Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle die Drucksache 4/12725 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und einer Reihe von Stimmen dafür wurde der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Frauen in die Aufsichtsräte – Frauenförderungsgesetz einhalten!

Drucksache 4/12060, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Es beginnt die einreichende Fraktion. Danach sprechen CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn sie das möchte. Bitte schön, Frau Hermenau, Sie haben das Wort.

(Einige Abgeordnete aus den Fraktionen verlassen den Saal.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! – An dem fluchtartigen Verlassen des Saales sieht man gleich, wer sich jetzt betroffen fühlt.

Zur Umsetzung des Frauenförderungsgesetzes, das theoretisch seit dem Jahre 1994 in Sachsen in Kraft ist, aber praktisch noch etwas hinterherhinkt – zum Beispiel bei der Frage, inwiefern Frauen in Aufsichtsräten in Unternehmen mit staatlicher Beteiligung sind –, kann man nur sagen: Die Sache ist politisch mangelhaft, ökonomisch sinnlos und gesellschaftlich peinlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Nahezu jede Woche kann Frau aus den Verlautbarungen von Regierungsvertretern und Koalitionären schließen, dass sie doch bitte in Sachsen bleiben und dort auch ihre Zukunft aufbauen solle. Gerade Akademikerinnen haben sie oft im Visier. Von Karriere für Frauen ist leider selten die Rede, von Mutterschaft allerdings sehr oft.

Dass diese verkürzte Perspektive für viele junge, gut qualifizierte Frauen nicht attraktiv ist, erkennen Sie an den hohen Abwanderungszahlen dieser Bevölkerungsgruppe. Die Zustände in Sachsen sind mir persönlich politisch sehr unangenehm und machen mich – was allerdings selten passiert – recht sprachlos. Ich finde es schlichtweg peinlich für ein Land, in welchem sowohl Frauen als auch Männer einen Anspruch auf die gleiche Bildung haben.

Frau Präsidentin, könnten Sie einmal für Ruhe sorgen, sonst verstehen die das nicht?!

(Glocke der Präsidentin)

Danke schön, Frau Präsidentin. – Männer und Frauen haben theoretisch den gleichen Anspruch auf Bildung und Ausbildung. Trotzdem stellt sich bei allen Ländervergleichen heraus, dass sich das in Sachsen in der Praxis überhaupt nicht niederschlägt.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie noch einmal bitten, schon aus Respekt vor der Rednerin, zuzuhören, ob es einem gefällt oder nicht.

In Sachsen werden 74 von 77 Aufsichtsratmandaten in Unternehmen mit Landesbeteiligung wahrgenommen. Das sind noch nicht einmal 5 % für die Frauen. Seit dem Jahre 2004 wurden 86 Aufsichtsratsposten immer wieder neu besetzt. Raten Sie einmal, welcher Prozentsatz auf die Frauen entfiel? – Es sind noch weniger als 5 %: vier von 86 Posten gingen an Frauen.

Diesen Zustand beklagen Sie nicht und kümmern sich auch nicht darum, sondern Sie reden sich als Staatsregierung kabarettreif damit heraus, es gebe nicht genügend qualifizierte Frauen. Wenn Sie mir nun weismachen wollen, Sie bekämen nur in 5 % der Fälle gut qualifizierte und geeignete Frauen und in 95 % gut qualifizierte und geeignete Männer, dann sage ich Ihnen zu diesen 5 %: Sie sollten ein Frauenförderprogramm starten; denn obwohl die Mädchen mehr als die Jungen in Sachsen höhere und bessere Abschlüsse erzielen, muss es Ihnen regelrecht exotisch vorkommen, mir heute zuhören zu müssen.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Zu den 95 % ausreichend qualifizierten Männern kann ich nur trocken anmerken, dass eine solch hehre Meinung von der Qualität von Männern in Aufsichtsratspositionen, insbesondere nach dem Skandal um die Sachsen LB, nicht sehr glaubwürdig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion und der FDP)

