Protokoll der Sitzung vom 22.06.2005

Das ist aber völlig daneben. Nehmen Sie es mir einfach nicht übel, wenn ich hier Zweifel anmelden darf, dass der Petitionsausschuss unseres Hohen Hauses, sosehr ich ihn schätze, den Kontrollmechanismus irgendwo gewährleisten kann gegen die Gefahr von Folter oder überhaupt nur die Debatte über die Zulässigkeit von Folter. Das ist überhaupt nicht seine Möglichkeit.

Anstaltsbeiräte sind – ich bin seit 15 Jahren Mitglied von Anstaltsbeiräten – überhaupt nicht in der Lage, von ihrer Zusammensetzung her gesehen, von ihrem Instrumentarium, von ihren Möglichkeiten her, Foltergebaren im Vollzug, geschweige denn in Abschiebehaft etc. in irgendeiner Form vorzubeugen, es zu analysieren oder irgendwelche ähnlichen Dinge. Das ist überhaupt nicht ihre Kompetenz. Das geht über viele andere Fragen weiter, wie Einrichtungen, in denen Jugendliche mit entsprechenden Zwangsmitteln untergebracht sind, und Ähnliches mehr.

Das ist ja letztlich die Frage, ob wir uns darum drücken – im Zusammenhang mit dem Frankfurter Fall, dem damaligen Polizeivizepräsidenten, ist die Debatte auf nationaler Ebene geführt worden –, ob und dass in Ausnahmesituationen Folter möglich sein kann. Die Debatte ist geführt worden. Ich glaube, dass wir mit der Entscheidung über den Antrag der Fraktion der GRÜNEN letztlich auch in der Öffentlichkeit erklären und bekunden, ob wir uns irgendwo ein Hintertürchen offen lassen wollen oder ob dieses Parlament davon ausgeht, dass – nicht, weil das auf Guantanamo akut ist, sondern auch in unserem Land – diese Frage definitiv und einmal auch mit dem entsprechenden Instrumentarium erfüllt sein soll, nicht weil Deutschland dafür Verantwortung hat, sondern weil Deutschland damit auch ein Beispiel für andere Länder gibt.

(Beifall bei der PDS)

Die SPD-Fraktion. Herr Bräunig, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben, glaube ich, in ausführlicher Form zu den Hintergründen und Regelungen des Zusatzprotokolls zur Anti-FolterKonvention und dem damit verbundenen Zeichnungsund Ratifizierungsprozess Stellung genommen, so dass ich es mir und Ihnen erspare, jetzt weitere grundsätzliche Ausführungen dazu zu machen. Was ich Ihnen nicht ersparen werde, ist, die Position der SPD-Fraktion zu diesem Antrag zu erläutern. Der Schutz vor Folter als elementares Recht und das Folterverbot gelten absolut. Da gibt es auch bei uns keinen Widerspruch. Gerade weil Sie, Frau Herrmann, und Sie, Herr Bartl, Tendenzen angesprochen hatten, nämlich die Diskussion, die es in diesem Land gegeben hat, dieses auszuhöhlen, will ich vielleicht auf das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main im Falle Daschner hinweisen.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat ein unmissverständliches Urteil gefällt. Das Urteil enthält eine klare Absage an Folter. Zugleich hat das Gericht Augenmerk bei der Strafzumessung gegenüber den Polizeibeamten bewiesen, die dort an der Vernehmung beteiligt waren, eben gerade wegen der furchtbaren Konfliktsituation, in der sich die Ermittlungsbeamten befunden haben. Wie gesagt, eine klare Absage an Folter. Dieses Urteil verdient aus meiner Sicht großen Respekt.

Zurück zum Antrag: Selbstverständlich sind wir bereit, diesem Antrag zuzustimmen, soweit er eine zügige Zeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls einfordert, so wie Sie es auch im ersten Anstrich Ihres An

trages formuliert haben. Wir erkennen auch eine gewisse Vorbildfunktion an, die Deutschland international zu erfüllen hat. Schon deshalb sollten wir uns nicht allzu lange Zeit lassen mit der Ratifizierung.

