Protokoll der Sitzung vom 22.01.2009

Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln! So kann man nicht arbeiten. Herr Krauß, das werden Sie auch noch lernen.

Die Einführung des Gesundheitsfonds bleibt eine peinliche Episode in der deutschen Politikgeschichte und zeigt einmal mehr, dass CDU und SPD Aktionismus zu ihrem politischen Konzept erhoben haben.

(Beifall bei der FDP)

Das Konjunkturprogramm, das angeblich die gesamte deutsche Wirtschaft retten soll, versagt schon an dieser Stelle, denn es ist noch nicht einmal in der Lage, die Auswirkungen des Gesundheitsfonds in Sachsen zu besiegen und in den Griff zu bekommen. Jeder von uns wird es in seinem Portemonnaie spüren. Klar ist aber auch, dass dies besonders die sächsischen Unternehmen spüren werden. Die niedrigen Kassenbeiträge – das wissen Sie alle – waren ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für unsere sächsische Wirtschaft. Die im Vergleich zu anderen Bundesländern doch recht günstigen Lohnnebenkosten gaben unseren Betrieben einen größeren Handlungsspielraum, als ihn Betriebe in anderen Bundesländern hatten, und waren für Investoren, die nach Sachsen gekommen sind, ein starkes Standortargument.

Mit dem Einheitsbeitrag ist dieser Standortvorteil für unsere Unternehmen weg. Der Wirtschaftsstandort Sachsen wird deutlich geschwächt. Deswegen bin ich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, sehr froh, dass der Freistaat Sachsen im Bundesrat dem Gesundheitsfonds damals nicht explizit zugestimmt hatte. Wenn wir uns aber die Große Anfrage durchlesen und die Auswirkungen zur Kenntnis nehmen, dann erwarte ich von der Staatsregierung, dass sie initiativ wird, und zwar konsequent initiativ wird. Ich erwarte, dass die Staatsregierung eine Initiative zur restlosen Abschaffung des Gesundheitsfonds auf Bundesebene anstößt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon jetzt allesamt höhere Kosten in Kauf nehmen müssen – die Arbeitnehmer, die Rentner, die Arbeitgeber –, dann stellt sich auch die Frage, ob sich das in irgendeiner Weise bezahlt macht. Lohnen sich wenigstens diese Mehrbelastungen? Bekommen wir dadurch eine bessere medizinische Versorgung in Sachsen? Haben wir dadurch kürzere Wartezeiten in den Arztpraxen oder vielleicht ein gerechteres Vergütungssystem für die Ärzte? Ich kann das nicht erkennen. Es lohnt sich höchstens punktuell, keinesfalls aber flächendeckend.

Der Ärztemangel in Sachsen wird nicht beseitigt, die drohende und teilweise bereits sichtbare medizinische

Unterversorgung besonders im ländlichen Raum ebenso nicht. Die dringend notwendige und von der FDP schon lange geforderte Reform des Medizinstudiums als aus unserer Sicht geeignete Maßnahme gegen den Ärztemangel ist in dieser Gesundheitsreform ebenso wenig ein Thema gewesen wie die Schaffung von Anreizsystemen für Ärzte, damit sich mehr Ärzte trauen, sich besonders im flachen Land als niedergelassene Mediziner selbstständig zu machen.

Lassen Sie mich noch eines sagen: Die 60,5 unbesetzten Professorenstellen an beiden medizinischen Fakultäten in Leipzig und in Dresden sind mit Sicherheit kein Ruhmesblatt für die Sächsische Staatsregierung und sicherlich auch ein Grund dafür, dass wir uns in Sachsen über den Ärztemangel immer wieder unterhalten müssen.

Die Grundprobleme des Gesundheitswesens auch mit Blick auf die demografische Entwicklung wurden nicht gelöst. Stattdessen wurde unser gesamtes Gesundheitswesen erneut noch mehr bürokratisiert. Das ist eben eine typische Ulla-Schmidt-Reform. Sie ist weit, weit weg von den Menschen, den Ärzten, den Schwestern und Pflegern.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Sie ist leider wie so vieles, was wir aus dem Hause SPD kennen, ohne Wirkung. Sie ist nichts anderes als ein Gesundheits-Placebo. Den Namen Reform verdient das alles sicher nicht.

