Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Die Personalentwicklung wird den Landtag sicherlich auch noch in Zukunft sehr heftig beschäftigen. Gerade die mittelfristige Personalplanung der Staatsregierung lässt erwarten, dass hier im Bereich des Innenministeriums und natürlich auch im stärksten Personalbereich der Polizei, im Vollzugsdienst, Stellen zu streichen sind. Ob dies 3 000 oder 2 800 Stellen sein werden, das wissen wir nicht. Das ist aus gegenwärtiger Sicht auch noch nicht entscheidend.

Eines ist viel entscheidender, das ist die Frage nach der Aufgabenkritik, die Frage danach, welche Arbeiten die Polizei erledigen muss und mit welcher Stärke sie das tun soll. Das ist dann die abgeleitete Größe.

Wir alle wissen, dass bei einer Personalstrukturreform Veränderungen aufgrund des Dienstrechtes und der Altersstruktur der Polizei sehr schwierig sind. Wir haben einen sehr großen Anteil älterer Beamte im Vollzugsdienst, während wir weniger jüngere haben. Es wird schwierig sein, hier neue Beamte einzustellen, um die Altersstruktur entsprechend fortführen zu können.

Wie gesagt, das Wichtigste für uns ist zunächst die Aufgabenkritik. In der schriftlichen Stellungnahme der Staatsregierung wird dies anders gesehen. In Punkt 2 wird davon gesprochen, dass zu den Stellenabbauzahlen verschiedene Szenarien entwickelt wurden. Da hierzu noch keine Entscheidung getroffen worden ist – so die Auskunft –, kann die Aufgabenkritik nicht abgeschlossen werden. Das ist die falsche Reihenfolge. Für uns steht die Aufgabenkritik an erster Stelle.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion.PDS)

Erst anschließend folgt die Frage nach der Anzahl der hierfür benötigten Stellen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Regina Schulz, PDS)

Lassen Sie mich einen Punkt zu den Aufgaben ansprechen. Die Frage der Prävention halten wir für nicht verzichtbar. Prävention ist wichtig, wenn sie ernst gemeint ist und konsequent umgesetzt wird. Es geht nicht darum, einen Pro-forma-Präventionsbeauftragten zu halten, sondern es geht darum, den Begriff der Prävention tatsächlich mit Leben zu erfüllen. Es gibt andere Möglichkeiten, an die man herangehen sollte, beispielsweise die in anderen Bundesländern schon getroffenen Regelungen zur Aufnahme von Bagatell-Verkehrsunfällen durch den Polizeivollzugsdienst oder die länderübergreifende Zusammenarbeit bei bestimmten spezialisierten Aufgaben in der Polizei.

Meine Damen und Herren, die Polizeireform, die bisher in der Struktur umgesetzt wurde, war notwendig, aber sie war nicht ausreichend. Es wird die Reform der Reform

geben müssen. Sie wird nötig sein. Notwendig wird aber auch sein, sie frühzeitig mit allen Betroffenen abzusprechen. Vor allen Dingen wird sie nötig sein nach einer umfassenden Aufgabenkritik – dies ist auch vonseiten des Kollegen Brangs angesprochen worden – mit klar definierten Aufgaben für langfristige Perspektiven, damit wir innere Sicherheit auch in Sachsen in Zukunft verlässlich gewährleisten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Für die Fraktion der GRÜNEN bitte Herr Abg. Lichdi.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir uns bereits im Juli auf Antrag von Herrn Bandmann mit der Polizeistrukturreform befasst haben, hat die Linksfraktion.PDS ihren alten Berichtsantrag vom Mai, also vor dem Juli dieses Jahres, zum Thema „Weiterer Stellenabbau“ hervorgezogen.

Auch wenn Sie, Herr Bandmann, mir nicht Gelegenheit zur Zwischenfrage gegeben haben, will ich dem Plenum diese Frage nicht vorenthalten. Ich will Sie fragen, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, dass die Rede, die Sie heute vorgetragen haben, in weiten Teilen mit der Rede übereinstimmt, die Sie am 15.07. gehalten haben.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Ich habe sie in Vorbereitung dieser Sitzung nachgelesen; die Reden waren teilweise wortgleich. Na gut, vielleicht ist zu dem Thema schon alles gesagt.

Auch wenn die Berichtsanträge in letzter Zeit durchaus zu Recht in der Presse in Verruf geraten sind, dieser Berichtsantrag ist berechtigt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Denn in der Debatte vom 15. Juli hatte der Innenminister zugesagt, im zweiten Halbjahr mit der Bewertung der Personalstrukturreform vom 01.01.2005 zu beginnen. Sie, Herr Staatsminister de Maizière, haben uns im Innenausschuss versprochen, Ende Oktober im Kabinett eine Entscheidung über den Stellenabbau herbeizuführen und im Ausschuss darüber zu berichten.

Wir erinnern diesbezüglich an Ihren Konflikt mit dem Finanzminister, der einmal 3 000 Stellen abbauen wollte. Dieser Stellenabbauplan liegt uns bis heute nicht vor. Wir haben auch im Innenausschuss darüber keine Informationen erhalten, auch nicht darüber, wann dieser Abbauplan vorliegen soll.

