Ministerpräsident Tillich hat soeben die Bilanz dieser Koalition aus seiner Sicht gezogen; die Bilanz einer Koalition, in der er sich zunächst als Umwelt- und Landwirtschaftsminister, dann als Finanzminister und schließlich als Regierungschef um Sachsen verdient gemacht hat.
Den Ministerpräsidenten und mich eint, dass wir beide nicht nur Sachsen sind, sondern aus Sachsen noch mehr machen wollen.
Den Ministerpräsidenten und mich eint, dass wir beide eine ostdeutsche Biografie haben. Stanislaw Tillich und
Dem Ministerpräsidenten nach 20 Jahren vorzuwerfen, in der DDR Verantwortung übernommen zu haben, wird seiner Lebensleistung nicht gerecht.
Ich wünsche uns allen, dass wir souveräner mit unseren Biografien umgehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Lassen Sie mich zurückkommen zu meiner Bilanz dieser Regierung und zu dem, was jetzt für unser Land zu tun ist.
Bisweilen ereilt mich ja der Vorwurf, ich interpretiere mein Amt mehr als Arbeits- denn als Wirtschaftsminister. Mancher meint dann sogar, mir deshalb die notwendige wirtschaftspolitische Kompetenz absprechen zu können. Ich könnte solche Unterstellung empört zurückweisen und auch die Mitarbeiter meines Hauses angegriffen sehen. Stattdessen verstehe ich solche Kritik doch lieber als Lob.
Ja, ich habe das Wirtschaftsministerium in den Dienst der arbeitenden Menschen gestellt. Das sind fleißige Arbeitnehmer ebenso wie kreative Unternehmer. Endlich haben Unternehmervertretungen und Gewerkschaften ein offenes Ohr an der Spitze des SMWA. Das Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit ist nicht länger ein Haus der Wirtschaft, sondern ein Haus für die Wirtschaft und die arbeitenden Menschen und auch für die, die Arbeit und Ausbildung suchen.
Ich habe Ihnen in meiner Fachregierungserklärung im Mai meine Politik als Wirtschafts- und Arbeitsminister dargelegt und vor dem Hintergrund der aktuellen Krise auf ökonomische Notwendigkeiten der Zukunft hingewiesen. Wir brauchen eine Politik, die die Menschen und das Land wohlbehalten, aber eben mit dem Mut zur Veränderung durch die Krise bringt. Wir brauchen zugleich eine Politik, die die Zeit nach der Krise mutig vorzubereiten und auszugestalten bereit ist.
Eine solche Politik ist nachhaltig nur dann, wenn sie für lange Zeit eine vergleichbare Wirtschaftskrise verhindern hilft. Dazu müssen wir die Finanzmärkte auf ihre eigentlichen Aufgabenstellungen zurückführen. Dazu müssen wir noch innovativeren Unternehmern und besser ausgebildeten Arbeitnehmern die Wege bereiten. Ich füge aber hinzu: Eine solche Politik ist nachhaltig auch nur dann, wenn ein angemessenes Zusammenspiel von Wirtschaft und Sozialpolitik das Land für die Menschen krisenfest macht.
Wir können bei aller Vorsicht schon heute sagen, dass wir nicht nur in Deutschland anders durch die Krise kommen werden als bei der letzten vergleichbaren großen Weltwirtschafts- und Finanzkrise vor 80 Jahren.
Wir werden mit deutlich geringeren Verwerfungen für das Land und die Menschen diese Krise meistern. Damit werden wir zugleich die Möglichkeit haben, wirklich aus der Krise und vor allem anders als in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts zu lernen.
Lassen Sie mich an einem Beispiel deutlich machen, was es heißt, zugleich die Menschen gut durch die Krise zu bringen und dabei für Fortschritt nach der Krise zu sorgen. Betrachten wir dazu den Zusammenhang zwischen dem, was wir schon heute über nachhaltige Mobilität der Zukunft wissen und vorbereiten müssen, und der aktuellen Krise der deutschen, ja, der weltweiten Automobilindustrie.