(Beifall bei der FDP)

Mit der jüngsten Gesundheitsreform – lassen Sie mich das auch sagen, Sie als SPD wird das nicht so sehr freuen, aber es ist nun einmal so – werden wir in Sachsen um die Früchte einer insgesamt recht guten Aufbauarbeit nach der Wende gebracht. Ich möchte nur an die aus unserer Sicht oft kluge Politik des ehemaligen Gesundheits- und Sozialministers Geisler erinnern. Ich denke, es ist auch seinen Ansätzen zu verdanken, dass wir in Sachsen niedrigere Beiträge als in anderen Ländern haben. Dabei denke ich an unsere Krankenhauslandschaft, die einfach moderner und effizienter ist, als wir es aus anderen Bundesländern kennen. Ich möchte auch daran erinnern, dass wir hier in Sachsen Krankenkassen haben, die besser als ihre Mitbewerber in anderen Bundesländern arbeiten und es sich deshalb leisten konnten, niedrigere Krankenkassenbeiträge anzubieten.

Durch den zentralistischen Ansatz des Gesundheitsfonds werden wir um diese Früchte unserer Aufbauarbeit ein Stück weit gebracht. Das sächsische Gesundheitswesen droht auf Mittelmaß herunternivelliert zu werden. Wie auch sonst in der Gesellschaft zeigt sich leider auch diesmal, dass sich Leistung in Deutschland wahrscheinlich nicht mehr lohnt. Ansonsten hätte man eine solch leistungsfeindliche Reform, mit der gerade die Bundesländer bestraft werden, die in den letzten Jahren eine gute Leistung im Gesundheitswesen erbracht haben, niemals machen dürfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ich komme zum Schluss. Wir brauchen in Deutschland ganz gewiss keine Einheitskasse nach dem Vorbild der DDR. Wir brauchen eine echte Gesundheitsreform und Beitragssenkungen durch mehr Wettbewerb im System. Mehr dazu von meiner Kollegin Kristin Schütz in der zweiten Runde.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Die CDU-Fraktion hat das Wort; Frau Strempel, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gesundheit, so sagt der Volksmund, ist ein hohes Gut. Das stimmt wirklich. Jede Auseinandersetzung mit diesem Thema setzt voraus, dass man objektiv und relativ unbefangen an dieses Thema herangehen sollte.

Um Irritationen bei allen Beteiligten in diesem System, vor allem bei den Bürgerinnen und Bürgern, zu vermeiden, möchte ich Ihnen sagen, warum ich das Ganze anspreche: weil in der „Freien Presse“, und vielleicht nicht nur dort, unter anderem solch eine nette Anzeige geschaltet war: „Rücknahme des Gesundheitsfonds“. Wissen Sie was? Man kann ja seinen Wunsch äußern, aber man sollte es nicht so populistisch tun. Das ist mein dringender Appell an die FDP.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die Rücknahme des Gesundheitsfonds zu fordern und zu behaupten, dass das vielleicht relativ einfach sei, das ist schnell ausgesprochen. Ich kann zumindest klar und deutlich für meine Fraktion sagen: Den Gesundheitsfonds haben wir immer abgelehnt. Sie brauchen nur einmal in den Reden nachzulesen, die in den letzten Jahren gehalten wurden, siehe im Mai oder September letzten Jahres.

Bei der Beantwortung Ihrer Großen Anfrage – das haben Sie auch gesagt – kommt klar zum Ausdruck, dass alle Vorhersagen der Staatsregierung und der Fraktionen CDU und SPD über die negativen Auswirkungen eingetreten sind.

Nur, machen wir uns nichts vor, die Reform ist in Kraft getreten. Meine Damen und Herren, das Gesetz ist beschlossen und, ich sagte es, der Gesundheitsfonds gilt. Über Monate haben sich – und jetzt möchte ich „stellvertretend“ sagen – die gesetzlichen Krankenkassen zwar gewehrt, aber sie haben sich auch auf diesen Tag X vorbereitet. Dazu gehören eine klare Entschuldung – das war auch so richtig – und der beginnende Prozess der Fusionierung. Wir haben ihn doch alle gewollt. Immer haben wir gesagt, es gibt zu viele Krankenkassen. Also ist dieser Prozess auch angegangen worden.

