Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Die SPD-Fraktion, bitte; Herr Abg. Brangs.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn würde ich gern einmal den Koalitionsvertrag zitieren, darin steht: „Die sächsische Polizei soll die Aufklärungsquote weiter steigern, die Prävention ausbauen und ihren Beitrag für einen kontinuierlichen Rückgang der Kriminalität leisten.“ Genau in diesem Sinne sehen wir als Koalition die Fortsetzung einer erfolgreichen Arbeit der sächsischen Polizei, und genau daran werden wir auch gemeinsam mitwirken, damit diese Weiterentwicklung auch tatsächlich vonstatten geht.

Kollege Bandmann hat darauf hingewiesen: Es hat schon seine Gründe, warum Sachsen eine so niedrige Kriminalitätsrate hat. Das ist erfolgreiche Arbeit, und diese erfolgreiche Arbeit muss in der Tat fortgesetzt werden.

Damit bekennen wir uns als Koalition ausdrücklich genau zu dieser umfassenden Gewähr der inneren Sicherheit, die die Bürgerinnen und Bürger von einer effizienten und leistungseffizienten Polizeiarbeit erwarten.

Allerdings – das sage ich an dieser Stelle kritisch dazu – müssen wir uns, wenn wir diese Arbeit erfolgreich fortsetzen werden – und das wollen wir ja – darüber verständigen: Was kann die sächsische Polizei leisten – vor allem: mit welchem Personal, mit welchem Mitteleinsatz – und was kann sie nicht leisten? Darauf müssen wir Antworten geben, vor allem vor dem Hintergrund, dass wir auf Dauer eben nicht auf der einen Seite die bisherige Leistungsfähigkeit immer wieder positiv hervorheben, aber auf der anderen Seite darüber diskutieren, dass Finanzkürzungen und Personalabbau durchaus sinnvoll angezeigt seien.

Insofern müssen wir also, wenn wir über diese personelle Ausgestaltung reden, vor allem zwei Fragen beantworten. Die erste Frage ist: Was soll die sächsische Polizei leisten und was kann sie leisten? Die zweite Frage ist: Vor welchen Anforderungen steht unsere Polizei in der Zukunft? Zur Beantwortung dieser Fragen müssen wir uns zunächst darüber verständigen, dass wir eine umfassende Aufgabenkritik brauchen, die bezogen auf die Qualitäts- und Leistungsstandards genau untersucht, was in diesem schwierigen Zusammenhang tatsächlich leistbar ist. Dass sich die Gewerkschaft der Polizei dies auf die Fahne geschrieben hat, ist durchaus verständlich und nachvollziehbar, aber ich glaube, auch wir als Politiker sollten uns das zu Eigen machen.

Über diese zukünftigen Personalentscheidungen sollten wir uns ebenfalls verständigen. Die sollten eben erst dann kommen, wenn die Evaluierung abgeschlossen ist und wenn wir auf Grundlage dieser Evaluierung wissen, was wir tatsächlich wie umsetzen wollen. Dafür will sich meine Fraktion einsetzen, und wir sollten das auch gemeinsam als Koalition tun.

Für mich stehen dabei die Fragen im Mittelpunkt: Welche Struktur brauchen wir zukünftig? Welche künftigen Personalbestände müssen wir vorhalten? Welche Anforderungen haben wir an die Polizei, um unter sachgerechter

Beachtung dieser Erfordernisse den Auftrag, die innere Sicherheit zu gewährleisten, zu erfüllen.