Nun ist sowohl im Juli wie auch heute wieder dieses ominöse Ampelpapier von Frau Kollegin Ernst angesprochen worden. Frau Kollegin Ernst, ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie aus einem Papier zitieren, um den Innenminister zu verhaften, das sich offensichtlich in

einem vorläufigen Stadium befindet. Er hat sich das doch noch nicht zu Eigen gemacht.

Es ist auch nicht ganz redlich, wenn Sie sagen, diesem Papier fehle die Aufgabenkritik.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Sie haben es ja auch!)

Ja, ich habe es auch und vielen Dank. Genau, weil ich dich jetzt kritisiere, kritisiere ich auch Herrn Staatsminister. Deshalb wäre es einmal dringend erforderlich, sich einen Kopf zu machen und es endlich offiziell vorzulegen, dass wir aus der komischen Brühe – „der weiß was und der weiß was, keiner war es gewesen“ – herauskommen.

Man kann ja ein gewisses Verständnis dafür entwickeln, dass Sie derzeit wegen Ihrer Aufgaben in Berlin verhindert sind, daran weiter zu arbeiten. Aber die von Ihnen eingesetzte Verwaltungsreformkommission – das wurde auch schon angesprochen – hat am 18.10.2005 bereits Abbauzahlen in die Welt gesetzt. Danach wären von den 15 200 Stellen bei der Polizei 1 800 abzubauen. Die Polizei würde dann noch 13 400 Stellen umfassen. Darüber hinaus – das finde ich den spannenden Fakt, das hat Frau Kollegin Ernst auch gesagt – hält die Kommission einen weiteren Stellenabbau von 1 000 Stellen für erforderlich, um zumindest dem weiteren Einnahmenrückgang von 17,5 % im Jahr 2020 Rechnung zu tragen.

Auch sonst sind die Überlegungen der Verwaltungsreformkommission hoch interessant. Das Landeskriminalamt mit derzeit 893 Stellen soll mit denen anderer Länder zusammengelegt werden. Ich erinnere mich noch, dass Anfang der neunziger Jahre das gemeinsame LKA der ostdeutschen Länder aufgelöst wurde. Die Polizeidirektion „Zentrale Dienststellen“ mit 622 Stellen soll auf andere Dienststellen verteilt werden.

Den Ansatz der Kommission zugrunde legend, dass bei der Verschmelzung von Dienststellen Einsparungen von 15 bis 20 % erzielt werden könnten, ergäbe sich bei diesen Vorschlägen ein Abbaupotenzial von gerade einmal 277 Stellen. Außerdem wollen Sie noch 79 Polizeireviere schließen – Entschuldigung, das hat die Kommission geschrieben.

Wir sehen, auch mit den Vorschlägen der Verwaltungsreformkommission sind wir noch lange nicht dort, wo Sie selbst hinwollen. Man wird wohl davon ausgehen können, dass die Kommission unabhängig gearbeitet hat, aber durchaus die Intentionen des Innenministers in ihren Bericht schrieb. Dann hätte sich der Innenminister mit der Abbauzahl von 1 800 Stellen durchgesetzt. Herzlichen Glückwunsch. Aber leider können wir das nicht nachprüfen, weil eben dieses Konzept fehlt.

Ich fordere Sie auf, dass Sie in der Debatte dazu einmal mehr sagen. Ich sage Ihnen im Gegensatz zu meiner Vorrednerin Frau Ernst dazu, dass unsere Fraktion durchaus die Notwendigkeit eines Abbaus auch im Polizeibereich erkennt. Dazu brauchen wir endlich ein Aufgaben

papier und danach eine Konstruktion, was das an Stellen erfordert.

Offensichtlich ist Ihr Zeitplan durcheinander geraten, weil der neue Innenminister oder die neue Innenministerin noch nicht benannt worden ist. Dies müsste aber eigentlich nach dem glimpflichen Wahlergebnis des CDUParteitages möglich sein.

Der Antrag mahnt zu Recht die Aufgabenkritik an. In diese werden die Ergebnisse der versprochenen Evaluation einfließen müssen. Dies war aber erst nach Ablauf eines Jahres zu erstatten. Wir waren uns über den Termin 01.01.2006 einig. Aber Sie haben ja dieses ominöse Papier schon erarbeitet.

Wenn ich die Ausführungen von Herrn Brangs, denen ich aufmerksam gefolgt bin, recht interpretiere, dann verhält es sich wohl so, dass sich die Koalition intern keinesfalls einig ist, sondern dass es erheblichen Zoff gibt und Sie deswegen alles in einvernehmlicher Weise auf die lange Bank schieben wollen. Deswegen ist das Ampelpapier noch nicht offiziell, und die Evaluation zum 01.01.2006 wird abgewartet. Wahrscheinlich wird alles in das nächste Frühjahr hinein verschoben.

