Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Drucksache 4/4271 mitteilen: Für die Drucksache stimmten 21 Abgeordnete, dagegen gestimmt haben 69 Abgeordnete. Der Stimme enthalten haben sich 8 Abgeordnete. Damit ist der Antrag abgelehnt worden und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, das jetzige Thema wird wesentlich weniger Staub aufwirbeln als das vorhergehende. Das Thema „Schutz von Kindern vor Gewalt“ und vor Verwahrlosung, was auch eine Art von Gewalt ist, ist ein fraktionsübergreifendes Anliegen, an sich eher auch ein unpolitisches, zumindest unparteipolitisches Anliegen. Deswegen werden Sie sich unserem Antrag nicht verweigern.
Es geht innerhalb des Antrages um zwei Aspekte, zum einen um die Vorsorgeuntersuchungen U 1 bis U 10. Vielleicht zu diesem: Es ist vorgesehen, dass in bestimmten Abständen Kinder untersucht werden. Die Untersuchungen U 1 und U 2 sind in aller Regel gewährleistet, denn die meisten Geburten finden im Krankenhaus statt. Die U 1-Untersuchung erfolgt in der ersten bis vierten Lebensstunde, die U 2 am dritten bis zehnten Lebenstag, im Normalfall am fünften Lebenstag, sodass die meisten Kinder, weil sie im Krankenhaus sind, ohnehin diesen zugeführt sind. Laut Ärztezeitung vom 13.09.2002 sind nur 15 von 1 000 Entbindungen Hausgeburten. Somit
Aber dann wird es eigentlich schwierig. Das ist der Bereich, bei dem wir der Meinung sind, dass der Gesetzgeber in die Pflicht genommen wäre, sie als Pflichtvorsorgeuntersuchung zu machen. Denn zwischen dem Entlassungstag aus dem Krankenhaus nach der Geburt bis zur Schule ist es in der Regel so, dass es wirklich den Eltern freigestellt ist, ob sie die Kinder zu diesen Untersuchungen bringen oder nicht. Wenn man an die Fälle denkt, Spitze: Thema Jessica, sollte man meinen, es wäre sinnvoll, die Kinder auch zwischendurch von Fachärzten ansehen zu lassen, um Spuren von Gewalt oder Vernachlässigung zu erkennen und entsprechend mit den Eltern in Kontakt zu treten.
Über die U 10 oder J 1, wie sie auch heißt, kann man sicherlich auch wieder kräftig streiten, ob die Kinder dann unbedingt in das Pflichtprogramm müssen, weil sie in der Schule sind und im Normalfall einem Sportlehrer auffallen müsste, ob die Kinder Vernachlässigungen oder Gewaltspuren aufweisen. Darüber kann man sicherlich trefflich streiten.
Wir haben das jetzt in einen Antrag gefasst und denken, wir sind mit dem breiten Konsens in der Bevölkerung versehen, auch bei den Politikern, egal welcher Fraktion sie angehören.
Es gibt eine Bundestagsinitiative des Bundeslandes Hamburg – die Antragsnummer: Bundestagsdrucksache 56/06 –, in der es darum geht, diese Untersuchungen einer höheren Verbindlichkeit zuzuführen. Bisher sind nach meinem Kenntnisstand die Bundesländer Berlin, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein beigetreten. Das ist sicher ein erster Schritt, den Sachsen auch tun sollte, was mit unserem Antrag entsprechend möglich wäre.
Wir haben exakt die Bundesratsinitiative mit angesprochen. Des Weiteren enthält dieser Antrag noch einen zweiten Punkt. Darin geht es um eine Meldepflicht für unentschuldigte Versäumnisse, zumindest dort, wo Kinder angemeldet sind, also in Krippen oder Kindergärten und wo es generell Pflicht ist, in der Schule. Das Jugendamt sollte nach unserer Meinung informiert werden, wenn die Kinder dort unentschuldigt fehlen, damit man gewissen Dingen nachgehen kann und nicht erst nach Monaten oder Jahren merkt, dass da irgendwo in der Erziehung bzw. in der Versorgung der Kinder etwas falsch gelaufen ist.
Wir wollen das zur Diskussion stellen. Aber insgesamt ist es ein Anliegen, das durch alle sechs Fraktionen dieses Hauses ein unstrittiger Punkt sein dürfte. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag zum ersten Mal gelesen habe, habe ich mir die Frage gestellt: Seit wann ist eigentlich die NPD gegen Gewalt?
