Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

fundierte Aufgabenkritik der sächsischen Polizei? Ich darf daran erinnern, dass es dazu eines Konsenses über zu erfüllende Aufgaben in diesem Bereich bedarf. Den haben wir aber nicht.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, in Sachsen heißt es: Berlin ist weit. Sie haben hier in Sachsen als Innenminister zahlreiche Großbaustellen angefangen. Es wäre gut, Ihrem Nachfolger mitzugeben, dass die Entscheidungen, die künftig zu treffen sind, nicht an den Interessen der Betroffenen vorbeigehen dürfen.

Die Gewährleistung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land verlangt stabile wirtschaftliche, aber auch soziale Verhältnisse – auch in der Polizei. Alles andere befördert Chaos und das wollen wir nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die CDUFraktion spricht jetzt der Abg. Bandmann.

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS: Oh!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Vorrednerin, Sie haben ja die Katze aus dem Sack gelassen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Was?)

Offensichtlich sind aus dem Sack viele kleine Gespenster hervorgekommen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Kätzchen!)

Aber Spaß beiseite. Zum wiederholten Mal in diesem Jahr versucht die Linksfraktion.PDS, die Neuordnung der sächsischen Polizei zu thematisieren. Dieses Mal hat sie sich das Thema Stellenabbau herausgesucht. Weil hierzu tatsächlich noch keine Zahlenvorstellungen weder des Innen- noch des Finanzressorts konkretisierbar sind, eignet sich dieses Thema in den Augen der Linksfraktion.PDS in besonderer Weise dazu. Oppositionsaufgabe aus Ihrer Sicht ist offensichtlich, Unruhe und Unsicherheit bei den Bediensteten der sächsischen Polizei zu verbreiten. Da wird schnell einmal das Polizeiorchester oder die Polizeireiterstaffel erwähnt. Das sind nun gerade die Aushängeschilder der sächsischen Polizei, die wichtig für die Akzeptanz bei der Bevölkerung sind. Dazu machen Sie eine beiläufige Bemerkung, um zu vermitteln, dass da etwas im Busch wäre.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Diese Rechnung wird nicht aufgehen.

Lassen Sie mich, bevor ich auf den Berichtsantrag der Linksfraktion.PDS zurückkomme, noch einige Bemerkungen zur Polizeistrukturreform machen, weil das für das heutige Thema wichtig ist. Sie sind darauf auch eingegangen.

Die Neuordnung der sächsischen Polizei ist in der Tat eine sächsische Erfolgsgeschichte. Dass gerade die Linksfrak

tion.PDS heute die Polizei so hervorhebt, ist offensichtlich Ergebnis eines ersten positiven Erkenntnisprozesses. Hoffentlich wird das bei weiteren Debatten so bleiben. Wir kommen darauf sicher noch zurück.

Die Eigenverantwortung und die Entscheidungsbefugnisse der Polizeidirektionen, gerade auch im Personalbereich, sind entscheidend gestärkt worden. Eine ganze Hierarchieebene ist bei dieser Strukturreform weggefallen. Darüber waren wir uns immer einig. Dies bezeugt gerade den Veränderungswillen und die Leistungsfähigkeit aller Beteiligten vom Polizeirevier bis hin zu den Ministerien. Dafür gebührt sowohl den Polizistinnen und Polizisten als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unser herzlicher Dank.

(Beifall bei der CDU)

Innere Sicherheit wird in Sachsen weiterhin großgeschrieben. Die Polizeistrukturreform, die seit dem 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, wirkt sich positiv auf die innere Sicherheit in Sachsen aus. Sie hat die Polizeiorganisation schlanker und effizienter gemacht. Die polizeiliche Basis konnte durch den notwendigen Abbau der Polizeipräsidien um zirka 360 Stellen gestärkt werden. Dies sind 360 Stellen mehr in den Polizeiposten und -revieren, die der Sicherheit der Menschen in Sachsen unmittelbar zugute kommen. Die Reform hat aber nicht nur 360 Polizisten mehr in die Basisdienststellen gebracht, sondern auch die Informationsübermittlung deutlich beschleunigt und die Leistungsfähigkeit der einzelnen Dienststellen erhöht. Andere Länderpolizeien zollen ihr dafür Hochachtung und nehmen sie sich zum Vorbild. Auch dafür gebührt Ihnen, Herr Staatsminister Dr. de Maizière, aber auch Ihrem Vorgänger, Herrn Staatsminister a. D. Horst Rasch, und Ihren jeweiligen Mitarbeitern unser Dank und unsere Anerkennung.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Bandmann?

Bitte schön.

Bitte, Frau Dr. Ernst.

Herr Bandmann, es freut mich, dass Sie das alles so positiv sehen. Damit haben wir kein Problem.

