Protokoll der Sitzung vom 07.10.2005

Fliegen an sich ist aus individueller Sicht eine schöne Sache, aber der Preis dafür ist hoch. Damit meine ich weniger den individuell zu zahlenden Preis, sondern da ist zum Beispiel der ökologische Preis zu nennen. Es ist bekannt, dass mit dem Luftverkehr einhergehende Schadstoffemissionen besonders schädlich sind, da sie in entsprechender Höhe stattfinden. Es ist auch bekannt, dass sich die Zahl der Menschen, die sich vom Fluglärm belästigt fühlt, in den letzten 25 Jahren mehr als verdoppelt hat. Sosehr die positiven Arbeitsmarkteffekte der voraussichtlichen DHL-Ansiedlung bejubelt worden sind,

so sehr gehört schon zum gesamten Bild, zur gesamten Wahrheit, dass so mancher der Anwohnerinnen und Anwohner dafür mit seiner eigenen Nachtruhe bezahlen muss; das ist auch ein Preis.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Es bleibt schon ein schaler Beigeschmack, wenn die Nachtruhe und die Gesundheit der Menschen in und um Leipzig weniger wert sein sollen als die Nachtruhe der Anwohnerinnen und Anwohner an anderen Standorten, beispielsweise in Brüssel, wo eben ein Nachtflugverbot herrscht. Insofern wären alle Standorte gut beraten, wenn man sich europaweit zu einer einheitlichen Regelung verständigen würde. Dass man da nicht als Einzelner vorgehen kann, ist auch klar, aber ich finde, ein einheitliches europaweites Nachtflugverbot ist eine wichtige Sache.

Wenn ich vom Preis des Fliegens spreche, so meine ich auch die Kosten, die für die Gesellschaft anfallen. Wir haben hier schon über die Regionalflughäfen gesprochen. Es ist bekannt – die Zahlen liegen dem Staatsministerium vor –: Ein Großteil der Flugverkehre auf den Regionalflughäfen ist eben mitnichten dem Geschäftsverkehr zuzuordnen, sondern es sind reine Privatflüge. Nun gönne ich jedem sein Segelflugzeug – wir haben ja auch in meiner Partei sehr engagierte Sportflieger –, aber man muss schon ein Fragezeichen dahintersetzen, ob man es sich in Zeiten leerer Kassen leisten kann, so einen Sport zu finanzieren, wenn im selben Atemzug an Schulbussen und anderswo gekürzt werden muss.

Wenn wir über den Preis des Flughafens sprechen, so ist es ja bekannt: Es sind nach Angaben der Staatsregierung bisher 256 Millionen Euro in den Flughafen in Leipzig geflossen. Die neue Start- und Landebahn wird es auch nicht zum Nulltarif geben; es wird alles in allem 380 Millionen Euro kosten. Die Linienverbindungen von und nach Leipzig sind so schwach ausgelastet, dass sie der Flughafen natürlich subventionieren muss.

Eine Anfrage meines Kollegen Heiko Hilker hat es ans Licht gebracht: Die durchschnittliche Streckenförderung je Flugzeug betrug im letzten Jahr rund 600 Euro. Jedes Flugzeug im Linienflug, das dort abfliegt, wird also noch einmal mit 600 Euro bezuschusst. Wenn man das auf den Sitzplatz herunterrechnet, so beträgt die durchschnittliche Förderung bei den Linienflügen je Sitzplatz mehr als 15 Euro. Diese Zahlen muss man schon zur Kenntnis nehmen, wenn man über den Preis des Fliegens spricht.

Wenn man nun – so wie ich gerade – die problematischen Seiten des Luftverkehrs anspricht, dann wird ja sehr gern und sehr schnell auf die arbeitsplatzschaffende Wirkung von Flughäfen verwiesen, und in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit ist das ein schweres Argument; das ist klar, das nehmen auch wir ernst. Trotzdem müssen wir bei der Bilanz redlich vorgehen. Die arbeitsplatzschaffende Wirkung – auch von Ausbaumaßnahmen – fällt eben mitnichten immer so groß aus, wie es in den ersten euphorischen Verkündungen kundgetan wird.

