Durch diese Demonstranten wurden die Polizeikräfte mit Steinen und Flaschen beworfen sowie mit Feuerwerkskörpern beschossen. Stein- und Flaschenwürfe richteten sich auch gegen die Teilnehmer der Versammlung des Rechtsextremisten Herrn Worch. Zu Beginn hatten diese Teilnehmer übrigens nicht die Möglichkeit, Steine und andere Dinge zu werfen, weil so etwas ihnen vorher abgenommen worden war. Soweit es dann zur Gewaltanwendung später auch aus der Aufmarschtruppe Worch gekommen ist, handelte es sich um Gegenstände, die zurückgeworfen worden sind, wie Steine und Flaschen, die zuvor in diese Gruppe hineingeworfen worden waren.
An mehreren Stellen des dann folgenden Aufzuges errichteten Gegendemonstranten Hindernisse, unter anderem durch brennende Müllcontainer, Bauzäune und Baustelleneinrichtungen. Mehrfach kam es zur Versperrung der Aufzugstrecke durch Sitzblockaden der Gegendemonstranten, welche durch Polizeikräfte geräumt werden mussten. Die Polizeibeamten mussten Personen von der Straße tragen, die passiv Widerstand leisteten. Nach mehrfacher Ankündigung mussten wiederholt Wasserwerfer eingesetzt werden.
Ich will hier ausdrücklich betonen, weil ich es in den Zeitungen anders gelesen habe, dass sich in dem Wasser der Wasserwerfer keinerlei Zusätze befunden haben.
Besonders erschwerend war hier – das ist im Grunde genommen der Kern des Problems; Herr Abg. Martens und ich haben darüber schon im Innenausschuss diskutiert –, dass sich viele gewaltbereite und gewalttätige Demonstranten bewusst in friedliche Versammlungen begaben und aus der schützenden Menge heraus die Polizei mit Gewalt angegriffen haben. So tauchten viele gewalttätige Demonstranten in einer Versammlung des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf dem Augustusplatz unter, um aus dieser Menge heraus Gegenstände in Richtung Polizei zu werfen.
Dieses Tun ist umso verwerflicher, wenn man weiß, Frau Abg. Ernst, dass die Polizei anfänglich rechtsextremistischen wie linksextremistischen Demonstranten als eine von mehreren Deeskalationsmaßnahmen ohne aufgesetzte Einsatzhelme gegenüberstand. Erst als die Angriffe linksextremistischer Gewalttäter auf die Polizei begannen, wurden die Helme aufgesetzt.
Um 17:44 Uhr machte die Versammlungsbehörde dem Versammlungsleiter den nachdrücklichen Vorschlag, die Aufzugstrecke abzuändern und zum Ausgangspunkt der Kundgebung zurückzukehren. Der Anmelder akzeptierte dies und der Aufzug des Herrn Worch begab sich wieder zum Hauptbahnhof zurück. Um 19:09 Uhr erklärte der Anmelder die Versammlung für beendet.
Im Zusammenhang mit dem Einsatzgeschehen sind durch den Rettungsdienst der Stadt Leipzig 17 Personen behandelt worden. Im gleichen Zusammenhang wurden 66 Polizeibeamte verletzt, darunter 36 Polizeibeamte mit
Augenverletzungen durch Reizgasintoxikation, verursacht durch Störer der linksextremistischen Szene. Sie haben Tränen- und Reizgas gegen Polizisten angewandt.
So weit der nüchterne Bericht. – Die genauen Kosten für den gesamten Einsatz werden erst ermittelt. Es wird eingeschätzt, dass dem Freistaat Sachsen Kosten in Höhe von rund 600 000 Euro entstehen werden.
Herr Staatsminister, da Sie am Ende Ihres Berichtes sind, möchte ich die Frage daraufhin zuspitzen: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie der Ansicht sind oder es Ihnen so berichtet worden ist, dass in dem Zeitraum von ungefähr fünf Minuten, bevor es zum Wasserwerfereinsatz an der Hauptpost am Augustusplatz in Leipzig gekommen ist, aus dieser Menge, die dann später geräumt wurde, auf der Seite des Georgirings Flaschen und Gegenstände auf die Beamten geworfen worden seien? Ich habe es anders dargestellt. Haben Sie hierzu eine andere Darstellung als ich? Oder wie wollen Sie sich zu diesem Sachverhalt äußern?
