Protokoll der Sitzung vom 24.06.2005

Letztlich sind die Fortschritte, die in der Entwicklung des ländlichen Raumes erreicht wurden, und die Bestrebungen, mit einer veränderten Agrarpolitik die soziale und ökologische Komponente bei der Landbewirtschaftung weiter zu stärken, durch die drohende Mittelkürzung akut gefährdet.

Dem Antrag der CDU werden wir in dem guten Glauben zustimmen, dass dieser Antrag ernst gemeint und kein reiner Schaufensterantrag ist.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Dr. Martens, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem Antrag hinsichtlich der Beibehaltung der Umstellungsprämien für den ökologischen Landbau vorab eines zum Thema ökologischer Landbau selbst anmerken: Nachhaltige und schonende Bewirtschaftung von Böden ist sinnvoll. Der schonende Umgang mit dem Boden, mit einer der wichtigsten Ressourcen, über die wir verfügen, ist auch eine Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen. Wir gehen davon aus, dass sich jede Art von Bewirtschaftung in der Landwirtschaft dem verpflichtet weiß und dementsprechend auch sorgsam mit der Ressource Boden umgeht.

Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall und das ist auch durch den Staat nicht immer gefördert worden. Im Gegenteil, die Marktordnungen der gemeinsamen Agrarpolitik haben in der Vergangenheit leider durch die rein produktbezogene Prämierung größtmöglicher Produktionsmengen dazu geführt, dass auch konventionelle Landwirtschaft Raubbau am Boden und

Missachtung der Umwelt betrieben hat – und das in erheblichem Umfang.

Allerdings sind die schlimmsten Auswüchse bereits seit längerem nicht mehr festzustellen. Gleichzeitig muss natürlich weiterhin dafür gesorgt werden, dass auch in der EG-Marktordnung die nachhaltige und schonende Bewirtschaftung von Flächen gefördert wird. Mit den Bewirtschaftungsprämien in der Agrarpolitik sind wir dem ein großes Stück näher gekommen.

Demgegenüber sehen wir die Förderprogramme zur Umstellung auf ökologischen Landbau, wie sie bisher gefahren wurden, als weniger hilfreich an. Wir halten es für sinnvoller, jene Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung oder Nichtbewirtschaftung von Flächen zu fördern, denen keine Refinanzierungsmöglichkeit durch die Veräußerung von Produkten am Markt gegenübersteht. Es besteht nämlich ein ganz erheblicher Unterschied zwischen Umstellungsprämien für den ökologischen Landbau, der sich über Veräußerung von Produkten am Markt refinanzieren kann, und Prämien für den Vertragsnaturschutz, den wir für eine gerade in Sachsen ganz wesentliche Sache halten.

Nun zur Antragsbegründung und zu den Ausführungen des Kollegen Weichert von den GRÜNEN: Er sprach davon, es müsse Schluss sein mit der Bevormundung der Landwirte als Unternehmer und deswegen müsse man die Förderung des ökologischen Landbaus durch Prämien beibehalten. Ich glaube, hier herrscht bereits ein falsches Verständnis erstens von dem, was ein Unternehmer zu tun hat und was seine Aufgaben sind, und zweitens vom Begriff der Bevormundung. Ich kann nicht sagen, ich schaffe Bevormundung ab, und führe sie dann ein, indem ich kontrollieren lasse, welche Bewirtschaftung im Einzelnen stattgefunden hat. Das ist genau jene Bevormundung, die eigentlich nicht stattfinden soll.

Etwas hat mich erschreckt. Das war die Äußerung in der Begründung, wir sollten dieses Programm doch fröhlich fortführen, denn es sei ja genügend Geld da, das vor allem aus Brüssel komme. Meine Damen und Herren, das offenbart ein seltsames Verständnis über den Umgang mit Finanzmitteln der Steuerzahler. Das Geld, das aus Brüssel kommt, wird dort nicht einfach gedruckt, Herr Weichert,

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

sondern es handelt sich dabei um Steuergelder, um Steuergelder von Bürgern aller Länder der Europäischen Union. Es ist schon ein fröhliches Draufprassen, wenn man sagt: Ihr könnt das ausgeben, kümmert euch um nichts, das Geld kommt aus Brüssel!

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

So lässt sich verantwortete Politik nicht machen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Das reicht doch schon einmal, das ist doch etwas!

Nein, ich glaube, dahinter steckt außerdem ein Grundfehler, meine Damen und Herren: Staatliche Regulierung von Märkten auch in der Landwirtschaft funktioniert schlecht oder sie funktioniert gar nicht. Das Versagen

der alten, konventionellen Landwirtschaft war ja kein Versagen des Marktes, sondern ein Versagen von Marktordnungen, die wir geschaffen haben. Und wenn, wie Herr Weichert sagt, schon jeder Landwirt als Unternehmer gefördert werden soll, dann sollten wir ihm die Chance geben, vor allen Dingen dann, wenn er sich als Ökolandwirt auf einem Markt behaupten soll, der nach Angabe der Antragsteller ja gerade enorm im Wachsen begriffen ist.