Wir haben deshalb, weil wir eine redliche Bilanz wollen, eine Große Anfrage gestellt und immer mal wieder nachgefragt, wie man das denn berechnen kann – auch die Zahl, die Sie, Herr Bolick, vorhin genannt haben –, dass auf jedem Arbeitsplatz auf dem Flughafen noch einmal indirekt 3,3 Arbeitsplätze entstehen. Wir haben bei der Staatsregierung nachgefragt, wie denn die Berechnungsgrundlagen dafür aussehen, und immer, wenn wir konkret nachgefragt haben, wurden die Antworten ziemlich unkonkret. Da heißt es nämlich: „Nach Angaben der Regionaldirektion in der Bundesagentur für Arbeit werden keine statistischen Daten zum Flughafen erfasst, mit denen der direkte Einfluss auf den Arbeitsmarkt in der Region nachweisbar ist.“

Damit kein Missverständnis entsteht: Ich habe das nicht zitiert, um die Antworten der Staatsregierung in diesem Fall zu kritisieren, denn eines muss man doch auch mal anerkennend sagen: dass unter Staatsminister Jurk schon ein anderer Stil, eine andere Qualität der Antworten eingezogen ist – ebenso wie sich die Zusammenarbeit zwischen Ausschuss und Ministerium deutlich verbessert hat.

Aber ich finde es schon verwunderlich: Überall kommen Subventionen auf den Prüfstand. Alle möglichen Lebensbereiche werden einem Ranking unterzogen, überall herrscht Erfolgscontrolling, und ausgerechnet beim teuren Flughafenausbau setzen wir auf das Prinzip Hoffnung, setzen wir einfach auf das Prinzip Vertrauen, dass sich das Geld schon irgendwie rentiert.

Lassen Sie mich meine Skepsis an einem Beispiel verdeutlichen: Am 9. November 2004 hat Ministerpräsident Georg Milbradt in einer Pressemitteilung seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass DHL nach Leipzig kommt. Darin heißt es – ich zitiere –: „Mit der DHLAnsiedlung sollen 3 500 Arbeitsplätze direkt und weitere 7 000 indirekt neu entstehen.“ Nun haben wir nachgefragt, ob denn diese Zahlen immer noch realistisch sind – wir würden uns ja wirklich für die Leute in der Region freuen –, und die Antwort darauf fiel jetzt schon wesentlich verhaltener aus. Inzwischen geht man davon aus, dass nur noch 1 800 Arbeitsplätze plausibel sind.

Nun verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Natürlich sind 1 800 Arbeitsplätze besser als null – das ist schon klar –, nur zeigt dieses Beispiel, dass diese großartigen Verkündungen in der Realität dann doch etwas Glanz verlieren. Von 3 500 direkten Arbeitsplätzen sind inzwischen – es ist gerade mal ein Jahr her – nur noch 1 800 übrig geblieben, und wir wissen noch nicht einmal, ob es sich dabei um ordentlich bezahlte Vollzeitstellen oder um prekär beschäftigte Teilzeitstellen handelt. Wir konnten bisher noch keine Antwort im Ausschuss erfahren, wann denn nun der Vertrag mit DHL endlich abgeschlossen worden ist. – Vielleicht haben Sie ja heute eine positive Überraschung dabei, Herr Jurk.

In dem so genannten Masterplan des Bundesministeriums Stolpe ist auch die Rede davon, dass es dringend notwendig ist, Subventionen und Wettbewerbsverzerrung abzu

