Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Hört, hört!)

Der ehemalige norwegische Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen – ein Konservativer, meine Damen und Herren von der CDU! – erklärte jüngst in einer Anhörung im Bundestag, dass es ihm schlichtweg peinlich gewesen wäre, wenn sich die gut qualifizierte Hälfte der Bevölkerung Norwegens nicht in den Führungsetagen der Unternehmen wiederfände. Sein Hauptargument für diese 40prozentige Quote, die Norwegen für Aufsichtsräte in Aktiengesellschaften hat, ist jedoch die Wertschöpfung.

Ich erwarte, dass Sie – wie in Norwegen – die Notwendigkeit anerkennen, strukturelle Barrieren abzubauen. Die Errichtung einer Datenbank und die Umsetzung des Frauenförderungsgesetzes sind ein erster Schritt – und mitnichten die Weltrevolution in Sachsen. Was Norwegen kann, müsste doch auch in Sachsen möglich sein. Dort wurde eine Datenbank mit 4 000 – 4 000! – qualifizierten und kompetenten Frauen errichtet. Deutschland liegt auf der europäischen Ebene bei den Schlusslichtern.

Wenn wir wollen, dass Sachsen auch innerhalb Deutschlands vorn liegt, dann müssen wir etwas ändern, und zwar beherzt und zügig, und ich sage ganz ordentlich: Wohlfeile Worte habe ich wirklich genügend gehört, die interessieren mich so sehr wie der gestrige Wetterbericht. Wir Frauen wollen endlich Taten sehen!

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Für die CDUFraktion spricht Frau Pfeiffer; bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Hermenau, ob Sie mit dieser engagierten Rede den Frauen hier allzu viel Gutes getan haben, weiß ich nicht.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt demonstrativer Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Herr Lichdi, da können Sie schreien, wie Sie wollen; Sie sind keine Frau, zumindest äußerlich nicht.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Förderung der Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit im Freistaat Sachsen war und ist ein sehr wichtiges Anliegen, welches uns in der Vergangenheit beschäftigt hat und auch in Zukunft beschäftigen wird.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Seit 16 Jahren gibt es dafür Gesetze!)

Nicht umsonst haben CDU und SPD im Koalitionsvertrag deutlich gemacht, dass neben der Verfolgung gleichständig politischer Ziele auch die Benachteiligung der Frauen an den Entscheidungsprozessen, an Erwerbsarbeit, Einkommen und sozialer Absicherung dringend abgebaut werden muss.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Neben der Verbesserung der Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt liegt unser Hauptaugenmerk darauf, den Anteil von Frauen in Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erhöhen. Das geht nicht mit dem Holzhammer, sondern nur mit viel Politik und Geschick.

Der Dritte Frauenförderungsbericht zeigt, dass wir in einigen Bereichen bereits auf dem richtigen Weg sind. So ist beispielsweise bei der Besetzung von Führungsfunktionen im öffentlichen Dienst eine positive Entwicklung zu sehen. So hatten in dem Antrag zugrunde liegenden Zeitraum 2004 43,4 % der Frauen eine oberste Leitungsfunktion inne, bei den Beschäftigten in leitenden Funktionen sind es sogar 62 %.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Und die Aufsichtsräte?)

Dieser Anteil, meine Damen und Herren, ist ein erster Erfolg. Es gilt jedoch, an diesem Erfolg dringend weiter zu arbeiten.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Manche gehen vorher in Rente!)

Im Bereich der Besetzung von Gremien durch Frauen besteht Handlungsbedarf, das sehen wir auch;

(Demonstrativer Beifall bei den GRÜNEN)

wir kommen uns nur auf dem Weg nicht ganz so nah. Der vorliegende Antrag sowie die Stellungnahme der Staatsregierung machen jedoch deutlich: Es gilt auf dem aufzubauen, was bereits getan wurde, und weiterhin Maßnahmen anzustrengen, um den Anteil der Frauen in den Aufsichtsratspositionen mit Landesbeteiligung zu erhöhen.

Falsch ist der Eindruck des vorliegenden Antrages, meine Damen und Herren, dass durch die Staatsregierung bisher überhaupt nichts unternommen worden sei, um den Anteil von Frauen zu erhöhen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Haben Sie mal darüber geredet?)

