Protokoll der Sitzung vom 07.03.2008

Das kann sicherlich sein, aber das war das Berufungsverfahren, an dem ich als Fachgutachter teilgenommen habe, und es hat einen Ausgang gegeben.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Jetzt sagen Sie mir einmal, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass in einem Berufungsverfahren bei den Wirtschaftswissenschaften unter den ersten Dreien Frauen sind? Wie hoch ist diese Wahrscheinlichkeit?

Jetzt machen wir aber keine Fragestunde!

Ich möchte mit meiner Rede fortfahren. – Somit wird durch die Quotenvorgaben weder der Kandidatin noch der Hochschule ein Gefallen getan.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, halte ich eine solche Regelung für nicht zielführend.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Eine solche Quotenpolitik hilft niemandem, im Gegenteil, sie gefährdet allenfalls die Qualität des Wissenschaftsstandortes Sachsen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE – Zurufe von der Linksfraktion)

Vor allem aber verwundert mich diese Forderung der GRÜNEN im Hinblick auf ihren hochschulpolitischen Leitspruch: Mehr Autonomie wagen! – Ich denke, es ist an der Zeit, den Hochschulen echte Autonomie zuzugestehen. Das neue Hochschulgesetz ermöglicht es den Hochschulen, endlich Berufungsverfahren komplett selbstständig ohne Einfluss des Ministeriums zu gestalten und durchzuführen. Diesen Schritt haben wir als FDPFraktion immer gefordert. Dementsprechend begrüßen wir es jetzt, dass das neue Hochschulgesetz diese Regelung vorsieht. Nun aber die Hochschulen über Quoten und andere Vorgaben wieder zu beschränken halten wir für den falschen Weg.

(Beifall bei der FDP)

Statt die Hochschulen in ein starres Korsett zu pressen, sind vielmehr Anreize gefragt. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise das schon erwähnte Bund-LänderProgramm zu nennen. Hier werden den Hochschulen Anreize gesetzt und keine Pflichtvorgaben in der Personalpolitik aufgezwungen. Die Staatsregierung hat diese Initiative bereits begrüßt. Ich hoffe, dass die sächsischen

Hochschulen in diesem Zusammenhang entsprechend unterstützt werden. Gleichzeitig gilt, Frauen verstärkt zu motivieren, nach der Promotion eine wissenschaftliche Karriere weiter zu verfolgen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Dabei muss der Fokus vor allem auf Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegen. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, Betreuungsmöglichkeiten für Kinder auch an den Hochschulen sowie Wiedereinstiegsprogramme. Auch eine intensivere Betreuung und Begleitung von angehenden Wissenschaftlerinnen in Form von Mentoring-Programmen und Netzwerken spielt dabei eine große Rolle.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der GRÜNENFraktion! Ihr Anliegen teilen wir vollumfänglich. Wir brauchen mehr Frauen, auch in den wissenschaftlichen Spitzenpositionen. Das ist unumstritten. Ihre Instrumente halten wir hingegen nicht für zielführend. Deshalb müssen wir Ihren Antrag heute leider ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Das war die letzte Runde der Fraktionen. Gibt es von den Fraktionen noch allgemeinen Aussprachebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Frau Staatsministerin Dr. Stange, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine gute Brücke zum Internationalen Frauentag, aber leider nicht am Freitagabend um diese Zeit, zumal im Hause bereits Frauentagsfeiern stattfinden. Insofern wird die Diskussion nicht viel Gehör finden.

Vieles ist bereits in den Redebeiträgen gesagt und auch an Maßnahmen genannt worden. Ich will das nicht wiederholen, zumal wir bei der Beantwortung der Anfrage auf zahlreiche Punkte eingegangen sind.

Ich möchte auf einiges aus den Redebeiträgen reagieren. Zunächst möchte ich mich bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dafür bedanken, dass das Thema auf die Tagesordnung gekommen ist und man damit den Finger in eine Wunde legt, die wir nicht nur in Sachsen, sondern auch deutschlandweit haben, nämlich die Frage: Frauen in Positionen als Hochschullehrerinnen, nicht bei der Promotion, und man kann weitergehen: in Führungspositionen der Hochschulen und der Forschungseinrichtungen.