(Beifall der Abg. Rita Henke, CDU, und bei der SPD)

Die AOK Thüringen und Sachsen haben sich zusammengeschlossen zur AOK Plus. Das ist ein positiver Effekt.

Die Techniker Krankenkasse ist fusioniert mit der IKKDirekt – ebenfalls ein positiver Effekt. Zumindest verringert sich die Zahl. Dass die Krankenkassen nicht zufrieden sind, ist ja auch berechtigt. Wir sind ja nicht generell zufrieden, aber man kann doch nicht nur klagen.

Meine Damen und Herren! Wir sagen klar und deutlich – und das habe ich in meinen Reden im Mai und September immer zum Ausdruck gebracht –: Mit uns gibt es keine sozialistische Einheitskrankenkasse à la DDR, sondern wir wollen eine gesunde Anzahl von Krankenkassen haben, zwischen denen die Versicherten wählen können. Das ist richtig. Der Wettbewerb um das beste Angebot – das sagen inzwischen die Krankenkassen – ist entscheidend.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Meine Damen und Herren! Sie haben wohl gegenüber der Presse das Wichtigste vergessen. Sie haben es zwar hier im Saal geäußert, aber als Sie mit der Presse gesprochen haben, waren Sie sich vielleicht zu fein, zu feige oder zu gut, das zu nennen: Sachsen hat nicht für dieses Gesetz gestimmt. Warum steht das nicht in der Presse? Dort haben Sie es nicht geschrieben. Aber ich hoffe, dass es die Presse noch einmal den Bürgerinnen und Bürgern verdeutlicht: Sachsen hat in der entscheidenden Bundesratssitzung seine Zustimmung nicht gegeben.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben immer wieder über den Freistaat darauf aufmerksam gemacht, welche negativen Wirkungen mit der Inkraftsetzung des sogenannten gesetzlichen Krankenkassenversicherungs-Wettbewerbsstärkungsgesetzes und mit dem Gesundheitsfonds kommen können. Ich möchte daran erinnern: In meiner Rede am 28. Mai habe ich stellvertretend erwähnt: staatliche Einheitskasse, deutlich steigende Beitragssätze. Es stimmt. Prof. Neubauer hat genau vor einem Jahr mindestens 15,5 % vorhergesagt. Dafür ist er gescholten worden. Wir haben auch gesagt: mindestens 15,5 %. Dann sind sie wirklich gekommen. Das hat doch niemand verheimlicht. Wir haben es doch erkannt, ausgesprochen und dagegen interveniert. Das wollen Sie nur nicht wahrhaben.

Wir haben darauf hingewiesen, dass das Leistungsangebot schwerer nachvollziehbar ist. Und wir haben darauf hingewiesen, dass Sachsen zur Zahlerkasse werden wird, siehe die Konvergenzphase bzw. die Konvergenzregelung. All diese Probleme wurden in der entscheidenden Sitzung von anderen Bundesländern so nicht gesehen. Deshalb war Sachsen allein auf weiter Flur.

Aber Sachsen hat gehandelt. Der Freistaat Sachsen hat mit seiner Staatsregierung gehandelt und die Hände nicht in den Schoß gelegt. Ich erinnere auch hier wieder daran: Die Auswirkungen mit der Konvergenzregelung sind durch die Staatsregierung abgebogen worden. Das wäre enorm viel Geld gewesen, nämlich mehrere Hundert Millionen Euro.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Staatsregierung auch weiterhin alles unternehmen wird, um die negativen Entwicklungen, die sich tatsächlich abzeichnen, von den Bürgerinnen und Bürgern abzuwenden. Diese Zusage hat die Ministerin am vergangenen Freitag mit aller Klarheit gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung, den Ärzteverbänden, den Vertretern der Krankenhäuser und vielen anderen Teilnehmern gegeben. Das war auf dem Neujahrsempfang vom vdek hier in Dresden.

Meine Damen und Herren! Es ist entscheidend, nicht einfach die Rücknahme einer Regelung – die Rücknahme des Gesundheitsfonds – zu fordern, wie Sie das hier tun, sondern man sollte im gleichen Atemzug auch eine adäquate Lösung anbieten. Wo ist sie denn? Wo bieten Sie Ihre Lösung an?

