Protokoll der Sitzung vom 13.03.2009

Exzellente Hochschulen haben längst erkannt, dass eine produktive Mischung von Menschen unterschiedlichster Herkunft eine zentrale Voraussetzung für wissenschaftliche Kreativität ist.

Stattdessen läuft hierzulande offensichtlich alles wie gewohnt. Zum Teil ist nicht einmal das selbstverständlich. Es fehlt an den einfachsten Grundlagen, wie wir bereits mit unserer Großen Anfrage zu Hochschulen im demografischen Wandel herausfinden mussten.

Herr Dr. Gillo, Sie wollen das Angebot noch breiter machen. Aber das breite Angebot an Maßnahmen zur Begleitung und insbesondere zur sprachlichen Vorbereitung ausländischer Studierender ist durch eine teilweise eingeführte Gebührenpflicht aktuell gefährdet. An der TU Bergakademie Freiberg ist durch die Einführung von Gebühren schon ein deutlicher Rückgang der Nachfrage zu verzeichnen. An der TU Dresden drohen Gebühren durch unsichere Stellenfinanzierung. Ähnliche Probleme sind uns von der Universität Leipzig und der Hochschule Mittweida bekannt.

Im Interesse eines höheren Anteils ausländischer Studierender ist es das Mindeste, dass der Freistaat diesen Finanzierungsproblemen abhilft und eine gebührenfreie und bedarfsgerechte Begleitung und sprachliche Förderung gewährleistet.

(Beifall der Abg. Heike Werner, Linksfraktion)

Auf weitere Defizite wie die völlig unbefriedigende Stipendiensituation hat die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme selbst hingewiesen.

Den Antragstellern ging es neben den ausländischen Studierenden auch um das Auslandsstudium. Der Anteil derjenigen, die ein oder zwei Semester im Ausland studieren, geht bekanntlich eher zurück. Das ist zum Teil auf ungünstig strukturierte und dadurch mobilitätsfeindliche Studiengänge insbesondere im Rahmen der Bachelor/Master-Umstellung zurückzuführen.

Ein wesentlicher Punkt ist aber auch die Unsicherheit vieler Studierender, ob sie ihre Leistung an ausländischen Hochschulen überhaupt anerkannt bekommen. Das Sächsische Hochschulgesetz überlässt das den Prüfungsämtern. Auf diese Weise wird der Bologna-Prozess mit seinem europäischen Hochschulraum ad absurdum geführt. Wir haben deshalb von Anfang an die Regelanerkennung in vergleichbaren Studiengängen gefordert.

Neben diesen unmittelbar notwendigen Maßnahmen will ich zum Schluss auf die generelle Internationalisierung eingehen. Sachsen hat hier mit einem Anteil von 7,5 % ausländischen Wissenschaftlern am Personal gegenüber anderen Bundesländern einen deutlichen Rückstand. Wenn wir mehr ausländische Studierende anziehen wollen, dann ist es meines Erachtens eine zentrale Voraussetzung, mehr ausländische Wissenschaftler zu gewinnen, um damit eine insgesamt stärkere Vernetzung in der europäischen und globalen Wissenschaft zu erreichen. Nichts stärkt doch den internationalen Ruf einer Hochschule mehr als das positive Urteil ihrer ausländischen Wissenschaftler. Die sächsischen Hochschulen müssen dieses brachliegende Potenzial endlich stärker heben.

Was wir in den sächsischen Hochschulen brauchen, das ist ein echter Paradigmenwechsel, der Vielfalt als Chance begreift. Es muss für Hochschulen ein Qualitätsmerkmal und ein ausdrückliches Entwicklungsziel werden, einen hohen Anteil an Frauen, Migranten und Ausländern und überhaupt an Menschen zu erreichen, die anders sind.

