Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussionsbeiträge aller Fraktionen haben gezeigt, dass wir vor allem ein Problem haben: Wir haben keine verlässliche Datenbasis, und wir haben vor allem keine verlässliche abgestimmte Datenbasis. Insoweit habe ich hier im Hause einen breiten Konsens festgestellt, auch seitens der Staatsregierung. Frau Ministerin, Sie haben ebenfalls darauf hingewiesen, dass wir abgestimmte Daten benötigen, um vernünftig verhandeln zu können. Wir haben uns daher als FDP-Fraktion entschlossen, den ersten Absatz unseres Antrages als Änderungsantrag zum Antrag der Koalitionsfraktionen zu stellen, und zwar ergänzt um eine Datumsangabe.
In Zeile 3, in der es heißt: „Ist-Meldungen der Kommunen“, wollen wir einfügen: „zum 31.12.2005“ und diesen Absatz so als Ergänzungsantrag zum Antrag der Koalitionsfraktionen stellen. Ich denke, damit ist dem Anliegen Genüge getan, das sich aus der Diskussion ergeben hat, nämlich zum einen: Wir brauchen verlässliche Informationen, wir brauchen eine verlässliche Datenbasis, und wir müssen zum anderen diese Dinge zwischen Kommunen, Land und Bund abgleichen. Wir müssen über die Datenlage einen Konsens erzielt haben, und wenn wir diesen erzielt haben, dann, denke ich, ist es notwendig, in diesem Hause erneut über die Konsequenzen aus dieser abgestimmten Datenlage zu diskutieren.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/3216 zur Abstimmung. Es ist der Antrag
der Fraktionen von CDU und SPD. Dazu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion der FDP in Drucksache 4/3380, der soeben eingebracht wurde. Ich möchte ihn noch einmal verlesen, da er nicht allen Abgeordneten vorliegt:
„Änderungsantrag der FDP-Fraktion zur Drucksache 4/3216. Der Landtag möge beschließen, dem Antrag folgenden Absatz anzufügen: 2. Über die aktuellen finanziellen Be- und Entlastungswirkungen von Hartz IV für die sächsischen Kommunen, unterteilt nach den einzelnen Landkreisen und Kreisfreien Städten auf der Basis der IstMeldungen der Kommunen vom 31.12.2005 zu berichten und zu bewerten, ob die Mehrbelastungen der neuen Bundesländer (insbesondere Sachsens) durch die gewährten Hartz-IV-SoBEZs ausreichend kompensiert werden.“ Die Begründung ist durch die FDP-Fraktion erfolgt.
Wir gehen bei diesem Änderungsantrag davon aus, dass dies nicht nur der Stichtag 31.12.2005 ist, sondern dass diese Daten mit denen des Bundes abgeglichen werden; sonst macht der Antrag keinen Sinn. Dies bitte ich festzuhalten. Unter dieser Voraussetzung werden wir als Koalition dem zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was Kollege Albrecht gesagt hat, ist natürlich richtig. Wir werden dem Änderungsantrag der FDP auch zustimmen. Allerdings – Kollege Morlok hat es angesprochen – ist es ein Thema, über das sich alle demokratischen Fraktionen hier einig sind. Vielleicht sollten wir, um die Einigkeit zu demonstrieren, bei solchen Themen gelegentlich dazu kommen, einen gemeinsamen Antrag einzubringen, der sich dieser Problematik annimmt. Das hätte dem Hohen Hause eigentlich ganz gut zu Gesicht gestanden. Ich wünsche es mir für die Zukunft. Heute stimmen wir dem Antrag der FDP genauso zu wie dem Koalitionsantrag insgesamt.
Meine Damen und Herren! Der Geschäftsordnung halber lasse ich zunächst über den Änderungsantrag der FDP, Drucksache 4/3380, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen.
Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Das kann ich nicht erkennen. Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit ist dieser Änderungsantrag einstimmig angenommen worden.
Wir kommen demzufolge zur Abstimmung über den Antrag der CDU- und SPD-Fraktion mit dieser beschlossenen Änderung. Ich frage nach Ihrer Zustimmung. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist dieser Antrag einstimmig beschlossen.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Drucksache 4/3079, einen Antrag der Linksfraktion.PDS. Hier wurde die punktweise Abstimmung beantragt. Ich rufe den Punkt 1 auf. Wer diesem Punkt seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und einer größeren Anzahl Für-Stimmen ist dennoch dieser Punkt 1 mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich frage nach der Zustimmung zu Punkt 2. Wer kann dem Punkt 2 seine Zustimmung geben? – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, eine Reihe Stimmen dafür. Dennoch ist der Punkt 2 mehrheitlich abgelehnt worden. Demzufolge erübrigt sich die Abstimmung über den Gesamtantrag.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der NPDFraktion, Drucksache 4/3081. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, Stimmen dafür; aber mehrheitlich wurde dieser Antrag abgelehnt.
