Protokoll der Sitzung vom 15.07.2005

(Staatsminister Dr. Thomas de Maizière: Richtig!)

Ich persönlich habe ja auch nichts dagegen. Aber warum wir daran mitwirken sollen, das verstehe ich wirklich nicht. Insofern machen Sie das untereinander aus; aber ich nehme es auch in Kauf.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine Damen und Herren, wir machen also Dinge doppelt; okay. Obwohl ich manche Dinge gern diskutieren wollte, darf ich die nicht diskutieren. Das „darf“ ich alles erst nach der Bundestagswahl. Das schmerzt mich. Gut, ich betone es dennoch.

Eine Erkenntnis, denke ich, haben alle über die Fraktionen hinweg gemacht, unabhängig welcher Schattierung: Ich glaube, auch Herr Bandmann war der Meinung, dass man im Grunde genommen erst nach einem Jahr wirklich genau weiß, ob diese Strukturreform gut, mittelgut oder sehr gut war. Insofern, denke ich, haben wir hier erst einmal ein erstes Zeichen gehabt. Wir konnten hineinriechen. Aber wir können noch nicht genau sagen, wie es im Einzelnen tatsächlich wirkt.

Gut, ich will nicht herumzicken und einiges zu den Details sagen, die uns besonders aufgeregt haben. Denn es gab nicht nur Knatsch mit der PDS in dieser Angelegenheit. Herr Bandmann, ich darf daran erinnern, es gab auch Knatsch mit der Polizei, der GdP und wie sie alle heißen. Ein Minister immerhin stolperte darüber. Das war dann alles ganz spannend. Am Ende war es so, wie es jetzt ist: Sie verkaufen das als Erfolg!

Gut, ich denke, wenn wir die Reform einmal ganz nüchtern betrachten, ist es immerhin die umfassendste, die es in diesem Bereich jemals gab. Die Hauptkritik war genau das, was Sie hier abgestritten haben; sie bestand darin – von den Polizeigewerkschaften auch deutlich gemacht –, dass die Bediensteten bzw. die Mitarbeiterschaft nicht ausreichend einbezogen wurden. Das ist erst einmal ein Fakt. Diese Kritik kam mehrfach.

Ich möchte Herrn Steinecke zitieren, der gesagt hat: „Das SMI hat in seiner schriftlichen Stellungnahme zum vorliegenden Antrag der PDS-Fraktion geschrieben, dass die Personal- und Berufsvertretungen eingebunden worden seien. Für den Polizeihauptpersonalrat mag das zutreffen, für die Berufsvertretungen nicht. Er selbst, Steinecke, habe nur drei Gespräche überhaupt erfahren. Das eigentliche Problem bestand doch darin, dass man zwar informiert, aber nicht einbezogen wurde.“

Wenn es irgendeine Lehre für nachfolgende Reformen gibt – man weiß ja nicht, ob noch eine neue kommt, und neue, ob sie klein oder groß ist –, dann heißt sie: Man sollte es sich nicht mit den eigenen Leuten verderben

und schon gar nicht mit Polizisten. Denn darüber kann man stolpern.

Meine Damen und Herren! Einiges zu den Details. Ich denke, im Nachhinein lässt sich feststellen, dass das Anliegen dieser Reform hoch vernünftig war. Sie hören, Herr Bandmann, ich lobe. Es ist richtig, Aufgabenverantwortung und Kompetenzen im Sinne eines zeitgemäßen Führungsverständnisses zusammenzuführen. Dahinter stehen wir auch. Diesen Schritt halten wir für richtig ohne Wenn und Aber.

Wenn Einsatzvorbereitung und -durchführung nun in einer Hand liegen, ist das okay. Wenn eine Hierarchieebene abgeschafft wurde, auch. Die Kompetenzübertragung in den Bereichen Personal, Recht, Haushalt, Technik auf die Polizeidirektion zu konzentrieren, auch das ist erst einmal richtig. Punkt. Hier will ich nicht meckern.