Es ist interessant zu hören, was hierzu die Staatsregierung zu sagen hat. Ihre Antworten auf unsere Große Anfrage zur Lage der Männer in Sachsen war noch reichlich nassforsch, als Sie zum Beispiel auf unsere Frage, inwiefern Sie eine ausgeglichene Besetzung für sinnvoll halten, erläuterten – ich zitiere –,

(Glocke der Präsidentin)

„dass die Auswahl bzw. Entsendung der Gremienmitglieder nicht nach Geschlecht, sondern nach fachlichem Bezug der jeweiligen Personen zu Unternehmen erfolgt.“

(Dr. Matthias Rößler, CDU, steht am Mikrofon.)

Keine Zwischenfragen, bitte. – Danke.

Wow! Da waren wir aber beeindruckt, hatten wir doch vorher geglaubt, die Zahlen – das ist nun einmal so – müssten dafür Anlass geben, die Auswahl erfolge ausschließlich nach Geschlecht und die drei Frauen hätten sich rein zufällig dahin verirrt.

Nun ist die Stellungnahme der Staatsregierung zunehmend vorsichtiger. Es könnte vielleicht etwas dran sein, dass Frauen 50 Jahre nach ihrer rechtlichen Gleichstellung bei gleicher Bildung und gleicher Ausbildung – von einem eklatant höheren Schulversagen als bei Jungen ist mir nichts bekannt – mittlerweile auch in Führungsetagen dürfen. Immerhin haben es Frau Stange und Frau Orosz geschafft. Vielleicht sollten sie auch in die Aufsichtsräte. Nun gibt gerade Frau Orosz zu bedenken, dass – ich zitiere wiederum – „viele Gremienmitgliedschaften an bestimmte in Bezug auf unternehmensfachspezifische Leitungsfunktionen im höheren Dienst gebunden und Männer in diesem Bereich überrepräsentiert sind“.

Haben wir also nur 5 % Frauen in fachspezifischen Leitungsfunktionen? So schwarz malt die Situation nicht einmal der Frauenförderbericht in Sachsen. Nach Angabe von Frau Orosz haben wir sogar 50 % Frauen im höheren Dienst. Wenn diese nun keine fachspezifischen Leitungsfunktionen haben, wo sind sie dann? Kaffee kochen für die Männer in den fachspezifischen Leitungsfunktionen im höheren Dienst?

(Zuruf von der Linksfraktion: Ja!)

Unsere konkrete Frage ist, ob Sie die Frauen im öffentlichen Dienst versauern lassen oder ihre Potenziale fördern und nutzen wollen. Diesbezüglich müssen Sie nur handeln, um mehr geht es nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun hat Frau Orosz – Papier ist geduldig – die Ressorts mit Schreiben im letzten und in diesem Jahr darauf hingewiesen, dass sie gemäß § 15 Sächsisches Frauenförderungsgesetz die geforderte paritätische Gremienbesetzung zu beachten hätten. So schüchtern kann Frau hier natürlich nicht herangehen. Immerhin geht es um einen knallharten Verdrängungswettbewerb. Deswegen mosern so viele Männer hier herum. Aber hierbei sind Zimperlichkeiten falsch und nicht angesagt. Es ist eine Illusion, diese Frage allein vom Wohlwollen der Männer abhängig zu machen.

(Glocke der Präsidentin)

Das halte ich wirklich für Quatsch. Man erkennt unschwer an den Zahlen, dass das nicht funktioniert. Sie hatten seit dem Inkrafttreten des Gesetzes 16 Jahre Zeit, etwas zu verbessern. Wir sind immer noch bei vier von 86 Posten. Das dürfen Sie nicht vergessen. Das ist auch aus wirtschaftspolitischer Sicht wenig sinnvoll. Sachsen riskiert durchaus eine schlechtere wirtschaftliche Performance, weil es die weiblichen Potenziale nicht nutzt.

