– der öffentlichen Sicherheit und Strafverfolgung hat, denn die Fluggastdatenübermittlung in den USA wurde für unzulässig erklärt. Vielleicht können wir das auch einmal zur Kenntnis nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lichdi, ich gönne es Ihnen ja, dass Sie sich hierhin stellen und sagen, Sie sind der Volljurist und ich bin nur ein kleiner Polizist, und deshalb kann ich es in dieser Debatte nicht mit Ihnen aufnehmen. Wenn das für die Stärkung Ihres Egos wichtig ist, bitte schön.
Deshalb gestatte ich mir an dieser Stelle, die Bundesjustizministerin zu zitieren, die bekanntlich Volljuristin ist. Sie hat am 19. März 2008, dem Tag, als der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes veröffentlicht wurde, gesagt: „Das Bundesverfassungsgericht hat heute im Eilverfahren entschieden, dass es auch weiterhin möglich bleibt, Telekommunikationsverkehrsdaten sechs Monate lang zu speichern. Die Karlsruher Richter haben keinen Anlass dafür gesehen, die Speicherung der Verkehrsdaten entsprechend der EU-Richtlinie bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
Damit bleibt es dabei, dass Deutschland weiterhin vollumfänglich seinen europarechtlichen Verpflichtungen gerecht werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die Strafverfolgungsbehörden im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene effektive Strafverfolgung weiterhin berechtigt sind, Abrufersuchen zu stellen. Die Telekommunikationsunternehmen müssen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ihren Datenbestand auf die beantragten Verkehrsdaten durchsuchen und diese vorhalten.“
Das Bundesverfassungsgericht hat sich nach Abwägung aller Argumente nicht in der Lage gesehen, in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Weise einzugreifen, das Gesetz außer Vollzug zu setzen. Das Gesetz ist nach
Wünscht die Fraktion der CDU noch einmal das Wort? – Nein. Dann Herr Abg. Bartl. Sie haben noch vier Minuten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bräunig, das hat nichts mit Jurist oder Polizist zu tun, sondern hängt damit zusammen, dass ich, wenn ich hier über eklatante Fragen der Verfassungspolitik rede, mich ins Bild setzen muss, was wirklich in der Entscheidung steht.
Die Entscheidung ist jedermann zugänglich. Da lese ich – vielleicht wäre es jetzt wirklich gut, einmal zuzuhören, Herr Kollege Bräunig – in Absatz 55 der EAOEntscheidung des Bundesverfassungsgerichtes Folgendes: „Die sechs Monate andauernde Möglichkeit des Zugriffs auf sämtliche durch eine Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten entstandenen Verkehrsdaten bedeutet eine erhebliche Gefährdung des in Artikel 10 Abs. 1 Grundgesetz verankerten Persönlichkeitsschutzes. Dass ein umfassender Datenbestand ohne konkreten Anlass bevorratet wird, prägt auch das Gewicht der dadurch ermöglichten Verkehrsdatenabrufe. Von Datenbevorratung ist annähernd jeder Bürger bei jeder Nutzung von Telekommunikationsanlagen betroffen, sodass eine Vielzahl von sensiblen Informationen über praktisch jedermann für staatliche Zugriffe verfügbar wird. Damit besteht für alle am Telekommunikationsverkehr Beteiligten das Risiko, dass im Rahmen konkreter behördlicher Ermittlungen über einen längeren Zeitraum hinweg Verkehrsdaten abgerufen werden. Dieses Risiko konkretisiert sich im einzelnen Abruf, weist jedoch angesichts der flächendeckenden Erfassung des Telekommunikationsverhaltens der Bevölkerung weit über den Einzelfall hinaus und droht die Unbefangenheit des Kommunikationsaustausches und das Vertrauen in den Schutz der Unzugänglichkeit der Telekommunikationsanlagen insgesamt zu erschüttern.“
Das ist doch ein prägnanter Satz, Herr Kollege Bräunig, der auf Artikel 113 a zielt! Im EAO-Verfahren, und das ist nun wirklich ein juristisches Problem – das weiß Kollege Piwarz sehr genau –, kann ich die Hauptsache nicht in Gänze vorwegnehmen.
