Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Meine Damen und Herren, bei diesen 109 Männern, denen – ich sage es noch einmal – unsere Hochachtung für ihren Mut gebührt, war es schlicht und ergreifend so, dass dann zwei Beamte vorbeigekommen sind und an ihrer Haustür geklingelt haben. Sie haben die Nachbarn befragt, den Pkw kontrolliert und das ganze Umfeld ausgeleuchtet, und zwar nur aus dem einzigen Grund, weil sich diese Männer verweigert haben.

Herr Buttolo, jetzt sagen Sie nicht, dass das nicht stimmt. Ich kenne nämlich eine solche Person, und die hat mir das so geschildert. Natürlich war es ein unzulässiges Verdachtsschöpfungsinstrument, das hier de facto angewendet wurde. Ich sage aber dazu: Das war auch die nicht ausgesprochene Absicht der Polizei und der Staatsanwaltschaft.

Wie ging es weiter? Als der Erfolg des Reihengentests ausblieb, erweiterte man den Personenkreis auf Männer, die vor dem 6. September 2005 im Umfeld der Tatorte gewohnt hatten. Das führte zu weiteren 1 066 Personen. Jetzt wird es interessant: In parallel laufenden Ermittlungen wurde die Zahl der ursprünglich infrage kommenden 4 100 Tatfahrzeuge auf 222 eingegrenzt, die wiederum mit diesen neu ermittelten 1 066 Personen abgeglichen wurden. Und genau dieser Vergleich ergab nach Aussage von Herrn Merbitz zwei Überschneidungen, von denen einer tatsächlich der Tatverdächtige war, der später gestanden hat.

Meine Damen und Herren, das ist doch der entscheidende Punkt. Das zeigt eindeutig, dass eben nicht der Reihengentest zur Aufspürung des Täters geführt hat, sondern der Abgleich zwischen dem Wohnsitz und dem Halter des von Anfang an festgestellten Fahrzeuges, jedenfalls in diesen Umrissen. Deswegen ist es eben die Unwahrheit, wenn hier gesagt wird, dass der Reihengentest zur Auffindung des Täters geführt hat. Es war völlig anders: Der Reihengentest war erfolglos. Erst, als man die Ermittlungsmethoden umgestellt hat, als man an die normale Polizeiarbeit gegangen ist, erst dann hat man den richtigen Ausschnitt gefunden, und daraufhin hat man den Täter gefunden.

Wenn gesagt wird: „Wir haben den Täter dann doch mit einem Gentest überführt“, dann streichen Sie glatt, dass es aufgrund einer völlig anderen Rechtsgrundlage passiert ist. Der Täter wurde nicht aufgrund eines Reihengentestes überführt, sondern ihm wurde als Beschuldigtem nach § 81g, also aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage, die DNA-Probe genommen. Natürlich war das in diesem Fall gerechtfertigt, denn man hatte sein Auto, man hatte den Tatort. – Ich weiß nicht, welche Vernehmungsergebnisse man noch hatte; dazu hat Herr Merbitz nichts gesagt. – Das heißt, das ist eine völlig andere Rechtsgrundlage, eine völlig andere Ermittlungsmethode. Wenn das jetzt einfach zusammengeschmiert und gleichgestrichen wird, dann ist das unredlich

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

und es hat nichts mit einer ernsthaften und seriösen Politik der öffentlichen Sicherheit zu tun.

(Volker Bandmann, CDU: Herr Lichdi, was Sie hier betreiben, ist Quacksalberei!)