Aber es gibt auch Kritikpunkte. Zur Vorbereitung der Ratifizierung bedarf es ganz klar einer umfassenden und konkreten Abstimmung zwischen Bund und Ländern, weil sich die meisten Einrichtungen in Länderkompetenz befinden. Dieser Abstimmungsprozess ist unausweichlich; Stichwort Lindauer Abkommen. Dass dieser Abstimmungsprozess noch nicht abgeschlossen ist, hat nichts damit zu tun, dass der Freistaat Sachsen oder andere Bundesländer die Ratifizierung hinauszögern wollen, sondern schlichtweg deshalb, weil noch Fragen offen sind. Die Staatsregierung befindet sich, soweit es mir bekannt ist, diesbezüglich immer noch in Verhandlungen mit dem Bundesministerium der Justiz. Deshalb erschließt es sich uns auch nicht, warum es unbedingt einer Initiative des Sächsischen Landtages bedarf, um die Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls voranzubringen. Genauso wenig ist es aus unserer Sicht notwendig, unnötige zusätzliche bürokratische Strukturen zu schaffen, wenn in verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel im Strafvollzug oder in psychiatrischen Einrichtungen, bereits Strukturen vorhanden sind, die gegebenenfalls – das gebe ich gern zu – noch den Erfordernissen des Zusatzprotokolls angepasst werden müssen.

Trotz dieser Kritik unterstützen wir grundsätzlich das Anliegen, auf eine schnelle Zeichnung und Ratifizierung hinzuarbeiten. Wir wollen dieses Signal auch senden. Wie bereits dargelegt, sind die Abstimmungen zwischen Bund und Ländern relativ weit fortgeschritten und ich bin zuversichtlich, dass das bald beendet sein wird. Wir werden also dem ersten Anstrich Ihres Antrages zustimmen. Wir werden auch dem letzten Anstrich zustimmen, weil Aufklärung über die Inhalte und Ziele des Zusatzprotokolls natürlich notwendig ist. Die restlichen Punkte halten wir für entbehrlich und treten dem Ansinnen der CDU-Fraktion bei. Zugleich beantragen wir punktweise Abstimmung.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Ich rufe die NPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn die Öffentlichkeit heute den Begriff Folter hört, denkt sie zumeist an das Mittelalter, an autoritäre Systeme oder exotische Länder. Doch gibt es auch Staaten, die sich als demokratisch und rechtsstaatlich bezeichnen und trotzdem das Mittel der Folter anwenden. Gefoltert wird, um die Wahrheit zu unterdrücken oder um sie zu erfahren. Gefoltert wird zur Abschreckung oder zur Vergeltung. Die UN-Anti-Folter-Konvention bezeichnet als Folter jede vorsätzliche Handlung, bei der die Träger staatlicher Gewalt einer Person starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zufügen oder androhen, um eine Aussage zu erpressen, um einzuschüchtern oder um zu bestrafen. Mein algerischer Schwager Salah Youyou,

zeitweise Minister für Post- und Fernmeldewesen in Algerien, kämpfte während des algerischen Befreiungskrieges, der von 1954 bis 1962 stattfand, als Kommandeur einer Einheit der Nationalen Befreiungsfront FNL.

Aufgrund seiner Abkommandierung zum Studium in die DDR wurde sein damals 16-jähriger Bruder in Algier verhaftet und von französischen Geheimdienstleuten gefoltert. An den Folgen dieser Marter leidet er noch heute. Mein Schwippschwager Matschid hat mir erzählt, was man so mit ihm gemacht hat. Es begann also damit, dass man ihm Telefonbücher auf den Kopf schlug. Danach musste er sich nackt ausziehen und wurde mit feuchten Handtüchern geschlagen. Beide Folterarten hinterlassen keine äußerlichen Spuren. Dann stieß man ihm einen Flaschenhals in den After und er musste sich auf die Flasche setzen. Danach wurde er gefesselt, die Haare wurden ihm geschoren und tropfenweise lief ihm Wasser auf den Kopf, was zum Wahnsinn führen kann. Das Ende waren Elektroschocks. Das alles dauerte vier Monate. Er war unrechtmäßig inhaftiert worden. Nach vier Monaten haben sie ihn wieder entlassen, ohne dass ein Urteil oder Ähnliches gesprochen wurde.

Ich denke, dass nicht viele von Ihnen einen familiären Bezug zu einem von der Folter unmittelbar Betroffenen haben. Herr Schiemann hat die Folterungen – –

(Karl Nolle, SPD: Ich habe einen von Nazis gefolterten Onkel!)