Nein, meine Bemerkung mit der ersten Gewaltanwendung, was Flaschen, Leuchtraketen und Steine angeht, bezog sich auf den Beginn der Demonstration im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt, als Herr Worch seinen Ausbruch versucht hat. Dort waren die ersten Stein- und Flaschenwerfer auf die Polizei und auf die Aufmarschstrecke von Herrn Worch. Darauf bezog sich meine Bemerkung. Die derzeit geschätzte Schadenshöhe an Sachschäden beläuft sich auf – –
Entschuldigung, bei allem Verständnis, aber das ist für uns eine sehr zentrale Frage, weil in der Öffentlichkeit – auch durch Sie – immer wieder der Eindruck erweckt wird, dass konkret die Räumung der DGB-Demo an der Hauptpost auch dadurch gerechtfertigt gewesen sei, dass genau aus dieser Demonstration Steine und Flaschen geworfen worden seien. Wir haben dazu andere Informationen. Also, stellen Sie bitte klar, ob von denjenigen, die dort geräumt worden sind, auch Flaschen und Steine auf Beamte geworfen wurden.
Auch das werden wir gern im Rahmen einer weiteren Einsatzbesprechung klären. Nach meinen Informationen ist es so gewesen, dass es auch dort zu Gewalttätigkeiten kam und dass deswegen die Polizei nach vorn gegangen ist, um Straftäter festzunehmen, und dass sich genau dort linksautonome Gewalttätige in die friedliche DGBGruppe von Demonstranten begeben haben. Auch deswegen war der Einsatz in der Augustusstraße besonders schwierig. Er war aber noch aus einem anderen Grund schwierig, auf den ich gleich noch zu sprechen komme.
Die derzeit eingeschätzte Schadenshöhe beläuft sich auf zirka 100 000 Euro. Die Polizei nahm 66 Personen fest und 38 Personen in Gewahrsam. Mit Stand vom 18. Mai 2005 wurden insgesamt 91 polizeiliche Ermittlungsverfahren zu folgenden Straftatbeständen bearbeitet: Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, Diebstahl, Bedrohung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Verstoß gegen das Waffengesetz, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, zum Beispiel Vermummungsverbot, und Nötigung.
Die Ermittlungsverfahren richten sich gegen 60 Tatverdächtige aus der linksextremistischen Szene, gegen sieben Tatverdächtige aus der rechtsextremistischen Szene und sechs Tatverdächtige, die keiner politischen Richtung zuzuordnen sind. Vier Ermittlungsverfahren werden gegen Polizeibeamte wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt gemäß § 340 StGB bearbeitet. Durch die Polizei wurden rund 2 500 Personenkontrollen einschließlich Identitätsfeststellung durchgeführt und 1 786 Platzverweise erteilt.
Nun zur Bewertung. Die Polizei war gut vorbereitet. Es standen ausreichend Einsatzkräfte zur Verfügung. Der im Vorfeld prognostizierte Verlauf einer unfriedlichen Demonstration trat ein. Das Ausmaß der Unfriedlichkeit wurde übertroffen. Der Ursprung der Gewalt ging von Straftätern aus, die der linksextremistischen Szene zuzurechnen sind.
Bemerkenswert ist allerdings die Tatsache, Herr Abg. Leichsenring, dass sich auch Versammlungsteilnehmer der Demonstration des Herrn Worch polizeilichen Maßnahmen widersetzten und auch von rechtsextremistischer Seite Straftaten ausgingen, was Herr Worch aus taktischen Gründen bisher meistens vermieden hat.
Die Polizei hat entschlossen und taktisch richtig reagiert. Es war aufgrund der großen Anzahl gewaltbereiter und zum Teil angereister Personen ein überaus schwieriger Einsatz. Unter polizeilichen Aspekten ist der Einsatz nach meiner Auffassung erfolgreich verlaufen.
Erschwerend kam für die Polizei aber hinzu, dass die Aufzugsroute und die Veranstaltungsorte, insbesondere am Augustusplatz, viel zu dicht beieinander lagen.
