Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Das zweite Beispiel: die erneuerbare Energieindustrie. Ja, hier handelt es sich um einen hochmodernen Industriezweig und schon längst nicht mehr um eine softe alternative Nischenproduktion. Braunkohle hat eine wichtige Brückenfunktion, nicht nur für ein paar Jahre, sondern sicher für mehrere Jahrzehnte. Sie kann aber nur der jetzt noch notwendige Rahmen sein, um unsere Energiesysteme auf eine grundlegend andere Basis zu stellen. Letztlich sind auch unsere Braunkohlenvorräte endlich. Vielleicht werden es uns unsere Kinder und Enkelkinder noch einmal danken, wenn wir nicht alle Schätze, die wir in der Erde haben, im wahrsten Sinne des Wortes verheizen.

(Beifall der Abg. Kathrin Kagelmann, Linksfraktion)

Braunkohle ist in einem rohstoffarmen Land vor allem auch ein wichtiger chemischer Grundstoff.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Generell und langfristig muss Energie ohne den Verbrauch an fossilen Energieträgern erzeugt werden. Das kann nur durch die Nutzung erneuerbarer Energien geschehen. Erneuerbare Energien sind die Energien des 21. Jahrhunderts, und das nicht erst in dessen zweiter Hälfte. Wie wir diese Energien in Zukunft mehr und besser nutzen wollen, dazu hat Kollege Kupfer schon Verschiedenes ausgeführt.

Wir wollen in Sachsen erneuerbare Energien aber nicht nur nutzen, wir wollen vor allem auch die Technologien, die dazu notwendig sind, entwickeln, herstellen, warten und betreiben. Das ist eine entscheidende Option für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes. Schon jetzt kann die Branche einen mit hoher Dynamik wachsenden Markt verzeichnen.

Dabei stehen wir erst am Beginn eines weltweit notwendigen Prozesses. Bei meinem Besuch in Russland in der vergangenen Woche konnte ich immer wieder feststellen: Die Exportchancen für erneuerbare Energien und Technologien, die sich gerade auch hier eröffnen, sind riesig. Mit der neuen Verbundinitiative EESA, dem Industriellen Netzwerk erneuerbare Energien Sachsen, die Anfang dieses Jahres ihre Arbeit aufgenommen hat, wollen wir unsere Unternehmen unterstützen, sich auf diesem Markt an vorderster Stelle zu etablieren.

EESA hat vor allem das Ziel, bei kleinen und mittleren Unternehmen Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Es geht darum, durch das Zusammenbringen von Wissen und Können die entscheidenden Faktoren, wie Innovationskraft, Produktivität und Exportstärke, deutlich zu verbessern.

Was auf diesem Gebiet alles erreicht werden kann, zeigt das Beispiel Solar Valley, die Fotovoltaik-Industrie in Mitteldeutschland mit dem ganz besonderen Schwerpunkt hier in Sachsen. Wir haben die Chancen, die diese Tech

nologie für unseren Wirtschaftsstandort bietet, frühzeitig erkannt und genutzt, und wir haben die Nase dabei jetzt schon nicht weit oben, sondern ganz weit vorn.

Das dritte Beispiel: Energieeffizienz in sächsischen Unternehmen. Nicht nur für die Unternehmen der Energiebranche, sondern für jedes Unternehmen ist nachhaltige Energiewirtschaft die Chance für die Zukunft, und zwar dann, wenn eine der zentralen Strategien dafür, nämlich die effiziente und sparsame Nutzung von Energie, zur Anwendung kommt. Eine hohe Energieeffizienz wird mehr und mehr zu einem Wettbewerbsfaktor nicht nur für die energieintensiven Bereiche, sondern für jede wirtschaftliche Tätigkeit.

