Protokoll der Sitzung vom 15.10.2008

Ich will es noch einmal ganz deutlich sagen: Wir verurteilen jede Art von Gewalt, egal, von wem sie ausgeht. Die Täter müssen ermittelt und bestraft werden, und zwar ohne Rücksicht auf Ansehen und Herkunft der Person. Dass es in Leipzig ein Problem mit gewalttätigen Ausländern gab, wissen wir. Dagegen geht die Polizei vor. Da wird nichts geschönt, aber auch nichts übertrieben. Gegen 30 Gewalttätige, darunter auch ausländische Bürger, wird wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch ermittelt. Die Ermittlungen sind zurzeit abgeschlossen. Ein Rädelsführer steht kurz vor der Abschiebung. Wenn die Behörden der Stadt Leipzig hier rechtzeitig gehandelt hätten und die Ausländerbehörde der Stadt Leipzig so konsequent gearbeitet hätte wie unsere Polizei, wäre er bereits abgeschoben worden.

Die 29 Beamten der Soko ermitteln weiter wegen des Tötungsdelikts an dem Unbeteiligten. Den Angehörigen und Freunden des Opfers gilt unser Mitgefühl.

Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen und mit Sicherheit alle demokratischen Parteien im Sächsischen Landtag haben ein großes Interesse an der Aufklärung der Vorkommnisse, aber in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Die Schaffung von mehr Ordnung und Sicherheit ist und bleibt eine Hauptaufgabe der sächsischen Politik. Die Koalitionsfraktionen setzen alles daran zu gewährleisten, dass unsere sächsischen Sicherheitskräfte diesen Aufgaben auch künftig jederzeit gewachsen sind. Wir werden mit dem kommenden Haushalt sicherstellen, dass unsere sächsische Polizei personell und technisch modern aufgestellt ist. Darüber werden wir sicher in den nächsten Wochen hier verhandeln.

Noch eins, meine Damen und Herren: Der Fall Michelle in Leipzig zeigt deutlich, dass die NPD vor nichts zurückschreckt

(Zuruf des Abg. Holger Apfel, NPD)

und selbst den tragischen Tod des Mädchens für ihre braune Propaganda missbraucht. Wir trauern um das Mädchen und hoffen, dass auch dieser Täter bald gefasst

wird. Wir verabscheuen aber die Art und Weise der Polemik der NPD.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Die Fraktion der GRÜNEN. Herr Abg. Weichert, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Thema Aufklärung und Umgang mit Gewalt aus Sicht von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hat Kollege Seidel hier umfassend berichtet. Ich möchte auf die Antworten zu der Anfrage eingehen; denn diese zeigen, dass es diese Anfrage nicht wert ist, darüber zu debattieren.

(Jürgen Gansel, NPD: Dann können Sie vom Rednerpult abtreten!)

Als Leipziger halte ich es aber für erforderlich, das Bemühen der NPD, Räuberpistolen über unsere Stadt zu verbreiten, an dieser Stelle entschieden zurückzuweisen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren! Bei näherem Hinsehen erweisen sich die Fragen der NPD als eine einzige Blamage für die Fragestellerin selbst. Viele Fragen können nicht beantwortet werden, weil sie laufende Ermittlungen berühren. Das hätte der NPD auch schon vorher klar sein müssen. Schließlich haben einige dieser Abgeordneten einschlägige Erfahrungen mit laufenden Ermittlungen. Diese Peinlichkeit wird noch dadurch überboten, dass der Abg. Apfel per Kleiner Anfrage um Auskunft darüber gebeten hatte, ob mittlerweile mehr Fragen beantwortet werden könnten. Dummerweise hat er diese Kleine Anfrage zu spät gestellt, sodass die Antwort heute nicht vorliegt.

Dass sich die NPD nicht für die erforderlichen laufenden Ermittlungen interessiert, zeigt eindeutig, dass es ihr überhaupt nicht um die Aufklärung der angesprochenen Verbrechen geht. Nicht einmal der Titel der Großen Anfrage hat etwas mit den ihm folgenden Fragen zu tun. Es soll nur suggeriert werden, dass sich Leipzig angeblich im Fadenkreuz einer angeblichen ausländischen Bandenkriminalität befindet.

Meine Damen und Herren! Dazu werden im ersten Teil allgemeine Fragen ohne Bezug auf die Stadt Leipzig gestellt. Alle weiteren Fragen beziehen sich lediglich auf die kriminellen Ereignisse in den Nächten auf den 8. und 11. März 2008 im Rahmen des sogenannten Leipziger Discokrieges. Ja, es gibt nicht einmal ansatzweise Fragen nach der Organisierten Kriminalität bzw. ihren Strukturen in dieser Großen Anfrage. Das zeigt, dass deren Überschrift der reinste Etikettenschwindel ist. Stattdessen wurde die Staatsregierung mit so schwachsinnigen Fragen belästigt, ob Asylbewerber in der Nacht zum 8. März ihre Residenzpflicht verletzt hätten oder welcher Staatsange

hörigkeit der Anrufer war, der nach dem Schuss auf einen 28-Jährigen einen Notruf getätigt hat.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist wohl völlig unerheblich?)

Wir sind also jetzt um die Erkenntnis reicher, dass die Staatsangehörigkeit des Anrufers im Notrufgespräch nicht abgefragt wurde. Die NPD dürfte die einzige Fraktion sein, die ein Problem damit hat.