Ich hätte an Sie folgende Frage: Es gibt diesen glorreichen Vorschlag der Expertenkommission, der darauf abstellt, in den nächsten Jahren einen Personalabbau von bis zu 2 800 Stellen vorzunehmen. Glauben Sie, dass wir, nachdem, was Sie hier dargestellt haben, darauf verzichten könnten? Welche Meinung haben Sie dazu, und zwar aus Ihrer Sicht auf die Neustrukturierung der Polizei seit dem 01.01.2005, die Sie für erfolgreich halten?

Frau Kollegin Ernst, es ist in der Tat ein Vorschlag. Aber ich werde im weiteren Verlauf meines Redebeitrages noch genau auf diese Fragestellung

eingehen, und Vorschläge – das wissen Sie genau so gut wie ich –, zumal von Expertenkommissionen, haben dieses Haus noch nie so verlassen, wie sie hineingekommen sind. Von daher, denke ich, ist dazu die Frage zunächst beantwortet. Aber ich komme noch darauf zu sprechen.

Zusammen mit der sächsischen Wachpolizei sind im Freistaat Sachsen 13 000 Stellen dem Polizeivollzugsdienst zugeordnet. Das ist auch im Ländervergleich ein ansehnlicher Wert. Diesen Fakten ist es unter anderem zu verdanken, dass Sachsen das sicherste Land im östlichen Deutschland ist und sich im Durchschnitt aller deutschen Bundesländer bewegt. Das Fünf-plus-zwei-Modell der Polizeidirektionen ist ein zukunftsweisendes Modell.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Bandmann?

– Nein, bitte nicht. Ich möchte erst einmal im Zusammenhang vortragen.

Es gewährleistet auch in Zukunft einen effizienten polizeilichen Einsatz. Ich erinnere daran – da sind wir bei den Fakten –, dass eine neue, eben erschienene Bertelsmannstudie Sachsen den 5. Platz im Länderranking zur inneren Sicherheit bescheinigt hat, den 5. Platz in Deutschland! Die CDU-Fraktion wird alles tun, dass dieser Platz gehalten und möglichst weiter verbessert wird.

Im Übrigen, Frau Dr. Ernst, haben Sie, wenn Sie bei großen Demonstrationslagen defensiv-präventiv auf Ihre eigene Klientel mit einwirken, dass es in Zukunft weniger verletzte Polizisten gibt, dass es weniger Ärger bei den Bürgern gibt, mit ihren Entscheidungsmöglichkeiten unmittelbaren Einfluss. Wenn ich insoweit Ihren Zwischenruf bewerten kann, dann möchte ich Ihnen im Vorhinein schon danken für Ihren Einsatz.

Herr Abgeordneter, es gibt noch eine Zwischenfrage von Herrn Lichdi.

– Herr Lichdi, haben Sie bitte Verständnis. Dem werten, geschätzten Kollegen Friedrich habe ich eben keine Frage beantwortet. Deshalb möchte ich auch Ihre Frage jetzt nicht beantworten, sonst ist Herr Dr. Friedrich, der ja das letzte Mal die Sitzungsleitung hier im Hohen Hause, im Innenausschuss, hatte, etwas verärgert, und das möchte ich vermeiden.

Dabei ist wichtig, dass die Bediensteten von Anfang an in die Strukturreform eingebunden worden waren. Die Gewerkschaft der Polizei und die übrigen polizeilichen Interessenvertretungen waren stets einbezogen worden. Von Anfang an gab es Dienstversammlungen in den Polizeidirektionen und Polizeipräsidien, im Landeskriminalamt, in der Landespolizeidirektion Zentrale Dienste und in der Landespolizeischule. Im Internet der sächsischen Polizei wurde seit Juni 2003 eine Informationsplattform über die Polizeistrukturreform eingerichtet. Von September 2003 bis Januar 2005 wurden über 80 000 Zugriffe registriert. – So viel auch zur Mitarbei

terbeteiligung. Die Personalvertretungen, insbesondere der Polizeihauptpersonalrat – Herr Kubitz, waren eng in den Prozess der Neuorganisation eingebunden. Nur so ist zu erklären, dass die Polizeistrukturreform ohne wesentliche Verwerfungen vonstatten ging.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion um eine eventuell notwendige Anpassung der Stellenzahl an die veränderten Rahmenbedingungen zu führen, denn eines ist klar: Nichts bleibt so, wie es ist. Unsere Rahmenbedingungen verändern sich ständig, auch im Freistaat Sachsen. Wohin es führt, wenn notwendige Veränderungen nicht oder halbherzig vorgenommen werden, sehen wir derzeit im Bund, aber auch in vielen anderen Ländern. Solche Politik ist nicht sozial, sondern letztlich zutiefst unsozial. Sie geht zulasten aller und verlagert die notwendigen Entscheidungen in die Zukunft, auf Kosten unserer Kinder. Das kann aber letztlich nur eines bedeuten: Diese Prozesse und Entscheidungen werden in der Zukunft teurer, viel teurer zu bezahlen sein, als wenn man sie zur rechten Zeit durchführt.

Zu diesen veränderten Rahmenbedingungen zählt die weiter zurückgehende Bevölkerung. Ob uns dies passt oder nicht – dieser Prozess ist so ohne weiteres nicht zu verändern. Die Entwicklung der Staatsfinanzen, denke ich, ist mittlerweile bis zum Verdruss in der öffentlichen Debatte. Die Bevölkerung in Sachsen nimmt nach allen realistischen Voraussagen bis zum Jahr 2020 um etwa 600 000 Menschen ab und bleibt bei einer Zahl von etwa 3,7 Millionen Einwohnern, nicht in erster Linie wegen der Abwanderung, sondern wegen des Sterbeüberschusses. Das sind die Fakten, und diese müssen wir zunächst zur Kenntnis nehmen.

Es gibt hier eine Zwischenfrage.

Das sind mehr Menschen, als die Landeshauptstadt Einwohner hat – um einmal eine Größenordnung zu haben.

Nein. Ich bleibe jetzt erst einmal bei meinen Ausführungen. Frau Dr. Ernst hat ja sicher die Möglichkeit, noch einmal etwas in ihrem Schlusswort zu sagen.

Hinzu kommt die jedermann bekannte Entwicklung der Staatsfinanzen. Allein die Solidarpakt-II-Mittel nehmen von 2005 bis 2019 kontinuierlich ab. Sachsen muss lernen, mit wesentlich weniger öffentlichem Geld in Zukunft auszukommen. Alle diese Faktoren können wir kaum oder nur am Rande beeinflussen. Niemand, auch der Gutwilligste, kann diese Entwicklung ignorieren.

Das sind die Rahmenbedingungen, innerhalb derer mit Modernität und großem persönlichen Einsatz bei der Polizei, bei weniger Einwohnern und weniger Geld innere Sicherheit gewährleistet wird. Dafür – das haben wir mehrfach an diesem Pult betont – danken wir den Bediensteten und der Polizei vonseiten der CDU-Fraktion.

Ich spreche hier für die Koalition, also auch im Namen der SPD.

Genau deshalb, Herr Dr. Hahn, haben die Koalitionsfraktionen eine Funktional- und Verwaltungsreform im Koalitionsvertrag verankert. Deshalb wurden Experten beauftragt und haben Vorschläge, ich sage Vorschläge, zur künftigen Verwaltungsstruktur auf den Tisch gelegt. Auch auf den Polizeibereich haben die veränderten Rahmenbedingungen Einfluss.

Frau Dr. Ernst, die notwendigen Personalveränderungen bei der Polizei müssen sich aber auch auf das sicherheitspolitisch Machbare, auf das Mögliche beschränken. Die Personal- und Altersstruktur der sächsischen Polizei muss aus unserer Sicht im Auge behalten werden. Ich sage in aller Deutlichkeit, dass die Polizei und gerade die Polizei auch zukünftig jungen Menschen eine berufliche Perspektive bieten muss. Der Bestand einer motivierten und qualifizierten Polizei in Sachsen muss durch einen Einstellungskorridor gerade für jüngere Polizisten gesichert sein. Polizisten sind als Beamte aus betriebsbedingten Gründen unkündbar. Kein Polizist muss deshalb um seinen Arbeitsplatz fürchten. Erlauben Sie mir aber an dieser Stelle eine Feststellung. Dies ist ein Privileg, über das die Mehrheit der unselbstständig Tätigen im Freistaat Sachsen nicht verfügt. Die sind es aber, die das Geld erwirtschaften, auch für die Polizei.

Wie umfangreich die notwendigen Stellenanpassungen sein würden, vermag zum gegenwärtigen Zeitpunkt – das ist die Antwort auf Ihre Frage eben – niemand auszusagen. Alles, was hierzu derzeit in der Öffentlichkeit, auch heute Morgen wieder in einem Pressebericht seitens der Gewerkschaft der Polizei, geäußert wird, ist Spekulation. Es gibt derzeit noch keine Entscheidung über den Umfang einer möglichen Stellenanpassung in der Polizei. Ich habe Verständnis, dass die Polizeigewerkschaft natürlich ihre Interessenvertretung artikulieren muss, aber es gibt diese Entscheidung nicht.

Der Freistaat Sachsen hat nicht nur im Schulbereich einen Spitzenplatz erreicht. Auch im Bereich der inneren Sicherheit ist Sachsen eines der sichersten Bundesländer für die Menschen. Wir werden dafür sorgen, dass dies so bleibt. CDU und SPD im Freistaat werden dies garantieren. Sachsens Polizei muss auch künftig gut ausgestattet sein und genügend jungen Leuten eine berufliche Chance bieten, dann liegen in der Veränderung auch viele Chancen, und wir brauchen nicht die Angst vor den Veränderungen an die Spitze der Debatte zu stellen, sondern die Hoffnung, dass wir die Leistungsfähigkeit in Sachsen und die Zukunftschancen in unserem Land zum Wohle der Menschen nutzen werden. Dafür stehen wir hier in der Verantwortung und auch im Wort.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion, bitte; Herr Abg. Brangs.