Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

Natürlich wirkt dieses Konzept, wie ich in meiner Rede ausgeführt habe, nicht über Nacht. Aber ich weiß, dass die konsequente Anwendung und die Umsetzung der Maßnahmen künftig Erfolg zeigen wird.

Die Sportvereine sind hier gefordert, auch in Zusammenarbeit mit den Kommunen und den Sicherheitskräften der Polizei.

Natürlich muss man Folgendes sehen, meine Damen und Herren – und damit komme ich wieder auf den Kern der Anträge zurück –: Wenn ich gesagt habe, dass Sicherheit nicht nur eine Frage der Zahl der Polizeistellen ist, sondern eine Frage, ob unsere sächsische Polizei ihre Aufgaben auch in Zukunft optimal erfüllen kann, dann darf man eines nicht unberücksichtigt lassen: Wir benötigen künftig junge Polizistinnen und Polizisten, die den Dienst versehen und die ältere Kollegen im Schicht- und Streifendienst unterstützen und gegebenenfalls später ersetzen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wir haben eine klare Antwort. Wir müssen den Einstellungskorridor spürbar erhöhen und jährlich vielen jungen Frauen und Männern die Chance geben, Dienst in der sächsischen Polizei zu tun.

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Nein, danke, Herr Präsident. – Ich darf Ihnen für die CDU-Fraktion berichten, dass wir uns für die Erhöhung des Einstellungskorridors in den Haushaltsverhandlungen starkmachen werden. Aber das ist in der Tat der Ort der Haushaltsverhandlungen. Wenn Sie uns hier und heute zu vorgezogenen Haushaltsverhandlungen verleiten wollen, dann ist dieses Begehren natürlich zulässig. Wir werden diesem aber nicht nachkommen, denn wir haben bereits – und ich führte das aus – deutlich mehr Stellen angemeldet.

Nicht zuletzt ist die Erhöhung des Einstellungskorridors auch deshalb unabdingbar, weil neue Aufgaben auf die sächsische Polizei zukommen. Vor dem Hintergrund des weltweit operierenden islamistischen Terrorismus, der eine große Bedrohung für die innere Sicherheit in ganz Europa darstellt, wird auch Sachsen ein zusätzliches mobiles Einsatzkommando zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus einrichten. Dies ist das Ergebnis der Arbeitsgruppe ZEIT.

Lassen Sie mich noch auf zwei Dinge eingehen. Wenn man das heutige Thema diskutiert, dann müssen die von der Koalition auf den Weg gebrachten Initiativen Berücksichtigung finden, weil diese bereits Bestandteil eines Konzeptes zur Handlungsfähigkeit der sächsischen Polizei sind. Wir haben uns deutlich dafür ausgesprochen, dass der Personalabbau bei der Polizei im Jahr 2009 evaluiert wird. Wir werden auf eine zügige Durchführung dieser Evaluierung drängen, erwarten danach zeitnah einen Bericht und werden entsprechend reagieren. Die CDU-Fraktion wird sich gegenüber dem Bund weiterhin für die Beibehaltung der Präsenz der Bundespolizei

einsetzen, wie sie in der derzeitigen Personalstärke im grenznahen Raum in Sachsen tätig ist.

Lassen Sie mich noch eines sagen: Die CDU-Fraktion war in der Presse bislang sehr zurückhaltend mit entsprechenden Forderungen, auch aus Rücksicht gegenüber dem Koalitionspartner.

(Oh-Rufe von der Linksfraktion)

Die SPD hat sich dagegen schon klar geäußert. Gehen Sie bitte davon aus, dass dies unseren Forderungen und Aktivitäten nicht zum Nachteil gereicht. Wir werden sie nunmehr gemeinsam in die Haushaltsverhandlungen hineintragen. Die CDU-Fraktion steht für die Gewährleistung der inneren Sicherheit in Sachsen. Ich bitte daher um Ablehnung beider Anträge.

Ich danke Ihnen für das große Interesse an diesen Ausführungen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Es spricht zu uns der Abg. Bräunig für die SPD-Fraktion.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Riskieren Sie keinen Koalitionsbruch, denken Sie daran! – Weitere Zurufe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe noch 40 Minuten.

