Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wie viele Strecken wurden stillgelegt?)

Keine, Herr Hahn. Ich rede gerade davon, dass wir wieder auf einem optimistischen Pfad sind, und Sie kommen hier mit den Sünden der Vergangenheit.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das machen Sie doch schon!)

Wenn Sie das gern hören wollen, dann kann ich nur sagen, auch Sie müssen sich vor jeder Vergangenheit prüfen. Aber das ist heute nicht die Debatte.

(Beifall bei der CDU)

Richtig ist, der Schienenpersonennahverkehr expandiert, und das wird in den nächsten Jahren auch so bleiben.

Noch viel besser haben sich im besagten Bereich die Fahrgastzahlen entwickelt. Allein zwischen 2004 und 2006 sind bei uns im Freistaat die Fahrgastzahlen um mehr als 13 % auf rund 47 Millionen pro Jahr angestiegen. Dieser positive Trend hält nicht nur an, er scheint sich noch einmal zu beschleunigen. So beförderte der Verkehrsvertrieb Südostsachsen, die DB Regio, die unseren Freistaat mit Ausnahme des Nahverkehrs Leipzig umfasst, im Jahr 2007 noch einmal 11 % mehr Fahrgäste als im Vorjahr 2006. Das sind quasi chinesische Wachstumsraten.

Die Entwicklung zeigt, dass wir mit dem sächsischen Schienenpersonennahverkehr auf einem sehr guten Weg sind. Von einer schlechten Perspektive für die Bahn in Sachsen kann eben keine Rede sein, jedenfalls nicht in der vom Initiator der Aktuellen Debatte vorgenommenen Pauschalität.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Regional-Express-, unsere Regionalbahn- und S-Bahn-Züge sind fast alle pünktlich, modern und sicher. Ich will Ihnen aber keine heile Eisenbahnwelt an die Wand malen. Die ausgewachsenen Probleme gibt es zurzeit im Schienenpersonennahverkehr, wo sich im Gegensatz zu den Segmenten Schienengüterverkehr und Schienenpersonennahverkehr noch kein hinreichender Wettbewerb etabliert hat. Der Beinahe-Monopolist DB Fernverkehr und die Schienenfahrzeugindustrie scheinen

in diesem Bereich zurzeit jedenfalls auf einer wahren Welle des Misserfolgs zu schwimmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ICE-Pleite ist wie für ein Hightech-Land Sachsen mehr als peinlich. Ich möchte an dieser Stelle jedoch nicht den Eindruck erwecken, eine Lösung für sehr komplexe Probleme parat zu haben. Fernverkehre sind eigenwirtschaftliche Betriebe der jeweiligen Verkehrsunternehmen, zu 99 % übrigens der DB Fernverkehr.

Lassen Sie mich abschließend ein paar Bemerkungen zum geplanten Börsengang der DB AG machen.

Eine Zwischenfrage, bitte.

Natürlich, Herr Lichdi ist ja extra gekommen, um mir eine Frage zu stellen.

Vielen Dank, Herr Kollege Jurk. – Da ich merke, dass Sie auf ein anderes Thema zugehen, möchte ich nicht versäumen, meine Zwischenfrage zu stellen. Sind Ihnen entsprechende Gerüchte bekannt bzw. wie kommentieren Sie, dass eben ab Winterfahrplan auf der Strecke Leipzig–Dresden und Dresden– Leipzig nur noch Zugverbindungen im Zweistundentakt angeboten werden könnten?

Herr Abgeordneter, ich habe dieses Gerücht heute von Ihnen vernommen. Ich habe mich sofort bei meinem Eisenbahnreferat erkundigt. Sie können zum heutigen Datum, 12.11.2008, feststellen, ich weiß davon nichts. Es liegt mir auch kein neuer Fahrplan der DB vor. Insofern werden wir dem Gerücht gern nachgehen. Aber ich weise noch einmal darauf hin, dass das Ministerium nicht die Verantwortung für den DB-Fernverkehr trägt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Natürlich.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Mir ist durchaus bekannt, dass Sie nicht für den Fernverkehr die Verantwortung tragen. Trotzdem möchte ich Sie gern bitten, darauf zu antworten, wie Sie das bewerten würden, wenn es tatsächlich zu dieser Verlängerung des Taktes ab Winterfahrplan kommen würde.

Ich wäre sehr knurrig.

Sie wären sehr knurrig. Dann sind wir uns einig. Sie werden es sicherlich öffentlich in Berlin kundtun.

Sie haben mir heute schon ein paar Geräusche in einer anderen Debatte vorgemacht.

Ich komme zurück zum Börsengang. Eingangs erwähne ich, dass übrigens erfreulicherweise die Linken unsere Parteitage beachten, dass es neben dem Hamburger Parteitag der SPD maßgeblich der klaren und entschlossenen Haltung der Länder, insbesondere auch Sachsens, zu verdanken ist, dass es keinen Börsengang mit direktem und indirektem Einfluss auf die Infrastruktur geben soll.

Durch ebenso konsequentes sowie kontinuierliches Agieren ist es der DB AG in den vergangenen Monaten gelungen, meine Skepsis hinsichtlich eines jeglichen Börsenganges massiv zu verstärken. Als Verkehrsminister eines traditionsreichen Eisenbahnlandes erwarte ich vom Bahnkonzern, dass er sich endlich wieder auf sein Ferngeschäft konzentriert.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, wenn die DB AG der größte Logistikanbieter in Paraguay wird. Aber zuvor soll sich das Unternehmen bitte um viele verfallene Bahnhöfe vor seiner Haustür kümmern. Da gäbe es viel Arbeit.