Dass sich die Staatsregierung in diesem Zusammenhang gut beraten lassen sollte, wenn sie dabei die Personalvertretungen und die Gewerkschaften hinzuzieht, versteht sich aus meiner Sicht von selbst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dennoch – und das überrascht nicht – werden wir den Antrag der PDSFraktion ablehnen, weil wir glauben, dass genau in diesem Zusammenhang die notwendigen Verfahren nicht abschließend umfangreich geklärt sind und dass das Thema Aufgabenkritik nur unzureichend aufgeworfen wurde. Deshalb hat sich die Koalition darauf verständigt, dass wir einen eigenen Antrag einbringen werden, der überhaupt erst die Grundlage bilden soll, dass die Willensbildung des Parlaments im Zusammenhang mit der Polizei sachgerecht möglich ist. Dieser Antrag ist eingebracht, er trägt die Drucksachennummer 4/3368, und wenn Sie diesen Antrag lesen, werden Sie feststellen, dass Sie die Punkte, die ich gerade genannt habe, dort wiederfinden.

Ich will drei wesentliche Punkte nennen. Erstens: Die zukünftige leistungs- und qualitätsstandardpolizeiliche Arbeit muss klar definiert werden. Zweitens: Die Anforderungen einer bürgernahen Polizei müssen eindeutig bestimmt werden. Drittens: Mit dem Antrag der Koalition haben wir vor allen Dingen die Staatsregierung aufgefordert, eine kurz- und langfristige Perspektive der sächsischen Polizei, vor allem im Hinblick auf die personelle und materielle Ausstattung, vorzulegen.

Darüber hinaus – das ist schon angesprochen worden, auch von Kollegen Bandmann – steht für mich und meine Fraktion fest, dass wir uns den Problemen des Nachwuchses widmen müssen. Das Thema Einstellungskorridor, gerade für jüngere Polizistinnen und Polizisten, ist sinnvoll und notwendig, vor allem deshalb, weil wir den Anforderungen nur mit qualifiziertem Personal gerecht werden. Deshalb müssen wir auf der einen Seite diese Grundlage schaffen, junges, qualifiziertes Personal zu übernehmen, und auf der anderen Seite sicherstellen, dass die langjährigen Erfahrungen älterer Kolleginnen und Kollegen gerade im polizeilichen Ermittlungsdienst nicht verloren gehen, sondern, bildlich gesprochen, auf die nächste Generation übergeleitet werden. Auch hier kann ich den Koalitionsvertrag zitieren, denn er spricht davon, dass erfolgreiche Polizeiarbeit vor allem motiviertes und qualifiziertes Personal braucht.

Im Zentrum unserer Überlegungen steht demnach die Frage: Wie wollen wir dem berechtigten Verlangen der Bürgerinnen und Bürger nach innerer Sicherheit auch in Zukunft angemessen Rechnung tragen?

Gleichwohl dürfen wir nicht vergessen: Wir müssen klar sagen, was wünschenswert ist und was machbar ist. Dabei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass wir die notwendigen Ausgangspunkte jeder zukünftigen Entscheidung daran messen müssen.

Ein Weiteres müsste aus unserer Sicht klar sein: Wir können nicht einerseits Personal abbauen – und das ohne Augenmaß – und andererseits erwarten, dass die Polizei weiterhin eine gute Arbeit leistet – teilweise vielleicht sogar noch besser und umfangreicher.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Insofern brauchen wir dringend, bevor wir zu dieser Entscheidung kommen, die Beantwortung der in dem Antrag der Koalition gestellten Fragen. Wir stehlen uns nicht aus der Verantwortung, wir versuchen auch nicht auf ein anderes Pferd zu setzen, sondern wir sagen, wenn wir diese Verantwortung vorliegen haben, wenn wir ein fundiertes Wissen in den Einzelfragen erlangt haben, dann können wir auch dazu reden und dann wird die Koalition dieses Thema selbst besetzen und ihre Schwerpunkte selbst benennen, und dafür brauchen wir nicht den Antrag der PDS.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Die NPDFraktion, bitte. Herr Abg. Dr. Müller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn von Neustrukturierung die Rede ist, ist aller Erfahrung nach nichts Gutes zu erwarten. Wenn es dann um Personalentwicklung geht, wird in der real existierenden Bundesrepublik daraus fast schon gesetzmäßig ein Personalabbau.