(Heiterkeit bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Frau Dr. Ernst, um mögliche Zwischenfragen Ihrerseits gleich zu beantworten: Erstens – ja, wir sind gegen weiteren Stellenabbau bei der Polizei. Zweitens – Sie hatten es angesprochen –, es gibt eine mittelfristige Finanzplanung. Darin stehen auch Einstellungszahlen für die späteren Jahre. Aber es gibt keinen beschlossenen Einstellungskorridor ab 2009. Das ist Sache der Haushaltsverhandlungen, die jetzt anstehen. Das noch einmal zur Klarstellung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Menschen in Sachsen vertrauen zu Recht darauf, dass wir ihre Freiheit schützen und dass die innere Sicherheit im Freistaat dauerhaft garantiert ist. Es geht dabei um die Verteidigung unserer Freiheitsrechte und ein Stück weit um soziale Gerechtigkeit. Das ist im Kern sozialdemokratische Politik, meine Damen und Herren.

Was ist sozial gerecht bei der inneren Sicherheit? Sozial gerecht ist, dass alle Menschen in unserem Land sicher leben können und nicht nur diejenigen, die sich Sicherheit mit Geld kaufen können.

(Beifall bei der SPD)

Auch eine gerechte Sozialpolitik – das haben die Erfahrungen der Vergangenheit gelehrt – ist der beste Schlüssel zur Bekämpfung von Kriminalität. Deswegen ist es aus

meiner Sicht ein grundfalscher Ansatz, nur auf Sicherheitsgesetze zu schauen, anstatt verstärkt auf Prävention zu setzen. Auch sind Sicherheitsgesetze und Sicherheitstechnik kein Surrogat für fehlende Polizeistellen. Unser Grundsatzcredo lautet daher, nicht auf den Abbau von bürgerlichen Freiheiten zu setzen, sondern auf die Menschen, die täglich für unsere Sicherheit einstehen.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle, denke ich, ist es eine gute Gelegenheit, mich auch im Namen meiner Fraktion bei allen Polizeibediensteten hier in Sachsen dafür zu bedanken,

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

dass sie täglich 24 Stunden unter oftmals nicht einfachen Bedingungen ihren Dienst verrichten und sich trotzdem immer ihrer Verantwortung für das Land und seine Menschen bewusst sind und dieser Verantwortung nach besten Kräften gerecht werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

An dieser Stelle muss dazugesagt werden, dass nicht nur die Gesellschaft einen Anspruch auf innere Sicherheit hat, sondern dass auch unsere Polizei einen Anspruch auf Anerkennung, faire Bezahlung und anständige Arbeitsbedingungen hat.

(Beifall bei der SPD)

Wie viele Polizisten wir im Freistaat brauchen – Herr Dr. Martens, Sie haben das richtig ausgeführt –, lässt sich nicht finanzpolitisch, sondern nur innenpolitisch beantworten. Genau das – und das geht vorrangig an Ihre Adresse, Frau Dr. Ernst – und nichts anderes haben die Koalitionsfraktionen bisher getan. Wir haben einen klaren Haushaltsvermerk – daran darf ich erinnern –, dass die Personalentwicklung bei der sächsischen Polizei eben nicht in Abhängigkeit von der Finanzlage des Freistaates, sondern in Abhängigkeit von der künftigen Sicherheitsentwicklung steht.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb können seriöse Parameter für eine zukunftsorientierte Personalbedarfsplanung nicht allein die Bevölkerungsentwicklung oder das Pro-Kopf-Zahlenverhältnis an Polizisten in anderen Bundesländern sein.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Zuerst müssen wir nach Sachsen schauen, auf unsere Kriminalitäts- und Verkehrsunfallbelastung. Wir brauchen dringend – das will ich noch einmal verdeutlichen – eine umfassende Aufgabenkritik bei der sächsischen Polizei, um auf deren Grundlage die Qualitäts- und Leistungsstandards polizeilicher Arbeit zu definieren. Hierzu haben die Koalitionsfraktionen schon einmal einen Antrag vorgelegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute mehrfach angesprochen worden: Mit der Grenzlage Sachsens zur Tschechischen Republik und zu Polen haben wir eine besondere Sicher

heitslage. Gleichzeitig ist der Freistaat Sachsen auch ein Flächenland mit urbanen und ländlichen Räumen. Beides zusammen – Grenzlage und Flächenland – bedingt, gemessen an anderen Bundesländern, eine sachsenspezifische, ganz eigene Lageanalyse. Hinzu kommt, dass mit dem Problem des Rechtsextremismus das Spektrum polizeilicher Arbeit im Freistaat Sachsen nicht ohne Weiteres mit dem anderer Bundesländer verglichen werden kann.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Weiterhin ist der Freistaat Sachsen – das ist heute auch schon angeklungen – überdurchschnittlich von polizeilichen Großeinsatzlagen betroffen, beispielsweise bei Fußballspielen. Wir haben auch ein außergewöhnliches Demonstrationsgeschehen. Nicht zuletzt der sogenannte Leipziger Discokrieg hat gezeigt, dass quasi aus heiterem Himmel Einsatzlagen entstehen können, die beherrschbar bleiben müssen.

