Aber wer eine bessere Bildung will, muss bei der Bildungsgerechtigkeit anfangen. Oder: Wer auf den Bildungsgipfel will, der muss durch die Mühsal der Ebene.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da Kollege Gerstenberg schon eine ganze Reihe wichtiger Punkte genannt hat, kann ich mich sehr kurz fassen. Auch ich wollte etwas in dieser Richtung ausführen.
Ich möchte aber gern auf Herrn Dulig eingehen, weil er die Frage gestellt hat – er sprach speziell meine Kollegin Julia Bonk an –: Warum dieser Antrag?
Erstens will ich festhalten, dass unser Antrag zu einem Zeitpunkt eingereicht wurde, zu dem noch nicht feststand, dass es die Regierungserklärung des Kultusministers geben wird.
Zweitens hat in der Debatte über die Regierungserklärung und auch in der Regierungserklärung selbst der geplante Bildungsgipfel so gut wie keine Rolle gespielt.
Ich halte unseren Antrag auch deshalb für richtig und notwendig, weil es ureigenste Aufgabe des Parlaments ist, sich dazu zu positionieren. Wenn ein solcher Bildungsgipfel hier in Dresden stattfindet, dann sollte sich auch der Sächsische Landtag dazu eine Meinung bilden und seine Erwartungen, gegebenenfalls auch seine Forderungen artikulieren. Deshalb glaube ich, dass unser Antrag, ebenso wie der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, richtig und notwendig ist. Es ist gut, dass wir hier im Landtag darüber beraten können.
Ich teile die Befürchtung, die Karl-Heinz Gerstenberg soeben geäußert hat, möchte sie aber mit etwas anderen Worten formulieren: Nach allem, was bisher bekannt geworden ist, was dort stattfinden soll, befürchte ich, dass der Bildungsgipfel zu einem folgenlosen Schaufenstertreffen verkommen wird. Was wir aber brauchen, sind verbindliche Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern. Das ist ein zentraler Punkt in dem von uns vorgelegten Antrag.
Ich füge noch einen Punkt hinzu – er hat in den vergangenen Monaten nicht die entscheidende Rolle gespielt, aber ich will ihn heute noch einmal erwähnen –: Die Kultusministerkonferenz in ihrer bisherigen Form gehört schlichtweg aufgelöst.
Ich denke, dass die Kultusministerkonferenz mit der dort erforderlichen Einstimmigkeit eher ein Faktor ist, der wirkliche Reformen be- und sogar verhindert. Deshalb muss es insoweit andere Regelungen zwischen Bund und Ländern geben, die Fortschritte im Bildungswesen ermöglichen. Das wird – aus meiner Sicht jedenfalls – durch die Kultusministerkonferenz nicht gewährleistet. Die Kleinstaaterei im Bildungswesen sollte generell überwunden werden. Die ersten Schritte dazu könnten auf einem Bildungsgipfel gegangen werden. Dann hätte er Chancen, Zeichen zu setzen. Ich befürchte allerdings, dass diese Chancen wieder vertan werden und dass die Bundeskanzlerin den Worten, die sie zur Bildung gefunden hat, erneut keine Taten folgen lässt.
Aus diesem Grund meinen wir, dass unser Antrag notwendig ist. Ich bitte Sie daher nochmals herzlich um Ihre Zustimmung.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch aus meiner Sicht ist es immer zu begrüßen, wenn das Thema Bildungspolitik im Mittelpunkt der Debatte steht, insbesondere dann, wenn man es sachorientiert und inhaltlich vertieft diskutiert.
Von den vorliegenden Anträgen der Linksfraktion und der GRÜNEN, in denen insbesondere auch Grundgesetzänderungen gefordert werden, kann man das nicht behaupten. Zwei Anmerkungen vorab.
Erstens. Alle Beteiligten sind sich einig, Bildung ist der Schlüssel für die persönliche Chancengerechtigkeit und damit auch Voraussetzung für den Wohlstand in Deutschland.
Zweitens. Sachsen ist für die anstehenden Aufgaben gut aufgestellt. Das wurde ja vorgestern im Rahmen der Fachregierungserklärung und der Debatte deutlich.
Demgegenüber sind Allgemeinplätze, wie der bedarfsgerechte Ausbau von Betreuungsplätzen für die unter dreijährigen Kinder und die Forderung, den mittleren Abschluss nach Klasse 10 zum Mindeststandard zu machen, für Sachsen einfach überflüssig. Das Betreuungsangebot ist bedarfsgerecht, und 50,3 % aller Schulabgänger in Sachsen erreichen den Realschulabschluss. Damit nimmt Sachsen die Spitzenposition in Deutschland ein. Bundesweit sind es etwa 41 %.
Wenn man Ihre Forderungen weiterdenkt, dann sind diese bereits erreicht. Was mich wundert, ist, dass Sie jetzt eine Zwischenfrage stellen. Das sei Ihnen gewährt.
Danke schön. – Herr Wöller, ist Ihnen bekannt, dass die Diskussion nicht nur darum geht, wie viel Prozent eines Jahrgangs die mittlere Reife erreichen, sondern wie hoch die Abiturquote ist? Da ist Sachsen durchaus noch ausbaufähig. Deshalb meine Frage: Welche Abiturquote streben Sie denn für Sachsen an?
Wir streben für alle einen möglichst hohen Bildungsabschluss an. Das hatte ich bereits im Rahmen der Regierungserklärung ausgeführt.
