Im Innenausschuss wurde die mangelnde Polizeipräsenz im Raum Mittweida angesprochen und nachgefragt, warum angesichts der massiven Probleme mit gewaltbereiten Rechtsextremisten die Polizei nicht stärker vor Ort präsent ist. Sie war eine Zeit lang unter erheblichen Anstrengungen vor Ort, um dort weitere Gewalttaten zu unterbinden. Ich erkenne an, dass das ein gutes Stück weit gelungen ist. Gleichzeitig müssen wir aber auch feststellen, dass sich die möglichen Täter andere Städte aussuchen, in denen sie versuchen, die Menschen zu terrorisieren und ihr Geschäft zu betreiben.
Meine Damen und Herren! Wir stellen immer wieder fest: Es fehlen Einsatzkräfte bei der Polizei. Ich sage speziell an diesem Beispiel Mittweida: Gerade angesichts gewaltbereiter Rechtsextremisten sollten wir das nicht hinneh
Wir müssen außerdem feststellen, dass die Bürgerinnen und Bürger immer wieder beklagen, dass die Fläche vernachlässigt wird, dass die Präsenz der Polizei in den Flächenregionen nicht im notwendigen Maße gewährleistet ist. Das wird oft subjektiv festgemacht am Fehlen von Polizeikräften bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen, bei denen die Menschen im Winter stundenlang warten müssen, bis die Polizei erscheint. Das mag man noch als Bagatellbeschwerde abtun. Gleichwohl muss man es politisch hinnehmen und sagen: Das ist ein Problem, ein politisches Problem. Denn wie wir alle wissen, ist das Sicherheitsgefühl ein zutiefst subjektives Empfinden. Nichtsdestotrotz ist dies ein hochpolitisches Thema.
Meine Damen und Herren! Die Leidtragenden der, wie wir meinen, verfehlten Sicherheitspolitik in Sachsen sind die Menschen. Seien es diejenigen in der Region um Mittweida, die Angst haben, von Rechtsextremisten angegriffen zu werden, die keine Feten mehr draußen feiern oder sich nicht auf die Straße trauen, oder in den Grenzbereichen die Menschen, die ihre Grundstücke mit NATO-Stacheldraht einzäunen, weil sie Angst vor Eigentumsdelikten haben.
Leidtragende, meine Damen und Herren, sind auch die Polizisten in diesem Land, die eine Überstunde nach der anderen fahren, sich oftmals ohne Ergebnis über mangelhafte Ausrüstung und schlechtes Beschaffungswesen beschweren und zudem noch heftigen Vorwürfen wegen zu harter Einsätze oder übermäßiger Härte auch vonseiten der Linksfraktion – liebe Frau Dr. Ernst, das kann ich Ihnen nicht ersparen – ausgesetzt sind, wenn die Polizei ihren Aufgaben, wie zum Beispiel bei der Räumung der Bäume an der Waldschlößchenbrücke, nachkommt.
Es gehört zum Geschäft der Opposition, Probleme anzusprechen, auch wenn es zuweilen mit der Glaubwürdigkeit ein wenig hapert.
Der Altersdurchschnitt der sächsischen Polizei ist bereits angesprochen worden. Das ist ein objektiver Fakt, der bekannt ist. Dieser Altersdurchschnitt ist zu hoch. Er liegt bei über 45 Jahren, in manchen Polizeidirektionen sogar bei 49 Jahren. Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahre 2005, die ich damals gestellt habe, geht hervor, dass es bereits zu diesem Zeitpunkt über 3 000 Polizeibeamte im Alter von 50 bis 59 Jahren waren.
Meine Damen und Herren! Für jeden, der sich ein wenig mit der Polizeipraxis befasst hat, ist klar, was eine solche Altersstruktur bedeutet. Die Einsatzfähigkeit dieser Kräfte ist nicht mehr auf dem Maximum. Schichtdienst zehrt an der Gesundheit, an der psychischen wie der physischen Verfassung der Beamten; aber gleichwohl gibt es keine
Alternativen zu solchen Dienstplangestaltungen; denn die Sicherheit muss gewährleistet werden und die Polizeibeamten sind – diesbezüglich muss ich ihnen wirklich Respekt zollen – weiterhin bereit, diese Arbeit zu leisten, und zwar ohne laut zu murren, wofür ich angesichts dieser Zahlen Verständnis hätte.