(Beifall des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Diesbezüglich habe ich von Ihnen nichts gehört. Auch die Wiedereinführung der alten Regelung, die wir hatten, kann nicht des Rätsels Lösung sein. Ich nehme an, Ihre Kollegin wird dazu noch etwas sagen. Warum hat sie Sie, Herr Zastrow, vom Neujahrsempfang in der letzten Woche nicht informiert? Wissen Sie, warum? Da war sie vielleicht körperlich, aber nicht geistig anwesend. Sie wird ja nachher gleich auf mich reagieren. Dort ist nämlich klar und deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass der Gesundheitsfonds seine Vorteile hat, die aufgezeigt worden sind, aber natürlich auch Nachteile. Alle, die positiv an diesem Prozess interessiert sind, müssen jetzt an den Lösungen gemeinsam arbeiten, um diese Nachteile umzubiegen bzw. zu beseitigen. Das war eine klare Aussage letzte Woche beim Neujahrsempfang.

(Holger Zastrow, FDP: Haben Sie die vielen Protestbriefe der Ärzte gelesen?)

Wissen Sie, ich bezweifle nicht die Fähigkeiten und die Intelligenz von Herrn Prof. Neubauer vom Institut der Gesundheitsökonomik in München, denn er sprach sich dafür aus, dass der Gesundheitsfonds zwar da ist, aber dringend weiterentwickelt und verändert werden muss – nicht zurückgenommen, sondern weiterentwickelt werden muss.

(Holger Zastrow, FDP: Zwei Wochen danach!)

Sie, Frau Schütz, haben dazu nichts gesagt. Sie waren ja anwesend. Sie hatten wahrscheinlich nicht die Traute, vor den ganzen Vertretern aufzustehen und dort etwas zu sagen.

Herr Prof. Neubauer hat dort klar und deutlich gesagt: nicht irgendetwas zurückfahren, sondern was wir verändern müssen, ist die Einnahmenseite, damit das System der gesetzlichen Krankenkassen auch funktionieren kann. Man kann nicht nur die Ausgaben erhöhen, sondern man muss auch die Einnahmenseite decken. Das haben alle Beteiligten bestätigt.

Meine Damen und Herren! Wir wissen ja, auch durch den Bericht der Enquete-Kommission, dass wir vor erhebli

chen Problemen stehen: der demografischen Entwicklung – das bezweifelt keiner – und dem medizinischtechnischen Fortschritt. Auch das ist zu diesem Neujahrsempfang gesagt worden. All das muss natürlich irgendwie in Zukunft finanzierbar gemacht werden, denn wir wollen, dass die Versicherten nach wie vor eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung bekommen.

Die Staatsregierung hat es sich zusammen mit der CDUFraktion und dem Koalitionspartner zur Aufgabe gemacht, alle gestaltbaren Punkte, wo sie die Möglichkeit hat, sie in ihrer Verantwortung anzugehen, aufzunehmen und die Belastungen abzuwenden. Eine allererste Baustelle, die ja auch in der Zeitung stand, ist die Honorierung bei den Ärzten. Immerhin hat die Sächsische Staatsregierung erreicht, dass die Honorarerhöhung für unsere Ärzte durchgesetzt wurde.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aber diese Honorarerhöhung kommt so nicht explizit bei den einzelnen Facharztgruppen an. Das ist auch auf diesem Neujahrempfang festgestellt worden. Jetzt muss ich einmal die anderen Kollegen aufklären. Es liegt nicht an der Staatsregierung, so etwas Dummes, sondern an einem anderen Selbstverwaltungsorgan, Herr Zastrow. Sie waren ja nicht auf dem Empfang. Die haben sich dort fast gebalgt, und zwar die Kassenärztliche Vereinigung als Selbstverwaltungsgremium und die Ärzte. Ein paar haben geschwiegen, weil diese die Honorarerhöhung bekommen, ein paar haben gesagt, wir bekommen weniger, und ein paar haben gesagt, wir spüren gar nichts. Nur dummerweise gibt es ein Selbstverwaltungsorgan, das jetzt einfach seine Verantwortung wahrnehmen muss. Die Staatsregierung hat zugesichert, dass sie die Klärung begleitet und betreut, damit 120 Millionen Euro, die an Honorierung mehr fließen, auch dort ankommen, wo sie hingehören, nämlich bei den sächsischen Ärzten.