Interesse daran haben, wie es den Männern in Sachsen geht? Das ist unser Alltag. Wir begegnen ihnen täglich. Natürlich haben wir ein Interesse daran, dass es den Männern in diesem Lande gut geht.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Das ist offensichtlich nicht immer und überall der Fall.

Um den nötigen Ernst in die Debatte zu bringen, nach dem Sie gefragt haben, Herr Dr. Martens: Wenn Sie in jüngster Zeit mal an einem Symposium der Industrie zur Frage des Fachkräftemangels in der IT-Branche teilgenommen hätten, wie ich das zum Beispiel tat, dann müsste so einem hellen Mann wie Ihnen eigentlich sehr schnell aufgehen, dass es außerordentlich wichtig ist, dass wir vor diesem Hintergrund, welche Fachkräfte in Zukunft für welche Wirtschaftsbranchen in einer globalisierten Arbeitswelt gebraucht werden, natürlich darüber reden müssen, dass nicht jedermann jeden Job haben kann und dass Frauen eher, wenn sie eine gute Bildung haben, Zugriff auf Jobs haben, die früher Männern vorbehalten waren. Dabei reden wir übers Eingemachte, weil das

heißt, dass Männer weniger Macht, weniger Geld und weniger Jobs haben werden. Das ist hart, und das mit viel Humor zu verdrängen ist natürlich leichter.

Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, dass ich für diese Debatte außerordentlich viel Humor brauchen werde. Sie kennen mich, daran krankt es bei mir nicht. Den Humor habe ich. Ein Psychologe hätte heute beim Abg. Gansel sicherlich seine tägliche Arbeitsfreude gehabt.

(Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD)