Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Gibt es den Wunsch, weiterhin an der allgemeinen Aussprache teilzunehmen? – Das kann ich nicht erkennen. Herr Staatsminister des Innern Dr. Buttolo, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Linksfraktion handelt mit ihrem Antrag aus meiner Sicht nicht im Interesse der sächsischen Polizei und schon gar nicht im Interesse der inneren Sicherheit.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Es ist bezeichnend, dass bereits ein halbes Jahr vor der beabsichtigten Organisationsanpassung negative Auswirkungen auf die Sicherheitslage herbeigeredet werden.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Die Reform der sächsischen Bereitschaftspolizei ist keineswegs, wie behauptet, eine Reform „von oben“. Die Entscheidung ist ein mehr als zweijähriger intensiver Abstimmungsprozess gewesen, in den letztlich alle Leitungsebenen der Bereitschaftspolizei, aber auch die Personal- und Berufsvertretungen eingebunden waren. Zudem wurden mehrere Organisationsmodelle geprüft und dabei das ausgewählt, das den höchsten Einsatzwert der geschlossenen Einheit garantiert.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Dies belegt, dass es sich keineswegs um eine einsame Entscheidung im stillen Kämmerlein oder am grünen Tisch des SMI handelt, sondern um ein ordentlich vollzogenes Projekt einer Organisationsfortschreibung.

Auf einige Stationen des Entscheidungsprozesses möchte ich schlaglichtartig eingehen. Bereits im Herbst 2005 wurden durch das SMI unter Einbeziehung des Präsidiums sowie der Abteilungen der Bereitschaftspolizei Leitsätze der anstehenden Organisationsstruktur vorbereitet. Zwei dieser Leitsätze möchte ich hervorheben. Erstens: Die Bereitschaftspolizei ist als eigenständige Verbandspolizei zu erhalten. Zweitens: Zur Gewährleistung einer zeitnahen Verfügbarkeit sind die Einsatzeinheiten an den Standorten Chemnitz, Dresden und Leipzig vorzuhalten.

In der Folge wurde im Jahre 2006 durch das Präsidium der Bereitschaftspolizei ein Konzept mit den schon erwähnten mehreren Organisationsmodellen erarbeitet. Dabei wurden auch die regionale Verteilung der Einsatzstunden der Bereitschaftspolizei analysiert und eine belastungsorientierte Verteilung der Einsatzeinheiten auf die Standorte Chemnitz, Dresden und Leipzig vorgeschlagen.

Herr Bartl, an dieser Stelle möchte ich Ihnen sehr deutlich sagen: Wir haben besondere Situationen, die es in Leipzig gegeben hat, aus dieser Bewertung herausgerechnet; denn sonst hätte es ein anderes Bild ergeben. Wir sahen aber aus den Zahlen eindeutig, dass die Bereitschaftspolizei von Chemnitz nach Leipzig gefahren wird – und das nicht nur einmal, sondern permanent –, weil dort mehr Einsätze zu fahren sind als in Chemnitz. Wenn sich Verantwortliche außerhalb der Polizei in Chemnitz auch in der Öffentlichkeit geäußert haben, wir würden die Sicherheitslage im Chemnitzer Raum vernachlässigen, kann ich zwar verstehen, dass man sich als Politiker auf dieser Ebene artikuliert, aber wir müssen sehen, welche Aufgaben die Bereitschaftspolizei hat. Sie hat drei Aufgaben, wie ich sie in folgender Reihenfolge nenne: erstens den Einsatz im Land bei besonderen Lagen; zweitens, diese Einsätze zu trainieren, und drittens, wenn darüber hinaus noch Zeit ist, für Unterstützungsleistungen in den PDs zur Verfügung zu stehen.

Wenn wir durch Fahrzeiten von Chemnitz nach Leipzig wertvolle Einsatzzeit vergeuden, halte ich es für dringend notwendig, dass dort gehandelt wird.

(Beifall bei der CDU)

Am 25. Januar 2007 habe ich Sie während der 71. Sitzung dieses Hohen Hauses ausführlich über Eckpunkte der beabsichtigten Reform der Bereitschaftspolizei informiert. Seitdem haben auch Sie von der Linksfraktion Kenntnis davon. Umso befremdlicher ist der jetzige Versuch, die Reform kurz vor der Zielgeraden auszubremsen.

Lassen Sie mich nun zu einigen Argumenten in der Begründung des Antrages der Linksfraktion Stellung nehmen. Es findet keineswegs eine Zentralisierung der sächsischen Bereitschaftspolizei in Leipzig statt. Ich habe es schon mehrfach gesagt: Die Einsatzeinheiten werden in der erforderlichen Stärke in Chemnitz, in Dresden und in Leipzig vorgehalten.