Ja, Herr Bandmann, Ihr Zwischenruf spricht wirklich für sich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Jetzt noch einmal zur Rechtsgrundlage des § 81h. Einige meiner Vorredner haben ihn schon zu Recht zitiert. In § 81h steht als Rechtsgrundlage für den Reihengentest, er sei nur zulässig – ich zitiere –, „soweit dies zur Feststellung erforderlich ist, ob das Spurenmaterial von diesen Personen stammt und die Maßnahme“ – jetzt kommt es – „insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der von ihr

betroffenen Personen nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat steht.“

Wir haben unbestritten die Schwere der Tat, ganz eindeutig, aber auf der anderen Seite die beabsichtigte Inanspruchnahme von mehr als 120 000 unbescholtenen Bürgern, von denen letztlich 14 000 in Anspruch genommen wurden, und zwar allein aufgrund des Umstandes, dass sie männlich, zwischen 25 und 45 Jahre alt und zwischen 1,65 und 1,85 Meter groß sind.

Meine Damen und Herren! Das ist keine hinreichende Eingrenzung von Tatbestandsmerkmalen. Dann kann ich auch gleich sagen: Dann rastere ich die gesamte Bevölkerung durch.

(Volker Bandmann, CDU: Sie hätten weitere Opfer in Kauf genommen! Herr Lichdi, das ist das, was ich Ihnen vorwerfe! Sie nehmen weitere Opfer in Kauf!)

Ich sage Ihnen: Das ist auch das, was Ihnen tatsächlich im Hinterkopf vorschwebt.

Herr Bandmann, ich sage Ihnen mal etwas: Ich habe – vielleicht im Gegensatz zu Ihnen – mit Praktikern gesprochen. Wissen Sie, was die mir gesagt haben? Das sind Beamte, die am Tatort sind und dort Genspuren nehmen. Es wurde mir gesagt: Ich habe eine riesige Angst, weil ich einfach mitbekomme, dass wir hier nur noch durchgehen, abstreichen und keine ordentliche Tatortarbeit mehr machen. – Das ist meine Sorge. Herr Bartl hat es doch zu Recht gesagt. Er kann als Strafverteidiger möglicherweise diese Beispiele nennen; aus meiner Praxis kann ich sie nicht nennen. Ich kann Ihnen aber glaubwürdig von diesem Gespräch berichten. Genau das ist es: dass Sie immer wieder eine super Wunderwaffe durch die Landschaft jagen, dann den Leuten einreden, das würde den Erfolg bringen, und damit die ganz normale klassische Arbeit vernachlässigen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Genau das ist doch hier der schlimme Verdacht.

(Volker Bandmann, CDU: Ist ja nicht vernachlässigt worden, die klassische Arbeit hat ja stattgefunden, Herr Lichdi!)

Wir haben über zwei Jahre gebraucht, bis wir den Täter gefunden haben. Haben Sie sich denn schon einmal die Frage gestellt, ob es möglicherweise deshalb so lange gedauert hat, weil man den falschen Weg eingeschlagen hat;

(Volker Bandmann, CDU: Das ist eine Unverschämtheit, Herr Lichdi!)

weil man gedacht hat, man ermittelt ihn über die 120 000? Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt? Ich glaube nicht, in Ihrer Selbstsicherheit. Das ist ja unerträglich.

(Rolf Seidel, CDU: Sie sind unerträglich!)

Ja, ja. – Nun zu dem Einwand, es sei alles nur freiwillig möglich. Gesellschaftlicher Druck – –

Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich habe das hinreichend dargelegt. Ich kann Herrn Mackenroth wirklich nur auffordern, von seiner populistischen Sicherheitspolitik Abstand zu nehmen. Ich kenne ihn aber jetzt schon zu lange und ich bin ganz sicher, dass diese Hoffnung leider vergebens sein wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Fahndungserfolg nun da ist, haben wir die Diskussion hier im Landtag. Ich möchte nicht verheimlichen, dass Herr Dr. Martens im Jahr 2006 im Innenausschuss die Reihengenuntersuchung thematisiert hat. Aber wenn es so schlimm ist, wenn Sie schon damals diese Befürchtungen hatten – die Zahlen waren ja klar –, dann kann ich nicht verstehen, warum hier nicht im Jahr 2006 eine Debatte dazu stattgefunden hat. Im Innenausschuss hat es diese Diskussion gegeben. Herr Fleischmann als LPP hatte damals die Darlegungen vorgenommen. Er hat auch klar umrissen, welchen Ansatz die Ermittler, Staatsanwaltschaft und Polizei gemeinsam, gewählt haben.

