Hätte sich der frühere Justizminister im Dritten Reich Herr Gürtner im Zusammenhang mit der Einschränkung politischer Freiheiten ähnlich geäußert – natürlich mit anderen Feindbildern –; seine Äußerung wäre in der BRD gewiss als Schulbeispiel der NS-Rechtswillkür zitiert worden. Zypries' Äußerung ist im Hinblick auf das Rechtsverständnis nicht viel anders zu werten. Sie begründet ebenfalls Grundrechtsverletzungen mit dem angeblich notwendigen Kampf gegen irgendwelche überzeichneten, dämonisierten und deswegen real kaum ideologischen Feinde.
Das steht in einer unrühmlichen europäischen Tradition, die von der Inquisition bis zur stalinistischen Kulakenverfolgung reicht.
Schlagworte wie Neonazis oder Rassisten sind keine Bezeichnungen für reale politische Positionen, sondern negativ besetzte Kampfbegriffe; es sind Hetzparolen, die man sich für den Gegner ausgedacht hat, um eine Auseinandersetzung mit seinen tatsächlichen politischen Vorstellungen zu behindern und den Weg für repressive Gewalt gegen ihn freizumachen.
Um einer notwendigen Diskussion – auf Ihr Niveau begebe ich mich nicht, Herr Nolle, beim besten Willen nicht – über nationale Existenzfragen aus dem Weg zu gehen, stilisieren Sie, die Herrschenden, mit selbst induzierter Hysterie die berechtigten – politisch aber noch relativ wenig wirksamen – Unmutsäußerungen und Demonstrationen gegen Überfremdung und Demokratieabbau zu einer Neonazigefahr hoch, die zur Begründung von rechtsstaatswidrigen Repressionen und Sondergesetzen herhalten muss.
Dieses Strickmuster wird jedes Jahr deutlicher, und zwar umso auffälliger, je mehr sich der Niedergang dieser Republik in sittlicher, wirtschaftlicher, biologischer und staatsrechtlicher Hinsicht beschleunigt. Dazu passt die mit heißer Nadel gestrickte Novellierung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches. Sie trägt alle Anzeichen einer hektischen Auftragsarbeit. Aufgrund starken öffentlichen Drucks musste hier offenkundig
noch vor dem 60. Jahrestag des Kriegsendes gehandelt werden, um eine Demonstration deutschen Selbstbewusstseins in Berlin zu verhindern oder – wie sich die Strippenzieher wohl erhoffen – zumindest zu erschweren.
Ich werde noch kurz auf die Verfassungswidrigkeit dieser Gesetzesänderung eingehen. Zunächst will ich aber einen wesentlichen Umstand erwähnen, der noch stärker als die eigentlich rechtlichen Mängel die Glaubwürdigkeit dieser Rechtsetzung und ihrer Motive infrage stellt. Dazu muss ich kurz ausholen.
Artikel 8 Grundgesetz und das Versammlungsgesetz in Verbindung mit dem so genannten Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes von 1985 bilden theoretisch ein durchaus solides Fundament für die Gewährung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Vor allem durch den Brokdorf-Beschluss ist ein ausgewogenes Procedere für die vertrauensvolle Kooperation zwischen den Versammlungsbehörden und den Veranstaltern von Demonstrationen festgelegt worden.
Als Grundlage hierfür setzt das Bundesverfassungsgericht zunächst den positiven Willen auf beiden Seiten voraus, die Durchführung und den friedlichen Verlauf von Demonstrationen wirklich zu ermöglichen. Vor allem gilt danach, dass die Versammlungsbehörde zur Versammlungsfreundlichkeit verpflichtet ist. Das heißt, dass sie bei kooperativem Verhalten der Veranstalter die Pflicht hat, alles zu unternehmen, damit die Demonstration tatsächlich durchgeführt werden kann, und zwar auch dann, wenn sich durch gegnerische Störer ein unfriedlicher Verlauf ergeben könnte.
Und das sei in diesem Zusammenhang auch einmal festgestellt: Gewalt geht niemals von friedlichen Demonstrationen der nationalen Opposition aus; Gewalt geht immer nur von gegnerischen Störaktionen des antifaschistischen Pöbels aus.
Besonders in schwierigen Fällen, meine Damen und Herren, sollen Versammlungsbehörde und Veranstalter in Kooperationsgesprächen gemeinsam versuchen den Ablauf so zu planen, dass trotzdem ein friedlicher Verlauf gewährleistet ist und die Demonstration durchgeführt werden kann.
