Protokoll der Sitzung vom 19.04.2005

Der Freistaat Sachsen will ein Autoland sein. PorscheChef Wiedeking hat ausgeführt, dass er keine Subventionen in Anspruch nehmen werde, weil es eine einhundert Jahre alte Industrie sei. Subventionen gehörten sich in einer so alteingesessenen Industrie nicht.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Aber BMW nimmt diese Subventionen natürlich in Anspruch.

Der Freistaat Sachsen will ein Land der Biotechnologie sein. Wir haben vor Jahren eine Biotechnologie-Initiative aufgelegt und über 400 Millionen Euro Fördermittel bereitgestellt. Aber genau jetzt gibt es Mittelkürzungen in diesem Bereich. Für das Zentrum für Biotechnologie bzw. die Koordinierungsstelle sollen die Mittel gekürzt werden. Auf unsere Nachfrage, welche Leistungen gekürzt werden sollen, konnte uns niemand Auskunft geben. Ich frage: Wie weit ist es mit der Netzwerk- und der Clusterförderung? Sachsen will auch auf neue Technologien setzen und neue Cluster schaffen. Inwieweit das funktionieren kann, darauf werde ich noch eingehen.

Die Staatsregierung hat Dutzende Evaluierungen und Studien in Auftrag gegeben. Ich will nur drei Beispiele nennen und diese in einem Zusammenhang mit der Politik der Staatsregierung stellen.

Die Staatsregierung will eine engere Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft. So wird es auch bei der entsprechenden EU-Anmeldung für die EFRE-Programme dargestellt. Die Staatsregierung hatte im Jahre 2002 eine Studie in Auftrag gegeben, aus der hervorging, dass die Mittel für die anwendungsorientierte Grundlagenforschung beim Wissenschaftsund Kunstministerium erhöht werden sollten. Derzeit sinken die Mittel auf zwei Millionen Euro. Die Evaluatoren hatten damals mindestens 18 Millionen Euro gefordert, damit überhaupt Effekte im Freistaat Sachsen zu verzeichnen sind.

Die Staatsregierung will Mittel vom ESF in den EFRE umschichten. Im Jahre 2003 hat das Ifo-Institut eine Studie vorgelegt, aus der hervorging, dass man ESF-Mittel nicht in EFRE-Mittel umschichten sollte, sondern Infrastrukturmittel aus dem EFRE in die Förderung von klei

nen und mittelständischen Unternehmen. Das wurde nicht umgesetzt. Dass wir jetzt gegenüber der EU in einer Patt-Situation sind, liegt daran, dass man diese Empfehlung nicht berücksichtigt hat.

(Beifall bei der PDS)

Die Staatsregierung will mehr Netzwerke fördern. Im Jahre 2004 hat das Fraunhofer-Institut eine Studie vorgelegt, aus der hervorging, dass man für die Netzwerkförderung, auch Clusterförderung, einen sehr langen Atem, sehr viel Geduld und sehr viel Geld braucht. Man sollte nicht unbedingt neue Netzwerke anschieben, sondern erst einmal die bestehenden weiter fördern. Was machen wir? Wir wollen zwei neue Netzwerke – so wurde es uns dargestellt – im Bereich der neuen Textilien und der Biotechnologie einrichten.

(Staatsminister Thomas Jurk: Bahntechnik!)

Entschuldigung, der Bahntechnik und der neuen Textilien.

Ich stelle fest: Die Staatsregierung gibt aus Steuermitteln Studien in Auftrag, deren Ergebnisse sie letztlich nicht umsetzt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

Ich komme zum Haushalt. Herr Petzold, Sie sind darauf eingegangen, welche Zeichen die CDU-Fraktion setzt. Ja, wir haben verschiedene Zeichen. Wir haben eine neue Titelgruppe „Großansiedlung“, doch diese Titelgruppe ist leer. Das entspricht natürlich nicht der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit. Die FDP-Fraktion will wissen, welche Fördermittel für Großansiedlungen ausgereicht werden. Ich sage Ihnen: Die Masse der Mittel von über einer Milliarde Euro ist für die nächsten Jahre schon gebunden. Dazu brauchen Sie keinen Haushalt, denn den nächsten Haushalt, in dem diese Summe stehen wird, werden Sie erst in drei Jahren bekommen.