bauen. Das ist nun zugegebenermaßen ein Bundesthema, aber wenn wir schon beim Thema Luftverkehr sind – ich glaube, das lässt sich schon von seinem Wesen her nur bedingt im Rahmen eines Landes allein diskutieren. In Zeiten leerer Kassen heißt es nun einmal genau zu prüfen, welche Steuergeschenke wir uns noch leisten können. Die Linksfraktion ist der Meinung: In Zeiten leerer Kassen können wir uns den Verzicht auf die Kerosinsteuer einfach nicht mehr leisten.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Nun werden vielleicht die Damen und Herren von der FDP die Forderung der Einführung einer Kerosinsteuer als nationalen Alleingang kritisieren – zumindest hat das Ihre Bundestagsfraktion so getan –, aber da möchte ich Sie nur darauf hinweisen, dass es möglich ist, in einem ersten Schritt eine Kerosinsteuer für Inlandflüge einzuführen. Das beweist das Beispiel Niederlande, dort hat man es seit Beginn dieses Jahres eingeführt. In diesem Fall könnten wir dem Beispiel der Niederlande wirklich einmal folgen,

(Zurufe von der FDP)

zumal der Verzicht auf die Kerosinsteuer zu einer deutlichen Bevorteilung des Verkehrsmittels Flugzeug und zu einer deutlichen Benachteiligung der anderen Verkehrsmittel wie Auto oder Eisenbahn führt, die ihre Antriebsstoffe natürlich finanzieren müssen. Solche Wettbewerbsverzerrungen dürften eigentlich nicht im Interesse der Liberalen liegen, oder?

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend möchte ich festhalten: Bei der Debatte um ein mitteldeutsches Flugverkehrskonzept halten wir folgende drei Punkte für sehr wichtig:

1. Die Länder sollten sich auch angesichts der ökologischen Folgen des Flugverkehrs für die Einführung der Kerosinsteuer einsetzen.

(Volker Bandmann, CDU: Also für die Erhöhung der Flugpreise!)

Wissen Sie, Herr Bandmann, als wir uns hier darüber verständigt haben, dass wir uns eigentlich im Schülerverkehr keine Preiserhöhung mehr leisten können – wo war da Ihr Einsatz, möchte ich Sie an dieser Stelle einmal fragen?!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

2. Wir sind der Meinung, man muss sich europaweit darüber verständigen, inwieweit man ein generelles Nachtflugverbot einführt.

3. Wir brauchen bei den Planungen mehr Realismus.

Daraus folgt: Neue Kapazitäten sind nur dort zu schaffen, wo entsprechende Nachfrage und entsprechende Rentabilitätsaussichten bestehen. Teure Höhenflüge, meine Damen und Herren, können wir uns einfach nicht mehr leisten.

Besten Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die NPD-Fraktion möchte sprechen; bitte, Herr Dr. Müller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da wir jetzt nicht bei einer Debatte über das Luftverkehrskonzept als solches sind, sondern eigentlich zu dem Antrag in Drucksache 4/2916 der Koalitionsfraktionen sprechen – und dieser ist ja eigentlich nichts anderes als ein Auskunftsersuchen –, verzichten wir jetzt auf den Debattenbeitrag. Ich denke, man hätte das Ganze genauso gut als Anfrage an die Staatsregierung formulieren können; das ist jetzt nicht gewollt. Wir werden uns dieser Anfrage nicht verschließen, aber eine Debatte daraus zu machen sehen wir nicht ein. – Danke.

Die FDP-Fraktion; Herr Dr. Martens, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Den Antrag, die Staatsregierung zu ersuchen, über das Luftverkehrskonzept für Mitteldeutschland zu berichten, begrüßen wir ausdrücklich. Was wir bisher von dem Konzept gehört haben, ist relativ substanzlos und lässt uns vermuten, dass es ein solches Konzept in Wirklichkeit nicht gibt.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich vorweg etwas zu dem anmerken, was Kollegin Kipping mit ihrer Skepsis gegenüber dem Luftverkehr als solchem soeben zum Besten gegeben hat: Zu früheren Zeiten sind die Sozialisten ausgezogen, um bei der Landbevölkerung für das Flugwesen zu agitieren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der Linksfraktion.PDS)

Angesichts solcher historischen Einsätze für das Flugwesen ausgerechnet an einem 7. Oktober

(Heiterkeit)

von Ihnen so etwas zu hören lässt mich daran zweifeln, ob Sie wirklich noch Zukunftsglauben haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Staatsministers Thomas Jurk)

Warten Sie, Herr Minister, das entwickelt sich noch!