Das glaube ich Ihnen, würde ich nie bestreiten. Mir ist bekannt, dass im Dritten Reich Sozialdemokraten gefoltert wurden. Auch Herr Schiemann hat an die Folterungen in der Zeit des Hitlerismus erinnert. Da muss ich auch an die Leiden der von Amerikanern nach dem Krieg misshandelten deutschen Soldaten erinnern. Wer weiß von den Foltermethoden amerikanischer Führungsoffiziere, mit denen jede Art von Geständnis aus deutschen Gefangenen herausgepresst wurde? Wer weiß schon von den Qualen deutscher Gefangener, zum Beispiel auf den Rheinwiesen bei Bad Kreuznach?

Ich will in diesem Zusammenhang auch an das Schicksal des bedeutenden Lyrikers der englischsprachigen Moderne, des Amerikaners Ezra Pound, erinnern, der seit 1924 in Italien lebte und der nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen 1945 in Italien durch diese einige Zeit in Pisa in einem Affenkäfig psychisch terrorisiert und danach jahrelang in einer Irrenanstalt festgehalten wurde.

Erst die Geschehnisse auf Guantanamo, wo afghanische und andere islamische Gefangene in orangeroten Kleidungsstücken, an allen Gliedmaßen gefesselt, mit Säcken über den Köpfen kniend, gefangen gehalten werden, haben der Weltöffentlichkeit das Gesicht einer anderen USA vor Augen geführt. In dem wegen Verletzung der Genfer Konvention national heftig kritisierten Häftlingslager auf Kuba werden Gefangene der USA bis heute in Käfigen eingesperrt und zum Beispiel durch erzwungenen Schlafentzug gefoltert. Im Zusammenhang mit dem dritten Golfkrieg folterten US-amerikanische Soldaten zeitweise mit Erlaubnis des US-Verteidigungsministers Rumsfeld zwischen dem 2. Dezember 2002 und dem 16. April 2003 irakische Kriegsgefangene, Al-Qaida-Mitglieder und Taliban-Kämpfer. Rumsfeld hatte 14 Verhör

methoden genehmigt, wie so genannte leichte körperliche Misshandlungen, die nicht zu Verletzungen führen.

Ich nannte schon die Folterung mit Telefonbüchern und nassen Handtüchern, die keine Verletzung am Körper hinterlassen. Das Verharren von Gefangenen in schmerzhaften Positionen, bis zu zwanzigstündige Verhöre, Isolation von Gefangenen bis zu 30 Tagen, Dunkelhaft und stundenlanges Stehen, Bedrohung von Gefangenen mit Hunden, erniedrigende Befragungen nackter Häftlinge und weitere Ungeheuerlichkeiten werden für alle Zeit untrennbar mit dem Abu-Ghraib-Gefängnis im Irak verbunden bleiben. Zu erwähnen ist auch die Tatsache, dass die USA Gefangene in Drittstaaten verfrachten und dort foltern lassen. Die so genannte Offshore-Folter ist für die US-Behörden wichtig, da Foltern durch die US-Verfassung auf US-Territorium verboten ist.

Auch wurde der deutsche Staatsbürger Al-Massari von CIA-Agenten an der mazedonischen Grenze festgenommen und nach Afghanistan ausgeflogen, wo er wochenlang gefoltert und verhört wurde. Erst als die US-Agenten sicher waren, dass sie den falschen folterten, flogen sie Al-Massari zurück nach Europa.

Dass sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit diesem Antrag zur Ratifizierung und Umsetzung des Zusatzprotokolls zur UN-Anti-Folter-Konvention für die Eindämmung der Folter einsetzt, ist grundsätzlich gut. Die sächsische NPD-Fraktion begrüßt deshalb diese Initiative. Sie befinden sich damit übrigens in den Fußspuren des Staates Preußen und seines Königs Friedrich dem Großen. Preußen schaffte bereits im 18. Jahrhundert als erster Staat Europas die Folter ab. Eine weitere Form zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Abschaffung der Prügelstrafe, während die königlich-englische Marine die Prügelstrafe noch bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges beibehielt.

Wir werden diesem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich rufe die FDPFraktion. Herr Dr. Martens, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eines vorweg: Dieser Antrag wird von uns ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Er ist ein liberales Anliegen. Er ist von uns.