Die Staatsregierung will ein Programm für regionales Wachstum. Das wollen wir auch. Wir wollen auch ein Wachstum der Regionen. Dann frage ich mich aber: Kann man in diesem Zusammenhang Schulen in den ländlichen Regionen abbauen? Welches Unternehmen siedelt sich dort an, wo es keine Schule mehr gibt?

Die Staatsregierung will einen sächsischen Mittelstandsfonds und behauptet, der sächsische Mittelstand könne darauf zugreifen. Ja, er kann es, wenn er venture-capitalorientiert ist. Wenn er mehr als eine Million Euro braucht, dann kann er auf diesen Risikofonds zugreifen. Der klassische sächsische Mittelstand wird diesen Mittelstandsfonds nicht nutzen können.

Die Staatsregierung will in Zusammenarbeit mit der CDU ein Programm für Ingenieurdienstleistungen über 500 000 Euro. Begründet wird das Programm damit, dass andere Länder genau solche Leistungen fördern. Wenn immer mehr solcher Länder diese Ingenieurdienstleistungen fördern und immer mehr Geld dafür bereitstellen, ist die Frage, ob wir bei diesem Investitionswettlauf mitmachen. Ich glaube, das ist der falsche Ansatz.

Wir haben mit unserem alternativen Haushalt und in den entsprechenden Fachausschüssen einige Zeichen ge

setzt. Zu Fragen des Verkehrs und der Beschäftigung werden Caren Lay und Katja Kipping noch etwas sagen. Unser Zeichen im Wirtschaftsbereich war die Forderung nach Kleinstkrediten. Wir sind der Meinung, dass kleine Unternehmen und Unternehmer, die neue Unternehmen gründen wollen, Kleinstkredite bis zu 10 000 Euro bekommen sollen. Dass so etwas funktioniert, zeigt Mecklenburg-Vorpommern. Wir wollen das nicht als verlorene Zuschüsse, sondern wir wollen das als revolvierenden Fonds. Wir wollen ferner eine Technologiestiftung. Wir möchten, dass diejenigen, die im Freistaat Sachsen ausgebildet worden sind, auch hier bleiben können. Die Ideen dazu haben wir mehrmals vorgestellt. Es gab dazu auch eine Studie der Staatsregierung, in der unsere Auffassung bestätigt worden ist.

Es kann doch nicht sein, dass wir jährlich 20 % des Haushaltes für Bildung ausgeben – von der Kita über die Schule, die Berufsschulen bis hin zu den Hochschulen –, einen Bildungseinsatz von 20 % haben und dann feststellen müssen, dass die Masse der hier Ausgebildeten abwandert. Hier muss endlich ein Zeichen gesetzt werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Sehr richtig! – Beifall bei der PDS)

Aber wir setzen nicht nur in der Haushaltspolitik Zeichen, wir setzen sie auch in der Praxis. Unsere Fördermitteldatenbank zeigt im Praxistest, dass sie immer noch besser ist als die der Staatsregierung.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Täglich über 1 000 Zugriffe sind, glaube ich, nicht zu steigern.

Die PDS-Landtagsfraktion hat einen alternativen Haushalt vorgelegt.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Ich komme darauf.

Herr Albrecht hat davon gesprochen, dass es eine Fata Morgana ist. Eine Fata Morgana ist eine durch Luftspiegelung verursachte Täuschung. Herr Albrecht, wenn Sie in der Wüste die Semperoper sehen, heißt das nicht, dass es die Semperoper nicht gibt.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Das heißt also, es gibt den alternativen Haushalt. Nur weil Sie die Entfernung von der Wüste zur PDS nicht überwinden, heißt das doch noch lange nicht, dass es etwas nicht gibt.