Wir haben eine Erhöhung der Abiturquote von 28 auf 31 %. Das ist durchaus noch ausbaufähig. Aber darum geht es nicht allein, sondern über alle Abschlussarten in allen Schularten wollen wir möglichst hohe Abschlüsse erzielen. Aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen – auch wenn es Ihnen schwerfällt –, dass wir gerade bei
dem Mittelschulabschluss sehr weit vorn liegen nicht nur in Deutschland, sondern auch im OECD-Vergleich. Damit sind wir auf einem richtigen Weg.
Lassen Sie mich noch einmal ausführen, was ich angesprochen habe. Sie verlangen also, den mittleren Schulabschluss, also den Realabschluss, als Mindeststandard einzuführen. Auf der gleichen Seite fordern Sie, die Abbrecherquote, die in Sachsen ja gesunken ist, zu verringern. Jetzt müssen Sie mir einmal erklären, wie Sie das zusammenführen wollen, wenn Sie auf der einen Seite faktisch den Hauptschulabschluss streichen wollen – das ist ja die Konsequenz Ihres Antrages – und auf der anderen Seite bemängeln, dass die Abbrecherquote noch zu hoch ist. Das zeigt exemplarisch, dass Ihre ideologischen Versatzstücke einfach nicht zusammenpassen.
Das erneute Aufwärmen von Strukturdebatten sollte endlich von einer Debatte um die qualitative Weiterentwicklung der Bildungseinrichtungen in Deutschland abgelöst werden. Es wird immer wieder bestätigt, dass unser Schulsystem gute Noten erhalten hat. Nicht derjenige, der gute Noten schreibt, muss zur Nachhilfe geschickt werden und seine Lernmethode ändern, sondern diejenigen, die eben erkennbar nicht gut sind; und Sachsen ist nachweislich gut.
Meine Damen und Herren! Ich habe ja Verständnis dafür, dass es Ihnen hier als Opposition schwerfällt, das Haar in der Suppe zu finden. Aber das muss Ihre Aufgabe sein. Das ist Teil des demokratischen Systems. Sie haben es schwer als Opposition, und auch wenn Kollege Porsch eher jammert, als hier konstruktiv mitzudiskutieren,
dann fehlt mir hier Ihr konstruktiver Ansatz. Ich habe Verständnis, wenn Sie den Kultusminister angehen wollen. Was aber nicht geht, ist, die Leistungen der Lehrerinnen und Lehrer, der Schüler und Eltern in Sachsen anzugehen, auf die wir zu Recht stolz sein können.
Nicht dass Sie mich missverstehen, wir sind gern bereit dazuzulernen. Wir wollen uns weiterentwickeln. Es gibt auch Punkte, über die wir reden müssen, gar keine Frage. Aber wir wollen nicht belehrt werden und schon gar nicht von denjenigen, die erkennbar in anderen Ländern versagt haben. Das werden wir hier nicht mitmachen.
Beide Anträge lassen daher nur einen Schluss zu. Hier geht es letztlich um die Abschaffung der Länderkompetenz für die Bildungspolitik im Allgemeinen und das Schulsystem im Besonderen. So richtig es ist, dass sich die Länder auf den Weg gemacht haben, mit den Stan
dards ein gemeinsames Anforderungsniveau zu definieren – der Wettbewerb der Lösungen ist besser als ein Einheitsschulsystem. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dann doch dessen, dass wir 1990 mit allen anderen deutschen Bundesländern die gleichen Startvoraussetzungen gehabt haben und, nachdem wir einen gesonderten Weg eingeschlagen haben, besser sind als alle anderen. Ich möchte den sächsischen Weg und kein Einheitsschulsystem auf niedrigem Niveau.
Sachsen stellt sich den Aufgaben, die nach dem Bildungsgipfel auch auf die Länder zukommen. Viele Herausforderungen haben wir bereits angenommen und arbeiten sie ab. Auftrieb durch Bildung ist nicht nur eine Worthülse, sondern bei uns gelebte Politik von der frühkindlichen Betreuung und Erziehung bis in unser Bildungssystem hinein, von der Mathematik, der Informatik und den Naturwissenschaften in unserer Oberstufe ganz zu schweigen.
Meine Damen und Herren! Der Wettbewerb im Föderalismus tut Sachsen gut. Kollege Colditz hat schon richtigerweise darauf hingewiesen: Im Endeffekt, meine Damen und Herren, sind diese beiden Anträge unnütz. Man kann sie nur ablehnen, und ich fordere das Hohe Haus auf, dem auch so zu entsprechen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Der Unterschied zwischen der Finanzkrise und der Bildungskrise ist nur, dass die eine plötzlich über uns hereinbricht, die andere aber schleichend voranschreitet.“ So meldet Nelson Kilius, Mitarbeiter von McKinsey, zitiert in der „taz“ vom 16.10.2008, wie Sie es gestern im Pressespiegel nachlesen konnten.
Hintergrund der Aussage und der damit verbundenen Forderung von McKinsey nach einem 500 MilliardenPaket für die Bildung ist der von der Robert-BoschStiftung prognostizierte Mangel an Facharbeitern und Akademikern im Umfang von 2,5 Millionen bis 2020 und die damit einhergehenden Verluste der Volkswirtschaft von 1,2 Billionen Euro. Ich zitiere das bewusst am Anfang, auch wenn, wie ich glaube, die Maßstäbe hier sicherlich etwas überzogen sind. Aber McKinsey steht nicht im Verdacht, der Bildungspolitik sonst so nahe zu stehen, auch wenn sie sich seit vielen Jahren damit beschäftigt haben. Deswegen gestattete ich mir, das am Anfang zu zitieren.
Bildung und Qualifikation, und zwar gute Bildung und hohe Qualifikation, werden immer stärker zum zentralen Entwicklungsfaktor einer Gesellschaft. Wir haben gerade