Ich erinnere nur daran, dass es Sachsen nicht einmal geschafft hat, das Verfahren einer Sondermülldeponie bis zum Ende durchzuführen. Das ist im Vergleich zu dem, was mit der Kernkraft und ihren möglichen Risiken zu tun hat, „vergleichbar harmlos“.
Ich möchte weiterhin daran erinnern, dass die Bundesrepublik Deutschland eigentlich nur deshalb ein – jedenfalls teilweise – genehmigtes Endlager in Morsleben hat, weil das sozusagen durch den Einigungsvertrag Bestandsschutz bekommen hat, weil dort schon eine Menge Dinge drin lagen, wo die DDR in Salzstöcken endgelagert hat. Alles andere ist auf dieser Strecke noch nicht passiert. Es wird unwahrscheinlich schwer werden, ein Verfahren in Gang zu setzen. Aber wir können uns diesem Verfahren nicht entziehen. Selbst wenn wir heute alle Atomkraftwerke abschalten würden, bleibt noch genug spaltbares Material, bleibt noch genügend so genannter radioaktiver Abfall, der in Größenordnungen von vielleicht – darüber streiten sich die Gelehrten – 100 000 Jahren sicher eingeschlossen werden muss.
In dieser Größenordnung. Es gibt die unterschiedlichen Isotope, aber das ist so die Zeit, über die wir reden. Das ist eine Größenordnung – ich will in diesem Hohen Hause niemandem zu nahe treten –, die sich niemand vorstellen und die man eigentlich auch nicht abschätzen kann.
Da wird versucht, dass man die technischen Probleme in den Griff bekommt, die Wärmeentwicklung usw. usf. Ich
habe immerhin zehn Jahre als Strahlenphysiker gearbeitet und bilde mir ein, das wenigstens ein kleines bisschen zu kennen.
Tschernobyl fragt uns: Ist Technik beherrschbar? Das ist die zentrale Frage, die hier auch im Raum steht.
Dann kommt sofort die Antwort: Im Prinzip ja, wir haben die besten und die sichersten Kraftwerke der Welt. Die Argumente sind genannt worden. Aber es bleibt immer ein gewisses Restrisiko.
Tschernobyl war der klassische Fall von menschlichem Versagen. Sie können heutzutage auf den verschiedensten Internetseiten und in Reportagen nachlesen, was damals passiert ist und wie sich die Menschen verhalten haben, die alle eine hoch qualifizierte Ausbildung hatten und wussten, was möglicherweise passieren kann. Aber sie haben auf die Technik vertraut.
Meine Erfahrung – es ist sicher nicht nur meine – ist die: Wir können uns technisch einfallen lassen, was wir wollen. Was wir nicht in den Griff bekommen, ist das kleine Risiko „menschliches Versagen“, weil der Mensch nun einmal keine Maschine ist und wir uns auch keine Sicherungssysteme ausdenken können, die das menschliche Versagen hundertprozentig ausschalten.
Was das Restrisiko betrifft, sind wir gern dabei und zählen das in Toten ab. Wir haben ein technisches System in der Bundesrepublik installiert, was viele nicht als technisches System bezeichnen, aber was von vielen toleriert wird. Das „erzeugt“ pro Jahr etwa fünfeinhalbtausend Tote und 250 000 Schwerstverletzte. Das nennt sich Verkehr. Das wird von uns toleriert. Das ist das Restrisiko, was dieses System bringt.
Die Frage ist: Welche Risiken sind wir bereit zu akzeptieren? Bei einem Zugunglück gehen wir davon aus, dass ein Restrisiko besteht von 200 Toten plus X Verletzten; bei einem Busunglück vielleicht 40 Tote plus Verletzte; bei einem Autounglück ein bis fünf Tote plus Verletzte. Ich könnte das herunterdeklinieren.
Die Frage bleibt: Können wir uns Technologien leisten, die wir im Großen und Ganzen beherrschen, aber bei denen wir nicht sicher sein können, dass wir sie wirklich beherrschen?
Für viele Leute begann das erste Nachdenken über Technik und Technikbeherrschbarkeit mit der DiscoveryExplosion, als dort bei einer in einem Apparat, sage ich mal ganz vorsichtig, eingebauten Hochtechnologie bei einem technischen System doch eine Winzigkeit vergessen wurde, die man nicht beachtet hatte. Da ist die große Frage: Ist es uns das wert? Ich möchte nicht die Argumente von Herrn Lichdi noch einmal aufzählen, die ich als Person im Wesentlichen teile.
