Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Im Bericht der Staatsregierung heißt es dazu, dass Erwerbslosigkeit bzw. bestimmte Arbeitsbedingungen zwar zentrale Risikofaktoren für die Gesundheit sein können, aber konsistente Aussagen sind aus diesen vorhandenen Daten bezüglich dieser Frage nicht erkennbar. Deshalb stellt die Sächsische Union in ihrem strategischen Grundsatzpapier auch fest – ich zitiere –: „Sachsen bietet den Menschen auch im Alter gute Chancen, selbstbewusst, selbstbestimmt, materiell abgesichert und medizinisch gut versorgt zu leben.“

(Beifall bei der CDU)

„Für Senioren werden flächendeckend Betreuungsangebote und Dienstleistungen vorgehalten.“ Das ist das Ergebnis von 20 Jahren auch von der CDU in Sachsen maßgeblich gestalteter Landespolitik, und das sind die Realitäten – gerade auch unseres Generationenvertrages. Es ist gut so, meine Damen und Herren, dass Politiker und Interessierte der Linkspartei aufmerksam den Zukunftskongress der Sächsischen Union am 29. April in Leipzig verfolgt und unsere weiteren Ziele auch in der Seniorenpolitik zur Kenntnis genommen haben.

(Zuruf von der Linksfraktion – Stefan Brangs, SPD: Da muss ich mal nachfragen!)

Doch, doch! – Man kann es unter der Überschrift zusammenfassen: „Selbstbestimmtes Leben im Alter“. Vielleicht schauen Sie sich die Materialien dieses Zukunftskongresses noch einmal an. Sie sind eine gute Ergänzung der hier vorliegenden Antwort der Staatsregierung. Vielleicht sollten Sie das erst noch tun, Herr Pellmann, bevor wir hier in ein Zwiegespräch eintreten.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das möchte ich jetzt nicht.

Jetzt nicht?

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Wir haben gehört, es war ein Kongress der CDU, ja?)

Meine Damen und Herren! Der Politologe Waldemar Ritter hat in der „Leipziger Volkszeitung“ die SED-Nachfolgepartei eine „reaktionäre Linksaußenpartei“ genannt.

(Caren Lay, Linksfraktion: Was hat das mit dem Thema zu tun?)

„Sie hat keine Zukunftsvision, sie zieht keine Lehren aus der Geschichte.“

(Dr. Volker Külow, Linksfraktion: Rede doch mal zum Thema!)

„Sie beantwortet die Fragen von heute mit Ideen von gestern.“

Herr Dr. Jähnichen, beziehen Sie sich auf die Anfrage!

„Die SED hat die DDR ruiniert, der Lebensstandard war miserabel, die Altersrente jämmerlich.“ – So weit das Zitat.

Ich sage das deshalb heute, weil ich dem 5. Landtag sicherlich nicht mehr angehören werde. Ich habe die Sorge, dass die freiheitliche Demokratie besonders diese linken Ideologien unterschätzt.

Weil manche Bürger das Leben in der DDR schon heute glorifizieren oder, wie Herr Pellmann sagt, einen erhöhten Pflegebedarf in der Zukunft sehen, möchte ich abschließend einige Zeilen aus einem Gedicht unserer Leipziger Mundartdichterin Lene Voigt zitieren. Sie hat kurz vor ihrem Tod im Jahre 1962 ein Gedicht geschrieben mit dem Titel „Mei letzter Wunsch“.

