Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Nichtsdestotrotz würdigt die Linksfraktion, dass sich im Bereich Kunst und Kultur der Koalitionsvertrag nicht nur in wohltuender Weise von den meisten anderen Passagen der Koalitionsvereinbarung unterschied – er wurde im Gegensatz zu den meisten Ankündigungen im Wesentlichen auch erfüllt. Das ist unstrittig Ihr Verdienst, Frau Dr. Stange.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dafür will ich Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich danken.

Die Entfristung des Kulturraumgesetzes und die damit verbundene Aufstockung um 10 Millionen Euro ist zweifellos der größte kulturpolitische Erfolg, den auch wir keinesfalls kleinreden wollen, zumal es gerade im

Umfeld des Finanzministeriums erheblichen Widerstand dagegen gab.

Wir verkennen auch keinesfalls, dass damit längst nicht alle Probleme gelöst sind. Die ursprüngliche Intention des 1994 verabschiedeten Kulturraumgesetzes war bekanntlich die Rettung und Sicherung der in ihrer Dichte weltweit einmaligen Theater- und Orchesterlandschaft in Sachsen. Mittlerweile gibt es unbestritten ein Gefährdungspotenzial für diesen Teil unseres kulturellen Reichtums. Das Fusionsgespenst geht in mehreren Regionen des Freistaates um.

So kommt ein Theater- und Orchestergutachten im Auftrag des SMWK zu dem Schluss, dass eine weitere Konzentration der Potenziale sowie Kooperation und Fusion in diesem Bereich erforderlich seien. Auch die künftigen „größeren Landkreise“ – so heißt es dort in bedrohlicher Weise wörtlich – „werden mittelfristig keine nur landkreisweit agierenden Theater und Orchester mehr finanzieren können. Es werden kreisübergreifende Strukturen nötig werden. Im Wesentlichen wird mittelfristig nur noch jeder der künftigen Kulturräume über ein Theater und Orchester verfügen können.“ – So weit dieses Gutachten.

Damit zeichnet sich eine Politik der Konzentration kultureller und künstlerischer Angebote auf die urbanen Regionen ab. Es war daher kein Zufall, dass der Landesverband Sachsen im Deutschen Bühnenverein nicht mit seiner Kritik an diesem Gutachten sparte, das er als „offensichtliches Sparkonzept“ charakterisierte.

Die Linksfraktion plädiert hingegen für eine langfristige Entwicklungsplanung für Theater und Orchester nach dem Vorbild der Hochschulvereinbarung. Ziel der Theater- und Orchestervereinbarung wäre die Existenzsicherung der vorhandenen Theater und Orchester.

Zu den Wünschen, die nach der Entfristung des Kulturraumgesetzes für uns offen geblieben sind, zählt neben der immer wieder angemahnten Aufstockung des Sockelbetrages auf 100 Millionen Euro auch die weitere Demokratisierung der Kulturkonvente.

Was Frau Dr. Stange auch nicht aufhalten konnte oder wollte, war die weitgehend von der CDU dominierte Personalpolitik im SMWK, die das Fachressort Kulturpolitik seit der Ära Rößler strukturell immer weiter auszehrte. Die Not ist in den letzten Jahren so groß geworden, dass der Sächsische Kultursenat in seinem Dritten Bericht schon Ende 2006 ungeschminkt feststellte: „Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst verfügt zwar nominell über eine Abteilung Kunst, jedoch ist deren funktionale Gliederung sowie personelle Untersetzung bei Weitem nicht mehr angemessen.“

Diesem unbestrittenen Aderlass in der Wigardstraße steht die enorme Aufwertung der in Hellerau residierenden Kulturstiftung Sachsen gegenüber, die man ohne Untertreibung inzwischen als Nebenkulturministerium bezeichnen kann. Nicht zuletzt wegen dieser gravierenden Umverteilung von kulturpolitischem Einfluss in weitgehend

nicht vom Parlament kontrollierte Strukturen kapitulierte die wenig entscheidungsfreudige Vorgängerin von Frau Dr. Stange und ergriff beherzt die gebotene Chance, sich auf die Chemnitzer Bühne abzusetzen. Frau Dr. Stange war diese Rückzugsmöglichkeit versperrt, und so musste sie manche Machtprobe mit der CDU nach dem Motto meistern „Wer solche Koalitionspartner hat, braucht keine Feinde.“

