Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Es kann sogar – aber das ist ein hoffentlich unwahrscheinlicheres Szenario – so weit gehen, dass die Eurozone ins Schwanken gerät, weil nämlich innerhalb der Eurozone keine Währungsabwertungen möglich sind. Das, was jetzt gerade Ungarn, Litauen und andere Länder machen können, weil sie noch nicht Mitglied der Eurozone sind, können wir nicht machen, wobei dann übrigens auch die Immobilienblase in Osteuropa geplatzt sein und uns zusätzlich belasten wird. Es wird einen Anstieg von Verstaatlichungen geben, es wird soziale Unruhen geben – das muss man sehen –, wenn alles so schlimm kommt, wie es kommen kann, aber vielleicht nicht muss. Ich bin – das wissen Sie – eher ein zuversichtlicher Mensch.

Aber dann müssen wir jetzt die Kraft finden, innerhalb dieses Jahres umzusteuern. Um diese Entwicklung gut zu überstehen, müssen wir vorsorgen. Nach dem, was ich heute gehört habe, scheint mir das nicht besonders wahrscheinlich zu sein. Das irritiert mich doch sehr.

In vergangenen Jahrhunderten hatte man noch Möglichkeiten, mit solchen Krisen umzugehen, die wir heutzutage alle nicht mehr wollen. Wir wollen keine Kolonialherrschaft ausüben und keine Menschen versklaven. Wir wollen keine Kriege führen. Im Prinzip ist ein Krieg ja die Lösung einer Bankenkrise mit militärischen Mitteln. Wir wollen auch keine Währungsreform, bei der alle arm werden, um das System neu zu errichten. Das ist alles Quatsch, das wollen wir nicht mehr. Die Menschen wollen das nicht mehr.

Nachdem man am Anfang des 21. Jahrhunderts erkannt hat, dass man die Natur und die Gesellschaft erschöpfend geplündert hat, frage ich: Was ist jetzt unser Fazit? Es geht ja seinem Ende zu. Das Schröpfen von Gesellschaft und Natur ist wirtschaftlich sozusagen an seine Grenze gelangt. Wir werden also das Wachstum, wie es klassisch bekannt war, nicht mehr als Krisenmanager bei Verteilungskonflikten haben. Da bin ich Wertschöpfungsgrüne. Uns GRÜNEN wird ja immer eine gewisse Distanz zur Wirtschaft nachgesagt. Das sehe ich gar nicht so. Ich habe natürlich eine wertschöpfende Orientierung. Aber ich bin zum Beispiel auch kein Sozialist oder Kommunist. Das hat auch gute Gründe, weil nämlich meiner Meinung nach dieses falsche Wachstum immer wieder durch eine falsch verstandene, wenn auch wahrscheinlich gut gemeinte Verteilungspolitik angeheizt wird. Aber diese Verteilungspolitik ist eigentlich nur dazu geeignet, um durch sozialpolitische Reparaturen den Betrieb am Laufen zu halten, wobei das falsche Wachstum den Bedarf erst erzeugt hat.

Deswegen glaube ich, dass das klüger geht, dass das besser geht. In der Wachstumsart, die wir bisher haben, ist zum Beispiel Vollbeschäftigung eine Illusion. Das hat irritierende Auswirkungen. Viele Leute sind arbeitslos. Es gibt eine Überproduktion an Gütern, aber es gibt auch viel Arbeit, die nicht bezahlt wird. Das ruft dann wieder alle Ideologen auf den Plan.

Aber ich glaube, der zweite Punkt, der heute kaum erwähnt worden ist, wird uns noch mächtiger beschäftigen. Die Verschuldungsobergrenzen sind nämlich überschritten. Wir nähern uns ihnen nicht an oder stehen kurz davor, sondern sie sind überschritten. Wir leben heute in einer Art und Weise ungeniert von Geld, das bislang noch keiner erarbeitet hat, dass es einem den Atem nehmen könnte, wenn man sich das einmal vor Augen führt.

Die Innovationslücke, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser Gesellschaft und in der Wirtschaft sieht, ist die, dass wir gesellschaftlich, sozial und ökologisch die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse als Menschen brauchen. Das ist Ernährung, das ist Mobilität, das sind Wohnen, Kultur, Bildung und auch Freizeit. Das muss so funktionieren, dass es die Menschen nicht an den Rand des Wahnsinns treibt und dass die Natur übrig bleibt.

