Tatsache ist, dass die finanziellen Perspektiven, die für die Zeit ab 2007 im so genannten finanziellen Rahmen festgeschrieben werden sollen, ohnehin noch völlig unklar sind, weil zum Teil sehr verschiedene Konzepte auf dem Tisch liegen. Wie Sie wissen, hat die Kommission dazu einen eigenen Entwurf vorgeschlagen, einen weiteren, der als Kompromisslösung gedacht war: die luxemburgische Ratspräsidentschaft. Ein weiterer ist von der britischen Regierung, die auf ihren Rabatt nicht verzichten will. Diese Entwürfe weichen sowohl in der Gewichtung der einzelnen Förderbereiche als auch in der vorgesehenen Höhe der zuzuweisenden Mittel erheblich voneinander ab.
Die ganze Planung auf europäischer Ebene hängt also ohnehin in der Luft, was meine Fraktion mit weitaus weniger Aufgeregtheit erfüllt als die Antragstellerin, weil andererseits einschließlich des kommenden Jahres die Vergabe von Fördermitteln im Rahmen der Agenda 2000 längst festgeschrieben ist. Dass mit den Planungen für den Förderzeitraum natürlich längst hätte begonnen werden müssen, ist auch uns klar. Diese Planungsunfähigkeit liegt leider in der Natur der EU, die wir uns nicht ausgesucht haben.
Mehr Mitwirkungsmöglichkeiten heimischer Akteure an den Entscheidungs- und Planungsprozessen in Brüssel sind auch für uns politisches Anliegen. Dafür gibt der hier diskutierte Antrag der GRÜNEN jedoch wenig her. Die von ihnen geforderten fachpolitischen Hearings sind sicher eine gut gemeinte Sache. Als Instrument zur Stärkung der regionalen Partizipationsmöglichkeiten sind sie in unseren Augen eher unbrauchbar. Nach allen Erfahrungen mit der Brüsseler Bürokratie würden die Stellungnahmen und Erfahrungsberichte, die diese Hearings produzieren sollen, die Papierberge der Kommission noch einmal mehr in die Höhe treiben, jedoch in der Sache letztlich kaum etwas bewirken.
Meine Damen und Herren, wenn wir es wirklich ernst meinen wollen mit mehr regionaler Mitwirkung, führt der Weg dazu nicht über das Einsetzen neuer Beratungs- und Fachgremien, sondern nur über einen vielleicht steinigen, unserer Auffassung nach aber unumgänglichen Weg.
Es kann doch nicht darum gehen, den Rahmen einer insgesamt verfehlten Konstruktion durch ein paar korrigierte Fußnoten etwas schönreden zu wollen. Es kann doch nicht darum gehen, dass eine Hand voll sächsischer, bayrischer oder auch walisischer oder bretonischer Experten sich zusammensetzt und sich die Köpfe über die Brüsseler Struktur- und Landwirtschaftsfonds zerbricht, wenn die Einrichtung dieser Fonds an sich bereits der falsche Weg ist. Auch dies hat meine Fraktion hier in diesem Haus bei jeder sich bietenden Gelegenheit hervorgehoben.
Gerade die Diskussion über die Föderalismusreform hat einmal mehr gezeigt, wie dringend geboten nicht etwa die Transferierung immer weiterer Mittel nach Brüssel ist, sondern im Gegenteil die Rückverlagerung von Mitteln und Kompetenzen aus Brüssel.
Es ist für uns deshalb völlig fehl am Platze, dass wir uns hier vielleicht den Mund fusselig reden über Besteuerungs- und Bevormundungsinstrumente wie die genannten Fonds, die zumindest unsere Fraktion letztlich für verfehlt hält und deshalb lieber heute als morgen abgeschafft sähe.
Meine Damen und Herren, wir müssen es auch an dieser Stelle sagen: Es ist in unseren Augen unvertretbar, menschen- und bürgerfeindlich, dass gerade wir als der immer noch mit Abstand größte Nettobeitragszahler der EU Jahr für Jahr Milliarden in den Brüsseler Topf einzahlen und dann froh sein wollen, wenn wir im Rahmen dieser Fonds und der damit verbundenen Förderzuweisungen einen Teil dieser Mittel wieder in Deutschland mit verwenden dürfen.