Allein da wir mit Kernkraft nur Strom produzieren können und einen Großteil der Energie dann wieder einfach in die Flüsse ableiten müssen, weil wir die zum Kühlen brauchen, ist vom Wirkungsgrad her gesehen ein Kern
Also ist die Frage: Was bleibt als Botschaft dessen übrig, was uns Tschernobyl gebracht hat? Da will ich jetzt nicht auf die Technik zurückgehen, sondern möchte an uns alle appellieren und fange in diesem Parlament an. Aus meiner Sicht lautet die Botschaft von Tschernobyl: Die Energieeinsparung und die Energieeffizienz sind das Gebot der Stunde.
Auch wenn manche mir sagen, du moralisierst zu viel, fange ich einmal bei den ganz kleinen Sachen an, bevor wir uns in die großen Ebenen begeben.
Von uns erwarten die Menschen, dass wir als Landtagsabgeordnete beispielgebend für die anderen sind, die das auch alle irgendwo machen sollen. Was machen wir? Wir sind in einem Haus, in dem keiner von uns die Stromrechnung bezahlt. Und so verhalten wir uns auch.
Wir ignorieren einfach. Wir haben tagelang in den Fluren volles Licht brennen, was wir nicht brauchen. Wir haben Systeme, in denen wir zum Beispiel für die Behinderten – ich nenne Ihnen das nur; beobachten Sie sich einfach einmal selbst, ich schließe mich ein – einen Türöffner gemacht haben. Was glauben Sie, wie viele von uns, die nicht behindert sind, diesen Türöffner benutzen, ohne dass sie darüber nachdenken, wie viel Watt sie gerade verbraucht haben?
Wir haben klassische Energievernichtungsmaschinen. Das sind Pendeltüren, die auf und zu gehen und die überhaupt nicht sein müssten und, und, und. Das ist der Sächsische Landtag. Wir gehen dann nach draußen, fragen andere Leute und fordern diese auf: Ihr müsst Energie einsparen, ihr müsst das und das tun! Ich denke, bei uns können wir bereits eine ganze Menge anfangen.
Ich möchte heute nicht den Streit zu Ende führen und fragen, ob es wirklich richtig ist, was die CDU vertritt, jedenfalls offensichtlich in ihrer Mehrheit, wenn sie sagt: Wir müssen uns die technologische Option der Kernkraft offen halten, weil wir noch nicht wissen, was wird.
Ich habe von 1975 bis 1980 Physik studiert. Da hatten wir irgendwann im zweiten oder dritten Studienjahr eine Vorlesung über den Fusionsreaktor. Damals hieß es: Ihr werdet etwa zehn Jahre in eurem Physikerleben sein und dann läuft das Ding. Es war noch nicht raus, wo es in der Sowjetunion – nach dem Tomahawk-Prinzip – laufen soll. Aber es waren sich alle einig, dass das Ding laufen wird.
Im Moment lautet die Prognose: 2050, weil einfach zu viele technologische und ähnliche Dinge ungelöst sind.
Die Frage ist – und die stelle ich an alle –: Wollen wir uns auf eine Technologie – und sei es auch nur im Sinne einer
Oder wollen wir uns nicht lieber mit der gleichen Energie, wie wir das bei der Kernkraft gemacht haben, indem Milliarden hineingeflossen sind, auf die Technologie einlassen, die uns als heimischer Rohstoff neben der Braunkohle zur Verfügung steht? Das ist die erneuerbare Energie. Dazu möchte ich Sie alle auffordern und würde Sie gern auf diesen Weg mitnehmen.
Eine letzte Bemerkung. In einer Koalition gibt es ganz klare Spielregeln. An diese möchte ich mich auch halten, daran hält sich auch meine Fraktion. Wenn sich Koalitionspartner über einen bestimmten Antrag nicht einig sind, wird diesem Antrag nicht zugestimmt. Aus diesem Grund werden wir uns auch beim Punkt 1 der CDU-Fraktion anschließen und ihn ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Diskussion über die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken und den drohenden Abschied vom Atomausstieg begrüßt die NPD-Fraktion die heutige Debatte um die Erinnerung an die Katastrophe von Tschernobyl vor 20 Jahren. Ich hoffe, dass diese Debatte dazu beitragen wird, etwas mehr Verantwortungsbewusstsein in die Köpfe derer zu bringen, die heute versuchen, den Ausstieg aus der Atomenergie zu verhindern.
Nun könnte man meinen, dass es sehr lange her ist und seitdem nichts Vergleichbares geschehen ist. Doch Tschernobyl wirkt noch bis heute nach, obwohl es in der öffentlichen Wahrnehmung fast schon nicht mehr existent ist. In den betroffenen Regionen der Ukraine und Weißrusslands gibt es heute weite Landstriche, die menschenleer sind. Häuser und Dörfer wurden dem Erdboden gleich gemacht, um die Menschen daran zu hindern, in ihre Heimat, die auf sehr lange Zeit verseucht ist, zurückzukehren.