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren! Ich habe es soeben gesagt: Was wir bisher vom Luftverkehrskonzept gehört haben, ist allenfalls schwammig. Es scheint, als ob die Koalitionsfraktionen nicht über genaue Kenntnisse verfügten. Prof. Bolick hat das Konzept mit Angaben, wie viele Landebahnen um wie viele Meter verlängert werden, erläutert; Kollegin Dr. Raatz hat sich gefreut, dass bei DHL ein Tarifvertrag abgeschlossen worden ist – alles wesentliche Punkte eines Luftverkehrskonzeptes. Wir

hätten uns Präziseres erwartet. Auch die Auskünfte, die wir auf unsere vorangegangenen Kleinen Anfragen an die Staatsregierung erhalten haben, waren ausgesprochen vage. Lassen Sie mich aus dem Konzept, soweit es uns vorliegt, zitieren. Zu Verkehrs- und Sonderlandeplätzen heißt es prägnant: „Die Landeplätze und Segelfluggelände sichern den Bedarf der allgemeinen Luftfahrt ab und sollen erhalten werden. Die ausgewiesenen Verkehrslandeplätze sollen als Bestandteil eines integrierten Verkehrssystems weiterentwickelt werden. Darüber hinaus könnten unter Berücksichtigung regionalen Bedarfs weitere Flugplätze in Regionalplänen ausgewiesen werden.“

Das war es dann auch schon mit der Aussage, meine Damen und Herren!

Wir vermissen ein Konzept. Auch auf Nachfrage zu den großen Flughäfen konnte uns ein solches bisher nicht vorgelegt werden.

Wir vermissen Angaben über die Aufgabenverteilung, über die Kriterien sowie über die Maßgaben, nach denen sich der Luftverkehr entwickeln und bestimmten Landeplätzen und Flughäfen zugewiesen werden soll.

Wir vermissen valide Prognosen. Die Staatsregierung musste einräumen: Es gibt keine. Sie sieht sich bisher nicht einmal in der Lage, vernünftige Prognosen anzustellen. Auf eine entsprechende Anfrage meiner Fraktion antwortete die Staatsregierung: „Die Zahl gewerblicher Flugzeugbewegungen hängt zukünftig entscheidend vom Wettbewerb im Passagierbereich zwischen herkömmlichen Anbietern und so genannten Low-Cost-Carriern ab und den damit verbundenen Verschiebungen von Marktanteilen bzw. dem Gewinn von Neukunden. Vor diesem Hintergrund ist es derzeit nicht möglich, eine valide Prognose hinsichtlich der gewerblichen Flugzeugbewegungen für die Verkehrsflughäfen Erfurt, Dresden und Leipzig/Halle zu treffen.“

Die Staatsregierung selbst weiß also nicht, mit welchen Zahlen sie ein Konzept erstellen könnte. Folglich vermuten wir – wir haben bisher kein Konzept gesehen –: Es gibt gar keines.

Wir haben angefragt, wie es mit den verschiedenen Flughäfen aussieht, und dabei die Verkehrsflughäfen Erfurt und Leipzig/Halle genannt. Gleichzeitig teilt die Staatsregierung mit, dass erhebliche Anteile des Passagieraufkommens bei so genannten Low-Cost-Carriern, zum Beispiel Ryan-Air, landen werden – aus Kostengründen mit Sicherheit nicht auf den genannten Verkehrsflughäfen; sie haben sich zum Beispiel Altenburg ausgesucht.

Nun ist Altenburg bei den Thüringern politisch nicht gerade beliebt. Die Staatsregierung in Thüringen hat den Flugplatz Altenburg mit allen möglichen Landessperren und Ähnlichem brutalstmöglich behindert. Im Rahmen einer Anfrage zum Flugverkehrskonzept für Mitteldeutschland konnte uns zum Thema Flugplatz Altenburg nichts gesagt werden.