Die Verfassungsrichter haben dann lediglich gesagt: Würde jeder Zugriff auf bevorratete Daten unterbunden, bestünde die Gefahr, dass den Strafverfolgungsbehörden auch bei schwerster Kriminalität ein effektives Ermitt
lungsinstrument verlustig gehen könnte. Das will das Verfassungsgericht im Hauptsacheverfahren noch entscheiden. Nur deshalb, hat es gesagt, lassen wir euch momentan noch die Daten erfassen, weil auch die EURichtlinie beim Europäischen Gerichtshof angegriffen ist und die Entscheidung noch nicht getroffen ist; aber ihr dürft allenfalls die Daten dazu verwenden, um schwerste Katalogstraftaten nach § 100a überhaupt in irgendeiner Form zu erfassen.
So viel ist nur übrig geblieben, und dann stellen Sie sich hin, Frau Zypries habe gesagt, es sei alles tutti paletti, wir kämen mit der Nummer durch. Die Nummer wird Ihnen um die Ohren fliegen, da dürfen Sie sicher sein. Wir können von Glück reden, dass wir momentan noch ein Verfassungsgericht haben. Trotzdem ist es ein Dilemma. Nicht alles, was gerade noch so verfassungsrechtlich zulässig ist, ist auch verfassungsrechtlich zuträglich, wenn wir nicht wollen, dass eine andere Republik herauskommt.
Ich sage noch einmal ganz langsam: Stellen Sie sich vor, 1991 hätten sich der Innenminister, der Justizminister, der Ministerpräsident oder die Bundesebene hingestellt und vorausgesagt, in zehn bis 20 Jahren bekommt jeder in sein Wohnzimmer eine Kamera eingebaut. Dann sieht der Gesetzgeber vor, dass du neben dem Abhören mittels Wanze auch noch eine Kleinstkamera in deiner Wohnung installiert bekommen kannst.
Das halte ich für so pervers, dass ich einfach sage: Nun ist es an der Zeit, verfassungsethisch zu debattieren.
Wenn Sie nichts dagegen haben, Frau Präsidentin, würde ich gern die Auffassung der Staatsregierung zu diesem durchaus kritischen Punkt auch noch kurz andeuten.
Herr Bartl, Sie haben völlig recht: Nicht alles, was verfassungsrechtlich gerade noch zulässig ist, ist auch der Verfassungswirklichkeit zuträglich. Aber diese Erkenntnis hilft uns bei unserem hier auf dem Tisch liegenden Problem eigentlich kein Stück weiter.
Eine europäische Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, sogenannte Verbindungsdaten elektronischer Kommunikationsvorgänge für die Dauer von mindestens sechs
Monaten und höchstens zwei Jahren durch die TKUnternehmen speichern zu lassen. Diese Daten sollen unter engen Voraussetzungen eben auch für Zwecke der Strafverfolgung zur Verfügung stehen.
Dieser Verpflichtung ist der innerstaatliche, der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung sowie zur Umsetzung der Richtlinie nachgekommen. Er hat für die genannten Daten eine Speicherpflicht von sechs Monaten festgelegt. Nach Ablauf der Frist sind die Daten zu löschen. Diese Speicherung setzt in der Tat keine Straftat, nicht einmal einen irgendwie gearteten Verdacht voraus.
Die Nutzung dieser gespeicherten Daten für die Zwecke der Strafverfolgung ist dagegen bewusst davon getrennt geregelt in der Strafprozessordnung. Sie ist in der Tat nur unter strengen Vorgaben zulässig. Ein Richter muss die Nutzung der Daten zu diesem Zweck erlauben. So sagt es die Neufassung des § 100g StPO. Die Verbindungsdaten dürfen nach dieser Vorschrift nur zur Aufklärung von drei Gruppen von Straftaten genutzt werden:
Erstens: Erhebliche Straftaten, bei denen auch normalerweise die Telekommunikation überwacht werden dürfte, etwa Mord und Raub.
Drittens: Straftaten, die mittels der Telekommunikation überhaupt erst begangen werden, wie etwa Stalking.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich will einfach mal fragen, weil Sie jetzt den Eindruck erwecken, dass es nur um Straftaten geht. Geben Sie mir darin recht, dass § 113b des Telekommunikationsgesetzes, also die Neufassung, die jetzt seit Dezember gilt, besagt, dass die nach § 113a erfassten Daten verwendet werden dürfen: a) zur Verfolgung von Straftaten, allgemein ohne Eingrenzung; b) zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit;