Protokoll der Sitzung vom 19.06.2008

Ich wünsche mir einfach, dass Sie mir zuhören, statt Ihr vorbereitetes Redemanuskript vorzutragen und dabei ehrenrührige Behauptungen aufzustellen. Das ist schädlich für uns alle.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Herr Kollege Pecher, ich begrüße sehr, was Sie verkündet haben, dass nämlich die SPD-Fraktion dieses Vorhaben ablehnt. Ich frage mich, wieso diese lange Textanalyse vorgeschaltet werden musste. Aber allein diese Botschaft in die Öffentlichkeit zu tragen – das war die heutige Debatte auf jeden Fall wert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Herr Prof. Unland, ich möchte Ihnen am heutigen Tag nachträglich ganz herzlich zu Ihrem neuen Amt gratulieren. Sie haben die Debatte in einer ruhigen Art geführt.

Finanzthemen werden normalerweise ruhiger debattiert. Aber „Schlösser, Burgen, Gärten“ ist ein emotionales Thema, ein Kulturthema.

Sie tun mir etwas leid. Das Finanzministerium hat seinen neuen Minister in die Debatte zu dem heißen Thema „Privatisierung von Schlössern, Burgen und Gärten“ geschickt und ihm nicht einmal eine feuerfeste Weste angezogen. Sie haben gesagt, dass es um kulturhistorisch bedeutsame Einrichtungen geht. Das sind unsere Schlösser, Burgen und Gärten tatsächlich. Es sind Denkmale. Der Staatsbetrieb selbst ist aus einzelnen Museen entstanden und nimmt nach wie vor museale Aufgaben wahr. Aber die Denkmalpflege hat in Ihrer langen Rede keine Rolle gespielt. Die Museen haben Sie nicht einmal mit einem Wort erwähnt. Verträgliche Nutzung statt Vernutzung – das war nicht das Thema. Stattdessen gab es einzig eine wirtschaftliche Betrachtung.

Wenn es um diese, wie Sie selbst gesagt haben, kulturhistorisch bedeutsamen Einrichtungen des Freistaates geht, dann muss doch der wirtschaftliche Kopf mit der kulturellen Seele zusammenkommen. Nur dann entsteht eine richtige Lösung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich möchte Sie auch auf Folgendes hinweisen: Heute war davon die Rede, es gebe im Staatsbetrieb keine hoheitlichen Aufgaben. Das SMF muss sich aber entscheiden. Wenn es wirklich keine hoheitlichen Aufgaben gibt, dann ist zu fragen, wieso im Jahr 2005 drei neue Beamtenstellen im Staatsbetrieb ausgebracht wurden. Entweder – oder; beides geht nicht zusammen.

Ich muss feststellen, dass das SMF in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage und auch heute keinen exakten Vorteil einer privatrechtlichen Betriebsform benennen konnte. Es gibt nur die Behauptung, GmbHs seien flexibler und effizienter. Wir sollten uns deshalb einmal die grundsätzliche Frage stellen, woran es denn liegt, wenn Angestellte angeblich oder tatsächlich nicht effizient arbeiten. Fehlt ihnen die Motivation, effektiv und zum Wohle dessen zu handeln, was uns gehört? Liegt es vielleicht daran, dass die Leitung es nicht versteht, die Kreativität dieser Leute herauszukitzeln, sie zu motivieren? Oder liegt es daran, dass es auch in Staatsbetrieben zu viele Häuptlinge und zu wenige Indianer gibt, die dann müde sind vom alltäglichen Jagen?

Im aktuellen Bericht des Landesrechnungshofes können Sie alle nachlesen, dass Angestellte im Barockschloss Rammenau bis zu 17 Stunden täglich und 68 Stunden wöchentlich zum Dienst herangezogen wurden. Das ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern auch das Gegenteil von effizientem und effektivem Personaleinsatz.

Nein, meine Damen und Herren, wir müssen nicht privatisieren. Es lassen sich auch im Staatsbetrieb genügend Reserven mobilisieren, dass, wie es der Rechnungshof formuliert, „innerhalb der vorhandenen Rahmenbedingungen optimal gewirtschaftet wird“. Die Privatisierung

des Staatsbetriebes konnte in ihrem Vorteil nicht begründet werden.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Sie ist kulturell schädlich und, wie die bisherige GmbH zeigt, wirtschaftlich nutzlos. Lehnen Sie diese Privatisierung ab!

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 4/12522. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen und eine Reihe von Stimmen dafür. Dennoch ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

(Unruhe)

Ich kann gut verstehen, dass Sie schon alle in Fußballstimmung sind. Heben Sie sich das einfach für heute Abend auf! Umso schneller werden wir hier fertig.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das ist das letzte Mal heute Abend!)

Nein, das ist heute nicht das letzte Mal.

(Caren Lay, Linksfraktion: Wenn Sie es sagen!)

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 5

Hartz IV einer Generalrevision unterziehen

Drucksache 4/12516, Antrag der Fraktion der NPD

Die NPD beginnt. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Ich erteile nun der NPD-Fraktion das Wort. Herr Abg. Apfel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über drei Jahre sind nun die Armutsgesetze in Kraft. Seit über drei Jahren spricht die Regierung von „Fördern und Fordern“. Übrig geblieben indes ist lediglich das Fordern. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt hat nur zur Folge, dass weder die Menschen in Arbeit gebracht worden sind noch von einer sozialen Verantwortung vonseiten des politischen Kartells gesprochen werden kann.

Hartz IV hat aber neben der Armut eine weitere katastrophale Folge: die Abwanderung junger Fachkräfte. Trotz hervorragender Wissenschaftsstandorte hat sich die Lebenssituation der Menschen so drastisch verschlechtert, dass Sachsen zwar die Hochschul- und universitären Studien richtigerweise fördert, die Fachkräfte aber nach dem erfolgreichen Abschluss unser Land meist Richtung Westen verlassen.

Als Gründe führen die Absolventen neben mangelnden beruflichen Perspektiven auch und erst recht die Verdienstmöglichkeiten an, die sich bei einem Arbeitsplatzmangel in Richtung existenzielles Minimum bewegen, und dieses wird seit dem 1. Januar 2005 zunehmend an der sogenannten Hartz-IV-Leistung, aber auch schon darunter ausgemacht. Es sind eben nicht nur Studenten, die Praktika unter dem Existenzminimum erledigen; es sind Facharbeiter und Akademiker gleichermaßen, die in den sich immer schneller drehenden Abwärtssog geraten. Hartz IV hat so viele gravierende Mängel, dass kleine Kurskorrekturen schon längst nicht mehr ausreichen. Die

Menschen, vor allem in den ländlichen Regionen, schleppen sich von einer Maßnahme zur nächsten.

Dabei ist es nach den Worten des Gesetzes nicht Anliegen, die Menschen in Armut zu manifestieren. Vielmehr wird in der Bundestagsdrucksache 15/1516 ausgeführt, dass Arbeitslosengeld II und Sozialgeld unter Berücksichtigung des Bedarfsdeckungsgrundsatzes so weit wie möglich pauschaliert und die einzelnen Leistungsbestandteile so ausgestaltet sind, dass die Betroffenen ihren Bedarf selbst und möglichst einfach ermitteln können.

Meine Damen und Herren! Wenn eine Pauschalierung unter Wegfall von Leistungen für besondere Lebenslagen, wie zum Beispiel Diabetes oder Kindererziehung, erfolgt, dann kann dieser Bedarf nicht einfach als gestrichen gelten. Vielmehr müsste er dann ebenso durch Pauschalen gedeckt sein, auch wenn es ein mehr oder weniger großer Teil Hilfsbedürftiger nicht benötigt. Auch jene Hilfsbedürftigen, die zusätzlich mit einer gesundheitlichen oder familiären Situation, so zum Beispiel schulpflichtigen Kindern, konfrontiert sind, haben ebenso ein Anrecht auf das Sozialstaatsprinzip, das sich aus Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 ergibt. Es wäre pure Heuchelei, wenn sich demokratische Parteienvertreter auf einen Sozialstaat berufen, den sie selbst abgeschafft haben. Gerade die soziale Komponente als Gemeinschaftsaufgabe ist die Grundlage einer Demokratie. Beseitigt man die Gemeinschaft, beseitigt man die Demokratie. Mit Hartz IV, meine Damen und Herren, wurde die Gemeinschaft beseitigt.

Natürlich ist es realitätsfern, jede Lebenssituation in einer pauschalierten Leistung berücksichtigen zu wollen. Aber genau davon krankt das System und war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dies war auch der Tenor der öffentlichen Anhörung am 4. April dieses Jahres. Unter der Überschrift der Kostenabdeckung für Schulbedarf

legte ausgerechnet der von der CDU benannte Sachverständige Michael Löhr vom Vorstand des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. dar, dass gerade der Bedarfsdeckungsbereich für Kinder durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt völlig unzureichend durch seine Pauschalierung in Anlehnung an den Familienvorstand geregelt ist.

Nun bedurfte es sicher nicht des Antrages der PDS zur Kostendeckung für Schulbedarf, wenn Sie statt Parteibuchpolitik wirkliche Sachpolitik für unsere Bürger machen würden.

Unser Antrag mit der Drucksache 4/9231 forderte unter anderem genau dies. Unseren Antrag haben Sie aus ideologischen Gründen abgelehnt, was erneut zeigte, wes Geistes Kind Sie in Wahrheit sind.

Die Anhörung offenbarte aber auch die Anfälligkeit von Hartz IV; denn nicht einmal diejenigen verstehen etwas davon, die den sozialen Kahlschlag geschaffen haben. Dies wird umso mehr durch die Bundesratsinitiative 676/07 von Rheinland-Pfalz deutlich. Irrtümlich wird darin davon ausgegangen, dass Schulbedarf durch die Abteilung 9 der EVS gedeckt wäre. Dies ist aber augenscheinlich schon aus mehreren Gründen nicht der Fall; denn einerseits ist die Abteilung 9 für Freizeitbereich, Unterhaltung und Kultur zuständig; andererseits ist für den Bildungsbereich, wenn auch als Dienstleistung ausgewiesen, die Abteilung 10 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zuständig. Dies, meine Damen und Herren, wird aber mit null Euro ausgewiesen. Hilfsweise könnte man – wie Rheinland-Pfalz unter SPD-Chef Kurt Beck – auf die Idee kommen, dass Stifte, Hefte und dergleichen im Freizeit- und Kulturbereich der Abteilung 9 inbegriffen sind. So heißt es aber auf die EVS bezogen, dass für Schreibwaren 1,63 Euro und für Bücher und Zeitschriften 3,28 Euro monatlich zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren! Hartz IV krankt an so vielen Stellen, dass meine Redezeit bei Weitem nicht ausreicht, um nur annähernd auf alle Unzulänglichkeiten einzugehen. Daher sei nur festgestellt, dass allein im Folgejahr nach der Einführung von Hartz IV, also im Jahr 2006, schon 260 000 Personen in Sachsen – das sind mehr als 15 % aller Arbeitnehmer – von Armut betroffen waren. Näheres hierzu wird Ihnen mein Kollege Dr. Müller in seiner Rede erläutern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Für die Koalition spricht Herr Dr. Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe hier einen Titel bekommen, der mir nicht zusteht. Aber die Präsidentin darf auch einmal einen Fehler machen.

Herr Apfel, Sie haben in Ihrem Redebeitrag die Formulierung gebraucht, wir hätten einen Antrag von Ihnen abge

lehnt und deshalb wäre klar, wes Geistes Kind wir seien. Ich sage Ihnen einmal, wes Geistes Kind wir nicht sind. Dazu muss ich Ihnen erklären, warum die NPD im Moment gerade versucht, die Hartz-IV-Kampagne wieder zu fahren, nachdem sie im Landtag – ich habe das schon mehrfach betont – jahrelang nach ihrem großen Wahlkampfauftritt nichts gemacht hat: Sie leben davon, dass sich Menschen vom demokratischen System abwenden und einfacheren Parolen zuwenden, weil die Welt durch die Globalisierung zunehmend komplexer wird. Sie nutzen die deutsche Art, eher dem Pessimismus als dem Optimismus anzuhängen, schamlos für Ihre völkischen Rituale aus. Die den Krieg überlebten, sind dagegen noch relativ immun. Sie mussten bereits erleben, wohin solche Wahnsinnsideen führen. Die Jungen, die teilweise eine schlechte Geschichtsausbildung mit Ausblendungen erlebt haben, und insbesondere die jungen Männer mit niedrigem oder gar keinem Schulabschluss, denen unser Wirtschaftsgefüge im Moment noch wenig Arbeit bietet, lassen sich leichter beschwatzen und erhoffen sich von den Nazis die Lösung ihrer Probleme. Die Probleme dieser jungen Männer sind überwiegend soziale Probleme. Sie fühlen sich als die Verlierer dieser Gesellschaft, während die Nazis ihnen die Gewinnerrolle anbieten. Das ist die sozial-braune Soße, in der sich wirkliche Probleme mit großmannssüchtigen Wahnsinnsansprüchen paaren. Wie sieht das konkret aus?

So empfiehlt das rechtsextremistische Störtebeckernetz für das NPD-Image „eigens dafür eingerichtete Initiativen, bei denen Begriffe wie ‚sozial’ und ‚Hartz IV’ im Vordergrund stehen sollten“.

(Holger Apfel, NPD: Wir brauchen keinen Störtebecker dazu!)

In einem „Für unsere Kinder: Hartz IV kippen“ überschriebenen Faltblatt der NPD in NRW hieß es vollmundig: „Wir garantieren, dass es in Deutschland binnen zweier Jahre nicht einen Deutschen gibt, der arbeitslos ist, wenn in unserem Land endlich wieder Politik für das eigene Volk gemacht wird.“