Immer mehr Experten – ich freue mich, dass zahlreiche von ihnen an sächsischen Hochschulen und Forschungsinstituten tätig sind – raten uns zu neuen energie- und materialeffizienten Formen für Mobilität in der Zukunft. So hat der von dieser Koalition ins Leben gerufene Sächsische Innovationsbeirat kürzlich ein 10-ThesenPapier für eine nachhaltige Mobilität vorgelegt. Die SAENA hat sich mit einem breit gefächerten Projektantrag für die Förderung Sachsens erfolgreich als Modellregion Elektromobilität beworben.
All das wird dazu beitragen, dass spätestens in 20 Jahren eine hoch energieeffiziente Kombination aus Individual- und öffentlichen Verkehrsmitteln die Menschen bewegen wird. Wir wissen, dass ein Teil der aktuellen Krise der Automobilindustrie auch darin begründet liegt, dass sich die Automobilindustrie viel zu langsam auf diese Zukunft hinbewegt. Doch eines ist für mich ganz klar: Der Weg der sogenannten Gesundung der Automobilindustrie hin zu einer nachhaltigen Mobilitätsindustrie kann nicht über Massenentlassungen und die Schließung hochmoderner Produktionseinrichtungen geschehen. Die Verwerfungen für die Menschen und die Vernichtung von Fachkompetenz für die Wirtschaft wären von einer Größenordnung, die wir – nicht nur sozial – nicht verantworten könnten.
Vielmehr würde eine solche Kahlschlagpolitik auch den Fortschritt zu einer nachhaltigen Mobilität aufhalten, weil sowohl Kapital als auch Innovationskraft vernichtet werden würden. Den Phoenix aus der Asche sollten wir nicht zum Hoffnungsträger der Nation küren. Wir wollen nicht in einer Gesellschaft leben, in der Gier die Welt regiert und Gewinnmaximierung das Maß aller Dinge ist;
und diese Wirtschaftskrise zeigt doch, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Die Rezepte der Marktradikalen weisen in die falsche Richtung. Wer die Menschen nur an den Insolvenzverwalter verweist und meint, damit sei es getan, begreift seine politische Aufgabe und Verantwortung jedenfalls nicht.
Gerade in Schlüsselbranchen hat der Staat eine Verantwortung, die oft weit über das einzelne Unternehmen hinausweist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Staatsregierung hat in den letzten fünf Jahren ihren Teil dazu beigetragen, dass Sachsen in besonderer Weise krisenfest geworden ist. Sachsen ist wirtschaftlich einen gewaltigen Schritt vorangekommen. Wir haben neue Wachstumschancen genutzt. Wir investieren in erneuerbare Energien und in regionales Wachstum. Wir haben die Arbeitsmarktförderung in Schwung gebracht und öffentliche Investitionen in Bildung und Wissenschaft, in Forschung und Entwicklung gestärkt. Diese Investitionen zahlen sich bereits jetzt aus und schaffen die Arbeitsplätze, die den Menschen eine Perspektive hier in unserem Lande bieten.
Was hat die Opposition stattdessen zu bieten? Die Rezepte der Linken laufen darauf hinaus, unser Land in eine riesige Beschäftigungsgesellschaft zu verwandeln; und während Sie hier Reden wider die Allmacht des Kapitals geschwungen haben, beteiligte sich die Linkspartei in Dresden als Steigbügelhalter am Ausverkauf der WOBA.
Nichts dazugelernt hat auch die FDP. Als ob es keine Konjunkturkrise geben würde! Es müssen mal wieder Steuersenkungen her, die doch vor allem den Besserverdienenden nutzen, auch wenn Sie immer etwas anderes behaupten. Sie treiben damit das Land in die Schuldenfalle, und Sie machen aus der Gerechtigkeitslücke einen tiefen Graben. Auch Sie wissen doch ganz genau: Einen armen Staat können sich gerade die Armen nicht leisten. Den Abbau öffentlicher Leistungen werden diejenigen bezahlen, die von Ihrer Steuerreform eben nur die Brosamen abbekommen würden.