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)

Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, wenn die DB AG Gewinne macht. Ich habe aber etwas dagegen, wenn das Unternehmen Gewinnoptimierung um jeden Preis betreibt und nicht einmal dabei vor derartigen skurrilen Ideen wie dem glücklicherweise jung zu Grabe getragenen Bedienungszuschlag zurückschreckt.

Gerade jetzt in Zeiten des Klimawandels, der Ressourcenverknappung und der immer noch hohen Spritpreise brauchen unsere Bürger und die Wirtschaftsunternehmen unseres Landes attraktive und bezahlbare Eisenbahnangebote. Im krassen Gegensatz zu diesem gesamtgesellschaftlichen Auftrag haben wir es jedoch mit einem Bahnkonzern zu tun, der mit allem Möglichen, am meisten jedoch mit sich selbst beschäftigt zu sein scheint. Anspruch und Wirklichkeit klaffen leider weit auseinander.

Ich habe bereits mehrfach dargestellt, dass ich die aktuelle Tarifpolitik der DB AG für betriebswirtschaftlich falsch und verkehrpolitisch kontraproduktiv halte. Die Rahmenbedingungen für die Eisenbahn waren seit Langem nicht so gut wie heute. Mit attraktiven Angeboten zu fairen Preisen könnte man angesichts der – wie gesagt – immer noch hohen Kraftstoffpreise viele Menschen zum Umsteigen vom Auto auf die Bahn motivieren. Leider ist die DB AG dabei, durch kurzsichtiges Denken und Handeln eine vielleicht einmalige Chance zu verspielen. Deshalb bin ich der Überzeugung, dass wir eine Bahn für die Bürger und nicht für die Aktionäre brauchen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN)

Mit Erleichterung habe ich die Durchsage, dass sich der Börsengang der Deutschen Bahn AG infolge mehrerer falsch gestellter Weichen auf unbestimmte Zeit verspätet, aufgenommen. Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätten wir eigentlich das Boni-Problem zunächst einmal gelöst.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Na ja!)

Allerdings gebe ich gern zu, dass wir, wenn wir uns hier in Sachsen und auch in Berlin – da hoffe ich auf die Unterstützung unseres Koalitionspartners – einig sind, auf diesen skurrilen Börsengang wirklich verzichten können. Insofern nehme ich das gern zum Anlass, um hier und heute zu bekräftigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, Infrastrukturen zu finanzieren.

Deshalb auch noch einmal mein klarer Aufruf, Kollege Bolick, im Hinblick auf die Bundestagsabgeordneten der CDU: Gemeinsam sollten die CDU- und SPDBundestagsabgeordneten beim Verkehrshaushalt mehr aufpassen, sollten noch mehr Geld einstellen. Denn Sie wissen, am Ende beschließt der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber den Haushalt. Da können Sie Wolfgang Tiefensee kritisieren, wie Sie wollen. Ich fand das heute auch nicht sehr schön, aber das ist Ihr Problem. Ich glaube schon, dass es wichtig werden muss, auch dieses Parlament wichtig zu nehmen. Nehmen Sie bitte die Arbeit der Bundestagsabgeordneten in Berlin ernst. Mit einem besser ausgestalteten Verkehrshaushalt wäre uns hier im Freistaat Sachsen viel geholfen.

(Zuruf des Abg. Prof. Gunter Bolick, CDU)

Ich hoffe, wir sind dabei erfolgreich. Kollege Bolick, Sie haben das gerade bekräftigt. Herzlichen Dank.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die 2. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und damit auch dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich möchte Sie darüber informieren, dass mir die NPDFraktion angezeigt hat, dass der Tagesordnungspunkt 9, Drucksache 4/13695, heute von der Tagesordnung abgesetzt wird. Damit würden sich die Redezeiten verändern. Ich habe aber entschieden – wenn Sie keinen Einspruch einlegen –, dass wir so nicht vorgehen, da es immer sehr schwierig ist, noch eine richtige Zeitplanung für die Debatten vorzunehmen, wenn das jemand so spät ankündigt.

Ich rufe auf den neuen

Tagesordnungspunkt 8

Planungs- und Realisierungsstand der vom Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen angekündigten Gründung einer „Task Force für komplexe Wirtschaftsstrafverfahren“

Drucksache 4/11473, Antrag der Linksfraktion, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen können Stellung nehmen. Es beginnt die Linksfraktion. Danach folgen CDU, SPD, NPD, FDP, die Fraktion der GRÜNEN und die Staatsregierung.

Herr Abg. Bartl, ich erteile Ihnen das Wort.

Meine sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war im Februar dieses Jahres, als in der „Sächsischen Zeitung“ unter dem Aufmacher „Chefankläger will Sondereinheit gründen“ darüber berichtet wurde, dass der damals noch relativ amtsneue Generalstaatsanwalt für den Freistaat Sachsen, Klaus Fleischmann, plane, eine sogenannte Task Force für komplexe Wirtschaftsstrafverfahren zu gründen. Diese Spezialgruppe solle ihm persönlich unterstellt werden. Sie solle – so wurde Generalstaatsanwalt Fleischmann wörtlich wiedergegeben – ich zitiere: „hochkarätige Ermittlungsverfahren ohne unmittelbare Verbrechensopfer übernehmen“, wobei er hierzu neben Steuerhinterziehungs-, Subventionsbetrugs- und Korruptionsstraftaten auch allgemeine Straftaten der sogenannten Organisierten Kriminalität zähle. Alle „großen Ermittlungsverfahren“ – so die „SZ“ weiter – plane Generalstaatsanwalt Fleischmann künftig an sich zu ziehen.