„Hätt’ch doch ä Stiebchen im Fritz-Austel-Heim! Da mecht’ch dann, bis’ch mei Sterbchen mache, bleim. Gurz vor dr 70 fällts een schwär, zu sausen. Drum denkch mir, dass im Rathaus Herzen schlachen, die mir helfen in mein alten Daachen, dass’ch nich zuvor mit meiner Aktenmabbe drebbuff drebbab nochmal zusammenglabbe. Das wär doch schade fier de Vaterstadt, denn dann wärd uff mein Grabsteen druffgesetzt: ‚Das arme Luder hat sich dodgehetzt.’ Das wär doch beinlich für de Vaterstadt, wenn die gee Altersstiebchen für mich hat.“

Meine Damen und Herren! Die Stadt Leipzig hatte für Lene Voigt keinen Platz im Altersheim. Dabei war sie als Altkommunistin und Verfolgte des Naziregimes bestimmt bevorrechtet. Aber die Stadt hatte viel zu wenige Heimplätze – von deren Standard wollen wir heute lieber schweigen. So gesehen, danke ich der Linksfraktion für

das heutige Thema und der Staatsregierung für ihre Antworten.

(Beifall bei der CDU)

Wünscht die SPDFraktion zu sprechen? – Herr Dr. Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lebenslagen älterer Menschen sind genauso differenziert und vielschichtig zu betrachten wie die Lebenslagen insgesamt, die im von der SPD initiierten 1. Sächsischen Lebenslagenbericht zu Beginn dieser Legislaturperiode beschrieben werden.

Ältere Menschen ab dem 60. Lebensjahr, wie in der Großen Anfrage definiert – Herr Dr. Pellmann, ich hoffe, Sie hatten mit dem Wort „Endzeitstimmung“ keinen Ausrutscher, denn das war sicherlich anders gemeint – umfassen a) Menschen, die noch voll im Erwerbsleben, also in der Berufstätigkeit stehen, b) Menschen, die den Übergang zur Rente knapp vor sich haben, c) Menschen, die bereits in Rente sind, aber noch voll engagiert und in ein reiches Familienleben eingebunden sind, d) eine Vielzahl von Menschen, die verstärkt Hilfen und gesundheitliche Betreuung benötigen sowie e) Menschen, die Pflege und besondere Wohnangebote benötigen.

Man kann das sicherlich etwas anders klassifizieren, aber ich habe es in dieser Form getan. Es ist eine breite Palette verschiedener Lebenslagen, die uns die Große Anfrage als Thema anbietet.

Sachsen ist bei dem Thema Senioren und Seniorinnen ein Vorreiterland. Gemeinsam mit den Sachsen-Anhaltern sind die Sachsen im Durchschnitt am ältesten. So steht es auch im Entschließungsantrag. Solche Diskussionen, wie wir sie heute führen, haben einen großen Vorteil: Wir können die positiven Aspekte des demografischen Wandels herausstellen und in diesem Zusammenhang ein Gesellschaftsbild der Zukunft entwerfen, das die Chancen und Potenziale der älteren Generation und eine älter werdende Gesellschaft in den Mittelpunkt neuer Überlegungen rückt.

Seit dem Eintritt der SPD in die Koalition ist eine Menge passiert. So hat die Staatsregierung einen Altenhilferahmenplan vorgelegt, eine Hospizkonzeption erarbeitet, und im 1. Sächsischen Lebenslagenbericht gibt es ein eigenes Kapitel über die Lebenslagen von Seniorinnen und Senioren. Dieser geht ausführlich auf die Einkommenssituation derzeitiger und künftiger Rentenbezieher ein und analysiert die Bereiche Pflege, Wohnen und Gesundheit. Im Bereich Wohnen wurde eine Förderrichtlinie zur Anpassung von Wohnraum für generationsübergreifendes Wohnen erarbeitet. Derzeit wird im Bereich des SMS an einem neuen Gesundheitsziel „Aktives Altern“ gearbeitet. Auch bei der Neugestaltung des Heimrechts befinden wir uns in einer intensiven Diskussion um die weitere Gestaltung in diesem Bereich.