Genau gegen diese klaren Richtlinien des Bundesverfassungsgerichtes haben die Innenminister und die ihnen nachgeordneten Behörden jahrelang vorsätzlich verstoßen, indem sie nationale Demonstrationen in klarer Erkenntnis der Rechtswidrigkeit grundsätzlich von vornherein verboten haben und die nationale Opposition immer gezwungen war, vor das höchste deutsche Gericht zu ziehen, um ihre Rechtswidrigkeit dann entsprechend festzustellen. Zur Begründung der Verbote wurde oftmals wider besseres Wissen einfach der polizeiliche Notstand erklärt, wobei entsprechende Störankündigungen der stark vom Verfassungsschutz kontrollierten Antifagruppen als Vorwand gedient haben.
Mit einer derart verlogenen Begründung ließ zum Beispiel der bayerische Innenminister Günter Beckstein 1993 sogar einen Bundesparteitag der NPD in Pocking verbieten, wobei er der Presse gegenüber seine eigene recht
liche Begründung Lügen strafte, indem er offen prahlte, dass es sich bei dem Verbot um eine neue Gangart gegen Rechts handle. Wir reden also über einen Bundesparteitag einer demokratisch legitimierten Partei.
Meine Damen und Herren! In den letzten drei bis vier Jahren hat das Bundesverfassungsgericht dieser vorsätzlich verfassungswidrigen Praxis Gott sei Dank einen Riegel vorgeschoben. Aber wenn man die nun beschlossenen Änderungen im Versammlungsrecht richtig beurteilen will, sollte man diese systematischen Angriffe der Exekutive auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit unbedingt kennen. Erst dadurch wird nämlich klar, dass es eben nicht darum geht – wie hier tränenreich dargestellt wird –, auf die Gefühle von politisch Verfolgten Rücksicht zu nehmen, sondern darum, die nationale Opposition unter allen Umständen in ihrer politischen Arbeit zu behindern, und sei es durch krassen Verfassungsbruch.
Meine Damen und Herren! Kommen wir nun zu den eigentlichen Änderungen im Versammlungsgesetz und im Strafgesetzbuch; zuerst zu Artikel 15 Versammlungsgesetz, in dem eine offenbar willkürlich erweiterbare gesinnungsabhängige Einschränkung bei der Wahl des Demonstrationsortes eingeführt worden ist. Hierzu möchte ich auf folgende Charakterisierung von Sinn und Wesen einer Demonstration hinweisen, zitiert aus dem Brokdorf-Beschluss – Zitat: „In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, wobei die Teilnehmer einerseits in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugung erfahren und andererseits nach außen schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standort bezeugen.“ – Zitatende.
Meine Damen und Herren! Wenn die Nationaldemokraten anlässlich des 60. Jahrestages der Kapitulation der deutschen Wehrmacht eine Demonstration gegen die einseitige antideutsche Traditionspflege und für eine selbstbewusste deutsche Haltung zur Zeitgeschichte durchführten, so ist das Brandenburger Tor mit Sicherheit ein in jeder Hinsicht passender Ort dafür.
Nirgendwo anders könnte das Anliegen einer Demonstration besser symbolisiert werden als gerade dort. Das in der Nähe entstehende jüdische Denkmal hat damit überhaupt nichts zu tun, denn Fakt ist auch: Die NPD hat kein Interesse daran, an irgendwelchen KZ-Gedenkstätten und Ähnlichem zu demonstrieren.
Es geht hier allein um die Demonstration nationaler Selbstachtung an einem historisch bedeutsamen Ort in zentraler Lage. Da gegen die Legitimität dieses Demonstrationsanliegens keine rechtlichen Gründe sprechen, muss patriotischen Gruppen wie der NPD nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts die Demonstrationsfreiheit gewährt werden. Ein Sondergesetz, das zum Beispiel einen großen Bereich der Mitte Berlins selektiv für Demonstrationen einer bestimmten Richtung ausschließt, ist mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar.
Das gilt genauso für die Option der Länderparlamente, mehr oder weniger beliebig Bannmeilen willkürlicher Größe festzulegen. Es dürfte schon jetzt klar sein, dass der Kreativität der in Sachen Antifaschismus wetteifernden Systemparteien kaum Grenzen gesetzt sein werden. Mit Rechtsstaatlichkeit, vor allem aber mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit hat dies nun aber wirklich nichts mehr zu tun. Hier wird vielmehr erneut vorsätzlich gegen das Grundgesetz verstoßen, und zwar wieder von denen, die angeblich die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen die NPD verteidigen wollen.
