„als einen Artikel 88 Satz 1 GG vorgesehene Modifikation dieses Prinzips mit Artikel 79 Abs. 3 GG vereinbar ist.“ – Seite 32 Urteilsabschrift.
Konkret abgehandelt wurde diese Problematik im Übrigen an den strengen Kriterien des Maastrichter Vertrages und der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbank über die Priorität der Geldwertstabilität, eine hoch spannende und aktuelle und sensible Problematik. Aber selbst dort hat das Verfassungsgericht deutlich gesagt: Hinreichende Auslegungsmöglichkeiten und Vereinbarungsmöglichkeiten mit dem Grundgesetz.
Drittens hat das Verfassungsgericht judiziert, dass das Subsidiaritätsprinzip, dessen Einhaltung der Europäische Gerichtshof zu überwachen hat, die nationale Identität der Mitgliedstaaten bewahrt und ihre Befugnisse enthält.
Nun nennen Sie exakt den Regelungsgehalt des Europäischen Verbandsvertrages, der just das Subsidiaritätsprinzip verlässt, allzumal die Bundesregierung unverändert ihren Einfluss zugunsten einer strikten Handhabung des Artikels 3 Abs. 2 EGV geltend machen kann und muss, damit die durch Artikel 23 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz auferlegte Verfassungspflicht gewahrt bleibt.
Generell: Ich begreife es nicht; Sie nehmen teilweise den Artikel 24 in Ihrem Antrag in Bezug. Das ist völlig abwegig, Herr Apfel, wenn ich jetzt mal gutwillig unterstelle, Sie hätten es irgendwann mal gelesen, Maastricht oder Artikel 24 Grundgesetz
oder vielleicht irgendeinen Kommentar dazu. Der Artikel 24 GG benennt im Prinzip in Abs. 1: Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen. – Die Kommentierung zum Grundgesetz sagt dazu zur Öffnung der deutschen Staatlichkeit für eine supranationale Ordnung, insbesondere in Europa: Die volle verfassungsrechtliche Tragweite dieser Staatszielbestimmung ist erst mit Ausbau der
Europäischen Gemeinschaft deutlich geworden, neuerdings im Zusammenhang mit der Einheitlichen Europäischen Akte usw.
Also exakt das ist in Artikel 24 des Grundgesetzes als Staatszielbestimmung enthalten, in diesem Grundgesetz eben einen sich einigendes Europa, das demokratisch verfasst ist. Wo sehen Sie hier eine Kollision mit dem Grundgesetz? Das ist doch der untaugliche Versuch am untauglichen Gesetz.
(Beifall bei der PDS – Uwe Leichsenring, NPD: Es ist aber nicht von einem Bundesstaat die Rede! – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)
Soweit Sie schließlich eine Kollision mit dem Demokratieprinzip bemühen, können wir mitnichten erkennen, dass das Maastricht-Urteil des Verfassungsgerichts Ihre Argumentation stützt.
Dieses führt nämlich zu Seite 36 aus, dass das Demokratieprinzip in der Bundesrepublik Deutschland gerade nicht an einer Mitgliedschaft in einer supranational organisierten zwischenstaatlichen Gemeinschaft hindert, wenngleich der nächste Satz bemerkenswert ist. Da gebe ich dem Autor des Antrages – und nicht Ihnen, der Sie ihn vorlesen – Recht:
„Voraussetzung der Mitgliedschaft ist aber, dass eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflussnahme auch innerhalb des Staatenbundes gesichert ist.“ Da reiben wir uns verwundert die Augen, dass Ihnen beim Begründungsmerkmal für vermeintliche Verfassungswidrigkeit – das Legitimationskettenprinzip sei nicht gewahrt, das Prinzip der Volkssouveränität sei verletzt – die einfachste Lösung entgehen konnte, nämlich einfach hineinzuschreiben, dass der Vertrag zur Europäischen Union mittels Volksabstimmung angenommen werden soll.
Herr Bartl, ich gehe davon aus, dass Sie es wissen. Ich muss aber, da ich hier am Mikrofon stehe, den Aspekt in eine Frageform packen: Ist Ihnen bekannt, dass nach Artikel 146 des Grundgesetzes das Grundgesetz erst an dem Tag seine Gültigkeit verlieren darf, an dem eine vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossene Verfassung in Kraft tritt?
Der Artikel ist mir vortrefflich bekannt. An dem Artikel habe ich seinerzeit als einer der Berater in der Volkskammer vor der Herstellung der deutschen Einheit mitgearbeitet.
Ich wäre froh gewesen, wenn wir es hinbekommen hätten, nach der deutschen Einheit eine gemeinsame Verfassung zu schaffen, die Werte und Erfahrungen beider deutscher Staaten, die sie in einem anderen Europa, einer anderen Welt als heute gesammelt hatten, enthalten
hätte. Ich wäre sehr wohl dafür gewesen, eine neue Verfassung zu verabschieden, wie das von den Vätern des Grundgesetzes vorgesehen war. Deshalb hieß es ja auch Grundgesetz und nicht Verfassung; denn eine Verfassung hätte sich das Volk in freier Selbstbestimmung selbst geben sollen.