Diese Innovationslücke in der Steigerung unserer Lebensqualität ist etwas, das wir schaffen müssen. Europa kämpft doch selbst bei einem Anhalten der Krise auch in zwei, drei Jahren nicht wirklich um die nackte Existenz. Das wird nicht eintreten. Aber wir werden uns sehr anstrengen müssen, um den Sinn unserer Existenz der nächsten Generation begründen zu können. Ich denke, diesen Punkt muss man dazunehmen. Die Maßlosigkeit, mit der diese Art von Wachstum jetzt auch in die Banken- und in die Wirtschaftskrise geführt hat, ist für mich – das sage ich hier einmal so offen aus meiner weiblichen Perspektive – ein typischer Testosteronunfall. Deutlich mehr Frauen in Aufsichtsräten – zu der Einsicht kommt übrigens auch der Bund der Unternehmerinnen in Deutschland – hätten vielleicht eine gewisse Dramatik in der Zuspitzung verhindern können.

Ich denke, dass das so ist, weil Frauen nämlich Gesellschaft anders in Wirtschaftspolitik „einpreisen“ als Männer. Das ist meine Wahrnehmung in der Politik, jedenfalls bei denen, die ich hier reden höre.

Wenn es gelingt – was ich für notwendig halte –, im Zusammenspiel mit der Bundespolitik eine Kindergrundsicherung, ein Grundeinkommen, eine Garantierente oder vergleichbare Projekte herzustellen, um eine Mindestabsicherung für jeden Menschen in jeder Lebenslage zu haben, dann, glaube ich, kann man auch wieder Vertrauen aufbauen in eine Marktwirtschaft, die eine soziale und ökologisch verträgliche Marktwirtschaft ist.

Der technologische Innovationszyklus, den wir dafür brauchen, eine so lang anhaltende Wachstumswelle zu schaffen, die zwar langsamer und niedriger verläuft, aber stabil ist, ist im Prinzip das naturschonende Produktionsverfahren: mit wenig Energie und Material viel produzieren.

Wir haben bisher in der Wirtschaft immer erlebt, dass vor allen Dingen die Produktivität pro Arbeitsplatz gesteigert wurde. Die Löhne wurden niedrig gehalten. Man hat versucht, aus den Leuten mehr Leistung herauszupressen. Das ist eine der drei Stellschrauben, die ein Unternehmer hat. Es ist auch in Ordnung, das einmal zu probieren. Aber das ist in meiner Wahrnehmung auch bis zur Belastbarkeitsgrenze der Menschen erfolgt. Durch die Umstellung auf ein Mindesteinkommen bei allen kann man erreichen, dass bei den Lohnnebenkosten keine Dauerbaustellen bestehen, sondern dass man aus der Problematik herauskommt und die Leute vernünftig Geld zur Verfügung haben.

An den anderen beiden Schrauben haben Unternehmer mit wenig Lust und nur teilweise gedreht. Das ist die Frage, dass man Energie- und Materialkosten im Produktionsprozess drastisch senkt. Diese Schrauben wurden bislang lustlos gedreht. Es waren nämlich im Verhältnis gesehen sehr niedrige Material- und Energiekosten, sodass man eher an der teuren Schraube Arbeitskraft gedreht hat.

Wenn man aber jetzt eine lange Wachstumswelle haben will – und die wollen wir haben –, dann muss man sich

einer material- und energieschonenden sowie sparsamen Produktionsweise stellen, um all das zu produzieren, was wir brauchen.

Ich habe von Ihnen, Herr Wirtschaftsminister, gehört, Sie halten es für ein ambitioniertes Projekt, bis zum Jahre 2020 24 % aus erneuerbaren Energien herzustellen. Das ist – Entschuldigung – eine scheingrüne Phrase, die Sie hier dreschen. Wir haben Ihnen eine Machbarkeitsstudie vorgelegt. Die ist solide; das wissen Sie. Diese sieht bis 2020 vor, dass wir bis zu 80 % unseres Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen ziehen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wäre natürlich ein Technologieschub, der in jedem Ort Sachsens Arbeitsplätze schafft, der in jedem Ort Sachsens dafür sorgt, dass die Leute auch dauerhafte Arbeitsplätze haben und nicht nur so lange, wie die Subventionen, die wir von Berlin oder Brüssel bekommen, diese Arbeitsplätze querfinanzieren. Das halte ich für wichtig. Geben Sie den Leuten Beschäftigungsperspektiven und sichere Arbeitsplätze und sie werden auch wieder viel mehr Vertrauen in die Marktwirtschaft bekommen! Ich halte das wirklich für wichtig.