Um noch eins draufzusetzen: Die Organisationsveränderungen bei der Bundespolizei, die nunmehr beschlossen sind, konnten seinerzeit noch nicht in die Entscheidungen der Staatsregierung über den Stellenabbau einfließen.

(Staatsminister Thomas Jurk: Sehr richtig!)

Teile meiner Fraktion unter Führung unseres Fraktionsvorsitzenden Martin Dulig – anwesend waren auch alle SPD-Innenpolitiker aus Sachsen – haben sich Mitte März vor Ort in Görlitz bei der Bundes- und Landespolizei ausführlich über die Sicherheitslage in Ostsachsen informiert. In den Gesprächen mit dem Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien und dem Präsidenten der Bundespolizeidirektion Pirna, die ja bekanntlich für die mitteldeutschen Länder zuständig ist, haben wir uns informiert. Dabei wurde deutlich, dass sich die Sicherheitslage zwar nicht dramatisch zum Negativen entwickelt hat, die Auswirkungen der Grenzöffnungen jedoch spürbar sind.

Insoweit besteht in der Gesamtheit eine polizeiliche Lage, die erhebliche Stellenabbaumaßnahmen oder -verlagerungen, sei es bei der Bundes- oder der Landespolizei, nicht weiter zulässt. In der Öffentlichkeit haben wir uns dazu entsprechend geäußert.

Noch einige Sätze zur Bundespolizeireform. Sie ist beschlossen. Sie sieht Stellenreduzierungen vor. Das kann natürlich bei der Bewertung eigener Personalbedarfspläne nicht außen vor bleiben.

Deshalb teilen wir auch die Einschätzung des Herrn Staatsministers Dr. Buttolo, dass die Kapazitäten bei der sächsischen Polizei heute schon erschöpft sind und keinen nachhaltigen Stellenabbau mehr zulassen. Auch der Landespolizeipräsident hat diese Einschätzung noch einmal bekräftigt.

Fazit ist, dass wir ohne einen angemessenen Neueinstellungskorridor und ohne Investitionen in Ausrüstung und Ausstattung perspektivisch die Qualität der inneren Sicherheit in Sachsen gefährden werden.

Wie geht es nun weiter? Ausgebildete Polizeibeamte – das wissen wir – können nicht einfach so auf dem Arbeitsmarkt rekrutiert werden, sondern wir müssen selbst für ihre Ausbildung sorgen, und das dauert mehrere Jahre. Wir haben jetzt 2008. Frau Dr. Ernst, ich habe im Kopf, dass Sie die Zahlen einmal genannt haben. Wenn wir die prognostizierten Altersabgänge 2011 kompensieren wollten, müssten wir also aufgrund der Ausbildungsdauer und des Ausbildungsvorlaufes von im Minimum drei Jahren bereits jetzt, praktisch zu Beginn des Ausbildungsjahres im September 2008, 375 Polizeianwärter einstellen. Das müssten wir eigentlich tun.

Wir gehen davon aus, dass Herr Dr. Buttolo deutlich machen wird, mit welcher Zielsetzung er ins Kabinett und in die anstehenden Haushaltsgespräche insbesondere mit dem Finanzministerium geht. Wir werden ihn dabei mit allen Kräften unterstützen. Kollege Bandmann hat es schon angesprochen: Sobald dem Landtag der Haushaltsentwurf der Staatsregierung vorliegt, werden wir Gespräche mit unserem Koalitionspartner führen, welche Veränderungen beim Stellenabbau – dies betrifft nicht nur den Polizeibereich, das will ich auch noch einmal sagen – aus unserer Sicht notwendig sind.

Für meine Fraktion ist es klar, dass wir einen angemessenen Einstellungskorridor für Auszubildende und Nachwuchskräfte in der gesamten öffentlichen Verwaltung brauchen, wenn der Freistaat Sachsen auch in Zukunft seine Aufgaben verantwortungsbewusst erfüllen will. Was wir für diese Diskussion nicht brauchen, sind Oppositionsanträge. Das sage ich so deutlich, wie es ist. Die Koalitionsfraktionen sind sich der Verantwortung für den Freistaat und seine Menschen bewusst. Wir stellen uns gemeinsam dieser Verantwortung. Das wird sich auch in den Verhandlungen zum Staatshaushalt für die Jahre 2009/2010 beweisen und dort seinen Widerhall finden. Darauf können Sie sich verlassen.