Insofern habe ich vorhin sehr aufmerksam registriert, dass bei Ihnen im Unterschied zu dem vorab übermittelten Redemanuskript von einer neuen politischen Kultur und von einem neuen Umgang mit Biografien die Rede war. Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, Frau Dr. Stange, dass Sie die Kraft dazu haben werden. Mit der CDU wird das auf alle Fälle nicht gehen. Wir wünschen Ihnen aber trotzdem viel Erfolg dabei.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Zu den weniger als Erfolgsgeschichte zu bezeichnenden Themen, die Sie in Ihrer Regierungserklärung auch kurz gestreift haben, zählt die Industriekultur, die seit Jahren von Hiobsbotschaften betroffen ist. Mit der jährlichen Kürzung der Mittel für den Zweckverband Sächsisches Industrieministerium um 7 % stellte hier leider schon die Koalitionsvereinbarung die Weichen in die völlig falsche Richtung. Damit wurde eine innere Abkehr der Staatsregierung von der sächsischen Industriegeschichte und unseren industriegeschichtlichen Traditionen deutlich. Man kann nicht auf der einen Seite Sachsen als das Land der Ingenieure feiern und auf der anderen Seite das Potenzial der Industriegeschichte derart vernachlässigen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das ist eine höchst unglaubwürdige Politik, die dazu geführt hat, dass der Zweckverband praktisch seit Jahren von Schwarz-Rot systematisch kaputtgespart wird. Mittlerweile ist die Geldnot so groß, dass beispielsweise im Industriemuseum Chemnitz die Abteilungen Textilstraße und Motorenwerkstatt geschlossen werden mussten, weil drei Mitarbeiter nicht mehr bezahlt werden konnten. Derzeit ist sogar die im August geplante Ausstellung zum 200. Geburtstag des sächsischen Lokomotivkönigs Richard Hartmann in Gefahr geraten. Am Sonntag musste die Staatsministerin in Chemnitz sogar einräumen, dass derzeit nicht einmal 80 000 Euro zur hälftigen Gegenfinanzierung der aktuellen Deckungslücke von 160 000 Euro vorhanden sind. Um sinnvoll fortbestehen zu können, ist aus Sicht der Linksfraktion künftig eine verstetigte und erhöhte institutionelle Förderung des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum unverzichtbar.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Aus Zeitgründen kann ich zu vielen kulturpolitischen Themen, die in dieser Legislaturperiode ebenfalls negative Schlagzeilen produziert haben, nicht ausführlich sprechen. Zumindest in Erinnerung rufen möchte ich an dieser Stelle die faktische Abwicklung der Fachstelle für öffentliche Bibliotheken als eigenständige Struktur, den

Verkauf der Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte sowie die Querelen um die ehemalige Landesarchäologin.

Die prekäre soziale Lage vieler Künstlerinnen und Künstler ist ein leidiges Thema für sich, ohne dass dafür die Staatsregierung oder das SMWK allein Verantwortung tragen, damit ich nicht missverstanden werde. Diese Liste ließe sich problemlos fortsetzen.

Weil sich leider in Sachsen an manchen Stellen der Staatsregierung die Überzeugung durchgesetzt hat, dass die kulturelle Grundversorgung wesentlich in urbanen Zentren aufrechtzuerhalten ist, und weil sich der ländliche Raum verstärkt von einem Zentralisierungsprozess abgekoppelt sieht, werden kulturelle Angebote für immer weniger Menschen in Sachsen zugänglich. Insbesondere Familien mit Kindern und Jugendlichen klagen zunehmend über Einschränkungen. Dies ist einer der Gründe, warum unsere Fraktion noch den Antrag auf kostenfreien Eintritt für Kinder und Jugendliche in staatliche Museen einbringt und vor einiger Zeit die Einrichtung eines Büros zur Stärkung der Popmusik anregte.

