Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Vielen Dank, Frau Dr. Runge.

Aber auch in Sachsen fehlt es an einem schlüssigen Konzept im Landesentwicklungsplan und ÖPNV-Gesetz. Zwar sieht das Gesetz in Ballungsräumen sogar einen Vorrang des ÖPNV vor – wer weiß das eigentlich? –, dort soll sogar ein nachfrageorientierter Bedienungstakt eingeführt werden; dies gilt aber ausdrücklich nicht für den ländlichen Raum.

Hauptfehler der sächsischen ÖPNV-Politik ist jedoch, dass es eine solche erklärtermaßen gar nicht geben soll.

Nahverkehr soll die Aufgabe der fünf Zweckverbände sein. Das Land hält sich aus einer landesweiten Planung heraus. Ich halte trotzdem wenig von einer vordergründigen Debatte: Landesverkehrsgesellschaft oder Zweckverbände. Schädlich ist auf jeden Fall, dass sich der Freistaat der Aufgabe überhaupt entzieht, eine einheitliche SPNV- und ÖPNV-Politik für Sachsen zu planen und durchzusetzen. Dabei zeigt auch das Land Rheinland-Pfalz, wie in einem ÖPNV-Gesetz Einflussmöglichkeiten des Landes mit dezentraler Verantwortung für zwei Zweckverbände miteinander verbunden werden können.

Meine Damen und Herren! Alle Erfahrungen zeigen, dass ein Integraler Taktfahrplan mit mindestens einem Stundentakt für ganz Sachsen Voraussetzung für einen attraktiven Bahnverkehr ist, um in der Lage zu sein, mehr Fahrgäste als bisher zu gewinnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Unsere GRÜNE Fraktion hat die Studie SachsenTakt 21 beim Planungsbüro StadtLabor Leipzig in Auftrag gegeben, um einen solchen Integralen Taktfahrplan für Sachsen endlich einmal vorzudenken. Wir haben untersucht, wie ein Integraler Taktfahrplan in Sachsen aussehen könnte. Ein solcher ITF ermöglicht für jede Stunde die Fahrt in alle Richtungen und schafft so für die Kunden verlässliche Anschlüsse. Dieser ITF soll über alle Stufen der Leistungserbringung gelten: vom Fernverkehr über den Regionalexpressverkehr, den Regional- und S-BahnVerkehr bis hin zu einem neuen Takt-Bus-System, das wir konzipiert haben. Wir wollen den regionalen Busverkehr örtlich und zeitlich auf den Schienenverkehr abstimmen, damit wir Schiene und Straße wechselseitig Kunden zuführen können. Schließlich brauchen wir mehr alternative Bedienformen, die Mobilität tatsächlich und wirklich bis ins letzte Dorf auch an Tagesrandzeiten und am Wochenende ermöglichen.

Meine Damen und Herren! Wir sind uns bewusst, dass dies ein ehrgeiziges Konzept ist. Aber wir wollen uns mit dem langsamen Dahinsiechen des SPNV/ÖPNV nicht länger abfinden. In unserer Studie haben wir zahlreiche konkrete Vorschläge auch für die einzelnen Regionen unterbreitet und diese Vorschläge im letzten halben Jahr bei zahlreichen Tagungen und Konferenzen diskutiert. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit spare ich mir die Darlegungen im Einzelnen. Sie mögen diese nachlesen.

Natürlich braucht ein Integraler Taktfahrplan für die Fahrgäste auch eine einheitliche Benutzeroberfläche bei den Fahrscheinen. Es kann nicht sein, dass der Fahrgast von Verkehrsverbund zu Verkehrsverbund einen extra Fahrschein benötigt; von der Fahrradmitnahme, die dann nicht möglich ist, rede ich schon gar nicht mehr.

Wir benötigen auch ein Mobilitätsticket für einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger, welches landesweit gilt und nicht nur in Leipzig, wie es zum 01.08.2009 dort eingeführt wird. Wir beobachten mit großem Interesse die

Erfahrungen, die Brandenburg seit September 2008 mit einem landesweiten Ticket macht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Wir haben ein Mobilitätsticket bereits bei der Haushaltsberatung im Dezember 2008 in dieses Haus eingebracht und finanziell untersetzt, aber leider ohne jede Resonanz bei den Koalitionsfraktionen. Ich freue mich jedoch, dass jetzt wohl ein überparteiliches Bündnis zur Einführung eines landesweiten Mobilitätstickets zustande kommt. Meine Damen und Herren! Sie können sich sicher sein, dass wir dies auch zu einem Thema des Landtagswahlkampfes machen werden.