Dennoch gibt es noch offene Probleme, die Sie, Herr Bandmann – und gerade Sie –, aus Ihrer Region, hier nicht benannt haben. Das sind Fragen der liegenschaftlichen Situation im Zusammenhang mit der Polizeireform. Hierzu könnte der Herr Staatsminister die heutige Weltöffentlichkeit über den Stand informieren. Das wäre sicherlich gut. Speziell in der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien gibt es Probleme – mit sechs Liegenschaften, mit der Führung in Görlitz und der Verwaltung in Bautzen.

In der Anhörung wurde uns gesagt, dass allein der Postbetrieb manchmal sieben Tage dauert. Wenn der Postbetrieb bei der Polizei sieben Tage dauert, ist das schon ein großes Problem – da ist der „Krieg manchmal schon vorbei“. Insofern muss hier gehandelt werden. Ich erwarte hierzu einige nähere Aussagen. Dies haben wir allerdings auch schon im Ausschuss gesagt – Herr Bandmann, Sie wissen das – und ich werde vermutlich das Gleiche wie im Ausschuss hören.

Die Neuorganisation ist gewissermaßen „nach unten“ offen, wenn ich dies so sagen darf. Es fehlt nun noch die Revier- und Kostenkonzeption. Uns ist empfohlen worden, dass die Politiker und Politikerinnen sich dabei ein wenig heraushalten sollen; das würden wir schon machen.

Aber ich bin der Meinung, wir sollten dies gerade nicht tun, nachdem ich erfahren habe, dass es zwischen Finanzminister und Innenminister einen Zwist über die Finanzen und vor allem über die Stellen in diesem Bereich gibt. Insofern, denke ich, werden wir uns über die Frage der Revier- und Postenkonzeption verständigen müssen – natürlich nach den Bundestagswahlen, wie es der Innenminister verordnet hat; und wenn keiner mit uns redet, ist es schwierig zu reden.

Generell bedarf es weiterer Überlegungen im Bereich der Präventionsförderung; denn dieser Punkt hat mich weder im Ausschuss noch in der Anhörung tatsächlich befriedigen können. Wenn es – nach den neuen Äußerungen, die es da gibt – Kürzungen im Bereich der Prävention geben sollte, muss man fragen, welchen Sinn und Zweck Prävention haben soll. Mehrere Sachverständige haben in der Anhörung eins deutlich gemacht: Prävention ist ganz schwierig abrechenbar, da hierbei harte Fakten wie Aufklärungsquoten und Häufigkeitszahlen nicht nachweisbar sind. Man kann nicht sagen: So und

so viele Dinge haben sich bewegt und jetzt rechne ich das so und so bei der Prävention ab. Das ist schwierig. Man muss also schauen: Wie bekommt man das hin und welchen Stellenwert soll Prävention haben? Sollen das Beauftragte machen oder soll es eine Gesamtaufgabe werden? Wenn das so ist, wie soll das passieren? Hierzu sehe ich großen Diskussionsbedarf und freue mich, nach der Bundestagswahl darüber reden zu können.

Fast alle Sachverständigen haben im Übrigen bei unserem Antrag auch ganz laut nach dem Digitalfunk gerufen; dieser soll ja nun kommen. Wir sehen das auch so. Außerdem ging natürlich die Diskussion – sowohl innerhalb dieses Raumes, hier im Plenarsaal hat nämlich die Anhörung stattgefunden; mal laut, mal leise und auch außerhalb – um Personalkürzungen.

Im Innenministerium gibt es hoch spannende, ampelfarbene Szenarien, über die ich so gerne reden wollte, aber wegen der Bundestagswahlen nicht darf. Gut. Da wir aber nach den Bundestagswahlen darüber reden, wird es um mehr gehen als um Stellen. Was die PDS-Fraktion möchte, ist nicht nur irgendeine Aufgabenkritik im Bereich der Polizei, die möglicherweise nur finanzdiktiert ist, sondern eine Aufgabenkritik, die von der Frage ausgeht: Wie soll persönliche Sicherheit, Herr Sandmann – –

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich bin heute in Fahrt. Es war nicht so gemeint; entschuldigen Sie, Herr Bandmann.