Ich sehe das bisher an keiner sächsischen Hochschule verwirklicht. Das liegt auch daran, dass dieser Weg nicht offensiv von der Staatsregierung eingefordert wird. Hier liegt ein weites Feld für künftige Zielvereinbarungen und Hochschulverträge.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, verehrte Staatsministerin Stange, anstatt sich zu Schulterklopfen und Positivstatistiken verführen zu lassen, sollten Sie mutig Defizite eingestehen und von anderen lernen. In dem vorliegenden Antrag liegt dazu eine Chance, wenn wir ihn gemeinsam als Aufforderung verstehen, Vielfalt neu zu denken.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Cornelia Ernst und Heike Werner, Linksfraktion)

Ich bitte jetzt die Ausländerbeauftragte Friederike de Haas.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! „Weltoffenheit ist Voraussetzung wissenschaftlicher Exzellenz“, so heißt es im ersten Satz des Nationalen Integrationsplanes zum Thema Wissenschaft. Das ist in einer internationalen Welt selbstverständlich, aber es ist eben auch ein politischer Auftrag.

Sachsens Hochschulen stehen im internationalen Wettbewerb um qualifizierte Studenten aus aller Welt. Dabei werden wir auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn es uns in

unserem Land gelingt, eine Kultur des Willkommens zu etablieren, eine Kultur des Willkommens nicht nur, aber eben auch für ausländische Studierende.

Es ist schon gesagt worden, dass sich seit 1993 die Anzahl der hier lebenden Studierenden verdreifacht hat. Inzwischen ist jeder zehnte Studierende an sächsischen Hochschulen und jeder vierte Absolvent unserer Kunsthochschulen ein Ausländer. Diese Ausländer bilden damit eine der größten Gruppen der in Sachsen lebenden Ausländer. Sie setzen eine jahrhundertewährende Tradition, eine gute Tradition an sächsischen Universitäten, fort. Sie bringen vielfältige Kompetenzen mit, und sie tragen so zur Innovation in Forschung und Lehre an unseren Hochschulen bei. Das ist unersetzlich für Sachsen, nicht zuletzt auch dann, wenn wir an die Herausforderungen des demografischen Wandels denken.

Meine Damen und Herren, Sachsen ist gut aufgestellt. Seine reiche Geschichte, seine vielfältige Kulturlandschaft, seine internationale Anerkennung als Studienstandort und Standort von Wissenschaft und Innovation sind Pfunde, mit denen wir wuchern können.

Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage unter ausländischen Studierenden seitens des Instituts für Kommunikationswissenschaften an der TU Dresden hat ergeben, dass sich jeder Dritte der Befragten aufgrund des Studienangebots für Dresden entschieden hat, und jeder Vierte entschied sich für Dresden, weil Freunde und Bekannte schon hier studieren. Eine Mehrheit der ausländischen Studierenden ist sehr zufrieden mit Dresden und würde diesen Hochschulstandort weiterempfehlen.

Meine Damen und Herren, dennoch, für eine wirkliche Kultur des Willkommens werden wir uns weiterhin anstrengen müssen; denn leider sind ausländische Studierende auch immer wieder direkt oder indirekt von Fremdenfeindlichkeit und gewalttätigen Übergriffen betroffen. Der Imageschaden, den unser Land damit in der Welt erleidet, ist verheerend. Auch deshalb ist es richtig und wichtig, dass die rechtsstaatliche Antwort auf entsprechende Straftaten und Übergriffe klar und deutlich ausfällt. Es ist mir wichtig, in diesem Zusammenhang zu betonen, dass unser Engagement zum Erhalt eines weltoffenen und toleranten Sachsen auch immer Engagement für die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschulstandorte ist.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Um dem steigenden Bedarf an akademischen Fachkräften zu entsprechen, muss aber auch die bestehende Hochschulinfrastruktur für ausländische Studierende attraktiv sein. Mit der Verabschiedung des Hochschulgesetzes im vergangenen Jahr haben wir einige Weichen dazu gestellt. Ausdrücklich sind die Integration wie die fachliche und sprachliche Betreuung ausländischer Studierender als Aufgaben der Hochschulen statuiert worden. Wir wollen nicht, dass ihr Studium zur Enttäuschung wird, und wir haben bereits im Gesetz klargestellt, dass sächsische Hochschulen selbstverständlich Studierenden aus aller Welt offenstehen.

Meine Damen und Herren, auch die Hochschulen selbst tragen eine besondere Verantwortung. Sie müssen noch internationaler werden. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Denn nur in einem solchen Umfeld können sich Studierende aus anderen Ländern wirklich wohlfühlen und effektiv studieren. Das Internationale Hochschulinstitut in Zittau ist hierfür schon ein gutes Beispiel; denn Internationalität ist hier kein Markenzeichen, sondern Grundlage eines eigenen Selbstverständnisses.