(Vereinzelt Gelächter bei der NPD)

Ich habe mich schon gewundert, warum Frau Kollegin Herrmann vorgeschickt wird, um den Antrag unter dem Signum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu begründen. Ich glaube, man hat gedacht, wenn Mädels schwindeln, fällt es nicht ganz so auf. Der Antrag stammt nicht aus der Bundestags-Drucksache 15/4396 von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, er stammt auch nicht aus dem Niedersächsischen Landtag, es ist wörtlich abgeschrieben die Bundestags-Drucksache 15/3507, Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Markus Löning, Dirk Niebel, Günther Nolting, Hermann Otto Solms, Dr. Stadtler, Dr. Wolfgang Gerhardt und

Fraktion der FDP. Es wäre nett gewesen, wenn Sie das so offen gesagt hätten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Antrag ist – er ist von uns! – zweifelsfrei berechtigt. Es ist schon viel zum Thema Folter und zum Thema UN-Zusatzprotokoll gesagt worden. Es ist notwendig, dass es ratifiziert wird. Es ist notwendig, dass es schnell ratifiziert wird. Es ist auch notwendig, dass es in Deutschland ratifiziert wird; denn hier wird eine neue Stoßrichtung eingeführt im Schutz für die Menschenrechte, gerade auch im Schutz nicht nur von Gefangenen, sondern auch von Leuten, die in anderen Einrichtungen sind, seien es Gefängnisse, Abschiebezentren, psychiatrische Anstalten, Altenoder Pflegeheime oder geschlossene Heime für Kinder und Jugendliche, die durch die nationalen Präventionsräte besucht werden sollen, um dort im Vorfeld bereits aktiv zu werden, damit es eben nicht zu solch schweren Menschenrechtsverletzungen kommt, wie Folter sie darstellt.

Dass dieses Thema auch ein aktuelles Thema der deutschen Innenpolitik ist, ist vorhin schon gesagt worden. Wir sollten nicht so tun, als könnte sich bei uns nicht doch einmal jemand vorstellen, vielleicht anderen Menschen Leid anzutun, um irgendetwas zu erfahren, irgendetwas von ihnen zu hören. Nein, der Antrag ist notwendig, auch die Ratifizierung ist notwendig.

Ich muss noch eines zu diesem Antrag sagen: Man sollte ihm insgesamt zustimmen. Es kommt nicht nur darauf an, wie der Kollege Schiemann zu Recht sagt, dass das Zusatzprotokoll so schnell wie möglich ratifiziert wird, sondern wir müssen dann auch unserer Verpflichtung gerecht werden und das umsetzen. Ein Handeln nach dem Motto „Wir ratifizieren nur, aber praktizieren nicht bei uns“ ist meiner Ansicht nach zu kurz gegriffen. Deswegen bitte ich noch einmal eindringlich darum, dem gesamten Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der PDS)

Wird von den Fraktionen noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt Herrn Minister Mackenroth.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aktiv gegen Folter und menschenunwürdige Behandlung einzutreten ist ein ehrenwertes und notwendiges Anliegen, das die Staatsregierung – Herr Abg. Schiemann hat auf diese Selbstverständlichkeit hingewiesen – uneingeschränkt unterstützt. In Deutschland ist die Anwendung von Folter zwar durch das Grundgesetz und das Strafgesetzbuch ohne Einschränkung verboten, in anderen Staaten der Welt ist die Situation ungleich ernster. Das Zusatzprotokoll aus dem Jahre 2002 zum UN-Übereinkommen aus dem Jahre 1984 gegen Folter und andere grausame Handlungen reagiert auf diese in zahlreichen Menschenrechtsberichten zum Ausdruck kommende Situation, indem es

vor allem regelmäßige Besuche in all den Einrichtungen vorschreibt, in denen Menschen gegen ihren Willen in Gewahrsam gehalten werden. Dieses Zusatzabkommen ist wichtig und richtig.

Dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist daher darin beizupflichten, dass dieses Abkommen durch die Bundesrepublik Deutschland alsbald ratifiziert werden sollte. Gleichwohl geht der Antrag nach meiner Auffassung an der Sache vorbei. Die derzeitige Diskussion zwischen Bund und Ländern dreht sich nämlich nicht um die Frage, ob das Abkommen überhaupt ratifiziert werden soll. Die Notwendigkeit einer solchen Ratifikation wird von niemandem und schon gar nicht von Sachsen in irgendeiner Weise infrage gestellt. Es geht allein um die Frage, wie umgesetzt wird, ob nach der Ratifikation durch den Bund zulasten der Länder eine kostenträchtige und neue – das ist der entscheidende Punkt, Herr Bartl – Besuchsbürokratie geschaffen wird oder ob die in den Ländern bereits bestehenden Strukturen genutzt werden, um das Zusatzprotokoll in Deutschland umzusetzen.

