Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Jetzt habe ich eben versucht, auf die Schnelle etwas zu formulieren. Ich gestehe Ihnen ganz offen: Das ist mir nicht gelungen. Daher würde ich auch bei dem verbleiben, was der Kollege Martens gesagt hat. Wir unterstützen

dieses Anliegen. Wenn vielleicht die Staatsregierung einmal ein Signal geben kann, wäre das sicher hilfreich, damit wir gemeinsam eine Lösung finden. Ansonsten können vielleicht auch wir drei Fraktionen – oder eine Fraktion, die die schnellste ist – das Problem lösen.

Ansonsten wäre eigentlich zu dem Gesetzentwurf auch noch das eine oder andere zu sagen gewesen. Ich möchte nur auf einen Punkt hinweisen, der mir auch in der öffentlichen Debatte wichtig erscheint. Es wird ja immer viel von Deregulierung gesprochen. Auch dieser Vorschlag mit der Sunset legislation, was es im Grunde mit den zwei Jahren ist, dass dann verfällt, was nicht in der Positivliste der Verwaltungsvorschriften erfasst wird, ist zwar hilfreich, aber es ist nur ein formales Instrument. Das Eigentliche, was im Sinne einer wirklichen Deregulierung zu leisten wäre, wäre doch eine inhaltliche Prüfung des Bestandes aller Verwaltungsvorschriften und eine inhaltliche Zusammenfassung. Da irritiert mich doch schon sehr, dass in der Öffentlichkeit, auch vonseiten der Staatsregierung, immer solche mehr oder weniger Kinderspielereien wie der Paragrafenpranger in den Vordergrund gestellt werden oder eine solche durchaus hilfreiche Geschichte, wie sie hier in den Vordergrund gestellt wird. Der eigentlichen Arbeit einer wirklichen inhaltlichen Zusammenfassung – wohlgemerkt: unter Beibehaltung der Allgemeinwohlsteuerungsfunktion, die die allgemeinen Verwaltungsvorschriften haben – wird sich leider nicht unterzogen.

Von daher können wir dem Gesetzentwurf im Grunde zustimmen; aber er leistet bei weitem nicht das, was ihm in der Öffentlichkeit von der Koalition und der Staatsregierung beigemessen wird.

Vielen Dank.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Herr Abg. Schiemann, CDU-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss mich schon ein wenig wundern: Zunächst wurde uns signalisiert, dass es keine Aussprache gibt, und dann wird dieser Grundsatz durchbrochen.

Es hat im Ausschuss eine sehr tief greifende Diskussion gegeben. Angestoßen von den Koalitionsfraktionen, haben wir uns der Frage gewidmet, die von der kommunalen Ebene gekommen ist. Der Städte- und Gemeindetag und der Landkreistag haben angefragt, welche Qualität Erlasse, Verwaltungsvorschriften und andere schriftliche Äußerungen der Staatsregierung haben. Dies war ein Punkt, dem wir uns intensiv gewidmet haben, und ich glaube, wir haben das Problem – zumindest seitens der Staatsregierung – dann auch beantwortet bekommen: dass die Staatsregierung die Verwaltungsvorschriften, die von ihr erlassen werden und die auch öffentlich gemacht werden können, auch entsprechend technisch veröffentli

chen wird. Dies haben wir zur Kenntnis genommen. Deshalb verstehe ich nicht, dass über diesen Weg der Versuch unternommen wird, dass alle – so, wie es Herr Kollege Dr. Martens hier angesprochen hat – Verwaltungsvorschriften zu veröffentlichen sind.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte keine Zwischenfrage gestatten; Herr Bartl hat ja die Gelegenheit genutzt, seine Position sehr weitgreifend darzulegen, und Herr Kollege Dr. Hahn war nicht in der Ausschussdebatte. Es war eine sehr weit greifende, durchaus sachlich faire Debatte, die wir dort hatten.

Ich möchte die Staatsregierung noch auf den zweiten Punkt hinweisen. Wir haben auch die Frage gestellt: Ist dieser Gesetzentwurf wirklich auch eine Vereinfachung? Ist es ein Beitrag dazu, dass Verwaltung weniger belastet wird? Die Frage wurde zumindest in der Diskussion gestellt. Ob dies der Fall sein wird, werden wir in den nächsten Jahren merken.

Wichtig ist mir, noch einmal eines festzustellen: dass sich auch die beiden Koalitionsfraktionen deutlich an der Diskussion beteiligt haben. Am Schluss haben wir jedoch seitens der beiden Koalitionsfraktionen gesagt: Wir brauchen jetzt keine gesetzliche Veränderung des Textes mehr, und die Erweiterung, die Herr Bartl hier vorschlägt, wird von den Koalitionsfraktionen so, wie meine Vorredner dies gesagt haben, abgelehnt.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Bitte, Herr Bartl.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege, ich hatte in der Pause ein Gespräch mit Leuten, die gesagt haben: Könnten wir nicht die gesamte Problematik der Debatten im Landtag abschaffen und nur noch abstimmen, da ohnehin das, was hier besprochen wird, für die Katz ist, weil längst alles entschieden ist?