Meine Damen und Herren, zu einer Kultur des Willkommens zählt aber auch, für Studierende verlässliche und kompetente Ansprechpartner zu haben. Hier ist auch die öffentliche Verwaltung gefragt: Universitäten, Ausländerbehörden und später die Arbeitsagenturen. Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenz sind unverzichtbar.

Leipzigs Ausländerbehörde hat vor einigen Jahren von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung und vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft einen Preis als Deutschlands freundlichste Ausländerbehörde erhalten, weil sie sich besonders aufgeschlossen, flexibel und hilfsbereit gegenüber ausländischen Wissenschaftlern und Studierenden zeigt.

Das sind Erfolge, bei denen wir nicht verharren dürfen, sondern an die wir anknüpfen müssen. Deshalb rege ich an, künftig ausländischen Studierenden und Studienbewerbern alle notwendigen Informationen und Behördenleistungen aus einer Hand anzubieten. Hamburg hat dafür sogenannte Willkommenscenter eingeführt. Ich meine, dass wir das auch können.

Wir werben um Studierende; also müssen wir attraktiver und besser sein als andere. Jede Investition in diese Richtung ist eine Investition in unsere eigene Zukunft.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ausländische Studierende sind Brückenbauer, unabhängig davon, ob sie nach Abschluss ihres Studiums in Sachsen oder in Deutschland bleiben oder in ihr Herkunftsland zurückgehen. Je besser die persönlichen Erfahrungen sind, die sie als junge Menschen in unserem Land machen, desto fester werden die Bänder sein, die sie mit Sachsen knüpfen.

Von einer Kultur des Willkommens profitieren wir alle.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ausländische Studierende bereichern unser Land. Sie tragen zur geistigen und kulturellen Vitalität Sachsens bei. Sie sind unerlässlich für die Zukunft unseres Landes.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wer wünscht von den Fraktionen noch das Wort? – Herr Dr. Gillo, CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht ein paar kurze Vorbemerkungen: Die Daten aus Vietnam, die ich erwähnt habe, treffen übrigens auch auf Sachsen zu.

Frau Werner, zwei Kommentare. Der erste: Wenn Sie Bachelor und Master richtig verstehen und wenn das in einen Doppelstudiengang eingebettet ist, dann erleichtert der Bachelor/Master die Einbindung in das Auslandsstudium.

Das andere, was mich ziemlich empört und eigentlich auch enttäuscht hat, muss ich sagen, weil ich das von Ihnen normalerweise nicht gewohnt bin, ist, dass Sie unterstellen – und da können wir gern im Wortprotokoll nachschauen, was Sie gesagt haben –, in Sachsen lebe eine Bevölkerung, die in großem Maße der Fremdenfeindlichkeit unterliege. Das ist doch wohl ein Witz, das ist unerhört. Ich denke, das passt nicht in diesen Landtag.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ansonsten muss ich Folgendes sagen: Wenn ich mir die Beiträge der Fraktionen anhöre, stelle ich fest, dass wir alle das Gleiche wollen. Wir sind alle überzeugt, dass uns ausländische Studierende in Sachsen wirklich stärken und nach vorn bringen.

Wie ich im ersten Teil meiner Rede angesprochen habe, gibt es fünf Themenfelder, auf denen unsere Arbeit mit ausländischen Studierenden noch besser als bisher werden kann.

Das erste Themenfeld ist die Vermarktung. Hand aufs Herz: Wie klar sind die Zugangsbestimmungen für die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge? Diese Bestimmungen wollen und müssen wir natürlich auch auf Englisch ins Internet stellen, denn die ausländischen Studierenden sollen sich ja bei uns entsprechend erkundigen.

Wer hat das schon getan? Fehlende Mehrsprachigkeit auf unseren Internetseiten ist ein Manko, das auf viele Institutionen zutrifft. Wenn Sie zum Beispiel auf die Internetseite des DAAD – um nicht nach Sachsen zu gehen – schauen, um sich über Stipendien zu erkundigen, werden Sie dort auf Deutsch gute Informationen erhalten. Es gibt auch Knöpfe auf der Internetseite des DAAD, die auf Englisch, Französisch und Spanisch hinweisen. Wenn Sie darauf klicken, passiert allerdings überhaupt nichts; Sie werden zurück auf die deutsche Internetseite gebracht. Ich bin mir sicher, dass Mehrsprachigkeit auf unseren eigenen Internetseiten bald zur Regel wird.