Nun zum Strafgesetzbuch! Dort heißt es: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“
Diese Bestimmung ist womöglich noch deutlicher verfassungswidrig als die Änderung des Versammlungsgesetzes. Hier wird ein neuer Straftatbestand eingeführt, und zwar nicht wegen einer etwaigen Strafwürdigkeit des betreffenden Sachverhalts an sich, sondern vielmehr um einen Behelfsstraftatbestand zu schaffen. Mit Hilfe dieses Behelfsstraftatbestandes, meine Damen und Herren, soll in einem anderen Gesetz, nämlich dem Versammlungsgesetz, ein Verbotsgrund konstruiert werden – ein Verfahren, das in seiner schamlosen Rechtsverachtung kaum zu überbieten sein dürfte.
Zweitens ist es unseres Erachtens ebenfalls verfassungswidrig, in einem so genannten allgemeinen Gesetz eine spezielle Meinung ausdrücklich zu verbieten. Dieses Verfahren widerspricht nicht nur dem normalen Rechtsempfinden, sondern auch der gesamten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit. Gegen diese Feststellung hilft auch nicht der Einwand, dass nur die Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung einer Gewaltund Willkürherrschaft strafbar sei; denn es handelt sich hierbei um eine rein subjektive rechtsfremde Rhetorik im Gesetzestext. Aufgrund von Stellungnahmen verschiedener Politiker, zum Beispiel des bayerischen Innenministers, ist offenkundig, dass bereits jede nicht ausdrücklich negative Würdigung des Dritten Reiches oder eines seiner Vertreter strafbar sein soll.
Nein. – Der Zweck dieses verfassungswidrigen neuen Straftatbestandes ist auf der Hand liegend. Die Zusammenhänge und die Rechtswidrigkeit dieser perfiden Machenschaften sind leicht zu durchschauen. Umso beschämender ist es, dass fast die gesamte Juristenzunft dazu schweigt.
Meine Damen und Herren! Ich denke, dass ich damit die Gesetzesänderung zum Versammlungsrecht ausreichend und eindeutig genug charakterisiert habe.
Abschließend kann ich zu den geistigen Urhebern dieses Unrechts nur Folgendes sagen: Eine Demokratie, die solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr!
Meine sehr verehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte im Rahmen der Aussprache über den Antrag der PDS-Fraktion zur Positionierung der Staatsregierung zur Änderung des Versammlungsgesetzes die Position meiner Fraktion darlegen.
Herr Kollege Dr. Martens, können Sie mir und dem Hause Ihre Einschätzung der Entgleisungen des Herrn Apfel bitte mitteilen?
Sehr geehrter Herr Kollege Lichdi, das möchte ich gern in der gebotenen Kürze tun. Was soeben wieder sichtbar geworden ist, ist die Verkennung von Grundrechten und ihres Zwecks sowie vom Schutz und vom Schutzwillen einer wehrhaften Demokratie. Wer das Grundrecht selber nur einfordert, um damit gegen die Grundrechte anderer zu demonstrieren, kann sich auf den Schutz dieser Grundrechte schwerlich berufen.
Hier wird in unerträglicher Weise auf der einen Seite beklagt, dass man selber nicht dort demonstrieren könne, wo und wie man es wolle. Gleichzeitig werden Gegendemonstranten grundsätzlich erst einmal als „antifaschistischer Pöbel“ denunziert.
Meine Damen und Herren! Ich kann mir schon vorstellen, was Sie am Holocaust-Mahnmal vorhaben, das Sie hier als „jüdisches Denkmal“ bezeichnet haben. Das ist praktizierter Antisemitismus! So äußert er sich!
Das ist nämlich nicht ein jüdisches Denkmal, Herr Apfel, sondern ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, die von Deutschen ermordet worden sind. Das ist
Sie fordern Grundrechte, hier das Demonstrationsrecht, ein, die als demokratische Grundrechte das Fundament des freiheitlich-demokratischen Rechtstaates sind, den Sie als „strauchelnde Republik“ diffamieren. Diese „strauchelnde Republik“ würden Sie dann auf Ihren Demonstrationen – das kann ich mir auch vorstellen – am liebsten mit den Springerstiefeln Ihrer Kameraden bearbeiten lassen.