Die Taktik gewalttätiger Störer – ich will hinzufügen, dafür ist die Polizei nicht verantwortlich –, sich in die Masse friedlicher Demonstrationen zurückzuziehen, wenn die Polizei Gewalt unterbinden oder Festnahmen durchführen wollte, wurde damit erleichtert. Diese Taktik setzte ganz bewusst friedliche Demonstranten unvermeidlichen Gefahren aus. Viele Schwierigkeiten bei der Einsatzbewältigung sind allein dadurch entstanden und wären vermeidbar gewesen.
Wer behauptet, die Polizei habe friedliche Demonstranten gestört, belästigt oder bedroht, verwechselt Ursache und Wirkung.
Deswegen, Herr Abg. Lichdi, möchte ich mit Nachdruck und vollem Ernst Ihre Terminologie von der Gewaltbereitschaft der Polizei scharf zurückweisen.
Nun ein Wort zu der Reiterstaffel. Worum ging es da? Das war die Situation am Roßplatz, als dort aus einer Mischung von friedlichen Demonstranten und gewalttätigen Chaoten Steine auf die Polizei und auf die Aufzugsgruppe Worch geworfen worden sind, und zwar aus dem Gleiskörper der Straßenbahn heraus, so dass, wenn das dort geblieben wäre, sozusagen die Munition griffbereit gewesen wäre. Deshalb war es Ziel der Polizei, dort eine Entfernung zwischen der Aufmarschstrecke und den anderen herbeizuführen, die die „Handwurfstrecke“ übersteigt.
Ich möchte diesen Gedanken zu Ende führen, da das ein zusammenhängender Gedanke ist. Danach kann Herr Lichdi gern seine Frage stellen. Dies ging am besten und für die Polizei am schonendsten mit der Reiterstaffel. Wir haben im Zuge der Haushaltsberatung bereits über die Reiterstaffel gesprochen.
Ein Reiter, haben wir dort festgestellt, ersetzt manchmal vier bis fünf Polizisten. Natürlich sieht ein Pferd nicht besonders gemütlich aus, wenn es in der Bewegung auf einen Demonstranten zugeht. Das soll die Staffel in diesem Zusammenhang auch. Sie soll möglichst schnell Gewalttaten unterbinden.
In dieser Situation – meine Damen und Herren, versetzen Sie sich bitte in die Lage der dortigen Einsatzleiter – ist es ganz und gar unvermeidlich, dass friedliche Demonstranten in Mitleidenschaft gezogen werden. Entweder man lässt Gewalt und Straftaten zu, dann wird niemand außer der Polizei in Mitleidenschaft gezogen, oder aber es wird Gewalt unterbunden, und dann werden auch friedliche Demonstranten in Mitleidenschaft gezogen. Das ist ein schwieriges Dilemma. Es ist unvermeidlich, und es ist so gelöst worden, dass ich daran keine Kritik finde. – Herr Abg. Lichdi.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Sie haben mir gerade vorgeworfen, ich hätte von der Gewaltbereitschaft der Polizei gesprochen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich das nicht getan habe, sondern aus einem Leserbrief eines Lesers an die „LVZ“, veröffentlicht in einer Ausgabe der letzten Woche, zitiert habe? Ich habe das als Beispiel dafür gewählt, wie der Polizeieinsatz in Leipzig von friedlichen Demonstranten empfunden wurde.
Herr Lichdi, ich nehme es zur Kenntnis. Ich hatte den Eindruck, Sie haben sich mit diesem Satz identifiziert. Wenn Sie das nicht tun, begrüße ich das ausdrücklich.
Meine Damen und Herren! Das jetzt in der Öffentlichkeit diskutierte und teilweise kritisierte konsequente Einschreiten der Polizei wird von mir unterstützt.
Frau Abg. Ernst, ich bin für jede vernünftige Deeskalationsmaßnahme im Vorfeld, damit es nicht zu gewalttätigen Demonstrationen kommt. Dazu ist der beste Weg, darauf hat auch Herr Martens hingewiesen, die klare Trennung von Aufzugstrecken, siehe 13. Februar 2005 in Dresden.
Wenn es aber nun so ist und die Polizei in dieser Situation handeln muss – im Einsatz selbst halte ich dann die Null-Toleranz-Politik gegenüber gewalttätigen Störern für richtig, und sie wird auch künftig fortgesetzt werden.