(Beifall bei der PDS)

Herr Pecher, Sie haben gesagt, wir hätten unseren alternativen Haushalt nicht eingebracht, und fordern das Gesamtpaket.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, PDS)

Herr Pecher, wir können es nicht laut Sächsischer Verfassung. Wenn Sie wollen, dass wir das nächste Mal einen alternativen Haushalt einbringen, dann verändern Sie

mit uns die Verfassung. Dann haben Sie unseren alternativen Entwurf, und noch vor dem der Staatsregierung.

(Beifall bei der PDS)

Herr Milbradt, Sie haben gesagt, zu dem vorliegenden Entwurf gibt es keine Alternativen. Da fühle ich mich an die Diskussionen vor 15 und 20 Jahren erinnert. Da gab es auch immer keine Alternativen. Ich glaube, es gibt eine Alternative: Wir haben sie vorgelegt. Herr Staatsminister Jurk, Sie haben gesagt, hätte die CDU allein weiterregiert, würde der Haushalt anders aussehen. Hätte die SPD allein weiterregiert, – –

(Heiterkeit und Zurufe von mehreren Fraktionen)

allein regiert, Entschuldigung, hätte der Haushalt ganz anders ausgesehen.

(Staatsminister Thomas Jurk: Nein! – Dr. André Hahn, PDS: Dafür hätten wir gesorgt!)

Würden CDU und SPD aber ab und zu über ihren Schatten springen – wohlgemerkt, das ist physikalisch auch nicht möglich –, würde der Haushalt ganz anders aussehen. Ich glaube, Sachsen hätte es verdient.

(Beifall bei der PDS)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Brangs, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der etwas längeren Debatte des gestrigen Abends, die für einen Neuling, das will ich gern einräumen, manchmal doch recht schwer nachzuvollziehen und in einigen Phasen auch schwer zu ertragen war, möchte ich jetzt die Stellungnahme der SPD-Fraktion für den Einzelplan 07 – Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit – vortragen. Damit verbunden sind eine Reihe von Änderungsanträgen der Koalition. Auf einige davon werde ich später auch eingehen. Getragen ist der vorliegende Haushalt von dem erkennbaren Willen der Koalition und der Staatsregierung, dass Investitionen auch weiterhin einen zentralen Bestandteil unserer Politik bilden sollen. Dabei setzen wir insbesondere auf Akzente für den Mittelstand und für Wachstumskerne im Bereich der strukturschwachen Regionen. Trotz der so oft zitierten und sicherlich auch notwendigen und erfolgreichen Leuchttürme ist es aus unserer Sicht vor allem wichtig, dass wir ein Mehr an Positionslichtern gerade in strukturschwachen Regionen wie zum Beispiel der Oberlausitz ans Leben bringen,

(Beifall des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

um auch mittel- und langfristig eine berufliche und persönliche Perspektive für die Menschen in diesem Land zu bieten. Unsere Regionalpolitik zielt darauf ab, alle Wachstumspotenziale zu nutzen, auch in den strukturschwachen Regionen. Vor allem deshalb – und das ist ein wesentlicher

Bestandteil der Koalitionsverhandlungen und der -vereinbarung – haben wir ein Förderprogramm für regionales Wachstum vereinbart. Aus unserer Sicht ist dies ein wichtiger und entscheidender Akzent mit einem neuen sächsischen Förderinstrument.

Wir wollen uns also verstärkt auf die Regionen außerhalb dieser Zentren und auf kleine und kleinste Unternehmen mit Wachstumspotenzial konzentrieren und dort darauf hinwirken, dass sie die Wirtschaft zukünftig prägen werden. Neben investiven Mitteln wollen wir Kooperationen und strategische Netzwerke für KMU gezielt fördern. Diesem Ansinnen kommen wir nach der Auffassung der SPD-Fraktion in den vorliegenden Änderungsanträgen mit der Koalition nach.

Dafür ist aber auch eine weitere Bereitstellung der Mittel aus dem Solidarpakt ebenso unabdingbar, wie seine Fortsetzung bis 2019 absolut notwendig ist. Die jetzt teilweise aufkommende Diskussion der so genannten Geberländer, dass man an diesem Datum rütteln solle, ist absolut kontraproduktiv und verkennt die weiterhin notwendige Aufbauleistung zur Vollendung der deutschen Einheit.

(Beifall bei der SPD)