Die verbesserte Gleichstellung von Frauen in unserer Gesellschaft wie auch bei der Vergabe von Aufsichtsratspositionen ist ein langwieriger Prozess, für den die Staatsregierung bereits einiges geleistet hat.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Erstens, zweitens, drittens!)

Diese Maßnahmen reichen nicht aus, das habe ich gesagt, aber, meine Damen und Herren, Gender muss in die Köpfe – bei Frauen und vor allem bei Männern. Übrigens auch bei der Gewerkschaft, Herr Brangs, muss Gender in die Köpfe.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Dafür haben Sie seit 16 Jahren Gesetze!)

Meine Damen und Herren! Frauen in Aufsichtsräten oder anderen oberen Leitungsfunktionen werden ein neues Denken ermöglichen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: So, so!)

Nicht alles wird von uns anders gemacht, aber vieles wird durch den Blick und die Erfahrung einer Frau einer anderen, einer fraulichen Bewertung unterzogen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: So, so!)

Lassen Sie mich noch eine ganz persönliche Anmerkung machen. Frau sein ist eine wunderbare Sache. Es ist auch eine ganz wunderbare Sache, in Leitungsfunktionen und auch im „Aufsichtsrat“ der eigenen Familie zu sein, hier Chef zu sein.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ja, ja!)

Da können Sie sich umdrehen und mit den Augen rollen. – Wer sich für Familie entscheidet, leistet ebenso eine tolle Arbeit wie Frauen in Aufsichtsräten.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe ja gewisse Sympathien für Sie. Natürlich haben Sie auch einige Dinge in Ihrem Antrag, die richtig sind. Aber so, wie Sie das machen, verschrecken Sie nur alle Männer.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Oh! – Heiterkeit bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Trotzdem werden wir den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU – Caren Lay, Linksfraktion: Wenn ich mir das so anhöre, muss ich mir wirklich noch überlegen, ob das so stimmt!)

Frau Abg. Werner.

– Das erklärt vielleicht auch, warum heute so wenige Männer beim Blutspenden waren, wenn man schon davor erschrocken ist, dass ein

Gesetz umgesetzt und eine Datenbank eingerichtet werden soll. Also, was daran schreckhaft ist, kann ich nicht verstehen; aber entschuldigen Sie bitte.

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN und der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit ihrem Antrag einen Aspekt herausgegriffen, den auch die Große Anfrage zur Situation von Männern in Sachsen, die ich natürlich auch sehr genossen habe, unter vielen anderen ans öffentliche Licht gebracht hat. Ich nenne Ihnen die Zahlen noch einmal: Gerade einmal 4 % der Aufsichtsratsmandate des Freistaates in Beteiligungsunternehmen sind weiblich besetzt.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Zum Vergleich: So niedrig ist der Anteil in deutschen Unternehmensaufsichtsräten lediglich dort, wo es keine betriebliche Mitbestimmung gibt. In mitbestimmten Unternehmen liegt er wiederum bei 10,5 % und in börsennotierten bei 9,3 %. Zur Beschreibung dieser Situation fehlen eigentlich die Worte; denn lediglich von „weiblicher Unterrepräsentanz“ oder „männlichem Übergewicht“ zu sprechen ist stark untertrieben.

Die Realität ist: Die sächsischen Aufsichtsräte sächsischer Beteiligungsunternehmen sind in großer Mehrheit frauenfreie Zonen. Das zeigt sich beim Studium des Beteiligungsberichtes. Vonseiten der Staatsregierung tummeln sich dort Minister, Ministerialdirigenten, Staatssekretäre, Ministerialräte usw. Manche davon haben sogar mehrere Aufsichtsratsposten. Ich frage mich angesichts dieser männlichen Omnipräsenz, ob sie tatsächlich ausreichend verfügbare Zeit für diese Arbeit haben, wie dies im Leitfaden des sächsischen Innenministeriums „Qualifikation, Rechte und Pflichten der Aufsichtsratmitglieder in kommunalen Unternehmen“ empfohlen wird.

(Unruhe im Saal – Glocke der Präsidentin)