Die innovative Branche überhaupt hier in Sachsen ist meiner Wahrnehmung nach die Solarwirtschaft: Stromherstellung, Wärmeerzeugung, Treibstofferzeugung, auch Grundstoffe für Gebrauchsgüter. Das ist ganz interessant. Im Moment überlegt in Sachsen-Anhalt die PetroChemie, ob sie vielleicht die Braunkohle zur stofflichen Nutzung einsetzen kann, um Grundstoffe für Plastik und andere Gebrauchsgüter und Erzeugnisse herzustellen. Das ist eigentlich ein Umweg und noch einmal eine Verzögerung. Man könnte gleich in die Oleo-Chemie gehen, wie das heißt. Das bedeutet, natürliche nachwachsende Rohstoffe zu nehmen und daraus dieselben Grundstoffe zu gewinnen. Das würde viel besser klappen und viel weniger Umwelt verbrauchen und schafft vor allem in der Landwirtschaft sehr viele Arbeitsplätze. Wir werden Arbeitsplätze in der Region brauchen.

Diese langen Wirtschaftswellen, die die Wissenschaft immer so sieht, finde ich, müssen durch Basisinnovation von der Qualität einer Dampfmaschine, eines Otto-Motors oder eines Speicherchips hervorgerufen werden. Das sind heutzutage die Umwelttechnologien. Es ist eindeutig, dass das der nächste technologische Sprung ist, vor dem wir stehen. Dazu habe ich zwar von Ihnen, Herr Jurk, ein bisschen was gehört, und Sie, Frau Lay, haben sich großzügig bei uns bedient und Anleihen genommen. Es freut uns natürlich im Kern immer, wenn unsere Ideen Verbreitung finden. Aber ich will einmal klarstellen: Diese Ideen stammen aus dem GRÜNEN-Think-Tank und nicht aus irgendeinem anderen.

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Der Homo oeconomicus, den wir in den letzten 20 Jahren auch mit einer gewissen Zuspitzung alle erleben mussten,

ist doch ein armes Schwein. Die zehnte Mallorca-Reise macht nicht wirklich noch zufriedener und noch glücklicher, als man sein könnte. Ein glückliches Familienleben, in dem jeder für den anderen Zeit hat, eine interessante Aufgabe, bei der man aber nicht das große Geld verdienen kann, können deutlich mehr Zufriedenheit und Glück bedeuten.

Viele Leute sagen im Land: Die, die Arbeit haben, die haben keine Zeit, und die, die Zeit haben, die haben kein Geld. Da steckt viel Volksweisheit drin. Beides macht nämlich offensichtlich viele Menschen sehr unzufrieden.

Ich habe meine Ausführungen dazu gemacht, was ich denke, was eine wirkliche gesellschaftliche Innovation wäre. Wissen Sie, seit der Antike hat es der Mensch technologisch weit gebracht. Wir sind vom Rad so weit gekommen, dass wir inzwischen Züge haben, Autos haben, zum Mond fliegen. Aber mit der Gesellschaft sind wir nicht so vorangekommen, wie wir vorankommen

müssten und wie es uns unsere Intelligenz eigentlich gebieten würde.

Deswegen glaube ich, dass die Debatte, die Sie, Herr Jurk, hier angestoßen haben, sehr klein ist im Verhältnis zu dem, was wir an Problemen lösen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich frage dennoch in die Runde, ob es noch Gesprächsbedarf gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann beenden wir die Aussprache zur Regierungserklärung und schließen den Tagesordnungspunkt 2.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, an dieser Stelle die Mittagspause einzulegen. Wir treffen uns 13:25 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 12:27 bis 13:25 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Förderung der Resozialisierung junger Gefangener beim Vollzug von Jugendstrafen in Sachsen (Sächsisches Resozialisierungsförderungsgesetz)

Drucksache 4/12661, Gesetzentwurf der Linksfraktion

Drucksache 4/15378, Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die Linksfraktion, danach CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Linksfraktion das Wort; Herr Abg. Bartl, bitte.