Wie steht es um unsere Stärken? Das neue Hochschulgesetz erlaubt es den Institutionen, ihre eigenen Stärken noch konsequenter auszubauen und nach außen sichtbar zu machen. Das werden sie auch. Auch die stärkere Nutzung internationaler Bildungsagenturen zur Vermittlung von ausländischen Studierenden nach Sachsen bietet sich überall dort an, wo es zur Kultur gehört, wichtige Kontakte über Vermittler zu knüpfen. In Indien zum Beispiel werden auch heute noch viele Hochzeiten durch Vermittler arrangiert. Renommierte Agenturen würden als

Vermittler dieser Kultur an unsere Hochschulen und Universitäten den Gepflogenheiten entsprechen.

Zum zweiten Punkt – Deutschkurse: Eines der Ziele des Studiums in Deutschland ist die soziale und kulturelle Integration der Studierenden. Das gelingt letztendlich nur, wenn sie genügend gute Deutschkenntnisse haben, um an allen Kursen teilzunehmen und Freundschaften bei uns auf Deutsch anzuknüpfen. Dort können wir mehr tun. Auch wenn sie zumindest gute Englischkenntnisse haben und sich englischsprachige Menschen im Umfeld finden, die sie in ihr soziales Netz einbringen, können wir damit die Integration bereichern.

Zum dritten Punkt – Betreuung: Was die noch bessere Betreuung der ausländischen Studierenden betrifft, so stellen wir sie als freiwilliges Angebot zur Verfügung. Dies entspricht unserer deutschen Kultur. Wenn aber eine chinesische Studentin bei der Uni vorsichtig anfragt, warum sie drei Wochen nach Semesterbeginn immer noch keine Einladung des Professors zur Teilnahme an seinen Vorlesungen erhalten hat, dann merken wir, dass wir uns auf die Kulturen der anderen einstellen und auf sie zugehen müssen. Wir müssen sie dort abholen, bevor wir sie sich selbst überlassen. Deshalb macht es Sinn, die Betreuung nicht erst auf Anfrage anzubieten. Lassen Sie uns alle ausländischen Studierenden anfänglich betreuen! Wir sollten ausländische Studierende bei der Erstankunft in jedem Fall am Flughafen oder Bahnhof abholen. Solch einfache Dinge setzen wichtige Zeichen.

Zum vierten Punkt – Chancen für Gelegenheitsjobs: Wir verlieren unnötig viele Studenten an westdeutsche Universitäten, weil unsere ausländischen Studierenden wenig Einblick in die Jobbingmöglichkeiten hier vor Ort haben. Das muss nicht so sein, wenn sich die Kommunen, die Universitäten, die Fachschafts- bzw. Studentenräte und die Firmen der Region zusammentun, um auch hier mehr Chancen zu zeigen, die bisher oft nicht erkannt sind.

Zum fünften Punkt – internationale Partnerschaften: Was den Aufbau von Partnerschaften und die enge Vernetzung betrifft, so bietet sich an, die bestehenden Partnerschaften mit internationalen Universitäten konsequent auszuweiten. Gerade was die Doppelstudiengänge angeht, sind diese ein wichtiges Mittel der Internationalisierung und würden auch das Problem lösen, das meine Vorredner angesprochen haben: dass Studenten aus Deutschland oft nicht wissen, ob ihr Semester, das sie in einem anderen Land absolvieren, tatsächlich für ihren eigenen Bachelor- oder Masterstudiengang geeignet ist.

Auch Unternehmen können sich in diese Partnerschaften zum Nutzen aller noch mehr einbringen. Ausländische Studenten können Partnerschaften vor Ort noch stärken. Nach ihrem Studium in Sachsen können die Studenten beim internationalen Partner für eine gute Zusammenarbeit sorgen. Sie kennen unsere Region. Sie können eine Brückenfunktion wahrnehmen, die auch andere Vorredner bereits angesprochen haben. Einige der Studierenden werden auch vor Ort bei Firmen in Sachsen bleiben. Wer