Jeder weiß, dass unser Koalitionspartner eine zentrale Forderung sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik noch nicht mitträgt: den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Ich akzeptiere die Sorge um die Tarifautonomie und die Sorge, Arbeitsplätze könnten durch Mindestlöhne gefährdet werden.
Aber ich teile diese Bedenken so nicht und setze – wie schon beim Thema Studiengebühren – auf die langfristige Wirkung der guten Argumente für eine Lohnuntergrenze;
denn nur so können wir verhindern, dass Löhne ins Bodenlose fallen, sodass viele Menschen heute nicht mehr von ihrer Hände Arbeit leben und keine ausreichende Altersvorsorge aufbauen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir uns auf den Tag genau vor vier Jahren und 364 Tagen voneinander verabschiedeten und die 3. Legislatur beendet wurde, haben
wohl wenige damit gerechnet, dass wir nach der Wahlnacht mit einem Sechs-Parteien-Parlament und einer CDU-/SPD-Regierung weitermachen würden.
Am Anfang war die gemeinsame Aufgabe, einen Koalitionsvertrag zu „schmieden“. Aufgabe war dabei zunächst, zahlreiche Dinge aufzugeben, sich von alten Gewohnheiten zu verabschieden, in neue Rollen zu schlüpfen, alte Gleise zu verlassen, aber auch Weichen neu zu stellen. In jedem Falle wurden Amtsstuben durchlüftet, Ideen weiterentwickelt und umgesetzt, andere Ideen – oft gar nicht zu Unrecht – aufs Abstellgleis geschoben.
Koalitionen sind keine Notlösung, sondern sie nutzen der Demokratie. Koalitionen verhindern die Bildung von Staatsparteien. Koalitionen müssen gemeinsam handeln,
sie müssen aber nicht jeden Tag auch gemeinsam sprechen. Aus dieser Differenz heraus entstehen neue, kreative Lösungen, und ich verkenne dabei nicht, dass diese Differenz manchmal auch Sand im Getriebe sein kann. Ich rate, jeweils genau hinzuschauen, ob es sich dabei wirklich um Sand oder doch eher um Schmiermittel handelt. Der Koalitionsvertrag ist dabei auch für diese Koalition ein guter Anker gewesen. Angesichts sich wandelnder Aufgabenstellungen war es aber ebenso gut, diesen Anker ab und zu einzuholen und neue Fahrt aufzunehmen.
Ich nenne als Beispiel nur das von mir vorgelegte fortschrittliche Energieprogramm, das nach Umschiffen zahlreicher Klippen schließlich in einen ehrgeizigen Klima- und Energieaktionsplan dieser Staatsregierung mündete. Unsere wirtschaftliche Zukunft nach der Krise wird – neben Arbeit und Kapital – von Ressourcenverfügbarkeit und Mobilitätspotenzial bestimmt sein, und zwar jeweils gemessen an den ökologischen Kosten, die in ökonomische Rechnungen einbezogen sein werden. Wir brauchen eine neue, ökologische Industriepolitik,
und dazu gehört eine nachhaltige Energie- und Verkehrspolitik. Diese Koalition hat dafür erste wichtige Weichen gestellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Sozialdemokraten sind stolz darauf, dieser Koalition ein innovatives, ein soziales und ein liberales Antlitz verliehen zu haben.
Diese Koalition will sich nicht nur an dem messen lassen, was sie getan und erreicht hat, sondern auch daran, was sie unter- oder gelassen, was sie aber auch verhindert hat.
Kollege Dr. Martens, der gerade so schön gelacht hat: Ich habe in den letzten fünf Jahren immer wieder Ihren eindrucksvollen liberalen Statements zugehört. Sie hatten oft das zweifelhafte Glück, nach einem Redner der NPDFraktion sprechen zu müssen. Aber Sie sind stets für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit eingetreten. Dafür möchte ich Ihnen ausdrücklich meine Anerkennung zollen. Ihrer Fraktion und Ihrer Partei muss ich aber sagen: Für dieses liberale Antlitz brauchen wir in Sachsen keine FDP in der Regierung.