Der FDP-Antrag hat sich demzufolge erledigt. – Wir müssen dennoch über ihn abstimmen. Ich rufe auf zur Abstimmung die Drucksache 4/3181, einen Antrag der FDP-Fraktion. Ich frage nach Ihrer Zustimmung. – Danke schön. Ich frage nach Gegenstimmen. – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Einige Stimmen dafür und dennoch eine große Anzahl Gegenstimmen. Demzufolge ist der Antrag der FDP-Fraktion mehrheitlich abgelehnt worden.
Damit, meine Damen und Herren, haben wir den Tagesordnungspunkt 5 abgearbeitet, und wir können ihn beenden.
Position der Staatsregierung zur gegenwärtigen und zukünftigen Personalentwicklung im Bereich der sächsischen Polizei
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: Linksfraktion.PDS, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Einreicherin das Wort. Frau Abg. Dr. Ernst, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun ist die Katze aus dem Sack, zumindest aus dem Sack der Expertenkommission der Verwaltungsreform. Diese meint nämlich im Zusammenhang mit Stellenplänen, die künftig gelten sollen, dass Personalentwicklung im Polizeibereich in allererster Linie Personalabbau heißen soll. Bis 2010 sollen pauschal 1 800 Stellen und bis 2020 noch einmal 1 000 Stellen abgebaut werden – jede fünfte Stelle!
Nun gibt es mehrere Varianten, wie man auf solche Vorschläge reagiert. Variante Nummer eins: Beispielsweise tut man so, als gibt es einen solchen Vorschlag nicht, und verkündet ähnlich wie vor Längerem der Innenminister: Er lasse sich nicht durchs Land treiben. Nun kommen Sie uns ärgerlicherweise abhanden, aber das Problem bleibt.
Die zweite Variante ist: Man macht sich einen solchen Vorschlag zur Arbeitsgrundlage und wurstelt daran herum. Wie auch immer sich die Staatsregierung hier verhält, eines steht fest: Für die Polizei ist eine Sache wichtig – Klarheit, und dies so schnell wie möglich. Die Kolleginnen und Kollegen im Polizeibereich wollen wissen, wie es weitergeht. Ich übrigens auch.
Als der Innenminister verkündete, sich nicht als Einziger durchs Land treiben zu lassen, ließ er eine Analyse in seinem Ministerium erarbeiten, bei der ermittelt wurde, welche Auswirkungen ein Stellenabbau bis 3 000 Personen auf die Arbeitsfähigkeit der Polizei und vor allem auf das objektive Sicherheitsniveau hätte, ein so genanntes Ampelpapier mit drei hübschen Szenarien – mit Grün, Gelb und Rot bezeichnet. Im Übrigen: Eine solch bemerkenswert ehrliche Analyse, der wir fast Punkt für Punkt nur zustimmen können, kommt relativ selten vor.
Konsequenz dieser Analyse kann allerdings nur eines sein, Herr Innenminister: Ein klipp und klares Nein zu einem pauschalen Personalabbau bis zu 2 800 Stellen. Deswegen stehe ich hier. Ein Nein deshalb zu einem solch pauschalen Personalabbau, weil Sie dies eigentlich auch so sehen – in Ihrem Ministerium.
Ich entnehme nämlich dieser Vorlage, dass unter dem Szenario Rot, also dem ganz Bösen, das einen Wegfall bis 3 000 Stellen beschreibt, unter Personalabbau Folgendes
zu verstehen ist: Auflösung der Verkehrsüberwachung mit den Folgen – so Ihr Ministerium: Reduzierung des Verfolgungsdrucks, Zunahme von Verkehrsunfällen, Auflösung der Polizeiposten wiederum mit den Folgen – so Ihr Ministerium: Rückgang der Vorort-Präsenz und sinkendes Sicherheitsgefühl, Wegfall der Präventionssachbearbeiter wie überhaupt von Prävention. Das hieße in erster Linie, wenn ich darauf verweisen darf: Jugendprävention.
Wer macht es dann? Wegfall der Bürgerpolizisten, Reduzierung des Personals bei OK-Bekämpfung, der Wirtschaftskriminalität und Korruption, Reduzierung der Streifendienste mit der Folge – so Ihr Ministerium – einer verminderten Ansprechbarkeit der Polizei und der Verringerung – logischerweise – der Erkenntnisgewinnung bei Straftaten, Wegfall von Standorten, Halbierung der Reviere mit der Folge der Beeinträchtigung des Sicherheitsniveaus und abnehmenden Anzeigeverhaltens. Fazit des Ministeriums, zumindest dieses Papiers: Mit einer solchen Stellenreduzierung müssten Kernaufgaben der Polizei eingeschränkt, ja, sogar abgeschafft werden – siehe Prävention.