Sie haben jetzt die Gelegenheit, alles richtig zu stellen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, die Staatsregierung, Herr Minister de Maizière.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ziel der Regierungsarbeit der Sächsischen Staatsregierung war und ist von Anfang an, ein hohes Niveau der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Freistaat Sachsen zu erreichen und zu erhalten. Diese Sicherheitsstandards werden insbesondere durch die Qualifikation und Motivation der Polizeibeschäftigten sichergestellt und – davon war noch gar nicht die Rede und das ist ein ständiger Streitpunkt mit der PDS – durch ein konsequentes Polizeigesetz. Das darf man wohl auch sagen.

(Beifall bei der CDU)

Daneben ist bedeutend, dass die zukünftige Organisation der Polizei im Aufbau und Ablauf sowie eine angemessene, finanzierbare und an den Belastungen orientierte Stellen- und Personalausstattung der Polizeidienststellen und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst gewährleistet sind.

Unsere Polizei gewährleistet täglich rund um die Uhr die Sicherheit der Bevölkerung. Für diese Aufgabenstellung ist sie auf einem hohen Niveau aus- und fortgebildet. Seit Dezember 1990 – ich weiß nicht, ob das allgemein bekannt ist, deswegen nenne ich es hier einmal – haben wir über 5 500 junge Menschen zu Polizeibeamtinnen und

Polizeibeamten ausgebildet. Damit haben fast 45 % aller Polizeibeamten des Freistaates Sachsen nach der Wende eine qualifizierte Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst erhalten, die den gegenwärtigen und künftigen Anforderungen an eine moderne und bürgerorientierte Polizei entspricht.

Unseren Polizeibeamten bieten sich attraktive Entwicklungsmöglichkeiten. Ich sage das auch im Blick auf das, was der Abg. Bandmann gesagt hat, verglichen mit anderen Fällen, außerhalb des öffentlichen Dienstes: Nirgendwo, auch im Bereich der Verwaltung, sind die Laufbahnen so durchlässig wie im Polizeivollzugsdienst. Damit dies genutzt werden kann, haben wir in den vergangenen Jahren den Anteil des gehobenen Dienstes signifikant erhöht und Beförderungsmöglichkeiten geschaffen. So hat sich seit dem Jahr 2000 die Anzahl der Beamten im gehobenen Dienst von damals 3 000 auf derzeit 3 900 erhöht. Auch das ist etwas, was Sie in kaum einem anderen Verwaltungsbereich finden.

Angesichts des Bevölkerungsrückgangs sowie der knapper werdenden Einnahmen steht der Freistaat Sachsen vor der Herausforderung, seine Handlungsfähigkeit langfristig zu sichern, ohne dass es zu Qualitätseinbußen kommt. Ein erster wichtiger Schritt, auch künftig die Leistungsfähigkeit der Polizei zu gewährleisten, ist bereits getan. Das war die Neuorganisation der Polizei. Davon ist hier gesprochen worden. Ich halte diese Organisationsform alles in allem für einen Erfolg, und ich habe mich dafür auf einer der letzten Sitzungen bei meinem Vorgänger bedankt und wiederhole es hier gern.

Um die Ergebnisse abzusichern, haben wir jetzt damit begonnen – das war auch von Anfang an so angekündigt –, die Neuorganisation zu evaluieren und auszuwerten. Unser Ziel ist es, die Stärken dieser Organisation festzustellen, Schwachstellen und deren Ursachen zu erkennen sowie weitere Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Parallel zum Prozess der Auswertung – und, Herr Abg. Lichdi, das hat zunächst mit dem Thema Personalabbau nichts zu tun – haben wir die Fortschreibung der Organisation der polizeilichen Basisdienststellen in Angriff genommen. Bereits im Rahmen des Neuorganisationsprozesses wird von vielen Beteiligten, übrigens bis hin zu den Personal- und Berufsvertretungen der Polizei, übereinstimmend festgestellt, dass auch die Ebene der Polizeireviere und -posten in den Reformprozess einbezogen werden muss. Ziel ist es, unter sich verändernden Rahmenbedingungen einsatzstarke Dienststellen mit hoher regionaler Ausrichtung auch für die Zukunft sicherzustellen.

Morgen gibt es zum Beispiel eine mündliche Anfrage, ob man nicht im Oberland zur Erhöhung der Sicherheit vier Posten im Einvernehmen mit der Region vielleicht zu einem zusammenfassen kann. Also nicht immer ist eine Postenevaluierung ein Verlust an innerer Sicherheit. Das kann auch das Gegenteil sein oder jedenfalls eine Verbesserung bedeuten.

Beide Vorhaben, sowohl die Auswertung als auch die Fortschreibung der Organisation der polizeilichen Basisdienststellen, erfolgen, wie es Herr Brangs angemahnt hat, mit breiter Einbeziehung der Mitarbeiter sowie der Personalvertretungen der sächsischen Polizei.

Ich sage Ihnen nichts Neues, meine Damen und Herren, wenn ich darauf hinweise, dass die sächsische Bevölkerung immer weniger und gleichzeitig immer älter wird. Zudem ist unser finanzieller Handlungsrahmen deutlich eingeschränkter als noch vor einem Jahr. Mithin gilt es, auch den zukünftigen Generationen Gestaltungsspielraum zu belassen; deshalb auch der Stellenabbau in der Landesverwaltung.