Dies fordert die Welterbebewegung von ihm, und dies wäre auch seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, und ich bedauere, dass er heute dieser Debatte wiederum fernbleibt. Doch der smarte Herr Tillich, everybodys darling, spielt seit April „toter Mann“. – In Anführungszeichen, Frau Präsidentin. – Er tut so, als ob ihn diese Kernfrage des sächsischen Ansehens in der Welt nichts anginge. Wir halten das für ein feiges Davonstehlen aus der Verantwortung. Wir wollten ihm hier mit der Debatte Gelegenheit verschaffen, öffentlich und vor dem Landtag Stellung zu nehmen.
Zum Zweiten, da die Brückenbefürworter ja gern demokratische Grundsätze auf ihrer Seite wähnen, diese den Welterbefreunden absprechen. Die Bindungswirkung des Bürgerentscheides vom Februar 2005 ist im Februar 2008 abgelaufen. Es ist also keineswegs so, dass sich derjenige, der etwas anderes als die Brücke fordert, gegen demokratische Grundsätze wenden würde. Ganz im Gegenteil. Demokratisch wäre es, den Willen der mehr als 50 000 Bürger für einen Tunnelentscheid zu respektieren und den Bürgerentscheid zu ermöglichen.
Das Wesen der Demokratie besteht darin, dass Macht und Entscheidungen nie für ewig sind, sondern infrage gestellt und zurückgeholt werden können. Wer etwas anderes behauptet, der hat ein gebrochenes Verhältnis zur Demokratie. Doch eine Neuentscheidung der Dresdner will die Staatsregierung mit aller Macht verhindern, denn sie
fürchtet, die Entscheidung könnte gegen sie ausfallen. Die Argumente gegen die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens sind an den Haaren herbeigezogen und interessengeleitet, ebenso wie übrigens in diesen Tagen in Leppersdorf oder Lommatzsch.
Es trifft auch nicht zu, um diesem Argument vorzugreifen, dass das Verwaltungsgericht Dresden eine Unzulässigkeit des Tunnelbegehrens bestätigt hätte. Das Verwaltungsgericht hat lediglich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Anordnung zur Durchführung des Bürgerentscheides abgelehnt, weil das einer Vorwegnahme der Hauptsache gleichkäme. Dies ist ein rein formales Argument.
Sie sehen, es ist immer wieder das gleiche falsche Spiel. Die Welterbebefürworter werden durch formale Verfahrenseigenheiten hingehalten – währenddessen schafft die Staatsregierung am Waldschlößchen Tatsachen aus Beton. Ich weiß nicht mehr, wie ich das als Anhänger des Rechtsstaates, der ich bin, einem normalen Menschen erklären soll.
Es war ja schon auf Demonstrationen der Brückenbefürworter ein Transparent zu sehen, auf dem stand, ich zitiere – mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Scheiß Welterbe!“ Ich hoffe nicht, dass das auch die Ansicht der Brückenbefürworter in diesem Hause ist. Ich glaube, Sie machen sich alle nicht klar, welch gewaltigen Imageschaden Sachsen und Dresden jetzt schon erlitten haben und mit der endgültigen Aberkennung des Welterbetitels erleiden werden. Die gesamte deutsche und internationale Presse berichtet seit Jahren kopfschüttelnd über den Dresdner Welterbestreit. Sachsen ist das einzige Land, in dem die Landesregierung keine vermittelnde, sondern eine scharfmacherische Rolle gegen das Welterbe eingenommen hat. Wir wären die erste Welterbestätte, der der Titel aberkannt würde, und das im Kulturstaat Sachsen, als den wir uns doch so gern sehen.
Meine Damen und Herren! Wenn es so weit gekommen sein wird, dann wird auf die Frage: Woran denken Sie, wenn Sie an Dresden denken? die Antwort lauten: „Die Kuppel der Frauenkirche, die Zerstörung am 13. Februar, und Dresden ist die Stadt, die lieber eine Autobahnbrücke baut, als Welterbe zu sein.“
Meine Damen und Herren! Es besteht heute die allerletzte Gelegenheit, das zu verhindern. Stimmen Sie bitte unserem Antrag zu.