(Es befindet sich nur eine sehr geringe Anzahl von Abgeordneten im Plenarsaal.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! – Dann unterhalte ich mich eben mit Kollegen Staatsminister Mackenroth. Auch gut.

Unsere Fraktion hat den heute hier zur 2. Lesung stehenden Entwurf eines Gesetzes Förderung der Resozialisierung junger Gefangener beim Vollzug von Jugendstrafen in Sachsen am 20. Juni 2008 in einer Situation eingebracht, in der das am 8. Januar 2008 in Kraft getretene Sächsische Jugendstrafvollzugsgesetz, basierend auf einem Gesetzentwurf der Staatsregierung, gerade mal knapp sechs Monate in Kraft war. Anlass dafür, dass wir diesen Gesetzentwurf so rasch nachreichten, war vor allem, dass nach unserer Überzeugung das jetzt geltende Jugendstrafvollzugsgesetz dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes in seinem Urteil vom 31. Mai 2006, in künftigen Jugendstrafvollzugsgesetzen Regelungen zu

schaffen, die unmissverständlich und durchgängig klarstellen, dass der Jugendstrafvollzug vordergründig Erziehungsvollzug ist, nicht hinreichend entspricht – definitiv jedenfalls in dem Punkt nicht, da das Sächsische Jugendstrafvollzugsgesetz zwar von Unterbringung im offenen Vollzug und auch vom sogenannten Vollzug in freien Formen spricht, es jedoch an Ausregelungen hinsichtlich des offenen Vollzuges weithin sowie gänzlich an Regelungen betreffs des Vollzuges in freien Formen fehlt.

§ 13 Abs. 3 des Sächsischen Jugendstrafvollzugsgesetzes sagt dazu lediglich – Zitat –: „Der Vollzug kann nach Anhörung des Vollstreckungsleiters in geeigneten Fällen in freien Formen durchgeführt werden.“ Nur dieser Satz steht im Gesetz. Weder folgt irgendeine Erläuterung, wer Träger derartigen Vollzuges in freien Formen ist, noch, wie dieser ausgestaltet werden soll, wo er anzusiedeln und wie er auszustatten ist etc. – keinerlei Ausregelung.

Nach unserer Überzeugung ist das ein Unding, da wir uns mit dem Jugendstrafvollzug auf einem Terrain befinden, auf dem es um nicht mehr und nicht weniger als um Strafrechtspflege – sprich: um Vollziehung von unabhängigen Gerichten getroffener strafrechtlicher Entscheidungen – geht; strafrechtlicher Entscheidungen, die zudem – das kommt hinzu – in mehrere Grundrechte eingreifen.

Dies schon deshalb, weil dem Betroffenen die Freiheit entzogen ist, er nicht kommen und gehen kann, wann er will, er nicht Herr seines Tagesablaufes ist etc.

Es ist ein Unding, wenn im Freistaat Sachsen bislang keine einzige gesetzliche oder auch nur untergesetzliche Regelung vorhanden ist, was sich denn der Gesetzgeber unter einem „Vollzug in freien Formen“ überhaupt vorstellt. Mehr noch: Mangels einer solchen Regelung haben auch die Jugendrichter bzw. das Jugendschöffengericht, die eine solche Vollzugsart genehmigen und hierüber entscheiden sollen, keinerlei verlässliche rechtliche Anhaltspunkte, woran sich ihr Ermessen orientieren soll bzw. wohin, in wessen Obhut, Aufsicht und Erziehungsverantwortung sie den betreffenden Jugendstrafgefangenen oder Heranwachsenden bzw. dem Jugendstrafvollzug noch unterfallenden Erwachsenen überantworten sollen.

Dass hier gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, ist aus unserer Sicht „handgreiflich“ und muss jedermann eingehen – halt nur nicht der Staatsregierung bzw. der sie tragenden Koalition von CDU und SPD, die mit ihrer Mehrheitsentscheidung die heute dem Landtag vorliegende Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses vom 5. Mai fasste, wonach der vorliegende Entwurf eines Sächsischen Resozialisierungsförderungsgesetzes abgelehnt werden soll.