Sie sehen also, wir haben in den vergangenen Jahren analysiert und gehandelt. Wir haben eine gute Grundlage

für die Sicherung und Verbesserung der Lebensqualität der sächsischen Seniorinnen und Senioren gelegt. Deshalb können wir uns mit der Formulierung, die Sie im Entschließungsantrag – mehr möchte ich dazu nicht sagen – gewählt haben, dass die Staatsregierung weit davon entfernt sei, auch nur eine Ahnung zu haben, was dabei überhaupt auf sie zukomme, überhaupt nicht einverstanden erklären.

Mit unserer Bilanz sind wir nicht unzufrieden. Natürlich ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen und weitere Maßnahmen sind notwendig. Da wir morgen eine ausführliche Debatte zum Thema Alterssicherung und Rente haben werden, konzentriere ich mich heute auf die NichtRenten-Themen, die aber nicht weniger wichtig sind.

Anknüpfend an meine Eingangsworte, die Potenziale – das ist mir besonders wichtig – älterer Menschen in den Blick zu nehmen, stellt sich für mich die Frage, wie wir es zukünftig schaffen, dass Seniorinnen und Senioren am gesellschaftlichen Leben mit einer hohen Lebensqualität teilhaben. Egal, ob jung und fit oder schon älter und hilfebedürftig – neben den kulturellen und Bildungsangeboten, die, wie aus der Großen Anfrage hervorgeht, immer besser genutzt werden – als Beispiel nenne ich Seniorenstudium –, ist mir die Unterstützung für ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement besonders wichtig.

Erst letzte Woche wurde im Rahmen einer ARDThemenwoche darauf hingewiesen, dass sich mehr unter 25-Jährige als über 60-Jährige ehrenamtlich engagieren. Diese Tatsache hat mich etwas irritiert, das gebe ich gern zu. Aufgrund meiner Erfahrungen mit der Richtlinie „Aktion 55“ oder der Nachfolgeförderung „Wir für Sachsen!“ hatte ich den Eindruck, dass es sich umgekehrt verhält. Ich halte es nicht nur aus diesem Grund für erforderlich, unsere Förderung des Ehrenamtes auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Für uns ist beispielsweise die Fortbildung für ehrenamtlich tätige Menschen wichtig, ebenso eine bessere strukturelle Förderung für die Vereine und Träger, die ehrenamtliche Arbeit organisieren.

Abschließend ein uns als SPD wichtiger Aspekt: Die beste Politik für Seniorinnen und Senioren besteht darin, die Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt, in der Kultur, der Bildung und im Gesundheitswesen für alle zu verbessern. Die Seniorinnen und Senioren brauchen keine Sonderangebote oder besondere Strukturen – ich lasse einmal die Pflege heraus –, sondern sie brauchen Strukturen, die allen Altersgruppen die Teilhabe ermöglichen. Damit schaffen wir am besten ein gesellschaftliches Klima, welches niemanden ausgrenzt, und wir müssen hinterher niemanden integrieren.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort; Frau Abg. Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Begründung der Großen Anfrage steht folgender schöner Satz: „Die Gruppe der Seniorinnen und Senioren ist ebenso heterogen wie die aller anderen Lebensphasen.“

Wenn man diesen Satz bis in die letzte Konsequenz durchdenkt, fällt es schwer, zum Beispiel an die Notwendigkeit eines Seniorenbeauftragten oder eines Seniorenbeirates zu glauben. Welche Gruppe auf der heterogenen Seniorenseite soll er vertreten? Vielleicht die Altkommunisten, die sowieso in der Volkssolidarität organisiert sind; alte Bauern, Menschen mit altersbedingten körperlichen Beeinträchtigungen? Die Liste könnte ich beliebig erweitern.

Hier muss man der Staatsregierung fast dankbar sein, wenn sie die Fragen 11 bis 13 auf Seite 25 zur Notwendigkeit eines Seniorenmitwirkungsgesetzes verneint. Das geschah sicherlich auch vor dem Hintergrund der oben erwähnten Heterogenität.

Eines aber ist klar: Im derzeitigen Wahljahr hat ein Wettrennen um die Gunst der Senioren als Wähler eingesetzt, was man auch an der Rentendiskussion im Bund verfolgen kann. Hier sind also DIE LINKEN mit ihrer Großen Anfrage in bester Gesellschaft.