Über wie viele Anträge zum Thema „Welterbe erhalten“ haben wir hier im Hohen Hause schon debattiert?!
Als ich die Tagesordnung las und sah, dass dieser Antrag, der sich schon länger im Geschäftsgang befindet, von den GRÜNEN auf die Tagesordnung gesetzt wurde, habe ich gedacht: Es muss jemand zwei Wochen nicht im Lande gewesen sein. Man konnte erkennen, dass sogar das Verwaltungsgericht in Dresden, wo die Brückengegner in der Vergangenheit die meisten Erfolge auf juristischem Wege errangen, mittlerweile im Hauptsacheverfahren abschließend für den Brückenbau geurteilt hat. Ich fand es bemerkenswert, dass das Verwaltungsgericht Dresden noch einmal ausdrücklich unterstrich, dass der Bau eines Tunnels den größeren Eingriff in die Umwelt darstellen würde. Diesen Fakt habe ich in diesem Hohen Hause schon mehrfach dargestellt.
Man kann – aus meiner Sicht – zusammenfassen: Zum Antrag „Weltkulturerbe – Dresdner Elbtal retten“ ist eigentlich schon alles gesagt worden, nur noch nicht von Johannes Lichdi – so will es mir scheinen.
Die Entscheidung des Welterbekomitees der UNESCO am 3. Juli 2008 zum Aufschub der Streichung des Dresdener Elbtals von der Liste der Weltkulturerbestädte war keine wohlwollende Empfehlung, sondern in meinen Augen eine Entscheidung mit Tatsachencharakter. Mit dieser Entscheidung wird das ganze Engagement einer breiten Mehrheit dieser Stadt – nämlich den Bürgerentscheid vom Februar 2005 zu respektieren und den Weltkulturerbetitel zu erhalten – ad absurdum geführt.
Mit der Wahl von Helma Orosz zur neuen Oberbürgermeisterin der Stadt Dresden am 22. Juli 2008 wurde die Aktualität des Bürgerentscheids noch einmal bestätigt. Helma Orosz hat sich für den Bau der Waldschlößchenbrücke stark gemacht. Das haben die Dresdner Wählerinnen und Wähler mit 64 % klar und deutlich honoriert. Dieses Wahlergebnis bekräftigt zusätzlich die Position der Dresdner CDU, vehement für den Brückenbau einzustehen.
Des Weiteren werden wir die Gespräche zwischen der Stadt Dresden und der UNESCO intensivieren, um den Brückenbau und den Welterbetitel in Einklang zu bringen. Die Reise von Frau Helma Orosz nach Paris am 14. Oktober ist das Resultat einer – wie ich finde – neuen Gesprächsbereitschaft zwischen der Welterbekommission und der Landeshauptstadt. Herr Lichdi, Sie sind auch
Stadtrat in Dresden. Wir wollen keine Schattengefechte von gestern führen, sondern zielgerichtet nach vorn blicken.
Meine Damen und Herren! Auch die deutschen Gerichte haben wiederholt deutlich gemacht, dass die rechtliche Bindungskraft des Bürgerentscheids über die Welterbekonvention zu stellen ist. Wir dürfen die Normen und Werte, auf denen die demokratische Grundordnung basiert, nicht obsolet werden lassen. Alles andere wäre ein Eingriff in die deutsche Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit.