Jetzt sage ich es einmal vereinfacht: Wenn wir im Plenum nicht mehr die Möglichkeit haben, einen offenkundigen Fehler im Gesetz zu korrigieren, können wir uns das Plenum schenken. Ende der Durchsage.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der NPD)

Herr Schiemann, die Position ist unhaltbar. Dann brauchen wir kein Plenum mehr. Diskutieren Sie das in der Mehrheitsfraktion und in den Ausschüssen, und bestellen Sie keine Leute auf die Tribüne! Es ist ein Unding, als Parlament so etwas zu sagen.

(Alexander Delle, NPD: Das machen wir doch nicht!)

Das Problem ist Folgendes: Im Präsidium ist gesagt worden: Vorbehaltlich der Verständigung in den Ausschüssen, speziell im federführenden Ausschuss, gibt es keine Aussprache. – Danach gab es im federführenden Ausschuss offensichtlich ein Kernproblem, nämlich die Frage

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Nach der Präsidiumssitzung!)

nach der Präsidiumssitzung –, ob wir eine Regelung treffen müssen, in der der Gesetzgeber, also wir, sagen, wie mit Verwaltungsvorschriften zu verfahren ist: Sind sie zu veröffentlichen, das heißt, muss der Bürger bzw. der Rechtsanwalt, der ihn vertritt, die Möglichkeit haben, das, was die Behörden als Entscheidungsgrundlage heranziehen, zu sehen und zu kennen – ja oder nein? Als Rechtsanwender, als Anwalt, bin ich der Überzeugung – und ich hoffe, meine Kollegen ebenfalls –, dass es der Regelfall sein muss, dass ich als Bürger, als Normenadressat, wenn ich im Amtsblatt – weil keine Rechtsnorm, im Amtsblatt – nachlesen kann, welche Verwaltungsvorschrift das Ministerium – oder jetzt sogar der Ministerpräsident bzw. der Chef der Staatskanzlei – gesetzt hat.

Nun mag es sein, dass bestimmte Verwaltungsvorschriften so intern sind – ich meine nicht nur die, die sicherheitsrelevant sind, sondern die, die einen solch organisatorischen Charakter haben –, dass sie ohne Außenwirkung sind. Die braucht man meinethalben nicht zu veröffentlichen. Dafür würde es intern reichen. Aber ein erheblicher Teil der Verwaltungsvorschriften hat von vornherein Außenwirkung, und ich bin schlicht und ergreifend erstaunt, Herr Kollege Dr. Martens, wenn Sie kurzerhand hierher treten und sagen: Ich kenne die Entscheidung, sie stimmt aber nicht. Darin steht nicht: nachdem der Bescheid gesetzt ist oder wenn ein Bescheid gesetzt wird.

Dort haben wir folgenden Fall – es tut mir Leid, aber wir gehen sehenden Auges in die nächste Verfassungsnormenkontrollklage hinein, wenn wir es uns nicht noch einmal überlegen und die Borniertheit fünf Minuten weglassen: Eine Antragstellerin, die unter Betreuung steht, hat über ihren Betreuer einen Zuschuss für Heizungs- und Unterkunftskosten beantragt, offenkundig in einer bayerischen Gemeinde. Inzwischen war eine Ausführungsbestimmung zur Sozialhilfepauschalierung mit Wirkung vom 1. April 2002 ergangen, aber als interne Verwaltungsvorschrift nirgendwo veröffentlicht. Da sie den Zuschuss nicht bekam, führte die Antragstellerin darüber Beschwerde und beantragte, diese Vorschrift für nichtig zu erklären, auf deren Grundlage ihr die Unterkunftskosten nicht zugestanden werden – als Ausführungsbestimmung –, da die Vorschrift nicht veröffentlicht ist. Daraufhin vertraten das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht den Standpunkt von Dr. Martens. Dazu sagte das Bundesverwaltungsgericht: Nein, das geht nicht!

Nun lese ich einfach einmal vor in der Hoffnung, dass ich mich so begreiflich machen kann. Es wurde geschrieben: „Im vorliegenden Verfahren ist nicht zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen allgemeine Verwaltungsvorschriften für ihre Wirksamkeit der Verkündung in einem dafür vorgesehenen Publikationsorgan auch dann bedürfen, wenn diese nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. Soweit das Bundesverwaltungsgericht zu einer unmittelbar nur verwaltungsintern bindenden und steuernden ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift, die allenfalls mittelbar eine anspruchsbegründende Außenwirkung zur Begründung (...) erkannt hat, dass sie für ihre Wirksamkeit über die Bekanntgabe an die behördlichen Adressaten keiner Veröffentlichung bedürfen, findet dies hier keine Anwendung. Wenn Ausführungsbestimmungen unmittelbare Außenwirkung auch gegenüber zum Beispiel Hilfeempfängern entfalten, müssen die Betroffenen davon Kenntnis nehmen können, so das Bundesverwaltungsgericht die Bekanntmachung einer bindenden Verwaltungsvorschrift an jeden, den es angeht, verlangt.“

Daraufhin hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine Verwaltungsanweisung, die den Kreis der Begünstigten benennt, bekannt gemacht werden muss, sobald sie sich nach außen wendet. Das heißt also: Selbst wenn überhaupt noch niemand einen Antrag gestellt hat, muss ich dies im Amtsblatt öffentlich machen, nur weil in der Verwaltungsvorschrift der Kreis der Begünstigten benannt wird. – So das Bundesverwaltungsgericht.