Vor diesem Hintergrund halten wir es für dringend geboten, den Einstellungskorridor, das heißt die Anzahl von Neueinstellungen in den Polizeivollzugsdienst, deutlich zu erhöhen. Erfolgt dies nicht, werden wir in den nächsten Jahren den bereits jetzt feststehenden altersbedingten Abgang von Polizeibeamten nicht mehr kompensieren können. Das ist ein Fakt. Der Altersaufbau der Polizei – ich hatte es bereits gesagt – und die Anzahl der Pensionierungen in den nächsten Jahren sind bereits jetzt bekannt. Ab dem Jahre 2012 wird es Jahre geben, in denen jedes Jahr mehr als 500 Polizeibeamte in Rente gehen. Der Einstellungskorridor soll zukünftig 100 Beamte betragen. Mit einem solchen Einstellungskorridor lässt sich nicht einmal ansatzweise die Lücke auffüllen, die durch die Altersabgänge bei der Polizei in den kommenden Jahren – das steht bereits fest – entstehen wird. Wer jetzt nicht handelt, muss sich später vorwerfen lassen, Versäumnisse und Lücken bei der inneren Sicherheit zugelassen zu haben. Wer jetzt nicht handelt, nimmt ein Anwachsen der Kriminalität in den kommenden Jahren nicht nur billigend, sondern absichtlich in Kauf.
(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion – Staatsminister Dr. Albrecht Buttolo: Das ist Panikmache!)
Die Kriminalität geht auch deshalb zurück, Herr Staatsminister, weil sie aufgeklärt und verfolgt wird. Wird sie nicht verfolgt, wird sie wahrscheinlich – dafür gibt es Anhaltspunkte – nicht unbedingt zurückgehen.
Meine Damen und Herren! Wie wenig Vertrauen in die Polizei inzwischen in Sachsen herrscht, zeigt auch der Umstand, dass es zunehmend Gemeinden gibt, die selbst für „Ruhe und Ordnung“ sorgen. In ihrem Ortsgebiet sind in 45 Gemeinden und Städten dauernd private Sicherheitsdienste unterwegs. Das ist ein Zustand, den wir als Liberale ebenfalls nicht hinnehmen wollen.
Es mag sein, dass in einzelnen Lagen – bei Volksfesten, Veranstaltungen und Ähnlichem – durchaus private Sicherheitsdienste angeheuert werden können. Als Dauerzustand ist der Ersatz von Polizeikräften durch private Sicherheitsdienste nicht hinnehmbar. Dabei verstehen wir auch als Liberale keinen Spaß, weil für uns innere Sicherheit zu den Kernaufgaben staatlicher Tätigkeit gehört.
Wir lassen über alles mit uns reden, was der Staat an Nötigem und oftmals auch Unnötigem veranstaltet – natürlich immer mit dem eingesammelten Geld seiner Bürger. Da wird wirklich viel Unfug getrieben. Aber in den Bereichen der inneren Sicherheit wie auch der Justiz bestehen wir darauf, dass der Staat die Aufgaben, die er von Verfassungs wegen hat, tatsächlich auch wahrnimmt und in der Lage ist, sie weiterhin wahrzunehmen.
Meine Damen und Herren! Wenn ich von Polizei spreche, dann meine ich hoch qualifizierte Beamte, Fachleute mit einem hohen Einsatzwert, Fachleute, die hoch motiviert sind, ihre Arbeit zu tun; und ich meine nicht polizeiähnliche oder polizeiunterstützende Institutionen, eine „Polizei light“, wie sie zum Beispiel die Sächsische Sicherheitswacht möglicherweise darstellen könnte. Ihre Arbeit ist in Ordnung. Wir begrüßen, dass es die Sächsische Sicherheitswacht gibt; aber eines muss klar sein: Sicherheitswacht und Polizei, aber nicht statt Polizei. Ein Ersatz für den normalen Polizeivollzugsdienst kann und darf die Sicherheitswacht nicht sein; aber das, so befürchten wir, ist zunehmend die Praxis und die Politik der Staatsregierung.
Bei jeder Polizeireform wurde bisher versprochen, dass die Zahl der „Häuptlinge“ zugunsten der sogenannten Indianer verringert werde. Das heißt, dass jede Reform dazu führen würde, dass mehr Beamte in den Revieren und den Basisdienststellen zur Verfügung stehen. Wenn man sich das tatsächliche Bild anschaut, stellt man fest, dass das nicht der Fall ist; denn der planmäßige Aufwuchs von Stellen allein reicht nicht. Tatsache ist, dass durch Abordnungen zur Ausbildung, durch Dienstunfähigkeiten, durch Krankheiten und Mutterschutz in den meisten Polizeirevieren die eingeplante Zahl von Beamten überhaupt nicht zur Verfügung steht.