Ein zentraler Bestandteil unseres Aktionsplanes ist es deshalb, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen dabei zu unterstützen, Energie effizienter als bisher einzusetzen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Denn viele dieser Unternehmen haben weder die notwendigen Informationen noch die finanziellen Reserven, um sich dieser Aufgabe in ausreichender Weise stellen zu können. Wir setzen dazu auf ein integriertes Gesamtkonzept, das wir in enger Zusammenarbeit mit den Vertretern der sächsischen Wirtschaft, mit Wissenschaftlern und Energieberatern entwickelt haben. Gerade auch in dieser Zusammenarbeit sehe ich ein entscheidendes Kriterium dafür, dass wir mit unseren Maßnahmen auf dem richtigen Wege sind.

Mit diesem Konzept übernehmen wir bundesweit eine Vorreiterrolle. In kaum einem anderen Bundesland und auch nicht auf Bundesebene wird die Strategie der betrieblichen Energieeffizienz so konsequent, so stringent und so langfristig kontinuierlich verfolgt wie bei uns hier in Sachsen.

Der erste wichtige Baustein in unserem Konzept ist der Sächsische Gewerbeindustriepark. Kollege Kupfer erwähnte ihn bereits. Am kommenden Montag findet unter Federführung unserer Energieagentur SAENA die Abschlussveranstaltung für den Feldtest statt. Dann wird dieses bundesweite innovative Instrument für die breite Anwendung in Sachsen freigegeben.

Der Sächsische Gewerbeindustriepark hat das Ziel, eine qualitativ hochwertige Energieberatung zu gewährleisten. Die Gewerbeenergieberatung an sich ist ja nicht neu. Der innovative Ansatzpunkt, den wir dabei verfolgen, ist die Qualitätssicherung. Das wird einmal durch den Gewerbeenergiepark selbst sichergestellt – und zwar durch einen standardisierten, mit umfangreichem Fachwissen ausgestatteten Algorithmus – und zum anderen durch ein Qualifizierungs- und Zertifizierungssystem für diejenigen, die diese Instrumente anwenden sollen. Der Sächsische Gewerbeenergieberater soll ein anerkannter und geprüfter Markenname werden. Das ist unser Ziel.

Ergänzt wird dieses Beratungsangebot durch ein Angebot für die finanzielle Förderung von investiven Maßnahmen speziell für unsere kleinen und mittleren Unternehmen.

Die Verträge mit der Sächsischen Aufbaubank zur Umsetzung des Förderprogramms sind jetzt unterzeichnet. Das Budget ist verfügbar. Die Förderung kann ab sofort beginnen.

Noch ein wesentlicher Punkt ist mir in diesem Zusammenhang wichtig: Energieeffizienz heißt auch Entwicklung und Anwendung von neuen energiesparenden Produkten, Verfahren und Dienstleistungen. In diesem Sinne wird Energieeffizienz immer mehr zu einem grundlegenden Markenzeichen für eine moderne Industriepolitik. Sachsen will gerade auch hier Innovationswerkstatt Mitteldeutschlands sein. Und wir sind auf dem besten Wege dahin. Der Standort Dresden/Freiberg zum Beispiel ist bei dem IT-System besonders gut aufgestellt.

Nicht zu unterschätzen sind auch unsere Maßnahmen im kommunikativen Bereich, etwa die Etablierung unseres Energiebeirates. Ich habe im vergangenen Herbst die Mitglieder des Beirates berufen, und nach der konstituierenden Sitzung hat es bereits zwei Treffen gegeben, die der konkreten Sacharbeit gegolten haben. Ein erstes Positionspapier zum Thema Stromnetz ist erarbeitet worden – ein Thema, welches mit Blick auf den stetig steigenden Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung immer wichtiger wird. Optimierte Netze, Netzausbau, Entwicklung von Speichertechnologien und europaweit einheitliche Regelungen sind notwendig, um den Anforderungen einer zukunftsfähigen Energieversorgung zu genügen.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Karl Mannsfeld, CDU)

Auch dieser Aspekt spiegelt sich in unserem Aktionsplan wider.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass wir mit diesem „Aktionsplan Klima und Energie“, mit den vielen konkreten Maßnahmen, die wir uns damit vorgenommen haben, einen entscheidenden Schritt vorankommen werden auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und zu einem leistungsstarken und zukunftssicheren Wirtschaftsstandort Sachsen; denn beides gehört untrennbar zusammen.