Seit einiger Zeit gibt es die Initiative Deutschland-Takt, die einen Integralen Taktfahrplan für den Fernverkehr in Deutschland fordert. Unsere Initiative bettet sich in diese Bemühungen ein und untersetzt sie für den Freistaat Sachsen. Wir sollten sie auch vom Sächsischen Landtag aus unterstützen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie: Befassen Sie sich ernstlich mit unserem Konzept. Ich halte es für das beste, das derzeit auf dem Markt ist. Lassen Sie uns gemeinsam für einen besseren Schienenverkehr und öffentlichen Personennahverkehr sorgen.

Vielen Dank bei denen, die mir zugehört haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Die CDU-Fraktion erhält das Wort. Herr Heidan, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lichdi! Vielleicht trägt die Waldschlößchenbrücke dazu bei, dass der Integrale Taktfahrplan noch etwas besser wird, wenn dann Busse – ich weiß gar nicht, ob auch Straßenbahnen zukünftig über die Brücke fahren, glaube jedoch, Sie haben es verhindert mit dem Nichtausbau der Lichtweite – auch über diese Brücke fahren. Darüber sollten Sie vielleicht froh sein.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: In der Tat!)

Meine Damen und Herren! Die Attraktivität des Bahnverkehrs und aller angeschlossenen Verkehrsträger ist heute in diesem Hohen Haus Thema. Ich bin überzeugt, das will sicher ein Großteil der noch anwesenden Abgeordneten.

Wenn wir aber von einem Integralen Taktfahrplan sprechen, heißt es auch, dass alle Verkehrsträger gut vernetzt und ausgebaut sind. Wer kann aber diese Vernetzung am besten einschätzen, planen, umsetzen und realisieren? Das sind sicher die kommunalen Aufgabenträger vor Ort. Letztendlich ist es ein Zeichen unserer ÖPNV-Kultur, die konsequent auf Kommunalisierung gesetzt hat. Wir haben mit dem letzten Haushaltsbegleitgesetz die Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung, beispielsweise für den Ausbildungsverkehr, komplett auf die kommunale Ebene übertragen. Diese Entscheidung war richtig. Die Maßnahmen tragen zu höherer Mobilität für jeden Bürger bei.

Sie haben sicherlich die positiven Ergebnisse aus dem Vogtlandkreis und dessen Zweckverband verfolgt. Ich brauche sie hinsichtlich des Schülerverkehrs sicherlich nicht weiter zu erläutern.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt hingegen in seiner praktischen Handhabung die Rückkehr zum System der Landesverkehrsgesellschaft voraus, abgesehen davon, dass die kommunale Ebene diesem Ansinnen niemals zustimmen würde. Sie können es unter Punkt 5 nachlesen, wobei es dort schon eingeschränkt ist. Nicht umsonst wurde unsere Landesverkehrsgesellschaft deshalb aufgelöst. Auf Grundlage der kommunalen Aufgabenträgerschaft hat sich in Sachsen ein leistungsstarker, innovativer und kundennaher ÖPNV mit einem jeweils sehr regionalen Bezug entwickelt. Ein entscheidender Vorteil des sächsischen Systems besteht in der engen Verzahnung von schienengebundenem und straßengebundenem ÖPNV.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ha! Von wegen!)

In den Ländern, in denen der SPNV zentral von einer Landesverkehrsgesellschaft und der ÖSPV dezentral von der kommunalen Ebene gesteuert wird, funktioniert die ÖPNV-Dienstleistungskette teilweise bei Weitem nicht so gut wie bei unseren kommunalen Zweckverbänden.