Meine Damen und Herren! Hier sind wir an einem neuralgischen Punkt. Die Frage ist: Wollen wir das? Bevor wir Ja oder Nein sagen, müssen wir eine andere Frage klären. Die „kriegsentscheidende“ Frage ist doch:
Was für eine Polizei wollen wir künftig in Sachsen haben? Was sollen ihre Kernaufgaben sein? Wollen wir die Polizei – das ginge ja – als eine Art Interventionstruppe, gewissermaßen eine schnelle Eingreifgruppe, die solche Aufgaben erfüllt, die vor allem reagierenden Charakter haben? Dann brauchen wir über Bürgerpolizisten nicht zu reden. Wir können das Polizeiorchester und auch die Pferdestaffel abschaffen. Die Prävention ist nicht mehr unbedingt nötig. Das machen andere. Auch Streifenpolizisten sind nicht mehr erforderlich. Weitere Personalreduzierungen sind möglicherweise nicht mehr problematisch.
Die zweite Frage ist: Wollen wir eine Art Bürgerpolizei? Wir als Linksfraktion.PDS wollen das. Wollen wir eine Art Bürgerpolizei, die sich über intervenierende Aufgaben hinaus gewissermaßen als Dienstleisterin für Bürgerinnen und Bürger verstanden wissen will? In diesem Falle wären präventive Aufgaben unbedingt Bestandteil einer solchen Polizei. Daran darf nicht gerüttelt werden.
Dann müssten wir natürlich über Polizeireviere, Posten und Strukturen völlig anders reden, weil ein unkomplizierter bürgernaher Zugang zur Polizei natürlich wichtig ist. Dabei könnten wir uns auch für den Vorschlag der GdP erwärmen, zahlreiche Aufgaben länderübergreifend
zu lösen. Dafür wurden in den letzten Jahren schon große Mengen an Papier beschrieben. Vielleicht könnte uns das einen Schritt nach vorn bringen.
Aber auch hier steht die Frage: Was soll Polizei und was nicht? Was ist das Maß der Beurteilung für polizeiliche Arbeit und Aufgaben? Ist es mir egal, wenn die Wartezeit bei Unfällen oder Anzeigenaufnahmen länger wird? Ist es für die BürgerInnen und den Staat sinnvoll, Polizeiposten aufrechtzuerhalten oder nicht? Diese Fragen hat die GdP jüngst zirka 1 200 Bürgerinnen und Bürgern gestellt. Es lohnt sich, die Antworten anzuschauen.
Davon, wie die Kernaufgaben bestimmt werden, hängt auch das Image der Polizei ab. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, welches Image die Polizei haben soll.
Ich will nicht missverstanden werden. Ich glaube auch, dass mancher Hinweis der Expertenkommission wichtig ist. Das betrifft zum Beispiel den Hinweis, dass wir die demografische Entwicklung im Blick haben müssen. Wir müssen auch den Haushalt, so wie er ist, in unsere Überlegungen einbeziehen. Das ist richtig. Diese Argumente will ich nicht wegwischen. Ich will aber feststellen: Als alleiniges Kriterium für Personalentwicklung, -abbau oder was auch immer kann das nicht gelten. Insofern ärgert es mich, dass diese Expertenkommission – und so nennt sie sich ja – im Zusammenhang mit ihren Vorschlägen keinerlei Aufgabenkritik vorgenommen hat.
Meine Damen und Herren! Ich entnahm einer Kleinen Anfrage meines Kollegen Heiko Hilker, dass die Polizei 2004 816 374 Stunden Mehrarbeit geleistet hat. Es trifft also nicht zu, dass unsere Polizei faul ist. Ich las in den Medien von künftig unterbesetzten Polizeirevieren beispielsweise in Dresden, im Erzgebirge und in Westsachsen, von Tagen, an denen in manchen Polizeirevieren kein Streifenwagen verfügbar ist und man sich Aushilfe besorgen muss. Es heißt in einem Zitat des GdP-Chefs Kubitz: „Wir waren einmal eine sehr gute Polizei. Jetzt sind wir nur noch Mittelmaß. Wir agieren nicht mehr, sondern reagieren nur noch. Wir fahren in alten Möhren und schrubben unnötige Kilometer.“
Vielleicht sollten wir erst einmal über diese Themen reden, bevor wir irgendwelche Kürzungspläne irgendeiner Expertenkommission ins Auge fassen.
Die Vorschläge der Expertenkommission zum Stellenabbau, die in den nächsten Wochen und Monaten diskutiert werden, halten wir für abenteuerlich und unseriös, weil keine Situationsanalyse, keine Aufgabenkritik, keine Bestimmung der Kernaufgaben vorgenommen und so auch keine Diskussionsgrundlage für uns benannt wurde.
Herr Staatsminister, natürlich erwarte ich heute keine abschließende Position der Staatsregierung. Das ginge nicht und ist nicht mein Ansinnen. Aber ich will von Ihnen wissen: Von welchen Kernaufgaben soll die Polizei künftig ausgehen? Was sind Ihre Grundsätze für eine