Ich möchte an dieser Stelle darum bitten, dass wir alle zur Kenntnis nehmen, dass die sächsischen Ermittlungsbehörden durchaus von einer gesetzlichen Regelung Gebrauch gemacht haben, die abgesichert war. Es war auch von Anfang an sehr wichtig, dass der Sächsische Datenschutzbeauftragte in die Vorbereitung und Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung einbezogen wurde. Seine Hinweise wurden umgesetzt.

So wurden die betroffenen Männer auf Anregung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten bereits in der Einladung zum Umgang mit ihrem DNA-Identifizierungsmuster aufgeklärt, zum Beispiel auch dazu, was mit der abgegebenen Körperzellprobe und dem daraus bestimmten DNA-Identifizierungsmuster geschieht. Ferner gewährleisteten das von der „Soko Heller“ gewählte technische Verfahren sowie die organisatorische Trennung zwischen Analytik und Ermittlung, dass Daten nicht zweckentfremdet genutzt werden können.

Vorliegend hat die Kombination klassischer Ermittlungsmethoden mit der DNA-Reihenuntersuchung, welche in ihrer Dimension tatsächlich gewaltig war, zum Erfolg geführt. Der Täter ist gefasst, die Gefahr durch ihn ist gebannt.

Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mir erlauben, obwohl Herr Lichdi schon wesentliche Teile dargelegt hat, zu fragen: Wie kam es im Einzelnen zu diesem Ermittlungserfolg? – Nach der Abkehr der pauschalen

Prüfung von Reihentestgebieten nach Postleitzahl erfolgte verstärkt eine Priorisierung, um einzelne Probanden aus der Gesamtmenge aufgrund ermittlungsrelevanter Erkenntnisse herauszufiltern und vorgezogen zu prüfen. So wurde eine Personengruppe bestimmt, die vom Beschluss des Amtsgerichts Dresden umfasst war und bereits vor dem 1. September 2005 eine ehemalige Wohnanschrift im Postleitzahlengebiet Dresden-Klotzsche hatte und noch immer im DNA-Reihenuntersuchungsgebiet wohnt. So verblieben die von Ihnen, Herr Lichdi, genannten 1 066 Probanden, die für eine Untersuchung in Betracht kamen. Unter dieser Menge befand sich in der Tat der Täter.

Eine zweite Personengruppe wurde wegen des vom Täter verwendeten Pkws gebildet. Von 4 147 infrage kommenden Pkw-Kombis wurde eine Restmenge von 721 Fahrzeugen mit 720 Fahrzeughaltern selektiert. Davon waren 222 Fahrzeughalter gleichzeitig Probanden der DNAReihenuntersuchung. Nachdem diese Probanden gegen die 1 066 Probanden mit der ehemaligen Wohnanschrift abgeglichen worden, blieben in der Tat nur zwei Personen übrig. Die eine Person schied aufgrund des Lichtbildes und des Fahrzeugtyps aus. Die zweite Person kam der Bitte, freiwillig eine DNA-Probe zu geben, nach. Diese Person war der gesuchte Straftäter. Haftbefehl wurde erlassen.

Ich stelle nochmals fest: Die klassische Ermittlungsmethode ohne die DNA-Untersuchung hätte in dieser Zeit niemals zum Erfolg geführt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Hier war die Kombination „Klassische Ermittlungsmethoden mit der DNA“ erfolgreich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie abzuwägen, ob der Antrag der FDP zu befürworten ist. Ich plädiere für Ablehnung.

(Beifall bei der CDU – Johannes Lichdi, GRÜNE: Das war’s!)