Weiterhin haben wir uns in diesem Hause bereits darüber unterhalten, dass die Einsatzfähigkeit der Bereitschaftspolizei nach unserem Dafürhalten beeinträchtigt wird und die Schwierigkeiten bei allen Unterstützungseinsätzen der Bereitschaftspolizei in der Fläche wachsen. All dies, meine Damen und Herren, ist Flickschusterei. Es wird auch nichts an dem Grundproblem ändern, dass die Polizei am Limit fährt, weil sie personalplanmäßig nicht ausreichend ausgestattet ist.
Wir wollen, dass hier nicht mehr nur Löcher gestopft werden und dass von einer Baustelle auf die nächste versetzt wird. Wir von der FDP fordern die Staatsregierung auf: Setzen Sie den Stellenabbau aus! Überprüfen Sie die durchgeführten Veränderungen nochmals auf negative Auswirkungen und auf die Einsatzverfügbarkeit! Machen Sie Schluss mit einer rein finanzzentrierten Politik, auch im Bereich der inneren Sicherheit! Der Weg ist seit Anfang dieser Woche dafür frei – weg von einer reinen Finanzzentrierung. Sie können unter Sicherheitsgesichtspunkten Polizei einmal neu überdenken. Unser
Antrag mit dem Moratorium des Stellenabbaues und der notwendigen Erweiterung des Einstellungskorridors gibt Ihnen dazu die Gelegenheit.
Danke. – Das waren die beiden Anträge. Nun kommen wir zur Aussprache. Die CDU-Fraktion beginnt. Herr Abg. Bandmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst freue ich mich, dass die FDP-Fraktion mit diesem Antrag die grundsätzlichen Überzeugungen der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag unterstützt, und gern nehme ich den Ball heute auf. Allerdings wissen Sie: Wir sind in einer Koalition und an einen Koalitionspartner gebunden.
Dennoch: Ohne Wenn und Aber kann ich für die CDUFraktion erklären, dass wir den berechtigten Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung oberste Priorität bei unserem politischen Handeln einräumen.
Deshalb freue ich mich, dass wir hier im Landtag über Koalitionsgrenzen hinweg in der für die Bevölkerung wichtigen Frage gemeinsam Position beziehen. Die Menschen im Lande wollen, dass die Politik und die Politiker ihre Probleme und Sorgen ernst nehmen und entsprechend handeln.
Ich denke, das ist gerade für die Innenpolitiker der CDULandtagsfraktion – ob sie nun gerade sitzen oder stehen – eine gemeinsame Position. Damit bin ich bei Ihnen von der Linksfraktion – Sie wollten ja wissen, was da kommt –, und ich frage mich immer wieder: Was macht die Linksfraktion eigentlich?
Wer in einer Pressemitteilung – in persona Frau Dr. Ernst – behauptet, dass bei der Bereitschaftspolizei in Chemnitz eine Hundertschaft abgezogen wurde, der verbreitet Unwahrheiten und hat einfach keinen Überblick über die Geschehnisse vor Ort.
Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, waren Sie es nicht kürzlich, die sogar verkündet haben, keinen Haushalt aufstellen zu wollen?
Wenn Sie dann hier am Katheder noch erklären, der Innenminister würde im Stil eines Politbüros handeln, dann fehlt uns natürlich die Erfahrung, wie es im Politbüro zugeht, die Sie allerdings haben.
Sie haben weiter ausgeführt, die Polizei gehöre nicht zur allerersten Klientel der Linksfraktion. Das haben Sie so ausgeführt, und offensichtlich sind Sie bei Ihrer alten Linie aus DDR-Zeiten geblieben, dass Sie Menschen in Klientel einteilen, nämlich in die einen, die an den Sozialismus glaubten, und die anderen, die sich geweigert und – selbst wenn Sie ihnen den Sozialismus einprügeln und einimpfen wollten – sich diesem widersetzt haben.
Das ist offensichtlich nach wie vor Ihre alte „Denke“, und ich will mich nicht länger mit Ihrem populistischen Gezerre aufhalten. Frau Dr. Ernst, Sie waren es doch, die die Genossinnen und Genossen auf einem PDS-Parteitag aufgerufen hat: Genossen, wir müssen viel gnadenloser werden! – Wissen Sie, was dieser Begriff „gnadenlos“ eigentlich bedeutet, Frau Dr. Ernst? Das ist die Politik der Entmenschlichung, und das ist Ihr wahres Gesicht, müssen Sie wissen.
(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Herr Bandmann, wenn Sie das sagen! – Heiterkeit und vereinzelt demonstrativer Beifall bei der Linksfraktion)