Wenn ich da an Herrn Menzel denke, der vor Kurzem im Zeugenstand war, weil ein NPD-Kamerad auf einen Demonstranten eingeprügelt hatte, – –
Ich denke an den mehrfach vorbestraften Neonazi Thorsten Heise, den Sie in Ihren Bundesvorstand geholt haben, der unter anderem wegen schwerer Körperverletzung vorbestraft ist.
Ich denke an verurteilte Gewalttäter, die sich unter Ihren Fraktionsmitarbeitern tummeln, zum Beispiel an Thomas Rackow von den Skinheads Sächsische Schweiz, der zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden ist, unter anderem wegen Körperverletzung.
Ich denke an die Bundestagskandidaten im letzten Jahr. Da hatten Sie eine illustre Schar aufgeboten, angefangen bei einem Kandidaten aus Bayern, Norman Bordin, der zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt wurde, weil er mit anderen Skinheads zusammen einen Griechen brutal überfallen hatte. Oder ich denke an einen Direktkandidaten in Schleswig-Holstein, Heinrich Förster, der wegen versuchten Mordes zu vier Jahren Haft verurteilt worden war, oder an den niedersächsischen Bundestagskandidaten Marcus Winter, der wegen Misshandlung eines Schülers im Knast war. Ganz aktuell erinnere ich an Ihren Bundesgeschäftsführer Stefan Köster, der am 19. April vor Gericht steht. Sie können raten, warum: Natürlich wegen schwerer Körperverletzung ist er angeklagt.
(Widerspruch bei der NPD – Jürgen Gansel, NPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage). Wenn ich dann an die Aussteiger bei der NPD-Fraktion denke – – 3. Vizepräsident Gunther Hatzsch: Herr Krauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Alexander Krauß, CDU: Wenn ich kurz den Satz zu Ende bringen darf. Wenn ich dann an die Aussteiger bei der NPD-Fraktion denke, die als Erstes auf die Idee kamen, Polizeischutz zu beantragen, weil sie genau wissen, wes Geistes Kind Sie sind, was sie zu erwarten haben und wie die NPD zu Gewalt steht, dann spricht das für sich. Wenn die NPD eine Arbeitsgemeinschaft „Knackis in der NPD“ gründen würde, wäre automatisch jeder zweite Ihrer Kameraden dabei. (Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)
Herr Kollege, Sie sagten gerade, dass der NPD-Bundesgeschäftsführer wie heiße? Marcus Winter? Erstens. Ist Ihnen bekannt, dass unser Bundesgeschäftsführer seit vielen Jahren Frank Schwerdt heißt? Zweitens. Sind Sie bereit, Ihren Redenschreiber zu fragen, aus welch zweifelhaften, absurden Quellen er diese Fehlinformationen hat? Wie gesagt, unser Bundesgeschäftsführer heißt Frank Schwerdt. Einen Winter gibt es nicht.
Ich hatte bei Herrn Winter davon gesprochen, dass er in Niedersachsen für den Bundestag kandidiert hat und Ihrer NPD angehört. Dieser Kandidat Marcus Winter, NPD-Mitglied aus Niedersachsen, saß wegen Misshandlung eines Schülers im Knast. Zu dieser Aussage stehe ich auch.
Zum Thema Gewalt. Ich glaube eher, wenn eine Prostituierte sexuelle Enthaltsamkeit predigt, als dass die NPD gegen Gewalt ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind gegen Gewalt. Das heißt, wir machen keine gemeinsame Sache mit denjenigen, die Gewalttäter in ihren Reihen haben. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Zum Thema Vernachlässigung von Kindern. Schätzungsweise mindestens 50 000 Kinder werden in Deutschland vernachlässigt.
Wir haben deswegen einen Antrag in den Landtag eingebracht, in dem es darum geht, Vorsorgeuntersuchungen verbindlicher zu gestalten. Das ist aus unserer Sicht eine Möglichkeit, um zu verhindern, dass Kinder zu Tode vernachlässigt werden. Im Bundesrat wird ebenfalls über dieses Thema diskutiert. Hamburg und das Saarland haben Anträge eingebracht. Aus meiner Sicht sind drei Fragen wichtig, die man innerhalb dieser Diskussion im Bundesrat prüfen sollte.