Deshalb will ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen, wie wichtig und wie richtungweisend es ist, dass dieser „Aktionsplan Klima und Energie“ als gemeinsames Werk des Wirtschafts- und des Umweltressorts erarbeitet worden ist. Wir haben damit die unrühmliche Geschichte meines Energieprogramms zu Beginn des letzten Jahres hinter uns gelassen und längst von Misslingen auf Gelingen umgeschaltet. An dieser Stelle danke ich ausdrücklich Herrn Kollegen Prof. Wöller, der als Vorgänger von Herrn Kupfer wirklich sehr gut mit mir zusammengearbeitet hat. Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Kollege Hähle hat ganz groß zum Klatschen ausgeholt. Das ist auch völlig korrekt. Sie sehen die große Bandbreite, die wir bedienen dürfen. Unsere Koalition ist handlungsfähig. Frank Kupfer und ich zeigen damit, wie

Zukunft gemeistert werden kann: nicht durch das Gegeneinander, sondern nur durch das Miteinander von Ökonomie und Ökologie.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Aussprache zu der Regierungserklärung. Es beginnt die Fraktion der CDU.

Ich gebe schnell noch die Redezeiten bekannt: CDU 50 Minuten, Linksfraktion 35 Minuten, SPD 15 Minuten, NPD, FDP und GRÜNE je 13 Minuten.

Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der CDU, das Wort zu nehmen. Herr Prof. Mannsfeld, bitte.

(Prof. Dr. Karl Mannsfeld, CDU: Ist das richtig? Eigentlich müsste doch die Linksfraktion zuerst sprechen!)

Entschuldigung. Ja, die Linksfraktion. Das ist korrekt. Bitte, Frau Dr. Runge. Das hatte ich jetzt glatt übersehen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Abgeordneten! Zur Erinnerung: Der letzte Bericht des Weltklimarates hat als Hauptursache für die Beschleunigung des natürlichen Treibhauseffektes die von Menschen verursachten klimarelevanten Emissionen ausgemacht. Je nach Wachstum der Bevölkerung, der Wirtschaft und in Abhängigkeit vom aktiven Klimaschutz fallen die Prognosen für die globale Erwärmung der Erdatmosphäre in diesem Jahrhundert aus. Sie reichen von einer Erwärmung um 1,4 °C bis zu 5,8 °C. Es kann also nur noch darum gehen, die Dynamik der Erderwärmung abzubremsen.

Von der globalen Erderwärmung sind sämtliche Regionen der Erde mehr oder weniger betroffen, auch Sachsen. Nach der regionalen Klimaprognose für Sachsen treten Veränderungen ein, die sich am wichtigen Parameter Niederschlag deutlich von anderen Regionen in Deutschland unterscheiden und innerhalb Sachsens variieren. In den Monaten April, Mai und Juni ist bereits gegenwärtig im gesamten Freistaat ein Rückgang der Niederschläge und in den Monaten Juli, August und September in Nord- und Ostsachsen sogar ein Defizit von 15 bis 30 % zu verzeichnen. Orkane – wie „Kyrill“ und „Emma“ – werden auch in Sachsen an Intensität und Häufigkeit zunehmen.

Es ist also an der Zeit, nicht nur global zu denken, sondern vor allem regional und lokal zu handeln.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Nachdem der Rat der Europäischen Union im vergangenen Jahr ein integriertes Programm „Klima und Energie“ mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 % zu senken, verabschiedet hat, hat auch die Bundesregierung ein nationales integriertes Programm beschlossen mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 sogar um 30 % zu reduzieren sowie den Anteil erneuerbarer Energien beim Stromverbrauch auf 30 % zu steigern. Um das zu errei

chen, sieht der Bund bis 2020 sage und schreibe 313 Milliarden Euro an Investitionen in Energieeffizienz, im Verkehr und in der Industrie vor. Hierzu ist außerdem in der vergangenen Woche im Bundesrat eine Reihe von Gesetzen verabschiedet worden: die Novelle zum EEG für Strom, das Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energie bei Wärme, das Gesetz zur Förderung von KraftWärme-Kopplung und das Gesetz zur Öffnung der Strom- und Gasmessung für Wettbewerb.