Damit ignoriert die Koalition in der ihr eigenen Machtvollkommenheit ein weiteres Mal auch das Ergebnis der eigens zu diesem Gesetz am 23. Februar 2009 stattgefundenen Expertenanhörung. In dieser haben mehrere Sachverständige, etwa Herr Dr. Bochmann vom Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin, zugleich freier Mitarbeiter der Forschungsstelle für Jugendstrafrecht in Kiel unter Leitung von Heribert Ostendorf, der sächsische Jugendrichter Ruben Franzen und Herr Goerdeler, der Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung der Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe, nachdrücklich die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen, insbesondere auch betreffs der Unterbringung im offenen Vollzug als Regelvollzug und generell hinsichtlich der Ausgestaltung des Vollzuges in freien Formen, begrüßt.

Spätestens in dieser Anhörung wurde auch völlig klar, dass und weshalb jetzt dringender Regelungsbedarf besteht: deshalb nämlich, weil der sächsische Staatsminister Geert Mackenroth Anfang Februar in Angriff genommen hat, eine seiner „zahlreichen innovativen“ Ideen auf den Weg zu bringen: ein Projekt für den Vollzug von Jugendstrafe in offenen Formen, das allein – allein! – dem Verein Seehaus Leonberg mit Stammsitz in BadenWürttemberg übertragen ist. Laut Presseerklärung des Justizministers vom 6. Februar 2009 sollen nach dieser Konzeption „junge Gefangene im Freistaat Sachsen im Alter von 14 bis 23 Jahren, die zu einer Jugendstrafe verurteilt worden sind, in dieses Projekt aufgenommen werden können“, das – so die Presseerklärung weiter – schrittweise aufgebaut werde und im Endausbau die Unterbringung von 20 Gefangenen ermöglichen soll.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: 20?)

20. – Als wir das seinerzeit lasen und zum Zwecke der eigenen Weiterbildung recherchierten, stellten wir überrascht fest, dass Herr Staatsminister Mackenroth ein weiteres Mal am Parlament vorbei handfeste Tatsachen auf einem Terrain geschaffen hat, auf dem es nun wahrlich rechtlich geordnet zugehen sollte. Als ob es in Sachsen keinerlei Vereine, Verbände und Interessenvertretungen gäbe, die seit Langem Alternativen des offenen Jugendstrafvollzuges nicht nur fördern, sondern auch zu dessen Realisierung bereitstehen, erteilt der Staatsminister einen Exklusivauftrag an den Prisma e. V., BadenWürttemberg, für den dann im Internet das Beck Management Center Tübingen die professionelle Werbung betreibt! Da ist dann wörtlich zu lesen: „Der Verein betreibt in Baden-Württemberg im Auftrag der Landesregierung“ – hier ist die baden-württembergische gemeint – „das Seehaus Leonberg. Künftig wird Prisma e. V. auch in Sachsen für das Staatsministerium der Justiz ein vergleichbares Projekt aufbauen. Gesucht wird: Leiter/Leiterin für das Projekt in Sachsen. Er baut eine Einrichtung für 20 bis 30 Jugendliche auf, leitet sie, stellt sich ein Mitarbeiterteam zusammen, baut Zweckbetriebe auf, gründet eine Berufsfachschule, formiert und fördert Freundeskreise. Zu den Aufgaben gehören auch wirtschaftliche Leitung, Qualitätsentwicklung und Personalführung. Die Vertretung des Projektes gegenüber der Politik, den Medien und der Öffentlichkeit gehört ebenfalls zum Aufgabenbereich. Der Leiter ist dem geschäftsführenden Vorstand von Prisma e. V. (Leonberg, Baden- Württemberg) verantwortlich.“

Unter den danach noch beschriebenen Qualifizierungsvoraussetzungen für die geneigten Bewerber(innen) ist weiter zu lesen – Zitat –: „Wir gehen davon aus, dass Sie gut mit Jugendlichen umgehen können, Autorität und Liebe ausstrahlen, Christsein glaubhaft, engagiert und fröhlich vorleben,