Wir lehnen es ab, uns von der Brüsseler Bürokratie vorschreiben zu lassen, etwa den Regierungsbezirk Chemnitz als originäres Konvergenzgebiet auszuweisen.
Das können wir weiß Gott selbst tun. Meine Damen und Herren, ich kann mir gut vorstellen, dass Sie darin anderer Meinung sind. Geben Sie sich doch keinen Illusionen hin, indem Sie sich mit Schönheitskorrekturen abmühen! Das eigentliche Problem ist nicht die fehlende Einigung über den Finanzrahmen 2007 bis 2013, das eigentliche Problem ist die EU selbst.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir halten die Beteiligung lokaler und regionaler Akteure für wichtig und richtig. Aber das gesamte Beteiligungsverfahren muss natürlich praktikabel und ergebnisorientiert sein. Da muss man sich die Frage stellen: Trägt dieser Antrag dazu bei, das Verfahren in dieser Richtung zu gestalten? Wenn ich es mir anschaue, muss ich eher sagen: Nein.
Diesem Antrag fehlt die Substanz. Er ist unkonkret. Wenn ich mir in der Begründung ansehe, man müsse die Kreise weiter ziehen, man müsse breiter einladen, dann können wir nicht wirklich von einem konkreten Handlungsvorschlag hier im Plenum sprechen. Es ist klar, dass die Beteiligten
eingebunden werden müssen und dass am Ende die politische Entscheidung fallen muss. Politisch entscheiden müssen diejenigen, die die Verantwortung für das Geld tragen. Das kann nicht abgenommen werden, meine Damen und Herren. Auch die Einbeziehung der lokalen Akteure, von denen hier die Rede ist – Frau Altmann hat sie auf die gesamte Zivilgesellschaft ausgeweitet –, wie soll das praktisch stattfinden? Wollen wir eine Volksabstimmung über die Verteilung der EU-Struktur- und Landwirtschaftsfonds hier in Sachsen machen?
Ich glaube, das hilft uns nicht weiter. Wir halten den Antrag für überflüssig und lehnen ihn daher ab.
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das sieht nicht so aus. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung zu sprechen. Herr Minister Jurk.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Partnerschaft ist ein wesentliches Prinzip der Strukturfondsförderung. Die Strukturfondsverordnung und die ELER-Verordnung – das ist der Fonds für den ländlichen Raum – legen die Grundsätze dieser Partnerschaft fest. Maßgebliche Partner sind danach neben den regionalen und lokalen Behörden
besonders die Wirtschafts- und Sozialpartner. Die Partnerschaft erstreckt sich auf die Vorbereitung, Finanzierung, Begleitung und Bewertung der Interventionen oder – so sagen wir es vielleicht besser – der Strukturfondsförderung.
Die Mitgliedsstaaten haben entsprechend den einzelstaatlichen Regelungen die Beteiligung der relevanten Partner an den verschiedenen Stufen der Programmplanung zu gewährleisten. In der Begründung des Antrages wird die Befürchtung geäußert, dass aufgrund der Verzögerungen auf europäischer Ebene diese Beteiligung wesentlich eingeschränkt werden könnte. Tatsächlich hat der Abstimmungsprozess aber längst begonnen.
Die Staatsregierung hat die Wirtschafts- und Sozialpartner bereits frühzeitig über die neuen Verordnungen informiert. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit zur Diskussion eröffnet.
Zum Entwurf der ELER-Verordnung hat das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft eine erste Beratung im November 2004 durchgeführt. Zur Teilnahme aufgefordert waren alle relevanten Vereine auf Landesebene im Bereich ländlicher Raum, Landwirtschaft, Forst und Umwelt. Diese zentralen Verbände haben für die regionalen und lokalen Verbände und Vereine Koordinierungsfunktion.
Am 19. Juli 2005 hat das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft eine weitere Beteiligungsrunde zum ELER mit den zentralen Partnern durchgeführt. Dabei wurden diese aufgefordert, ihre Schwerpunkte zur Umsetzung der ELER-Verordnung zu benennen. Anfang Oktober ist ein Workshop geplant, in dem konkrete Schwerpunkte und Maßnahmen des ELER mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern diskutiert werden sollen.
Die Verordnungsentwürfe zu den Strukturfonds wurden bereits Anfang Oktober 2004 von uns an die Mitglieder des auch von Ihnen erwähnten sächsischen Begleitausschusses zum operationellen Programm versandt. Bei einer Sitzung im Dezember 2004 wurden nähere Erläuterungen dazu gegeben.