An den Folgen der Katastrophe leiden noch heute viele Kinder. Kinder, die erst viel später geboren wurden, leiden am so genannten Tschernobyl-Aids, das heißt, ihr Immunsystem ist stark geschwächt und ihre Lebenserwartung stark verkürzt. Hinzu kommen Krebs, wie Leukämie, oder Unterentwicklung. Die Erbschäden werden noch in Jahrzehnten zutage treten, so wie dies noch heute, 61 Jahre nach dem Atombombenabwurf durch die USA, in Hiroshima feststellbar ist.
Angesichts der Gefahr, dass ein so genannter Super-GAU jederzeit wieder in Europa eintreten kann – auch wenn
dies von den Atomkraftbefürwortern stets abgestritten wird –, sollte man ernsthaft über Nutzen und Risiken der Atomkraft diskutieren. Im Vordergrund der Diskussion dürfen jedoch nicht einseitige wirtschaftliche Interessen stehen, die ohnehin nicht greifen, sondern der Schutz der Menschen und unserer Umwelt.
Alle Beteiligten sollten sich immer über eines im Klaren sein: Sollte es zu einem neuen Unfall kommen, ist dies nicht mehr korrigierbar, sondern dies wäre dann für die Ewigkeit. Die neu entbrannte Diskussion um die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken und die damit im Zusammenhang stehenden Pläne der CDU/CSU auf Bundesebene betrachte ich als einen unverantwortlichen Schritt zurück auf dem Weg zur energiepolitischen Erneuerung Deutschlands.
Aber welche Argumente werden momentan gegen den Atomausstieg vorgebracht? Dass wir, wenn wir unsere eigenen Atomkraftwerke abschalten, angeblich teuren Atomstrom aus dem Ausland importieren müssten, ist ein Märchen. Wir selbst haben es in der Hand, unsere Energieversorgung rechtzeitig umzustellen und unseren Energieverbrauch auf ein vernünftiges Maß zu senken. Das ist möglich, wenn der politische Wille da ist und nicht nur die Lobbyinteressen der Stromkonzerne und der Atomwirtschaft im Vordergrund stehen.
Es gibt viele Möglichkeiten. Würden zum Beispiel in Deutschland langfristig alle Geräte mit einer so genannten Stand-by-Funktion abgeschafft werden und die bequeme, moderne Gesellschaft befähigt, einen Schalter an einem elektronischen Gerät zu bedienen, könnte man im Gegenzug ganze zwei Atomkraftwerke in unserem Land abschalten – ganze zwei Atomkraftwerke! – und hätte damit zwei Risikoquellen weniger.
Es wird auch oft behauptet, unsere Atomkraftwerke hätten die neuesten Technologien und wären die sichersten der Welt. Das Gleiche hat man 1986 in der Ukraine gedacht. Es gibt auch Leute, die behauptet haben, die „Titanic“ wäre das sicherste Schiff der Welt.
Dies zeugt einmal mehr von der grenzenlosen Arroganz der heutigen – scheinbar modernen – Gesellschaft, die der Meinung ist, alles und jeden beherrschen zu können.
Noch etwas zum Thema menschliches Versagen: Was nützen uns die neuesten Technologien, wenn der größte Unsicherheitsfaktor beim Menschen selbst liegt? Kürzlich sind im AKW Philippsburg mehrere Schlüssel spurlos verschwunden, die den Zugang zum Sicherheitsbereich des Kernkraftwerkes ermöglichen. Zum Sicherheitsbereich! Wenn die Kraftwerksbetreiber nicht einmal in der Lage sind, solche einfachen Dinge unter Kontrolle zu haben, kann es mit der Sicherheit der Kraftwerke nicht weit her sein.
Unsere Fraktion wendet sich – nicht zuletzt durch die Erinnerung an Tschernobyl – entschieden gegen die Pläne für eine Verlängerung der Laufzeiten. Schon seit vielen
Jahren hält die NPD unbeirrbar an dieser Position fest, nachweislich seit 1974, einer Zeit, in der es die GRÜNEN in ihrer heutigen Erscheinungsform noch nicht einmal gab.
Abschließend möchte ich, auch im Namen der sächsischen NPD-Fraktion, allen danken, die mit ihrer Arbeit versuchen, das Leid der betroffenen Menschen und vor allem der erkrankten Kinder zu mildern; denn eines sollte man sich immer vor Augen halten: Es hätte auch unser Land treffen können, und es kann uns jederzeit immer noch treffen.