Dann wird der Satz angefügt: „Die Publikationsfrist für Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung ist im Rechtsstaatsprinzip Artikel 20 (...) und in der Garantie des effektiven Rechtsschutzes angelegt. Hier entspricht der Erfolg der Normenkontrolle (...)“ und dergleichen mehr.

Im letzten Satz heißt es: „Verwaltungsvorschriften mit Außenwirkung gegenüber Dritten ohne die rechtsstaatlich bzw. wegen des effektiven Rechtsschutzes gebotene Bekanntgabe sind nicht wirksam geworden.“

Nun schreiben Sie in das Gesetz hinein, alle Ministerien, der Ministerpräsident, der Chef der Staatskanzlei können Verwaltungsvorschriften setzen. Soweit sie nicht von vornherein veröffentlicht werden, werden sie dazwischen nirgendwo bekannt gemacht. Erst wenn die zwei Jahre vergangen sind, kämen sie im Zuge der Evaluierung auf die Positivliste – mit Verweis darauf, wo sie veröffentlicht sind. Bei denen, die nicht veröffentlicht sind, stehen sie nur darauf, dahinter steht: (unveröffentlicht).

Nun erklären Sie mir doch einmal allen Ernstes, wie Sie das mit dem Urteil, das ich soeben vorgetragen habe, unter einen Hut bekommen wollen. Es ist im Prinzip ignorant, es letzten Endes nicht zu debattieren; und wenn wir noch zehn Minuten brauchen, überweisen Sie es in den Ausschuss zurück und reden darüber. Ich habe die Entscheidung – nicht, um Sie zu ärgern, Herr Kollege – exakt nach der Ausschusssitzung in die Hand bekommen, nämlich in Aufnahme der Debatte, die wir dort geführt haben. Erst dann konnte ich, nachdem ich das Urteil

gelesen hatte, sagen: Wir müssen uns im Plenum doch noch einmal damit befassen. Ich wusste es zu diesem Zeitpunkt auch nicht besser.

Genau das ist das Hauptproblem: Wenn im Ausschuss nach Ihrer Auffassung etwas weggestimmt ist, darf hier drinnen nichts mehr neu debattiert werden.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Das ist nicht wahr!)

Doch – Sie machen mir zum Vorwurf, dass ich darüber reden will.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Bei programmatischen Fehlern!)

Natürlich, Herr Kollege. Die Gangart ist undemokratisch, die Sie an den Tag legen. Das ist unfair. Wir haben einen Fehler in dem Antrag. Das gebe ich gern zu. Es muss heißen: nicht „mit unmittelbarer Auswirkung“, sondern: „Außenwirkung“. Unten im Text steht immer „Außenwirkung“. Da ist klar, was gemeint ist.

Wir wollen überhaupt nicht, dass jede Verwaltungsvorschrift bekannt gemacht wird. Das steht überhaupt nicht drin. Nein, wir schreiben: „Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung“. Das steht doch dort: „Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung“. Ich habe soeben klassifiziert, was gemeint ist.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht aufgeschrieben. Machen Sie doch zehn Minuten Auszeit! Lesen Sie die Entscheidung, denken Sie kurz einmal nach und entscheiden Sie dann, bevor wir wieder ein Normenkontrollklageverfahren haben. Es liegt doch auf der Hand, dass das dem Steuerzahler wesentlich günstiger kommt und dass es wesentlich verantwortungsbewusster ist, als hier einfach irgendwelche Standpunkte, die man einmal bezogen hat, bis zum Ende durchzuziehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Was ist denn, Herr Kollege? Sie können gern Fragen stellen.

(Beifall der Linksfraktion.PDS – Unruhe im Saal)

Meine Damen und Herren, wird noch einmal das Wort von den Abgeordneten gewünscht? – Bitte, Herr Dr. Martens. Dann schlage ich vor, dass Herr Staatsminister Mackenroth zu Wort kommt.

Wie in so vielen Dingen, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen: In der Ruhe liegt die Kraft.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn Sie einen Gesetzentwurf einbringen, in dem nur ein Satz steht und in dem der zentrale Ausdruck lautet „unmittelbare Auswirkung“, dann müssen Sie sich auch danach in der Diskussion zunächst festhalten lassen.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS)

Herr Kollege, jetzt bin ich dran. Sie meinen – –