Allerdings wurden auch noch einige Maßnahmen des Klimapakets verschoben. So soll die Kfz-Steuer erst ab 2010 vom Hubraum auf den CO2-Ausstoß umgestellt werden. Offen bleiben Mieterrechte gegenüber ihren Vermietern bei Nichteinhaltung von Energiestandards sowie strengere Energiestandards bei Neubauten und bei der Sanierung von Altbauten.

Der Versuch der CDU, Atomstrom als besonders geeignet für den Klimaschutz anzusehen, ihn sogar als Ökostrom anzupreisen, wie Herr Pofalla das tat, ist an Zynismus nicht zu überbieten.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Asse II als Endlager für mittleren und gering radioaktiven Atommüll zu entwickeln ist gescheitert, was erst jüngst bekannt wurde.

Nun zum Aktionsplan der Sächsischen Staatsregierung. Angesichts der europäischen und bundespolitischen Entscheidung war es nun auch an der Zeit, dass die Sächsische Staatsregierung zum Thema „Klimaschutz und Energie“ etwas Brauchbares vorlegt und zugleich als neu konstituierte Koalitionsregierung Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit demonstriert, wie das besonders stark in der Rede von Herrn Jurk zum Ausdruck kam.

Das Kabinett hatte am 17. Juni 2008 den nun vorliegenden Aktionsplan für Sachsen beschlossen. Er liefert zumindest auf dem Papier einen integrierten Ansatz, indem sieben Ministerien fachlich mit Einzelmaßnahmen und Aufgaben – und bei Einzelmaßnahmen sogar ressortübergreifend – einbezogen sind. In der Tat zählt der Aktionsplan rund 200 ressortübergreifende Maßnahmen auf, deren praktische Umsetzung bis 2013 mit 60 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung ausgestattet werden soll. Hierfür seien dann noch die anteiligen Haushaltsmittel aus den zahlreichen Förderrichtlinien der Staatsregierung draufzupacken. Die Summen hierfür bleiben aber noch das offene Geheimnis der Staatsregierung.

Richtig ist, dass die Vergabe der Fördermittel stärker als bisher an den Kriterien von Klimaeffizienz und der Klimaanpassung ausgerichtet werden sollen. Für die notwendigen Mittel zur Kofinanzierung und für eine finanziell gute Ausstattung der Landesprogramme haben Sie mit Sicherheit in der Linksopposition Verbündete. Die Frage ist, ob mit 60 Millionen Euro bis 2013 aus dem EFRE bei zum Teil anspruchsvollen Maßnahmen – ich nenne hier beispielhaft nur Maßnahmen der Wasserwirtschaft, wie den Bau von Speichern und Hochwasserrück

haltebecken oder aber die Flutung von Tagebauseen – praktisch viel bewegt werden kann, denn allein 20 Millionen Euro davon sollen – so habe ich Minister Jurk verstanden – für die Förderung von Energietechnologien eingesetzt werden.

Allein an dieser beispielhaft genannten Aufgabenstellung wird deutlich, was 60 Millionen Euro aus dem EFRE bis 2013 für insgesamt 200 Maßnahmen tatsächlich bedeuten. Erst mit der Bereitstellung von finanziellen Mitteln wird sichtbar, welche Aufgaben für die Regierungsparteien Priorität besitzen. Hier wird mit großem Brimborium ein Aktionsplan verkündet, für dessen praktische Umsetzung nach meinem Verständnis nur gekleckert werden kann.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Papier ist geduldig, allein es zählt die Tat.