Meine Damen und Herren! Hier werden der traurige gewaltsame Tod eines jungen Mannes und ein Brandanschlag parteipolitisch genutzt. Wüste Spekulationen, unbeantwortbare Fragen und die Nichtachtung laufender Ermittlungen sollen bei schlichten Gemütern den Eindruck entstehen lassen, dass die NPD hier einer ganz großen Sache auf der Spur sei. Das ist widerlich, beschädigt das Ansehen der Stadt Leipzig und beleidigt deren Bürgerinnen und Bürger!

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Angesichts der zurückliegenden anhängenden Strafanzeigen gegen aktuelle und ehemalige Mitglieder dieser NPD-Fraktion – wir reden hier von Volksverhetzung, Betrug, Waffenmissbrauch, Kinderpornographie und Ladendiebstahl –

(Karl Nolle, SPD: Das kann doch nicht sein!)

frage ich mich doch: Wie kann sich diese Fraktion als Hüterin von Recht und Gesetz hier aufspielen? Gerade erst hat der Abg. Gansel ausgerechnet die Stadt Leipzig mit seinem Pfefferspray unsicher gemacht.

(Jürgen Gansel, NPD: Verwechseln Sie nicht Ursache und Wirkung!)

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Das heißt hier: Wer selbst mit Strafanzeige, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren konfrontiert ist, Herr Gansel, sollte seinem Verteidiger Fragen stellen, aber nicht mit einer derartigen Vorlage öffentliche Ablenkungsmanöver im Sächsischen Landtag starten.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Große Anfrage der NPD dient nicht der Aufklärung, sondern der Propaganda. Sie ist nach parlamentarischen Kriterien schlecht gemacht, nach intellektuellen Maßstäben ist sie dämlich und in moralischer Hinsicht ist sie einfach nur schäbig, eben typisch NPD.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Herr Apfel, ziehen Sie diese Drucksache sofort zurück und entschuldigen Sie sich bei den Bürgern der Stadt Leipzig!

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Gelächter bei der NPD – Zuruf des Abg. Holger Apfel, NPD)

Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Seidel, Herr Weichert, Sie haben sich soeben wieder als Meister der Verkehrung von Ursache und Wirkung erwiesen.

Wir als NPD-Fraktion prangern in diesem Landtag nur die Missstände an, die Ihre Parteien zu verschulden haben.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wenn in diesem Land durch eine libertäre, täterfreundliche Strafrechtspolitik nicht immer wieder dazu ermuntert würde, dass Pädophile sich Kinder als Opfer aussuchen,

(Starke Unruhe im Saal – Zurufe von der CDU, der SPD und der FDP)

wenn in diesem Staat durch eine libertäre – –

Herr Gansel, das hat überhaupt nichts mit diesem Thema zu tun; sprechen Sie einfach zu Ihrer Großen Anfrage!

Frau Präsidentin! Eine Entgegnung auf meine Vorredner wird mir wohl gestattet sein.

Wenn in diesem Staat, gerade in Sachsen, reihenweise Kinder Opfer von Sexualstraftätern werden, hängt das sehr wohl mit politischen Versäumnissen zusammen, und dann hat die nationale Opposition das Recht,

(Zurufe von der CDU, der Linksfraktion und der SPD)

diese Missstände auch anzusprechen. Genauso nehmen wir uns das Recht heraus, Ihre Versäumnisse in der Ausländerpolitik anzuprangern. Wenn Sie nicht wollen, dass wir das eine oder andere Thema ansprechen, dann nehmen Sie einen politischen Kurswechsel vor in der Rechtspolitik, in der Sicherheitspolitik, in der Ausländerpolitik und dann werden Sie den einen oder anderen Antrag von uns nicht mehr zu behandeln haben!

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD – weitere Zurufe)

Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Sachsen!

Sprechen Sie zu Ihrem Antrag, Herr Gansel! Sie müssen auch nicht so ins Mikrofon schreien.

(Gelächter bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt darf ich zu meinem eigentlichen Redemanuskript kommen. Im Sächsischen Staatsministerium des Innern geht es aufwärts. Albrecht Buttolo und seine bienenfleißigen Beamten haben eine bedeutende Quotensteigerung hingelegt und sich einmal mehr dabei übertroffen. Während das Innenministerium bei der Großen Anfrage der NPD-Fraktion zu der Mügelner Festzelt

schlägerei von 150 Fragen bereits 51 % unbeantwortet ließ, haben Buttolos Soldschreiber bei unserer aktuellen Großen Anfrage „Leipzig im Fadenkreuz ausländischer Bandenkriminalität“ die Quote der nicht beantworteten NPD-Fragen auf fast 60 % gesteigert.

Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die NPDFraktion haargenau die richtigen Fragen zum Polizei- und Politikerversagen gegenüber der organisierten Ausländerkriminalität in Leipzig gestellt hat. Die Gründe, die der Innenminister für die Nichtbeantwortung der Fragen der zweitgrößten Oppositionsfraktion im Sächsischen Landtag anführt, sind von einer atemverschlagenden Einfältigkeit. Die Lieblingsbegründung für die Auskunftsverweigerung lautet nämlich: „Der damit verbundene Arbeitsaufwand wäre unverhältnismäßig hoch und ist im Rahmen der für die Beantwortung einer Großen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu realisieren.“ So redet sich also das Innenministerium heraus, um unliebsame Fragen der NPD-Fraktion nicht beantworten zu müssen.