In diesem Sinne muss nun auch die sächsische Polizei erfahren, was es bedeutet, vom „Arm des Gesetzes“ in ein „Dienstleistungsunternehmen innere Sicherheit“ umstrukturiert zu werden, das sich quasi marktwirtschaftlichen Kriterien unterwerfen soll. Auch wenn dies sicher vom Staatsminister des Innern bestritten werden mag, dürften bei der so genannten Umstrukturierung der Polizei die Argumente des Finanzministers eines im Grunde bankrotten Landes schwerer wiegen als irgendwelche Sicherheitsbedenken, so kurzsichtig sie im Hinblick auf die Sicherheitslage auch sein mögen.

Demnach soll nach Kabinettsbeschluss vom 11. Januar 2005 für das Jahr 2010 als Zielgröße der gesamte Stellenbestand des Landes auf 80 000 Planstellen abgeschmolzen werden, um die Personalkosten zu reduzieren. Nach Angaben der Staatsregierung im Fortschrittsbericht 2004 Aufbau Ost bestehe beim Personalbestand ein erheblicher Handlungsbedarf, da anderenfalls der derzeitige Ausgabenanteil für Personal in den nächsten Jahrzehnten im Vergleich zu den westdeutschen Ländern überproportional wachsen würde und unter anderem auch durch die Pensionsausgaben zu einer spürbaren Belastung der Haushalte würde.

Daher müsse der Stellenabbau auch im nächsten Jahrzehnt konsequent fortgeführt werden. Der Stellenabbau

wird unter anderem auch damit begründet, dass selbst bei einer Nettoneuverschuldung von null die Pro-KopfVerschuldung aufgrund des Bevölkerungsrückgangs zunehmen würde. Falls nicht frühzeitig weitere strukturelle Anpassungen gelängen, würden die laufenden Ausgabenpositionen zur finanzpolitischen Handlungsunfähigkeit führen. Auch für die Zukunft sei daher ein weiterer umfangreicher Stellenabbau notwendig.

Grundlage für die Planung ist der Durchschnittswert der alten Flächenländer bei der Stellenausstattung unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung. Daher lassen sich bei schrumpfender Bevölkerungszahl zwar Planstellen einsparen, aber das Territorium des Freistaates Sachsen bleibt gleich groß, sodass bald weniger Polizei für die gleiche Fläche verantwortlich sein wird.

Es geht also darum, auch bei der Polizei um jeden Preis zu sparen, zumal es aktuell um etwa 3 000 Stellen geht. Es liegt dabei auf der Hand, dass dies nicht ohne Auswirkungen auf die Sicherheitslage gehen kann.

So stellte auch die Gewerkschaft der Polizei fest, dass das Ziel der Polizeireform, „mehr Grün auf die Straße zu bringen“, glatt verfehlt wurde. Einziger Sinn und Zweck der Polizeireform ist letztlich der drastische Stellenabbau.

Wenn es dabei zu den unterstellten Disharmonien zwischen dem Staatsminister des Innern und dem Finanzminister als Verwalter des finanziellen Mangels gekommen sein sollte, so wäre dies zumindest folgerichtig gewesen; denn es stellt sich tatsächlich die Frage, ob die bestehenden Aufgaben der Polizei nach einem zu erwartenden massiven Stellenabbau überhaupt noch erfüllt werden können.

Angesichts dieses Szenarios wirkt es schon tragikomisch, als kürzlich der Staatsminister des Innern de Maizière sagte – Zitat –: „Die Neuorganisation der sächsischen Polizei war ein wichtiger und erforderlicher Schritt zur Ausrichtung einer modernen und leistungsfähigen Polizei. Die Sicherheitsstruktur in Sachsen bedarf jedoch einer weiteren Optimierung sowohl in den neu geschaffenen Strukturen der Polizeidirektionen als auch der Polizeireviere und -posten.“

Man darf sicher gespannt sein, wie nach einem personellen Kahlschlag die Neuorganisation und Optimierung der Polizeistrukturen ausfallen werden. Optimierung in diesem Zusammenhang soll wohl heißen, den maroden Haushalt auf dem Rücken der Polizei zu sanieren. Gerade jetzt, da die Position der Staatsregierung zur künftigen Personalentwicklung im Bereich der sächsischen Polizei ganz offenkundig durch den Rotstift diktiert wird, ist die Staatsregierung in der Pflicht, dem Parlament und den Bürgern gegenüber Klarheit zu schaffen, wie die innere Sicherheit nach den Sicherheitsbedürfnissen der Einwohner gewährleistet werden soll.