Der Streit um den Bau der Waldschlößchenbrücke erinnert mich immer an den Mythos von Sisyphos: Der König von Corinth wurde von den Göttern dazu verdammt, einen Felsbrocken einen Berg hochzuschieben, nur um ihn dann wieder nach unten stürzen zu sehen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Projekt Waldschlößchenbrücke darf nicht zum Mythos werden. So wie Sisyphos es schafft, nach vielen Tagen des eifrigen Kletterns den Gipfel zu erreichen, werden auch wir unseren Weg weiter verfolgen. Ich sage Ihnen hier im Hohen Hause noch einmal, dass auch unsere Anstrengungen belohnt werden und nicht umsonst waren. Am Ende des Mythos betrachtet Sisyphos den Felsen und denkt sich, was es für ein schöner Felsen und wie vollkommen er in seiner Umgebung sei. Dieser Augenblick –
sollte ewig währen. Ich möchte Sie nicht abermals mit dem umfangreichen Datenmaterial quälen, das für die zügige Umsetzung des Baus der Waldschlößchenbrücke spricht. Der Volonté générale – der Allgemeinwille – des Volkes hat im Bürgerentscheid eindeutig gezeigt: Brücken verbinden. Wir wollen diese Brücke bauen,
wir werden sie auch hinbekommen, worauf dieser Einsatz auch beruhen mag. Auch Sie von den GRÜNEN werden eines Tages feststellen, dass die modifizierte Brücke zur Familie der Dresdener Brücken gehört und sich wunderbar in dieses Elbtal einpasst. Am Ende werden wir trotz aller Beharrungstendenzen den Brückenbau vollenden und Welterbe bleiben. Danach werden wir in der Überzeugung gestärkt sein: Ja, wir haben es geschafft!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe lange überlegt, was ich zu diesem Antrag sagen soll. Ich habe nicht überlegt, weil es keine Argumente gäbe oder es
die verkehrspolitischen Argumente seit zehn Jahren und die kulturerbepolitischen seit drei Jahren. Als Dresdner Stadträtin – das möchte ich offen sagen – habe ich an über 20 Sonder- und sonstigen Stadtratssitzungen zu diesem Thema teilgenommen. Ich kenne die Argumentation von allen Beteiligten in Stadtrat und Landtag. Sie kennen unseren Standpunkt.
Die Dresdnerinnen und Dresdner sind müde von diesem Streit. Ich sage es ganz ehrlich: Diejenigen, die erneut für einen Bürgerentscheid gesammelt haben – was das Vernünftigste wäre –, sind frustriert und fühlen sich nicht ernst genommen. Sie verlangen Antworten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob es Ihnen passt oder nicht: Wir in diesem Hohen Hause kommen um die Antworten nicht herum.
Die Stadt ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur in dieser Frage, sondern auch politisch und kulturell geteilt. Das Weltkulturerbe scheitert ganz offensichtlich an der Unversöhnlichkeit der Standpunkte, am fehlenden Kompromiss und an fehlender Kompromissbereitschaft, an mangelnder Courage zum Erhalt des Weltkulturerbes, an der Feigheit, bis zum Ende dafür zu streiten, und an einer Staatsregierung ohne Augenmaß. Der Streit steht sinnbildlich für verfehlte Politik und hat wesentlich zur Politikverdrossenheit – nicht nur in Dresden – geführt. Eine bittere Bilanz. Wer solche Fragen nach dem Prinzip „Sieg oder Niederlage“ behandelt und klären will, der wird scheitern. Meine Damen und Herren! Wir sind dem Scheitern nahe, wenn es so wie bisher weitergeht.
Wenn ich auf den ersten Punkt des Antrages der GRÜNEN schaue, könnte ich bitter und zynisch – die Kollegen der GRÜNEN werden es mir sicherlich nicht nachtragen – sagen: Es wäre am ehrlichsten, wenn die Landeshauptstadt selbst den – mittlerweile unverdienten – Weltkulturerbetitel zurückgeben würde.
Die Dokumentation der CDU und ihrer Oberbürgermeisterin Frau Orosz, man könne Brücke und Weltkulturerbe vereinbaren, entbehrt jeder Grundlage. Wir wissen es und jeder in diesem Raum weiß das sehr genau.
Betrachten wir die anderen Punkte des Antrages, so sieht es ähnlich aus. Ein Tunnel ist nicht gewollt – sprechen wir die Dinge doch klar aus. Die Bundesregierung wird dafür keine zusätzlichen Gelder zur Verfügung stellen. Herr Minister Tiefensee macht sich die Hände damit nicht schmutzig – das wissen wir.