Wie soll persönliche Sicherheit hier in Sachsen aussehen und wie soll diese institutionalisiert sein? Vieles in diesem Bereich ist im Umbruch, nicht nur bei der Polizei. Es wird spannend sein, darüber zu diskutieren. Für die PDS-Fraktion lautet die entscheidende Frage immer, wie viel persönliche Sicherheit allen Bürgerinnen und Bürger garantiert werden kann, ohne Bürgerrechten entgegenzuwirken. Das ist für uns eine Kardinalfrage.

Ob die Polizeireform tatsächlich tragfähig ist oder auf tönernen Füßen steht, wird sich auch zeigen, wenn wir nach der Bundestagswahl über die Verwaltungs- und Funktionalreform reden, inwieweit dabei die Polizeireform berücksichtigt ist oder mit ihr kollidiert. Insofern, glaube ich, sind wir hier noch lange nicht durch, steht uns eine ganze Menge bevor. Was uns angeht, werden wir neugierig und streitlustig bleiben – auch nach der Bundestagswahl.

Für die NPD spricht Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zur Vorrednerin werde ich mich wirklich sehr kurz fassen. Dieser Antrag, der uns hier vorliegt, ist im Prinzip nichts anderes als ein Informationsbegehren. Das, was Kollege Bandmann daraus gemacht hat, ist der Balsam, den die Koalition im Moment für die in Finanzbelangen doch etwas geschundene Seele braucht. Das, was hier gefordert wird – das muss ich bei allen politischen Differenzen, die sicherlich zwischen Herrn Staatsminister und mir bestehen, sagen –, ist vollumfänglich an Informationen in die Fraktionen geflossen, so

dass ich denke, man hätte diesen Antrag getrost zurückziehen können. Aber diesen Balsam brauchte die Koalitionsseele. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP bekommt das Wort; Herr Dr. Martens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Anmerkung vorweg zu diesem Antrag. So kurz vor der Sommerpause hat die Koalition offensichtlich das Bedürfnis, irgendetwas zu feiern – auch im Bereich der inneren Sicherheit –, und da mussten eben das SMI und die Strukturreform, dieses grandiose Werk, gefeiert werden.

(Zurufe von der CDU)

Herr Bandmann hat das in der ihm eigenen Art natürlich hervorragend gemacht: das Hohelied der Polizei zu singen bis hin zu Ausflügen zum internationalen Terrorismus, dessen Fehlen eine so glückliche Voraussetzung für einen gedeihenden Tourismus sein soll und den man mit Videoüberwachung oder Ähnlichem weiter befördern will.

Zu diesen allgemeinen Anmerkungen ist vorweg eins zu sagen: Innere Sicherheit ist wichtig und sie muss für die Bürger garantiert werden, nicht nur im Interesse eines gedeihlichen Tourismus. Das Fehlen von innerer Sicherheit ist nicht unbedingt eine Förderung von Terrorismus. Umgekehrt ist auch der radikalste Polizeistaat vor terroristischen Anschlägen nicht gefeit.

(Beifall bei der FDP)

Schauen Sie sich an, wie es in Russland ausschaut, einem Staat, der mit unseren Auffassungen von Rechtsstaat manchmal nur schwer in Übereinstimmung zu bringen ist,

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

welche Anschläge dort stattgefunden haben. Ich sage es einmal so: Ein Polizeistaat selbst verhindert keinen Terrorismus. Auch die Frage der Videoüberwachung ist eine Scheindiskussion; denn auch Videoüberwachungen selbst verhindern keine Anschläge, das wissen wir alle.

Auch zu der Argumentation, damit seien die Täter aber später schneller identifiziert, muss ich sagen: Das ist eine trügerische Sicherheit, die nichts bringt; denn Sie wissen dann vielleicht, wer sich dort mit dem Dynamitgürtel in die Luft gesprengt hat. Das macht aber keinen mehr lebendig.