Die Stärke wird durch die Einsatzhäufigkeit bestimmt. So wird es am Standort Chemnitz eine Hundertschaft mit fünf Zügen, am Standort Dresden drei Hundertschaften mit neun Zügen und am Standort Leipzig zwei Hundertschaften mit sechs Zügen geben. Insgesamt bleibt die Anzahl der Bereitschaftspolizeizüge erhalten, und nur das, Herr Bartl, ist für den Bund von Interesse. Wo wir sie vorhalten und wie wir sie strukturieren, das interessiert den Bund nicht. Er will wissen, wie viele Züge wir letztendlich in voller Leistungsstärke bereithalten.

Was ich für richtig halte: Zentralisiert werden lediglich Führungs-, Stabs- und Verwaltungsaufgaben, um eine effizientere Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen. Hier, Herr Dr. Martens, bin ich von Ihnen als FDP-Politiker enttäuscht. Eigentlich sprechen Sie doch immer wieder für effiziente Strukturen, wenn es um Wirtschaftsunternehmen geht. Warum sprechen Sie nicht für effiziente Strukturen, wenn es um die Polizei geht?

(Beifall bei der CDU)

Da müssen Sie schon akzeptieren, dass eine Diskussion darüber stattfinden darf, ob Abteilungsstäbe noch zeitgemäß sind oder ob man zu anderen Strukturformen kommen kann.

(Zustimmung der Abg. Rita Henke, CDU)

Es ist mir völlig unklar, wie die Linksfraktion behaupten kann, die Reisezeiten zu Einsätzen würden steigen und die Effizienz der Einsätze würde sinken. Genau das Gegenteil ist nach dieser Reform der Fall. Auf der Grundlage der erwähnten Analyse der Einsatzanlässe bringen wir die Einsatzeinheiten dorthin, wo die meisten Einsätze stattfinden. Die Reisezeiten werden also spürbar abnehmen.

Die Ausbildung hat mit der Reform der Bereitschaftspolizei nur partiell etwas zu tun. Sollte der Landtag einer Erhöhung der Ausbildungszahlen bei der sächsischen Polizei zustimmen – was wir uns sehr wünschen –, sind wir auf eine erhöhte Ausbildungslast eingerichtet. Die Reform der Bereitschaftspolizei ist wichtig, um den hohen Einsatzwert der geschlossenen Einheiten zu erhalten.

Nun noch zwei, drei Antworten an Herrn Bartl. Das Einplanungsverfahren ist offiziell definitiv nicht eröffnet. Ich kann nicht ausschließen, dass intern Gespräche geführt werden und man sich Gedanken macht, wer wohin kommen könnte. Ein offizielles Verfahren gibt es nicht.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Ich habe meinen Referenten gebeten, während Sie gesprochen haben, dies nochmals checken zu lassen, und es wurde mir so bestätigt: Es gibt kein offizielles Einplanungsverfahren.

Zum Nehmerland: Herr Bartl, wir sind nicht deshalb Nehmerland, weil wir vielleicht keine hinreichende Qualität in unserer Bereitschaftspolizei haben. Wir sind Nehmerland, weil wir in unserem Land so viele Einsätze haben, dass wir diese mit unseren eigenen Kräften schlichtweg nicht mehr leisten können. Wenn wir permanent Einsätze gegen Rechts- und Linksaußen zu fahren haben, wenn wir bei Fußballrandalen

(Zurufe der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion, und Jürgen Gansel, NPD)

etwas überproportional im Verhältnis zur gesamten Bundesrepublik gefordert sind, dann muss ich schon sagen: Wir kommen immer häufiger in die Situation, dass wir den Bund bzw. andere Länder um Unterstützung bitten müssen.

Zu Ihrem Hinweis bezüglich Silvester in Connewitz habe ich die klare Aussage meines Landespolizeipräsidenten: Silvester ’08 wird nicht so laufen wie Silvester ’07 in Connewitz. Das können Sie als Aussage meines Polizeipräsidenten sehr ernst nehmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Ergibt sich daraufhin noch der Wunsch zur Aussprache? – Das kann ich nicht erkennen. Damit kommen wir zum Schlusswort. Frau Dr. Ernst spricht für die einreichende Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotzdem sprechen Sie, was die Zahlen betrifft, nicht die Wahrheit. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das Sie selbst fabriziert haben. Sie haben einen Brief an das Präsidium der Bereitschaftspolizei geschrieben, aus dem ich eine Stelle zitieren möchte. Den Vorschlägen des Präsidiums der Bereitschaftspolizei aus Gründen eines effizienten Personaleinsatzes folgt folgender Gedanke: „... an den Standorten Chemnitz, Dresden und Leipzig die Dienstposten jeweils eines Bereitschaftspolizeizuges mit nicht anwesenden Bediensteten zu besetzen“.

Das sind die sogenannten Karteileichen, die Sie aber hier als volle Züge führen und damit suggerieren, dass gewissermaßen die Stärke insgesamt vorhanden wäre. In dieser Frage müsste man überhaupt noch einmal genau darüber sprechen, was tatsächlich Sache ist und wie es mit der personellen Besetzung aussieht. Das haben Sie nicht getan. Sie wissen auch, dass dies gerade in der Bereitschaftspolizei ein wichtiges Thema ist. – Das zum Ersten.