Meine Damen und Herren! Die Menschen werden älter – erfreulicherweise. Das Durchschnittsalter der Sachsen ist binnen weniger Jahre drastisch angestiegen und lag ab 2007 bei 45,4 Jahren.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Wie viel?)

Bei 45,4 Jahren. Optimistische Prognosen künden für das Jahr 2020 bereits ein Alter von 50 Jahren an. Mein eigener Landkreis, der Landkreis Zwickau, hat bereits jetzt ein Durchschnittsalter von 46 Jahren und ist damit der älteste Landkreis in Sachsen. Vermutlich deshalb bekommen wir auch auf Antrag der CDU einen der vier sachsenweit hauptamtlich tätigen Seniorenbeauftragten.

Sachsen hatte 1990 fast fünf Millionen Einwohner, jetzt sind es gerade noch 4,2 Millionen Einwohner. Dabei ist knapp ein Drittel der Sachsen älter als 60 Jahre. Das deutlich höhere Durchschnittsalter ist aber nur bedingt auf das Älterwerden zurückzuführen. Herr Dr. Pellmann hatte das vorhin schon angesprochen. Die Ursache liegt vor allem im wirtschaftlichen Bereich. Unzählige Sachsen im erwerbsfähigen Alter verließen das Land. Das hinterlässt natürlich Spuren im familiären Bereich, auch in der Pflege.

Pflege und Pflegebedürftigkeit sind ein Teil der Perspektiven älterer Menschen. Ich möchte kurz darauf eingehen. Übrigens werden laut Antwort 11 auf Seite 5 im Jahr 2020 circa 10 % der Sachsen älter als 80 Jahre sein. Einige, die heute noch im Plenarsaal sitzen – oder gerade nicht da sind –, werden dann dazugehören.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, begrüßt die NPD die Einführung der Pflegezeit für Familienangehörige, aber diese Pflegezeit ist in unseren Augen kein An

satzpunkt für eine langfristige Lösung. Es ist zwar schön, wenn nahen Familienangehörigen eine Pflege aufgrund der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom letzten Jahr ermöglicht wird, doch gerade in Sachsen ist dies aufgrund der abgewanderten jungen Leute oftmals kaum möglich.

Aber auch dort, wo es noch intakte Familienstrukturen gibt, gestaltet es sich schwierig, der pflegerischen Verantwortung nachzukommen. Lässt man einmal Berlin als Stadt außen vor, so nimmt Sachsen mit gerade einmal 26 % an Eigentümerhaushalten in der entsprechenden Altersgruppe eine unrühmliche Rolle ein. Selbst Hamburg steht mit 29,1 % besser da als der Freistaat. Doch gerade das selbstgenutzte Wohneigentum ist neben der Absicherung im Alter oft ein unabdingbarer räumlicher Aspekt für eine Möglichkeit der familiären Pflege.

Vielen pflegebedürftigen Senioren bleibt also nur der Gang in ein Pflegeheim. In diesem Bereich hat sich zwar die quantitative und qualitative Situation erfreulicherweise entspannt. Doch man sollte auch wissen, dass in Pflegeheimen zum Beispiel für die Pflegestufe III durchschnittlich 1 300 Euro pro Monat an Eigenanteil von den Senioren aufzubringen sind. Damit übersteigt der Betrag bei Weitem das sowieso noch überdurchschnittliche Einkommen eines Rentners mit lückenloser Erwerbsbiografie. Schon jetzt klafft eine monatliche Einnahmenlücke von circa 200 Euro zwischen den Gruppen der 65- bis 70Jährigen und den 70- bis 80-Jährigen. Der Trend zeigt deutlich nach unten. Die seit Jahren absehbare Altersarmut, vor allem bei Frauen, hat also schon längst um sich gegriffen.