(Volker Bandmann, CDU: In Sachsen in Bezug auf den Koffer!)

Dann haben Sie die Fotos von denjenigen, die so etwas getan haben und jetzt irgendwo in Pakistan oder im Nahen Osten oder woanders abgetaucht sind, die Sie aber wahrscheinlich so schnell nicht fangen.

(Volker Bandmann, CDU: Bei der Kofferbombe gab es keine Videos!)

Bei der Kofferbombe gab es keine Videos, und wenn man sich die Videoüberwachung anschaut, die tatsächlich installiert wurde – auch in Sachsen –, und einmal peinlich genau nachrechnet, wie oft die ganze Technik schlicht ausgefallen ist, nicht funktionsfähig war und wie oft das Personal fehlt, um allein auf den Bildschirm zu schauen, dann wird einem Angst und Bange. Das ist eine Scheindiskussion, die hier geführt wird und die mit der tatsächlichen Sicherheitsfrage recht wenig zu tun hat.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zu den Fragen der Strukturreform und zum Antrag selbst muss ich sagen: Sie haben zu den wirklich entscheidenden Fragen recht wenig gesagt, Herr Bandmann. Mich hätte nicht nur die ausgewiesene Anzahl von Stellen laut Stellenplan nach der Strukturreform interessiert, sondern mich hätte interessiert, wie viele tatsächlich verfügbaren Beamten unten in den Revieren zum Dienst vorhanden sind. Das wäre doch einmal interessant.

Da kommt der Staatsminister und sagt, in Marienberg seien fünf neue Stellen geschaffen worden. Daraufhin steht der Revierleiter auf und sagt: Stimmt nicht, nur zwei! Da werden 400 Stellen zusätzlich für die Reviere gefeiert, und auf meine Kleine Anfrage wird mitgeteilt, dass rund 200 davon im Wege von Abordnungen – vornehmlich zu Ausbildungsgängen, Fachhochschulen und Ähnlichem – bereits wieder weg sind.

Hier stellt sich die Befürchtung ein, dass die Polizeistrukturreform – sie war notwendig – jedoch bisher nicht die von Ihnen hier so laut gefeierten Effekte tatsächlich gebracht hat, insbesondere den Effekt einer zunehmend besseren Sicherheitslage und eines Absenkens der Kriminalität nach PKS.

Herr Bandmann, wenn das so ist – und das werden wir uns genau anschauen –, wird nach Vollzug der Polizeistrukturreform die Kriminalität nach polizeilicher Kriminalstatistik in Sachsen gegenüber dem Jahr 2004 im Jahr 2005 und in den Folgejahren deutlich geringer ausfallen. Ansonsten hätte die Strukturreform keinen Einfluss auf die Sicherheitslage. Wir werden uns das sehr genau anschauen und werden die PKS beobachten, ob dort dann tatsächlich die von Ihnen in Aussicht gestellten Effekte eintreten.

Ich möchte noch etwas zur Arbeitsfähigkeit sagen.

Meine Damen und Herren! Es gibt Fragen, die uns in Bezug auf die Strukturreform auch interessiert hätten, und zwar inwieweit die Strukturreform nicht selber wieder reformbedürftig ist. Angesichts des geplanten Stellenabbaus im Bereich der Staatsverwaltung von 96 000 auf 80 000 Stellen ist auszurechnen, welcher Anteil hierbei vom Bereich des Sächsischen Staatsministeriums des Innern erbracht werden müsste. Dann kommen wir zu der spannenden Frage, zu der Sie nichts gesagt haben: Wie viel fällt denn davon bei der Polizei an? Wie ist denn dann die Arbeitsfähigkeit in der jetzt geschaffenen Struktur überhaupt noch gewährleistet, mit wie viel Personal und mit welchen Aufgaben? Dann müssen wir uns die Frage stellen, ob es hier nicht vielleicht wieder einer Reform der Reform bedarf. Dann kommt die Frage, wann das so weit wäre.