Was wir benötigen, sind leistungsfähige Schnittstellen, die gerade die Verkehrsträger sinnvoll miteinander verbinden sollen. Deshalb ist es wichtig, beispielsweise attraktive Verknüpfungsstellen zu schaffen, wie in meinem Wahlkreis die neue Verknüpfungsstelle Reichenbacher Straße, die im Entstehen ist, oder wie in Klingenthal, Schiene und Straße zu verknüpfen, geplant sind. Darin liegt meiner Meinung nach der integrierende Ansatz. Dort, wo Strecken aus wirtschaftlichen Erwägungen bereits stillgelegt wurden oder noch werden müssen, hat der Einsatz von Bussen mitunter gute Chancen, den Bedürfnissen der Menschen in den ländlichen Regionen gerecht zu werden. Ich kann es nur aus meinem Wahlkreis berichten. Beispielsweise ist das System der Anruf-Sammeltaxis etwas, bei dem man nicht die Schiene bis zum letzten Vierseitenhof legen muss.

Während der Zugkilometer mit 11,50 Euro zu Buche schlägt, benötigt der Bus lediglich 3 Euro pro Kilometer. Das ist somit in unterfrequentierten Strecken eine sinnvolle Alternative. Mit einer guten Ausstattung an Regionalisierungsmitteln, die darüber hinaus – das muss ich an dieser Stelle noch einmal unterstreichen – in Sachsen durch Landesmittel aufgestockt wurden, ist es uns bisher gelungen, Verkehrsleistungen für Strecken zu vergeben, für die Bundesländer wie Bayern, Baden-Württemberg und auch Rheinland-Pfalz bereits seit Längerem keine finanziellen Spielräume mehr haben. Hier müssen wir auch zukünftig mit geringeren Finanzausstattungen rechnen und beginnen umzusteuern, ob wir das wollen oder nicht. Wir fordern schon seit langer Zeit von Bund und Bahn die Verbesserung der schlechten Anbindung der

sächsischen Zentren und insbesondere der Chemnitzer Region. Die der Bahn zur Verfügung stehenden und im Osten eingesetzten Investitionsmittel reichen bei Weitem nicht aus, die erheblichen Nachteile abzubauen. Diesbezüglich gehen wir mit Ihnen konform.

Deshalb fordern wir ein besonderes Investitionspaket für den Osten, welches unseren Nachholbedarf effektiv abbauen lässt, wie in anderen Bereichen bereits geschehen.

(Beifall der Abg. Heinz Lehmann und Peter Wilhelm Patt, CDU)

Ich habe bereits am 20. Juni vergangenen Jahres in meiner Rede zu einem ähnlichen Thema die Fehlleistungen der Bahn angesprochen. Herr Lichdi, ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, aber das war genau in der Zeit der rotgrünen Verantwortung auf Bundesebene. Ich nenne nur das Stichwort „66er Liste“. Ich meine, dass es gerade in unserer Legislaturperiode gelungen ist, nun endlich die Weichen für den weiteren Ausbau und die Elektrifizierung der Sachsen-Franken-Magistrale zumindest auf sächsischem Gebiet voranzubringen. Nachdem es uns endlich gelungen ist, mit dem Bund zusammen über das Konjunkturpaket diese wichtige Infrastrukturmaßnahme zu beginnen und zu finanzieren, bin ich sehr hoffnungsvoll, dass wir nach Inbetriebnahme des City-Tunnels in Leipzig auch die Elektrifizierung haben werden.

Sie sehen also, Ihre und unsere Ansätze zu mehr Mobilität sind grundsätzlich verschieden. Ihre Idee „SachsenTakt 21“ mag sich vielleicht unter Laborbedingungen umsetzen lassen. Für den Alltag ist Ihr Ansatz eher untauglich. Deswegen – nehmen Sie es mir nicht übel – werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt ist die Linksfraktion an der Reihe. Frau Dr. Runge, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorlage des Antrages der GRÜNEN beruht auf der lesenswerten Studie „Masterplan SachsenTakt 21“, die vom StadtLabor Leipzig angefertigt wurde. In der Studie wird eine Analyse der gegenwärtigen Lage im öffentlichen Personennahverkehr Sachsen vorgenommen.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass zwar die landesweite Einführung des Taktverkehrs auf Regionallinien zu einem deutlichen Zuwachs der Fahrgastzahlen geführt hat, dass aber dennoch die Lage insgesamt unbefriedigend ist. Es bestehen zu große Qualitätsunterschiede zwischen den Regionen mit modernen Regionalverkehrsnetzen und attraktiven Angeboten einerseits und schlecht angebundenen ländlichen Regionen andererseits. Es gibt kaum Abstimmungen in relevanten Knoten bei Fahrplänen und Linienführungen. Fünf Zweckverbände und Verkehrsverbünde führen zur Brechung der Verkehre und zu kompli

zierten Tarifstrukturen. Aufgrund unterschiedlicher Nahverkehrsleistungen fehlt eine landesweite Liniennetzplanung. Ausschreibung und systematische Abstimmung mit Nachbarländern werden erschwert. Besondere Nachteile existieren an Zweckverbands-, Landes- oder Staatsgrenzen.