Ich möchte das kurz an einem lebendigen Beispiel deutlich machen, da ich täglich damit konfrontiert bin. Ich bin Mitglied des Senats der Leibniz-Gemeinschaft und war dort in den letzten Tagen die einzige anwesende Frau – von ungefähr 30 Mitgliedern des Senats der LeibnizGemeinschaft. Das ist nur ein Ausdruck dessen, was hier diskutiert worden ist. Leider, Frau Werner, muss ich Ihnen sagen, wird sich das Verhältnis nicht ohne Weiteres auch bei möglicher Förderparität ändern; denn ich sitze oftmals

den Vertretern der Studierenden gegenüber, die ausschließlich aus männlichen studierenden Vertretern der Hochschulen bestehen, wenn die KSS kommt, wofür dann immer die Entschuldigung ist,

(Heike Werner, Linksfraktion: Aber es gibt zwei Sprecherinnen!)

dass die zwei Frauen gerade nicht da sind. Ich will damit nur andeuten, dass wir ein Problem haben, was die Förderung von Frauen in den Hochschulen anbelangt. Wir haben es nicht bei der Eingangsschwelle zu den Hochschulen, obwohl wir in Sachsen – auch das darf man nicht vernachlässigen; ich hatte es an anderer Stelle bereits gesagt – aufgrund der Technikorientierung bzw. der ingenieurwissenschaftlichen Orientierung an der Mehrheit der Universitäten und Fachhochschulen schon bei den Studierenden einen geringeren Frauenanteil haben als im bundesweiten Durchschnitt und uns leider ein Teil der hochschulzugangsberechtigten jungen Frauen verloren geht, weil sie sich in diesen Studiengängen nicht wiederfinden.

Das ist zum Beispiel für mich ein Problem, weswegen ich dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN momentan nicht folgen kann. Wir haben leider in bestimmten Bereichen der Ingenieurwissenschaften, der Elektro- und Verfahrenstechnik schon zu wenige promovierte bzw. habilitierte Frauen, die überhaupt zur Verfügung stehen, um in eine Professur berufen zu werden. Das ist ein Fakt, der sich auch durch unseren Hochschulbericht sehr gut nachweisen lässt. Deshalb wollen wir zum Beispiel mit den Maßnahmen, mit dem Geld aus dem Hochschulpakt 2020, die Million, die hier bereits eine Rolle gespielt hat, früher ansetzen, um überhaupt Mädchen bzw. junge Frauen zu gewinnen, damit sie sich für den Bereich der Technik- und Naturwissenschaften interessieren und damit der Pool der zukünftig promovierten jungen Frauen in diesem Bereich größer wird, um überhaupt für Berufungen zur Verfügung zu stehen.

Interessant ist nämlich, dass der sogenannte Chancengleichheitskoeffizient – wie viele Chancen hat eine Frau, in einem normalen Berufungsverfahren berufen zu werden? – für den Bereich der Technik- und Ingenieurwissenschaften sogar höher ist als in allen anderen Bereichen. Das heißt, eine Frau, die einmal in dieses Berufungsverfahren hineingekommen ist, hat eine höhere Chance, berufen zu werden, als ein Mann. Dies hat etwas damit zu tun, dass sich diese Frauen bereits durch einen Flaschenhals der Technikwissenschaften vom Studium über die Promotion bis zur Habilitation hindurchgekämpft haben und dass damit bereits vorher ein Ausleseprozess stattgefunden hat. Deshalb müssen wir in diesen Bereichen viel eher ansetzen, wenn wir wollen, dass an unseren Hochschulen, die in zahlreichen Studiengängen eben sehr technik- und ingenieurwissenschaftlich orientiert sind, mehr Frauen in die Führungspositionen kommen.