Nach dem Protokoll selbst ist beides möglich. Artikel 3 verpflichtet die Signatarstaaten lediglich, ein oder mehrere Gremien mit den notwendigen präventiven Besuchen zu betrauen. In Sachsen wie auch in den anderen Ländern gibt es bereits heute verschiedene Gremien, die diese Aufgaben wahrnehmen könnten. Herr Bartl, Sie haben sie beispielhaft genannt: Besuchskommissionen nach dem PsychKG, die Beiräte der Justizvollzugsanstalten oder etwa auch den Petitionsausschuss des Landtages. Herr Bräunig hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das jetzt nicht geht, aber dass eine Anpassung jedenfalls vom Grundsatz her denkbar ist. Die zahlreichen gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten sind noch nicht einmal berücksichtigt.

Eine solche länderspezifische Lösung erscheint der Bundesregierung aber wohl zu einfach. Sie hat nämlich eine andere Regelung vorgeschlagen. Diese sieht zunächst eine für Bund und Länder getrennte Lösung vor. Für den Bereich der Länder soll eine Länderkommission neu gegründet werden, die mit einem zunächst mit zehn Leuten auszustattenden Kommissionssekretariat installiert werden soll. Zusätzlich wird eine Anzahl von Experten tätig, die alle Länder bereisen und die Einrichtungen besichtigen. Dies wird neben einer regen Reisetätigkeit der Experten im gesamten Bundesgebiet zu umfangreichen Abstimmungsprozessen zwischen den Ländern führen, wenn etwa ein Experte ab- oder neuberufen werden soll. Zudem setzt eine solche Lösung den Abschluss eines Staatsvertrages oder einer Verwaltungsvereinbarung voraus. Die Kosten hierfür, auch wenn sie bei dieser Sache nicht entscheidend sind, sollen nach Auffassung des Bundes allein die Länder tragen.

Nahezu alle Landesregierungen haben hiergegen im Vorfeld protestiert, ohne dass der Bund ein Einsehen gehabt hätte. Das war der Sachstand zum Zeitpunkt der von Ihnen, Herr Bartl, zitierten Antwort auf die Kleine Anfrage aus dem Jahre 2003.

Nachdem der Bund eine personelle Verkleinerung des Sekretariats in Aussicht gestellt hatte, haben einige Länder ihre Bedenken zurückgestellt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass diese neue Länderkommission teuer,

bürokratisch und als solche überflüssig ist. Auch wenn sie im Verlauf der Verhandlungen noch weiter mehrfach abgespeckt wurde, dürfte sie kaum in der Lage sein, für sämtliche Länder die Besuchsverfahren effektiv zu organisieren.

Wieder einmal missachtet zudem der Bund die im Grundgesetz garantierte Verwaltungshoheit der Länder. Wieso soll nicht jedes Land für seinen Bereich festlegen können, wie der Besuchsmechanismus nach dem Zusatzprotokoll auszugestalten ist? Nicht zuletzt werden durch diese allein auf die Exekutive zugeschnittene Lösung die Landtage bei der Umsetzung des Protokolls umgangen.

Die Umsetzungsproblematik ist derzeit zwischen dem Bund und den Ländern noch nicht abschließend geklärt. Mit Schreiben vom 4. Mai 2005 habe ich mich zusammen mit meinen Kollegen aus Niedersachsen und SachsenAnhalt an die Bundesjustizministerin gewandt, unsere Position erläutert und konkrete Vorschläge gemacht. Eine Antwort darauf steht bisher aus. Wir sind also mit der Bundesregierung im Gespräch, um das im Antrag genannte zügige Einvernehmen herzustellen. Ich sehe eigentlich nicht so richtig ein, warum wir dieses Gespräch abbrechen sollen.

Meiner Auffassung nach sollte der Bund seine Haltung noch einmal überdenken. Wir stehen dabei im Übrigen überhaupt nicht unter Zeitdruck, weil die Frage der Umsetzung der Länderbesuchskommission mit der Ratifikation des Protokolls nichts zu tun hat. Nichts hindert die Bundesregierung – Herr Bartl hat auch darauf hingewiesen –, zu zeichnen und das erforderliche Ratifikationsgesetz alsbald in den Bundestag einzubringen.