Außerdem wurde die Bahninfrastruktur vor allen in ländlichen Räumen vernachlässigt. Seit 1989 wurden in Sachsen 762 Schienenkilometer stillgelegt. Zugleich wurde von der Staatsregierung die Anbindung dieser ländlichen Räume über den Straßenverkehr favorisiert, wie Herr Lichdi bereits ausgeführt hat. Genau das ist falsch; denn der Verkehrsträger Schiene wird in der Zukunft eine sehr große Renaissance erleben, weil er der umweltfreundlichste Verkehrsträger ist.

Des Weiteren fehlen Abstimmungen zwischen Bahn und Bus. Ja, die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es einen strategischen Ansatz für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs und des SPNV in Sachsen trotz der Existenz eines Landesentwicklungsplanes und eines Fachlichen Entwicklungsplanes Verkehr nicht gibt.

Eine fachliche Überarbeitung und eine strategische Ausrichtung des Fachlichen Entwicklungsplanes Verkehr mit einer entsprechenden Bahnpolitik für Sachsen, wie sie die GRÜNEN fordern, können wir nur unterstützen. Trotz der erst kürzlich verabschiedeten Prioritätenliste für Schienenverkehrsprojekte im Wirtschaftsausschuss, Herr Heidan, ist eine strategische Ausrichtung der gesamten Verkehrspolitik für den Schienenverkehr in Sachsen dringend nötig.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die Forderungen, welche die GRÜNEN nun auf der Grundlage dieser Studie an die Staatsregierung formulieren, kommen mir nicht unbekannt vor. So etwas wie einen integralen Taktfahrplan, gleiche Standards und Tarife zwischen den fünf Zweckverbänden bis hin zu einer einheitlichen Landesverkehrsgesellschaft nach dem Vorbild Brandenburgs fordern auch wir. Deshalb stelle ich noch einmal an Verkehrsminister Jurk, der leider heute nicht anwesend ist, die Frage, was denn nun der Beirat, den er zu Beginn der Legislaturperiode ausdrücklich bei den Zweckverbänden gebildet hat, praktisch erreicht hat.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nichts!)

Nichts, genau! Das ist die Antwort. Insofern ist also die dezentrale Struktur der Verkehrsverbünde in Sachsen tatsächlich zu hinterfragen. Es ist zu hinterfragen, ob diese Struktur heute noch zeitgemäß ist.

Und, Herr Heidan, seit wann schrecken denn Sie vor Strukturreformen zurück? Sie haben doch auch nicht davor zurückgeschreckt, Kreisgebietsstrukturveränderungsreformen, Gebietsveränderungsstrukturreformen vorzunehmen. Warum soll das denn bei den Zweckverbänden des öffentlichen Personennahverkehrs nicht möglich sein?

Unabhängig von noch fehlenden Voraussetzungen der Schieneninfrastruktur könnten die vorhandenen Defizite bei der Abstimmung einer landesweiten Linienführung und einer dazu gehörenden Abstimmung an Knoten dennoch zum Teil rasch umgesetzt werden. Auch Alternativen, die für den ländlichen Raum im Rahmen der Enquete-Kommission diskutiert worden sind, wie der verstärkte Einsatz von Sammeltaxiangeboten und Busverkehren, könnten beherzt angegangen werden, sodass auch die Bürgerinnen und Bürger in den ländlichen Regionen verkehrsmäßig an die Ballungsräume angebunden sind.

Die Linksfraktion schließt sich auch der Forderung nach Überarbeitung des Landesentwicklungsplanes und des Fachlichen Entwicklungsplanes Verkehr an. Deshalb werden wir dem Antrag der GRÜNEN zustimmen, auch hinsichtlich der Forderung, ein landesweites Mobilitätsticket für Sachsen einzuführen, wie das in Leipzig nun praktisch umgesetzt wird.