Ich habe auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine starre Quotenregelung bei Berufungsverfahren. Das war übrigens auch eine Diskussion im Zusammenhang mit

dem von allen Fraktionen bereits erwähnten Programm von Bund und Ländern, 150 Millionen Euro für die Berufung von 200 zusätzlichen Professorinnen in den nächsten Jahren zur Verfügung zu stellen. Auch dort stellt sich die Frage, wie man es verfassungsrechtlich sauber hinbekommt, dass diese Möglichkeit bei Berufungsverfahren überhaupt gegeben ist.

Ich will jedoch deutlich machen – auch dies ist in den Redebeiträgen bereits erwähnt worden –, dass es strukturelle Hindernisse gibt, die zum Beispiel in der Zusammensetzung von Berufungskommissionen bestehen, wenn diese ausschließlich aus Männern zusammengesetzt sind und informelle Netzwerke bis hin zu wissenschaftlichen Bezugspersonen sehr männlich dominiert sind. Dies ist in einem Berufungsverfahren, das den Anspruch hat, Frauen überhaupt in die engere Wahl des Verfahrens einzubeziehen, zu berücksichtigen. Solche strukturellen Hindernisse müssen wir überwinden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das ist verfassungskonform!)

Deshalb werden wir – auch dies ist erwähnt worden – im Zusammenhang mit dem Hochschulgesetz und den dort verankerten Zielvereinbarungen mit den Hochschulen gleichstellungspolitische Ziel- und Leistungsvereinbarungen abschließen und damit einen materiellen Hebel, so möchte ich es einmal bezeichnen, verwenden, damit sich Genderaspekte auch im Budget der Hochschule niederschlagen. Wenn sich eine Hochschule im Bereich der Gleichstellungspolitik und -konzepte engagiert, dann soll dies auch im Budget zum Ausdruck kommen.

Ich halte es für einen positiven Effekt im Bund-LänderProgramm für die 200 Professorinnen, dass es nicht nur darum geht, ob Professorinnen berufen werden, sondern zunächst wird das Gleichstellungskonzept der jeweiligen Hochschulen, die sich bewerben, bewertet und erst auf der Grundlage eines Gesamtkonzeptes der Hochschule wird die Förderung dieser Professuren erfolgen. Das war etwas, was auf unseren Druck – auch auf meinen Druck hin – hineingekommen ist, weil ich es für zu kurz gesprungen halte, das Problem in den nächsten Jahren allein mit 200 Professorinnen lösen zu wollen.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der immer wieder eine Rolle spielte: die Frage der Exzellenz in der Forschung und Frauen. Mittlerweile – Gott sei Dank!; muss man sagen – ist es bei allen Wissenschaftsorganisationen bis hin zur DFG – der Wissenschaftsrat ist hier mehrfach zitiert worden – klar, dass alle Programme, auch die Bund-Länder-Exzellenzinitiative, unter Gleichstellungsaspekten begutachtet werden und diese Aspekte bei der Bewertung eine ganz zentrale Rolle spielen.

Ich möchte dies an einem Beispiel deutlich machen, das uns selbst betrifft: die erfolgreiche Bewerbung der Leipziger Graduiertenschule „Bauen mit Molekülen und Nanoobjekten“, also das BuildMoNa, das in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder erfolgreich war. Die Gutachter bestätigten und hoben besonders hervor,

dass die Konzepte zur Gleichstellung sehr glaubhaft und realistisch seien und von einem reflektierten Umgang mit der Problematik zeugten. Sie hoben dabei besonders auf das Vorhaben ab, dass Doktorandinnen während der Schwangerschaft durch Laborassistentinnen unterstützt werden, da den Schwangeren aufgrund der strikten Arbeitsschutzbestimmungen der Gebrauch einer Vielzahl von Chemikalien untersagt ist, wodurch es verständlicherweise in einem experimentell-naturwissenschaftlichen Bereich oftmals zu erheblichen Verzögerungen bei der Promotion kommt. Diese Maßnahme wirkt dem sinnvoll entgegen, und das ist bei der Bewertung des Konzeptes auch besonders hervorgehoben worden.