Es ist schon jetzt ersichtlich, dass das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stark abgenommen hat. So unbegründet scheint dies auch nicht zu sein. So stellt die

polizeiliche Kriminalstatistik für 2004 fest, dass die Aufklärungsquote um 1,3 % auf 57,9 % gesunken ist. Weniger Polizei bedeutet selbstverständlich auch weniger Sicherheit.

Im Hinblick auf das Anwachsen des grenzüberschreitenden Verbrechens im Zuge der EU-Erweiterung ist gewiss ein Mehr und nicht ein Weniger an Sicherheit gefragt.

(Beifall bei der NPD)

Was die Einsparpotenziale im sächsischen Haushalt betrifft, gibt es sicherlich noch eine ganze Reihe anderer Positionen, die auf den Prüfstand gehören, bevor bei der Polizei Personal abgebaut wird.

(Staatsminister Dr. Thomas de Maizière: Verfassungsschutz! – Uwe Leichsenring, NPD: Das wohl zuallererst?)

Das Frankreich dieser Tage ist ein echter Beweis dafür, dass zum Beispiel multikulturelle Träume an der Realität vorbeigehen und wir eine Politik des starken Staates brauchen, um die innere Sicherheit auch perspektivisch zu gewährleisten.

Wir werden dem Antrag der Linksfraktion.PDS zustimmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Von der FDP spricht jetzt Herr Dr. Martens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Thema vorab eine Anmerkung. Es muss etwas richtig gestellt werden. Herr Dr. Müller, wenn Sie davon sprechen, dass es im Zuge des Erweiterungsprozesses der EU zu einem Anwachsen grenzüberschreitender Kriminalität gekommen ist, dann ist das falsch. Das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der SPD)

Diese Kriminalität hat abgenommen. Aber wieder einmal beweist sich: Niemand ist so blind wie der, der nicht sehen will.

(Beifall bei der CDU – Alexander Delle, NPD: Es gibt Studien darüber!)

Vorweg etwas zur Personalentwicklung. Wir brauchen eine leistungsfähige Polizei, die ein hohes Niveau innerer Sicherheit flächendeckend gewährleistet.

In diesem Zusammenhang nochmals eine kurze Anmerkung zu der umgesetzten Polizeireform, zur Polizeistrukturreform, die bei dem Thema Polizeientwicklung sicherlich noch nicht das Ende der Entwicklung sein konnte. Sie wurde jetzt erst umgesetzt. Die versprochenen Effekte – darüber sind sich die meisten in diesem Hause einig – sind nicht so eingetreten, wie es erwartet worden ist. Im Vollzugsdienst vor Ort ist von den angekündigten Stellen nicht viel angekommen und die Hälfte der zusätzlichen

Stellen ist gleich wieder im Wege von Abordnungen unter anderem zur Ausbildung verschwunden und steht dem Einsatz im Vollzugsdienst vor Ort gerade nicht zur Verfügung.

Die Personalentwicklung wird den Landtag sicherlich auch noch in Zukunft sehr heftig beschäftigen. Gerade die mittelfristige Personalplanung der Staatsregierung lässt erwarten, dass hier im Bereich des Innenministeriums und natürlich auch im stärksten Personalbereich der Polizei, im Vollzugsdienst, Stellen zu streichen sind. Ob dies 3 000 oder 2 800 Stellen sein werden, das wissen wir nicht. Das ist aus gegenwärtiger Sicht auch noch nicht entscheidend.