Kulturpolitik ist in Sachsen immer noch sehr stark Kulturpolitik der Metropolen, vor allem Dresdens, ansonsten delegierte Aufgabe der Kulturräume. Diese Orientierung auf die sogenannte Leuchtturmförderung, prestigeträchtig und standortrelevant, bewirkt aber einen gefährlichen Rückzug aus der Fläche. Allein die Zahl der geschlossenen Bibliotheken auf dem Lande spricht Bände.

Der letzte Sächsische Kinder- und Jugendbericht konstatierte erhebliche Lücken in der soziokulturellen Infrastruktur des Landes. Die Autoren sprechen von „toten Dörfern“. Das sind Orte ohne Arzt, Kindergarten, Jugendklub, Bibliothek, Kneipe und Einkaufsmöglichkeiten; von der Schule, auf deren Betrieb aus Kostengründen zumeist verzichtet wurde, ganz zu schweigen.

Zur ländlichen Öde sei das Weggehen die einzige zukunftsträchtige Alternative, heißt es in dem Bericht. Weil infolge der Abwanderung junger Menschen immer weniger Gleichaltrige da sind, mit denen jugendkulturelle Stile ausprobiert und gelebt werden können, werde Vereinzelung zum Schicksal für die Dagebliebenen. Dieser Befund dürfte sicherlich nicht nur für den Freistaat Sachsen zutreffen, der sich zu Recht rühmt, ein Kulturland zu sein.

In die sogenannten entwerteten Territorien drängen rechtsextreme Gruppierungen vor, die dort soziale und alltagskulturelle Aufgaben wahrnehmen. Nicht die staatlich besoldete Kulturpolitik, sondern mehr oder weniger straff organisierte Rechtsradikale sorgen hier für kulturelles, besser gesagt pseudokulturelles Leben mit dem Ziel, eine – wenn auch vorerst örtlich begrenzte – kulturelle Gegenmacht zu etablieren. Insofern bleibt uns weiterhin gemeinsam die Aufgabe, das Land Sachsen als Kulturstandort auszugestalten und dabei die Teilhabe aller zu ermöglichen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Kultur erfüllt nach unserer Auffassung eine Integrationsfunktion zur Selbstverwirklichung und Identifikation der

Menschen, weshalb sie für die Linksfraktion auch immer mehr ist als ein Standortfaktor und Wirtschaftszweig und deshalb nicht ausschließlich den Zwängen des Marktes unterworfen werden darf. Sie sollte zugleich nicht abgehoben von den wirklichen Nöten der Menschen in unserem Land agieren.

In einer viel zitierten Äußerung hat kein Geringerer als bereits Goethe auf dieses Problem aufmerksam gemacht, als er in seinem Brief an Charlotte von Stein vom 6. März 1779 eine Schreibblockade bei „Iphigenie“ beklagte. „Hier will das Drama gar nicht fort. Es ist verflucht. Der König von Tauris soll reden, als wenn kein Strumpfwirker in Apolda hungerte.“

Zu den wichtigsten Mitteln, die gegen die geschilderte Entzivilisierung wirklich helfen, zählt zweifellos die kulturelle Bildung – ein Thema, das seit geraumer Zeit in aller Munde ist und auch in der Regierungserklärung von Frau Dr. Stange zu Recht einen breiten Raum einnimmt. Die Koalition hält sich zugute, diesem Bereich verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. Aber auch hier lohnt sich genaueres Hinsehen. Aus unserer Sicht sind die bisherigen Anstrengungen zu gering und nicht wirkungsvoll koordiniert. Weit über die Hälfte der etatisierten Mittel fließt in das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“, das man – will man es wirklich flächendeckend erfolgreich verwirklichen, was bedeutet, künftig auch jede Grundschule im Land einzubeziehen – mit ganz anderen Summen fördern müsste.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die verbleibenden Mittel sollen vor allem der strukturellen Verankerung kultureller Bildung in den Kulturräumen nach dem Vorbild der Netzwerkstelle Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien dienen. Wird das aber gelingen können? Basis ist eine „Förderrichtlinie kulturelle Bildung“, die sehr offen gestaltet ist und nahezu jedem eine Antragstellung erlaubt. Mit welcher Strategie bewilligt hinfort das SMWK? Die Kulturräume sind bis hin zur fachlichen Qualität der handelnden Personen sehr unterschiedlich aufgestellt und brauchten sicherlich eine Linie, die bei aller Selbstständigkeit regionalen Handelns vom Land ausgehen müsste.