Das Zweite ist: Herr Dr. Martens, Herr Seidel und ich hatten gestern eine sehr nette Runde mit Vertretern der Polizei. Dankenswerterweise haben wir wenigstens von diesen Vertretern erfahren, dass der 01.01.2009 das Datum ist, an dem die Reform komplett umgesetzt werden sollte. Wir waren sehr dankbar – es lohnt sich immer, mit den Menschen zu sprechen – und wissen es nun ganz genau. Das ist aber Ihre Politik, Herr Buttolo. Sie informieren uns nicht, und wenn wir hier irgendetwas zur Bereitschaftspolizei behandelt haben, dann hing das immer damit zusammen, dass entweder Herr Dr. Martens oder wir als Fraktion einen Antrag eingebracht haben. So ist es tatsächlich immer gelaufen, und das, finde ich, ist kein Weg, den man akzeptieren kann. Sie stellen das Parlament vor vollendete Tatsachen. Wir sollen nachfolgend einfach irgendwelche Gesetzentwürfe – logischerweise muss man Gesetze ändern – abnicken, und das ist für Sie der Umgang mit dem Parlament. Dazu sage ich: Nein, damit bin ich nicht einverstanden!

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN und der Abg. Dr. Jürgen Martens und Kristin Schütz, FDP)

Ich will Ihnen auch sagen: Natürlich gibt es ein Gegenkonzept, beispielsweise zur Dezentralisierung, zur Beibehaltung der Abteilungsstäbe und zur Senkung des Personals im Präsidium. Diesen Entwurf gibt es, und wir wissen das alle ganz genau. Das passte natürlich einigen nicht, und derjenige, der den Entwurf in die Öffentlichkeit gebracht hat, wurde dann an die „richtige“ Stelle versetzt, wenn ich das einmal so sagen darf. So läuft das ab, das ist

„Transparenz“ bei der Bereitschaftspolizei und in Ihrem Ministerium in dieser Frage.

Da die Probleme, die hier angesprochen wurden und die wir schon seit Längerem ansprechen, nicht geklärt wurden, meine ich, dass es bitter nötig ist, diese Reform zu stoppen und zu schauen: Kann es tatsächlich so bleiben? Was muss man ändern? – Das ist nicht zu viel verlangt, das ist auch kein Populismus. Es ist ein ganz normales Geschäft, und ich denke schon, dass man sich diese Mühe machen sollte. Sie reden immer sehr viel von innerer Sicherheit. Bitte, dann tun Sie auch etwas dafür!

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Dies war das Schlusswort, meine Damen und Herren. Somit kommen wir zur Abstimmung über die Drucksache 4/12694. Wer ihr seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Reihe von Enthaltungen und vielen Zustimmungen ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt und somit nicht beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Leipzig braucht die Paulinerkirche!

Drucksache 4/12517, Antrag der Fraktion der NPD

Die einreichende Fraktion beginnt mit Herrn Dr. Müller, danach die gewohnte Reihenfolge.

(Präsidentenwechsel)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 30. Mai 1968, Punkt 10 Uhr, geschah bis heute Unfassbares: In einem Akt kultureller Barbarei ließ die SED-Führung die spätgotische Leipziger Universitätskirche Sankt Pauli trotz der Proteste zahlreicher Bürger sprengen. „Das Ding muss weg!“, hatte der Genosse Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht befohlen.

Über 700 Jahre lang hatte die Leipziger Paulinerkirche der Zeit getrotzt und dabei vieles kommen und gehen sehen. 1240 als Klosterkirche des Dominikanerordens geweiht und später zur dreischiffigen spätgotischen Hallenkirche umgebaut, wurde sie im Zuge der Reformation säkularisiert und vier Jahre später vom sächsischen Herzog der Universität übergeben. Luther predigte darin, die neue Orgel wurde 1717 von Johann Sebastian Bach persönlich geprüft und für gut befunden, die Trauerfeier für Felix Mendelssohn Bartholdy fand hier statt, und Max Reger amtierte als Universitätsmusikdirektor. Die Paulinerkirche war die Begräbnisstätte berühmter Bürger und erlebte als Universitätskirche viele Rektoratswechsel und Promotionen. Nach 1950 wurde der Dichter und Universitätsprofessor Christian Fürchtegott Gellert, ein Lehrer Goethes, aus der zerstörten Johanniskirche hierher umgebettet.

Auch der mörderische Luftangriff vom 4. Dezember 1943 konnte der Paulinerkirche nichts anhaben. Fast 700 Tonnen Spreng- und Brandbomben waren damals auf Leipzig niedergeregnet, hatten 1 800 Menschen getötet, Furchen der Verwüstung durch die Innenstadt gezogen und das Verlagsviertel samt 50 Millionen Büchern verbrannt. Auch die Universität wurde schwer getroffen, während die benachbarte Paulinerkirche fast unversehrt blieb.