Sie wissen, dass es dann einen Verfassungskonvent gegeben hat. Dieser hat über 90 Änderungsvorschläge unterbreitet, die bedauerlicherweise zum großen Teil nicht die Mehrheit im Bundestag gefunden haben. Deshalb ist es so, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland eine Verfasstheit haben, wonach eine Verfassung durch das Parlament oder durch das Volk angenommen werden kann. Ich würde dem zweiten Weg immer den Vorrang geben.
Ein Grund, weshalb wir als damalige Fraktion Linke Liste/PDS der Sächsischen Verfassung seinerzeit nicht zugestimmt haben, war die Tatsache, dass wir wollten, dass darüber ein Volksentscheid stattfindet. Uns können Sie da beim allerbesten Willen keinen Vorwurf machen.
(Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der PDS und der CDU – Rita Henke, CDU: Das war vorgeschoben!)
Wir sind dafür, dass in dieser Europäischen Union alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Dafür sind wir uneingeschränkt. Wir sind dafür, das schon im zweiten Leitsatz des Maastricht-Urteils formulierte Prinzip uneingeschränkt durchzusetzen, und zwar auch beim Weg der Inkraftsetzung des Europäischen Verfassungsvertrages. Wir wollen dazu einen Volksentscheid. Das ist bekannt. Das hat die PDS so formuliert.
Wir haben hier umrissen, wo wir noch Handlungsbedarf sehen. Deshalb haben wir momentan Probleme, diesem Verfassungsvertrag, so wie er ist, zuzustimmen. Aber bei allen Mängeln und Problemen des Verfassungsvertrages, die ich eingangs dargestellt habe und die uns davon abhalten, ihm derzeit mit Pauken und Trompeten zuzustimmen, kann man ihm jedenfalls eines nicht nachsagen, nämlich, dass er die bislang vorhandenen Möglichkeiten der Staatsvölker der Mitgliedstaaten schwächt, dass er sie in ihren demokratischen Möglichkeiten beschränkt. Ich akzeptiere aber, dass diese demokratischen Möglichkeiten völlig unzureichend sind. Aber das ist wiederum kein Problem der Europäischen Union, sondern allein eine Frage, wie wir unsere eigene Verfasstheit innerhalb des Staates herstellen.
Summa summarum: Sie haben keinesfalls die vorgegebenen Schwierigkeiten mit diesem Verfassungsvertrag oder dem Zustimmungsgesetz zur Europäischen Verfassung, wie Sie das vorgeben. Sie haben generell Schwierigkeiten mit Europa. Sie wollen – um in Ihrer Sprachregelung zu bleiben – ein Deutschland der volkstreuen Deutschen, übersetzt: das völkische als oberstes Prinzip, möglichst wieder von der Maas bis an die Memel. Deshalb ist Ihr Antrag verlogen, ist er Show, ist er politisch pervers, eine verfassungsrechtliche Verkleidung von purem Nationalismus. Deshalb werden wir ihm nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Bartl hat eben in Ansätzen gezeigt, wie man sich mit dem Thema auseinander setzen kann. Das ist ein Thema, das das Haus durchaus beschäftigen sollte. In der Tat wäre es interessant, darüber zu diskutieren, ob in den Artikeln 2 bis 78 die von der PDS bemängelte unternehmerische Freiheit hineingehört. Ich kann Kollegen Bartl beruhigen. Er hat vergessen, etwas zu zitieren, nämlich dass das nur im Rahmen der einzelstaatlichen Regelungen und natürlich dann auch nur mit dem entsprechenden Sozialbindungszwang des Grundgesetzes stattfinden kann.
Man kann darüber diskutieren. Man kann darüber auch sachlich diskutieren. Man kann aber nicht so darüber diskutieren, wie das heute hier geschehen ist und wie Herr Apfel diesen Antrag der NPD hier begründet hat. So geht das nicht.
(Beifall bei der FDP, der CDU, der PDS, der SPD und den GRÜNEN – Uwe Leichsenring, NPD: Ist doch gegangen!)
Wer in Europa in der Frage des Europäischen Verfassungsvertrages davon spricht, dass es sich hierbei um die Preisgabe von Souveränität handelt, der vergaloppiert sich bereits im ersten Satz in ein Terrain, wo es offensichtlich wird, wohin die Reise eigentlich gehen soll, nämlich zu ganz anderen Zielen. Da wird nicht der Verfassungsvertrag aufgegeben oder angegriffen, sondern die europäische Integration, die Europäische Union insgesamt.
Selbst der Kollege Bartl würde mir, wenn ich ihn frage: „Steht im Verfassungsvertrag die Aufgabe der Souveränität des deutschen Volkes zur Diskussion?“, bestätigen, dass das nicht der Fall ist. Das wissen Sie.
Jedenfalls müssten Sie zu der Erkenntnis kommen, wenn Sie nachdenken. Das wollen Sie aber offensichtlich nicht.
Sie sprechen davon, dass die Bundeswehr durch den Vertrag eingesetzt werden soll – so weit ich mitgeschrie
ben habe – zur Unterstützung einer Finanz- und Politmafia. Sie ereifern sich über die mit der Union verbundene Zinsknechtschaft.
Das war, glaube ich, Punkt 17 des ersten NSDAP-Programms, die Brechung der internationalen Zinsknechtschaft.