Beim Stichwort Koordination stellt sich natürlich sofort die Frage: Was tut die entsprechende interministerielle Arbeitsgruppe eigentlich genau; hat sie einen Arbeitsplan, ein Programm? Nach meinem Kenntnisstand hat sie nicht einmal eine gemeinsame Arbeitsdefinition von kultureller Bildung. Förderpolitik und ressortübergreifendes Handeln müssen viel stärker aufeinander abgestimmt werden. Die Bemühungen um kulturelle Bildung fallen noch sehr tastend und wenig fundiert aus. Das Modell OberlausitzNiederschlesien ist wohl noch nicht wirklich umfassend verstanden und auf das ganze Land hin gedacht worden.

Was heißt im Übrigen Erfolg im Bereich kulturelle Bildung? Doch zuallererst, dass man Anlagen für künftiges Handeln schafft. Kulturelle Bildung muss auch durch die Kulturinstitute geleistet werden. Diese brauchen Etats

für entsprechende Personalstellen. Kulturelle Bildung ist dort auch strukturell zu verankern. Sie ist keine reine Schnittfläche zwischen Schulen und außerschulischen Kulturakteuren. Sie ist integraler Bestandteil von Kulturarbeit und hilft vor allem, das Publikum von morgen zu produzieren und zu reproduzieren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Von der kulturellen Bildung ist es kein allzu weiter Weg zur Kultur- und Kreativwirtschaft. Vor wenigen Wochen diskutierten wir hier im Landtag den ersten Kulturwirtschaftsbericht, der wesentlich früher hätte vorgelegt werden können, ja müssen. Naturgemäß wird es mit seiner Umsetzung in dieser Legislaturperiode nichts mehr.

Auch die angekündigte und dringend notwendige interministerielle Zusammenarbeit in Gestalt einer „Arbeitsgruppe Kultur- und Kreativwirtschaft Sachsen“ wird es auf absehbare Zeit wohl nicht geben, ebenso wenig die geplante Öffentlichkeitsarbeit zur Diskussion der Ergebnisse und Popularisierung des Themenfeldes. Kulturpolitik muss sich künftig viel gründlicher mit den Wechselwirkungen zwischen den drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft befassen, ihr eigenes Handeln legitimieren und differenzierte Förderpolitiken entwickeln.

Ein bislang ebenfalls eher unterbelichtetes Thema in Sachsen ist zweifellos „Kulturpolitik als Medienpolitik“. In der achten Empfehlung in seinem Vierten Kulturbericht hat der Sächsische Kultursenat unlängst den Finger auf diese Wunde gelegt. Ohne eine ressortübergreifende Zusammenarbeit und eine Integration in das Thema „Kulturelle Bildung“ verpasst Kulturpolitik ein zentrales Zukunftsfeld. Ich nenne nur die Stichworte „Web 2.0“, „Medienkonvergenz“, „Virtualisierung“, „Computerspiele als Kulturgut“ usw. Was leistet hierbei der öffentlichrechtliche Rundfunk im Rahmen seines Kulturauftrages? Ist das nur eine Aufgabe der Staatskanzlei oder hätte sich hier das SMWK aktiver einbringen können und müssen?

Impliziert ist der gesamte Komplex der Digitalisierung, der nicht nur Auswirkungen auf Sendeformate und Formen des Medienkonsums hat, sondern auch auf Urheber- und Verwertungsrechte, also Kulturgüter insgesamt. Verpasst Kulturpolitik hier den Anschluss an die Medienrevolution? Denken wir noch analog oder viel zu sehr bezogen auf Institutionen, Erbe und überkommene Rezeptionsmuster? Darauf gibt es, zumindest soweit ich es überblicke, bislang kaum Antworten in der Kulturpolitik Sachsens.

Zum Schluss stellt sich für DIE LINKE aus Anlass der heutigen Regierungserklärung eine entscheidende Frage: Welche Bedeutung konnte die Kulturpolitik im Kabinett für sich reklamieren? Wurde sie wirklich als die „große Chance“ gesehen, wie es der Titel der Regierungserklärung suggeriert? Was wurde dafür getan, dass die von uns keineswegs geleugneten Verdienste der Koalitionskulturpolitik fortleben und Wirkung auch für die Zukunft entfalten?