Noch etwas sei angemerkt: Mit einer solchen Prämie wie der Umstellungsprämie für ökologischen Landbau lassen sich sicherlich keine Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft in erheblichem Umfang verändern. Das lässt sich damit nicht bewerkstelligen. Auch die Forderung an die Staatsregierung, sie möge Rahmenbedingungen für ökologischen Landbau schaffen, dürfte ein frommer Wunsch bleiben, da wir alle wissen, dass die Grundlinien der gemeinsamen Agrarpolitik von den Ländern der EU gemeinsam und nicht von der Sächsischen Staatsregierung zu verantworten sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der GRÜNEN das Wort. Herr Weichert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion stimmt dem Anliegen des Koalitionsantrages im Kern zu. Nur im Kern deshalb, weil wir nicht genau wissen, ob Sie und wir das Gleiche meinen, wenn wir zum Beispiel von regionalen Wirtschaftskreisläufen sprechen. Sie wollen diese Kreisläufe weiter fördern, weil sich dadurch die Verkehrsaufwendungen zum Beispiel verringern.

Nehmen wir nun einmal als Beispiel das Unternehmen Müller-Milch, ein Unternehmen, gleich hier um die Ecke, in Leppersdorf, angesiedelt,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

ein Unternehmen, das vorrangig sächsische Milch verarbeitet. Ist Müller-Milch Bestandteil dieser regionalen Wirtschaftskreisläufe, wie Sie das verstehen?

Schaut man auf die von Ihnen angesprochene Förderung, dann muss man zu diesem Eindruck kommen, denn der Müller-Milch-Betrieb in Leppersdorf hat allein im letzten Jahr eine Förderung von über 52 Millionen Euro erhalten,

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

ausgerechnet gefördert aus dem GA-Topf „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Da stellt man sich schon die Frage, ob die Förderung eines Monopolisten die Agrarstruktur verbessert.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Für den Monopolisten!)

Das Gegenteil wird richtig sein. Wenn ein Betrieb 85 % der gesamten sächsischen Milcherzeugung verarbeitet, dann ist das zumindest keine Verbesserung der säch

sischen Agrarstruktur im Hinblick auf Strukturen regionaler Wirtschaftskreisläufe, Herr Dr. Martens.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Da sind wir uns völlig einig mit allen Milcherzeugern in Sachsen, die ja nicht nur einmal in Leppersdorf demonstriert haben.

Wir möchten hier festgehalten wissen: Zu diesem Begriff „regionale Wirtschaftskreisläufe“ gehört für uns zwingend, dass die Erzeuger auf dem Markt auskömmliche Preise für ihre Produkte erzielen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der PDS)

Wenn der Preis aber, den man für einen Liter Milch erlöst, unter den Herstellungskosten liegt, dann zerstören solche Preise auf Dauer die vorhandenen Strukturen und mit ihnen die vorhandenen Existenzen. Dann haben wir genau das Gegenteil von dem erreicht, was wir eigentlich fördern wollten, die Agrarstruktur.

Das Problem im regionalen Wirtschaftskreislauf bei der Milch ist: Uns ist der Markt abhanden gekommen. Wir wissen, er ist nicht einfach verschwunden, sondern der Milchmarkt in Sachsen wurde einfach wegsubventioniert.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Richtig!)

Im Falle Müller-Milch ist diese Subvention – im Übrigen auch im letzten Jahr – bis an den Rand des rechtlich noch Zulässigen ausgereizt worden. Dass auch bei den jüngsten Investitionen in Leppersdorf wiederum der Höchstbetrag und nicht nur der Betrag gezahlt wurde, auf den das Unternehmen einen Rechtsanspruch hatte, ist eine politische Entscheidung. Ich hoffe, sie ist nicht unter dem Aspekt regionaler Wirtschaftskreisläufe gefallen.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Vielleicht sollte Herr Müller mit dieser Höchstsubventionierung nur darüber hinweggetröstet werden, dass ihn das deutsche Erbschaftsteuerrecht in die Schweiz flüchten ließ.

Für uns, meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gehören zu den regionalen Wirtschaftskreisläufen zwingend die Elemente Transparenz und Vertrauen. Der Verbraucher muss nämlich wissen, wer was wie produziert hat. Aus dieser Transparenz wächst das gegenseitige Vertrauen. Der Verbraucher weiß, was er bekommt: Qualitätsware aus Ställen und von Feldern, die er bestenfalls kennt. Der Erzeuger weiß, dass die Verbraucher auch bereit sind, für gute Ware einen höheren Preis zu zahlen.

So verstandene regionale Wirtschaftskreisläufe, bei denen Qualität und Preis ebenso stimmen wie die Umweltbilanz, würden wir gern mit Ihnen von der Koalition gemeinsam fördern.

Eine Anregung dazu: In den Kantinen der Staatsregierung und auch hier im Landtag werden täglich Tausende Mahlzeiten verkauft und verzehrt. Ich bitte die Verantwortlichen, in Gesprächen mit den Pächtern und bei Neuausschreibungen auch in den Verträgen die regionalen Wirtschaftskreisläufe in die Kantinen zu integrieren

und zum Beispiel sächsische Waren als solche zu kennzeichnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie, sehr verehrter Herr Staatsminister Tillich, es dann noch hinbekommen, dass täglich ein Essen aus dem ökologischen Landbau im Angebot ist, dann hat auch die Sächsische Staatsregierung einen Beitrag zum Thema „Umweltschutz, Landwirtschaft und Subsidiarität“ geleistet.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Horst Wehner, PDS – Johannes Lichdi, GRÜNE: Sehr gut!)