In diesem Jahr haben wir bereits zwei spezielle Veranstaltungen zum EFRE und ESF für die Wirtschafts- und Sozialpartner durchgeführt. Die Auftaktveranstaltung fand am 5. April 2005 statt. Hier hatten die Eingeladenen – und das war ein über die Begleitausschussmitglieder hinaus erheblich erweiterter Kreis – erstmals die Möglichkeit, ihre Vorstellungen zur neuen Förderperiode vorzustellen. Darüber hinaus bestand und besteht natürlich weiterhin die Möglichkeit, Stellungnahmen schriftlich zu übermitteln.
Vor zwei Tagen wurde dieser Kreis erneut eingeladen. Dabei haben die Beteiligten neben aktuellen Informationen eine Rückmeldung auf ihre Vorschläge erhalten. Der Umstand, dass mein Staatssekretär Herr Habermann diese Veranstaltung persönlich moderiert hat, zeigt Ihnen, wie wichtig uns diese Sache ist.
Am 12. Oktober 2005 wird für den Strukturfonds eine größere Veranstaltung stattfinden. Dazu sind neben den regionalen und lokalen Akteuren und Wirtschafts- und Sozialpartnern auch die sächsischen Europaabgeordneten eingeladen. Bei diesem Termin sollen die Ergebnisse der alten Förderperiode im Hinblick auf die Vorbereitung des neuen Programmzeitraumes beleuchtet werden. Dazu werden sich dort auch unsere Gutachter, EU-Kommission und Bund äußern. Im zweiten Teil der Veranstaltung besteht die Möglichkeit zur Diskussion.
Für das nächste Jahr haben wir Regionalkonferenzen in den drei Regierungsbezirken geplant. Bei diesen soll besonders die Ausgestaltung konkreter Maßnahmen im Mittelpunkt stehen. Hier können sich regionale und lokale Akteure, Wirtschafts- und Sozialpartner sowie Abgeordnete direkt vor Ort einbringen.
Wie Sie sehen, tun wir schon viel, um die von Ihnen genannten Gruppen zu informieren und einzubeziehen. Unser Anliegen ist es, die Diskussion zur neuen Förderperiode ungeachtet der Unwägbarkeiten auf europäischer Ebene zielgerichtet fortzusetzen. Nur so kann es uns gelingen, die Strukturfondsgelder mit dem größtmöglichen Nutzen für Sachsen einzusetzen. Von den regionalen und lokalen Akteuren, den Wirtschafts- und Sozialpartnern wie auch den Abgeordneten erhoffen wir uns dafür wichtige Impulse.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben – darin werden Sie mir alle zustimmen – auf der einen Seite eine leider noch oft anzutreffende europakritische Haltung in Sachsen.
Wir haben auf der anderen Seite in Sachsen große Vorteile davon, dass wir Mitglied sind. Um dies den Leuten zu verdeutlichen, müssen wir sie mitnehmen, mit ihnen diskutieren, um über die Partizipation Beteiligung zu organisieren. Das ist genau das, was der Antrag sagt und will.
Ich freue mich sehr, Herr Minister Jurk, wenn Sie auf einem guten Weg sind. Dann kann Sie unser Antrag ja weiter begleiten.
Ich weiß aber auch aus meiner Erfahrung mit Verwaltung, dass sich diese mit einer Beteiligung sehr schwer tut. Das ist auch für die Meisten hier nichts Neues. Und deshalb kann es nichts schaden, wenn wir das als Politiker mit einem Antrag noch einmal bekräftigen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle nun die Drucksache 4/2482 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Noch etwas, gerichtet an die Fraktionen CDU, SPD und FDP: Alle haben gesagt, dass sie den Ansatz des Antrages eigentlich befürworten. Dann brauchen Sie ja nicht dagegen stimmen. Enthalten Sie sich einfach! Dann haben wir noch ein schönes Schlussbild am heutigen Tag.
Frau Altmann, vielen Dank für Ihre gnädige Anteilnahme und vor allen Dingen für die Verbindung zur Französischen Revolution.
Für mich ist der Herbst 1989 der Zeitpunkt, an dem wir uns nach Europa aufgemacht haben und ab dem wir mehr Partizipation wollten. Deshalb haben wir den Antrag gestellt.