Auch im Rahmen der Landesexzellenzinitiative sind die eingereichten Konzepte, die jetzt in die Vollantragstellung gegangen sind, unter dem Aspekt gleichstellungspolitischer Gesichtspunkte bewertet worden und haben auch entsprechende Kritik erfahren, wenn dies nicht in ausreichendem Maße in den Forschungsvorhaben zum Ausdruck gekommen ist.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass ich mich auch in den nächsten Jahren sehr wohl um dieses Thema bemühen will. Wir werden im Sommer eine Fachtagung dazu durchführen, auf der wir den gesamten Komplex diskutieren – einschließlich dessen, was ich vorhin erwähnt habe: dass wir junge Frauen schon viel eher dafür gewinnen müssen und wollen, sich der wissenschaftlichen Laufbahn sowie den Technikwissenschaften zu stellen, dass wir sie bereits – sprich: in der Schule, im Kindergarten – gewinnen können und dafür genügend Konzepte benötigt werden, gerade auch, was die fachdidaktische Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in diesem Bereich angeht, um dies zu erreichen. Wir werden uns auf einer Fachtagung diesem Problem einschließlich des Berufungsverfahrens zuwenden.

Ich bitte darum, dass wir den Hochschulen nicht mit verfassungsrechtlich problematischen Vorschlägen begegnen, sondern eher auf die Vielzahl der bereits eingeleiteten und heute auch genannten Maßnahmen setzen, die Hochschulen unter diesem Gesichtspunkt in der gleichstellungspolitischen Entwicklung kritisch zu begleiten und zu beobachten. Das wird in den nächsten Jahren auf alle Fälle geschehen, auch mit unserer Unterstützung.

Danke.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU und Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Danke schön. – Das waren die Ausführungen der Staatsministerin. Gibt es daraufhin noch einmal allgemeinen Aussprachebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. – Herr Dr. Gerstenberg, für die einreichende Fraktion der GRÜNEN haben Sie das Schlusswort.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sagen Sie: Schluss! Das ist ein Wort!)

Frau Staatsministerin Stange, wir sind uns in vielen Dingen einig. Wie ich herausgehört habe, sind wir uns auch in einer ganz formalen Frage einig: Ich würde mir wünschen, dass wir hochschulpolitische Themen nicht immer erst am Abend zu später Stunde diskutieren müssen, sondern zu einer günstigeren Zeit. Ich habe es ausgesprochen bedauert, dass die Koalition heute den Promotionsantrag von der Tagesordnung genommen hat.

Ansonsten ging es mir aber wie gestern bei der Großen Anfrage „Männer“. Es zeigt sich offensichtlich, dass in Fragen der Gleichstellung zwischen den Koalitionspartnern Welten liegen. Die SPD ist uns offensichtlich um eine ganze Welt näher als die CDU-Fraktion, aber die SPD kann sich leider in der Koalition nicht durchsetzen. Auch das ist zu konstatieren.

Herr Hermsdorfer, deshalb will ich mich Ihnen einmal widmen. Ich bin überzeugt, wir werden in Sachsen den Zielen der Exzellenz vergeblich hinterherlaufen, wenn es uns nicht gelingt, Chancengleichheit für Frauen herzustellen. Das, was Sie da auseinandergenommen haben, gehört zusammen. Das sind zwei Seiten einer Medaille.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Nun weiß ich ja, dass in der CDU-Fraktion Vorurteile in dieser Hinsicht fest verwurzelt sind. Aber wenn Sie uns nicht glauben, wenn Sie Ihrem Koalitionspartner nicht glauben, dann schlagen Sie doch einmal in den Unterlagen beim Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung CEWS nach. Lesen Sie die Empfehlungen des Wissenschaftsrates und der Hochschulrektorenkonferenz. Nehmen Sie alle diese Dokumente und Empfehlungen und fragen Sie, ob da vielleicht nicht doch etwas dran ist, und zwar so viel, dass Sie Ihre Position endlich einmal verändern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Zu Herrn Dr. Schmalfuß möchte ich nur sagen: Typisch FDP – das Anliegen wird geteilt, aber es darf nur nicht Ernst damit gemacht werden. Dann könnte doch Gefahr auftreten.