Ich komme einmal zu den harten ökonomischen Fakten. Vielleicht verstehen Sie diese Sprache besser. Der Anspruch, die Aufsichtsratsgremien qualifiziert und leis

tungsorientiert zu besetzen und die Arbeit zu professionalisieren, hat sich deutlich erhöht. Dafür braucht man gut qualifizierte Personen. Dass Frauen die Bildungsmöglichkeiten viel stärker nutzen und bessere Abschlüsse erzielen, ist jeder verfügbaren Statistik zu entnehmen.

(Zuruf von der CDU)

Herr Kollege, Sie können es auch schriftlich bekommen, wenn Sie das beim Zuhören nicht verstehen.

Die Zukunftsressource Bildung haben sich die Frauen tatkräftig erschlossen und die mangelhafte Qualifikation, von der Sie sprechen, ist ein Ammenmärchen. In Zeiten des Fachkräftemangels können wir auf gut ausgebildete und zum Teil hoch qualifizierte Frauen in allen Teilen der Gesellschaft und der Wirtschaft nicht mehr verzichten. Wenn wir auch Frauen und nicht mehr nur nahezu ausschließlich Männer in die Aufsichtsräte rekrutieren, dann haben wir einen immer größer werdenden Pool qualifizierter Frauen zur Verfügung. Frauen repräsentieren eine wachsende und an Bedeutung gewinnende Kundenklientel sowie Marktpotenzial; das muss auch in den Unternehmen so angesprochen werden. Frauen stehen häufig für eine etwas andere Führungskultur, die sich weniger über Positionen als vielmehr über Inhalte definiert und mit kommunikativen Fähigkeiten arbeitet.

(Zustimmung bei der SPD)

Das gewinnt bei Unternehmen auf einem globalisierten Markt zunehmend an Bedeutung. Studien der Unternehmensberatung McKinsey und der US-Organisation Catalyst zeigen den Zusammenhang zwischen Geschlechtervielfalt im Aufsichtsrat und wirtschaftlichem Erfolg eines Unternehmens. Die Unternehmensberatung McKinsey hat in einer Studie 89 multinationale Konzerne mit einem überdurchschnittlich hohen Frauenanteil im Topmanagement untersucht. Die Studie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Unternehmen eine um 10 % höhere Rendite als der Branchendurchschnitt erzielen.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Hört, hört!)

Die Firmen mit den meisten Frauen im Vorstand erzielen eine im Vergleich bis zu 53 % höhere Eigenkapitalrendite. Dies haben sich US-amerikanische Unternehmen längst zu eigen gemacht und im sogenannten Diversity Management umgesetzt. Der unterschiedliche Beitrag von Männern und Frauen aufgrund ihrer jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Ausbildung, Kompetenz und Erfahrung ist eben ein ökonomischer Nutzen. Das hat übrigens keine biologischen Ursachen.

Frauen und Männer machen aufgrund ihrer häufig recht unterschiedlichen Lebenswelten andere Erfahrungen. Wir wissen, dass sich Frauen in vielen Bereichen viel härter durchbeißen müssen, wenn sie etwas erreichen wollen. Wir wissen, dass viele Frauen Familie und Beruf managen. Das prägt und führt zu vielen in Organisation, Kommunikation und Führungsstärke geschulten Frauen. In den USA stufen Banken zum Beispiel die Kreditwürdigkeit von Unternehmen generell höher ein, wenn diese

von Frauen statt von Männern geführt werden. All dies könnten sächsische Unternehmen ebenfalls gut machen, und sie könnten sich somit wettbewerbsfähig erhalten. Diejenigen mit staatlicher Beteiligung sollten dabei Vorreiter sein; denn einer muss ja das Beispiel geben und vorangehen.

Blicken wir über den Tellerrand: In Norwegen – mit einer 40-prozentigen Quote für Frauen in Aufsichtsräten – ist dies alles möglich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Den 462 großen Aktiengesellschaften droht in Norwegen eine Geldstrafe, wenn sie diese Quote nicht erfüllen, und bei weiteren Verstößen droht sogar die Zwangsauflösung des Aufsichtsrates. – So gehört sich das!