Das Schlusswort, bitte; Herr Dr. Martens.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, wenn Sie fragen, warum diese Debatte nicht im Jahr 2006 geführt wurde, sondern erst jetzt geführt wird, lassen Sie sich auf eines hinweisen: Es waren Äußerungen aus der Staatsregierung zum Fahndungserfolg und vor allen Dingen deren Herleitung durch den jetzt nicht anwesenden Staatsminister der Justiz, die aus unserer Sicht eine solche Befassung notwendig machten. Diese Debatte ist hilfreich. Sie zeigt unterschiedliche Positionen auf, und das ist auch gut so. Denn es geht uns, auch uns Liberalen, ausdrücklich darum zu zeigen, dass Freiheit nicht umsonst erhältlich ist, sondern immer wieder neu verteidigt werden muss, auch wenn das schwierig ist.

Aber eines ist auch klar: Der Fall Heller ist zuletzt geeignet, Massen-Gentests zu rechtfertigen, wie Ihr Kollege Mackenroth dies in der letzten Zeit mehrfach versucht hat. Sie haben es dargestellt. Der Fahndungserfolg beruht auf einfacher Polizeiarbeit. Am Ende gab es einen einzigen Test. Der überführte den Täter mit der notwendigen Gewissheit. Es war ein einziger Test und keine 127 000. Ein Test, und das war der Treffer. Der Weg dorthin war, wie gesagt, durch solide Polizeiarbeit gekennzeichnet, durch das Kombinieren von Merkmalen, die man übrigens schon längere Zeit hatte. Am allerwenigsten ist dieses Verfahren, dieser Treffer geeignet, DNA-Tests allgemein als Fingerabdruck einzuführen. Auch Kollege Bräunig hat es für die SPD dargestellt, warum so etwas allein rechtspolitisch nicht zu machen ist. Herr Bandmann spricht vom Reihengentest im Einzelfall. Herr Mackenroth sieht das offensichtlich anders. Hierzu gibt es sicherlich Klärungsbedarf, meine Damen und Herren, und dazu sollte diese Debatte hilfreich sein.

Der Massen-Gentest – das muss man so sagen – war ein Schlag ins Wasser, eindeutig. Hier wurde über das Ziel hinausgeschossen; es wurden 127 000 Menschen unter Generalverdacht gestellt und über 300 000 Euro ausgegeben, ohne dass man damit den Täter gefunden hätte. Wenn Herr Bandmann sagt, dass niemand etwas zu befürchten hätte, wenn er nicht hingeht, dann widerspricht das der Praxis – auch innerhalb der Polizei –, denn der Polizeisprecher selbst hat auf einer Pressekonferenz erklärt: Wer zu diesem Test – freiwillig natürlich – nicht erscheint, der hat uns etwas zu erklären.

Nein, so ist es eben nicht. Er hat nämlich nichts zu erklären, auch wenn er selbst nichts zu befürchten hätte. Aber

da sehen Sie einmal: Zwischen dem, was die Politik sagt, und dem, was die Polizei tatsächlich denkt und macht, ist oftmals ein Unterschied. Deswegen dient diese Debatte dazu, einer gewissen Legendenbildung vorzubeugen, von der ich glaube, dass sie der Staatsregierung durchaus willkommen wäre.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Nein, diese Legende sollten wir gar nicht erst entstehen lassen, um vorzubeugen, falls es wieder einmal keinen anderen Ausweg für die Polizei zu geben scheint als diesen aktionistischen Griff nach einem möglichst weitreichenden Gentest, der einen nur vordergründig beruhigt. Er birgt aber die Gefahr, dass man andere Ermittlungsansätze vernachlässigt, sich zurücklehnt und glaubt, irgendwann haben wir ihn ja doch, und bringt gleichzeitig rechtspolitisch die Gefahr, dass Leute wie der Staatsminister der Justiz gleich davon zu träumen anfangen, Massen-Gentests – am besten noch als Reihenuntersuchung für alle Bürger – als zweckdienlich zu erachten.

Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)