Es liegen neben den von uns anerkannten Erfolgen durchaus positiv zu betrachtende konzeptionelle Papiere vor, die aber wegen der Gefahr, von der CDU gestoppt zu werden, mitunter gar nicht erst bis ins Kabinett vordrangen, wie beispielsweise die vorhin zu Recht gerühmte Museumskonzeption. Welchen kulturpolitischen Stellenwert haben diese und andere programmatische Aktivitäten, wie zum Beispiel die laufende Evaluation der vom SMWK institutionell geförderten Verbände und Einrichtungen? Ist dies nun ein Bekenntnis zu ihrer unverzichtbaren Bedeutung und damit auch zur künftigen finanziellen Verantwortung für Kultur in Sachsen?

Zur Beantwortung dieser zentralen Frage gab es vor Kurzem einen Fingerzeig der Staatsregierung, der uns mit Sorge erfüllt. Während der frühere Ministerpräsident gelegentlich wie ein Elefant im kulturpolitischen Porzellanladen agierte, hielt sich sein reitender und Giraffen streichelnder Nachfolger in diesem Metier bislang eher zurück. Mitte Mai sorgten bei einer Kulturkonferenz einige Äußerungen von Stanislaw Tillich über ein größeres bürgerschaftliches Engagement in der Kultur allerdings für Aufhorchen, ja, für Irritationen. Seiner Ansicht nach setzt der Staat lediglich Anreize für bürgerschaftliches Engagement, für private Initiative. Er sollte sich selbst jedoch aus der Kulturfinanzierung zurückziehen. Der Staat, wurde der Ministerpräsident in der „Sächsischen Zeitung“ zitiert, habe angeblich – O-Ton Tillich – „keine ureigene Zuständigkeit für die Kultur“. Eine solch verwegene Auffassung widerspricht ganz klar unserer Landesverfassung, wonach der Freistaat „ein der Kultur verpflichteter sozialer Rechtsstaat“ ist. Vielleicht warnte deshalb die noch amtierende Staatsministerin sofort vor einem Rückzug der öffentlichen Hand aus der Kulturfinanzierung, und sie hat gerade nochmals – völlig berechtigt – ein Bekenntnis zur Kultur als öffentliches Gut abgelegt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

DIE LINKE teilt diese Auffassung, gerade vor dem Hintergrund der akuten Krise des Kapitalismus, die durchaus auch mit Kultur zu tun hat, und keineswegs nur in einem oberflächlich moralistischen Sinne. Insofern ist mir das Bild vom „Kitt der Gesellschaft“, Frau Dr. Stange, ein bisschen zu konservativ. Es assoziiert, dass im Gebäude ein bisschen die Luft zieht und dass man das abdichten muss. Ich denke, man sollte vielleicht ein anderes Bild wählen, ein Bild, das die Gesellschaft stärker verändert, also Kultur als Katalysator.

Friedrich Dieckmann, Mitglied des Kultursenats, meinte vor dem Hintergrund der aktuellen Krise die Frage formulieren zu müssen, „was wir tun können, um eine Gesellschaft bewirken zu helfen, die von Werten nicht nur redet, sondern nach ihnen lebt“. „Gesellschaftlichen Veränderungen“, so Dieckmann in seinem bemerkenswerten Beitrag „Die kulturelle Dimension der Krise“ für den Vierten Kulturbericht des Sächsischen Kultursenats, ist „von jeher ein Wandel des kulturellen Bewusstseins vorausgegangen, der, sich auf neue soziale Kräfte stüt

zend, das Werk von Kunst, Wissenschaft und Publizistik im Widerspiel mit Politik und Wirtschaft war.“

Dieckmanns kleiner Essay endet mit der Feststellung: „Nur wenn die Kunst leben kann, wird sie Kraft finden, neue Wege zu erkunden“. – Dieses kluge Credo soll die sächsische Kulturpolitik auch künftig unbedingt prägen. DIE LINKE wird sich dafür mit aller Kraft engagieren.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.