Erstens: Wie können Krankenkassen so zu diesen Vorsorgeuntersuchungen einladen, dass die Zahl der teilnehmenden Kinder steigt? Ich denke daran, dass zum Beispiel die Krankenkassen Erinnerungsschreiben an die Eltern schicken könnten.
Zweitens: Wie können Daten von den Krankenkassen an die verantwortlichen staatlichen Stellen weitergegeben werden, wenn Kinder nicht an Untersuchungen teilnehmen? Wie können die Krankenkassen Daten an die Jugendämter weitergeben?
Drittens: Auf welche Kriterien sollten die Ärzte achten, um Vernachlässigung und Missbrauch von Kindern zu erkennen?
Abgesehen davon, durch Zwangsmaßnahmen werden aus Rabenmüttern keine Super-Nannys. Wir müssen früher ansetzen und nicht nur über das Problem der Vorsorgeuntersuchungen diskutieren. Deswegen haben wir vor Kurzem einen Antrag zum Thema Familienbildung in den Landtag eingebracht. Wir wollen das Augenmerk nicht nur auf das Reparieren richten, sondern auch schauen, wie man Vorsorge betreiben kann, so dass es gar nicht erst zu diesen Vernachlässigungen kommt. Häufig sind die Eltern von vernachlässigten Kindern maßlos überfordert und fühlen sich hilflos. Viele haben nie gelernt, mit Kindern umzugehen. Wir brauchen deshalb so etwas wie eine Elternschule, also Kurse zur Erziehung von Kindern. Das sollte so selbstverständlich sein wie ein Kochkurs oder ein Computerkurs bei der Volkshochschule. Wir hatten mit dem Modellprojekt Familienbildung in Kindertagesstätten ein sehr gutes Projekt eingeführt. Das soll weiterentwickelt werden. Es hat gute Erfolge erzielt, weil wir die Eltern erreicht haben und Erziehungstipps weitergeben konnten.
Ich denke an den Deutschen Kinderschutzbund, der auch bei uns in Sachsen einen sehr erfolgreichen Kurs durchführt: Starke Eltern – starke Kinder. Dabei geht es darum, wie man Eltern fit machen kann, damit sie ihrer Erziehungsverantwortung nachkommen. Ich glaube, dass die Volkshochschulen, die Familienverbände, die Kindergärten noch viel mehr solcher Kurse anbieten sollten. Es gibt weitere gute Ideen im Freistaat Sachsen. Zum Beispiel gibt es in Leipzig Elternbriefe, die den Eltern je nach Entwicklungsstand ihres Kindes zugehen. Darin stehen Tipps, worauf man in der ersten Lebenswoche, in der zweiten Lebenswoche, im ersten Lebensjahr usw. achten sollte. Der Kinder- und Jugendschutzbund in Leipzig bietet ein Kinder- und Jugendtelefon an, über das die Eltern Fragen zur Erziehung beantwortet bekommen. Das ist eine tolle Sache.
Wenn unser Antrag zur Familienbildung diskutiert wird, werden wir die Möglichkeit haben, darauf einzugehen, was in Sachsen alles angeboten wird. Wir freuen uns auf eine spannende Debatte. Wir schauen aber auch auf die Bundesebene, wo sich einiges bewegt. Es gibt sehr gute Ideen von Bundesfamilienministerin von der Leyen. Im Koalitionsvertrag wird das Frühwarnsystem vorgestellt, bei dem es darum geht, dass Geburtshelfer, Hebammen, Familienhelfer, Kinderärzte usw. enger zusammenarbeiten, sodass eine Vernachlässigung frühzeitig erkannt werden kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden alles tun, um der Vernachlässigung von Kindern zu begegnen. Wir werden alles tun, um Gewalt gegen Kinder zu verhindern, so weit dies möglich ist. Dazu wollen wir früher ansetzen. Wir setzen deshalb auf die Familienbildung, denn das ist eine der tragenden Säulen im Kampf gegen die Vernachlässigung von Kindern.
Die Linksfraktion.PDS hat keinen Redner gemeldet. Das bleibt so. – Die Koalition hat schon gesprochen. Die FDP hat niemanden gemeldet. Frau Herrmann für die GRÜNEN, bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon infam. Sie von der NPD-Fraktion distanzieren sich nicht von Adolf Hitler und haben gleichzeitig die Stirn, uns hier einen Antrag zum Schutz von Kindern vor Gewalt vorzulegen.