Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

Herr Tischendorf, ich höre Ihnen immer ganz genau zu. Sie haben mich gewürdigt für meinen flammenden Appell anlässlich des Gewerkschaftskongresses.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir sind eben fair!)

Er war aber nicht am 4. April, sondern am 4. Februar.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS: Entschuldigung!)

Aber man kann das nicht oft genug sagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die betriebliche Mitbestimmung ist eines der grundlegenden Elemente unserer demokratischen und sozialstaatlichen Verfassung.

Ohne betriebliche Mitbestimmung könnten wir nicht von sozialer Marktwirtschaft sprechen.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD, und der Linksfraktion.PDS)

Die erfolgreichsten deutschen Unternehmen, wie zum Beispiel Lufthansa, Thyssen-Krupp oder auch die Allianz, haben Betriebsräte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Auch die PDS-Fraktion!)

Eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW kam zu dem Ergebnis, dass nur bei Unternehmen mit Betriebsräten die Einführung moderner Arbeitsformen zu einer Produktivitätszunahme führt. Eine funktionierende Mitbestimmung stellt demnach einen wichtigen Standortfaktor dar.

Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist ein Betriebsrat die Möglichkeit, ihren Interessen Geltung zu verschaffen. – Sehr geehrter Prof. Porsch, auch in der SPD-Fraktion gibt es selbstverständlich einen Betriebsrat.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die wichtigsten Themen, mit denen sich Betriebsräte befassen: Einführung neuer Arbeitszeitformen und neuer Techniken, Gesundheitsschutz, Weiterbildung, Kündigungsschutz und Beschäftigungssicherung. Gerade Letzteres darf nie vergessen werden und hat in der Debatte auch schon eine Rolle gespielt. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Betriebsräte eine entscheidende Rolle spielen können, wenn es darum geht, von Insolvenz bedrohte Unternehmen zu retten.

Trotz dieser Vorteile ist die Kritik an der betrieblichen Mitbestimmung nie verstummt. Kritiker sehen darin eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit, eine unnötige Kostenbelastung und unnötige Bürokratie. Wenn das zutreffen würde, hätten sicher nicht die meisten erfolgreichen Unternehmen – allein 29 von 30 im DAX gelisteten Unternehmen – einen Betriebsrat. Ich wundere mich deswegen immer wieder über die Kritik, die zum Teil in unsachlicher Form geübt wird. Diese Kritik zeigt, dass mehr über die Vorteile von Betriebsräten aufgeklärt werden muss. Insoweit ist dem „Sächsischen Mitbestimmungsappell“ zuzustimmen.

Ich frage mich aber, ob die Staatsregierung der richtige Adressat ist und ob die im Antrag genannten Mittel die richtigen sind. Ist es Aufgabe der Staatsregierung, die betriebliche Mitbestimmung auszubauen? Gesetzgebungskompetenzen hat der Freistaat nur für den öffentlichen Dienst, der von dem Antrag mit umfasst ist. Aber hier haben wir schon eine funktionierende Personalvertretung und die sächsische Koalitionsvereinbarung enthält auch einen klaren Handlungsauftrag. Die betriebliche Mitbestimmung ist durch den Bund im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Für die Mitbestimmung bei größeren Unternehmen gibt es das Mitbestimmungsgesetz. Es gibt darüber hinaus noch das Drittelbeteiligungs- und das Montan-Mitbestimmungsgesetz.

Mitbestimmung ist ein Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg. Deshalb ist es im Interesse Sachsens, dass in möglichst vielen Unternehmen die Beschäftigten an Entscheidungen beteiligt werden. Die Überzeugungsarbeit, dass es sinnvoll ist, einen Betriebsrat einzurichten, sollte aber vor allem von den Betroffenen und ihren Verbänden geleistet werden. Damit sind aber nicht nur die Gewerkschaften gemeint. Da betriebliche Mitbestimmung auch im Interesse der Unternehmen ist, ist die Aufklärung vor allem die Sache ihrer Verbände. Das Zustandekommen eines Dialogs, den ich durchaus für sinnvoll halte, sollte deswegen von den Verbänden forciert werden. Wenn es daran Interesse gibt, werden wir das auch gern unterstützen. Wir werden selbstverständlich gern teilnehmen, wenn dies gewünscht wird. Die ersten Schritte sollten aber von den Verbänden ausgehen.

Zweifel habe ich allerdings – das muss ich zugeben –, ob wir ein Gutachten über den Stand der betrieblichen Mitbestimmung, die Praxis und Vorschläge für konkrete Handlungsschritte machen sollen. Wie Sie sicherlich wissen, gibt es eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission, die bis Jahresende Vorschläge für eine moderne und europataugliche Form der Unternehmensmitbestimmung erarbeiten soll. Diese Kommission steht unter dem Vorsitz des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Dr. Biedenkopf.

Die Idee der Auslobung eines sächsischen Unternehmensmitbestimmungspreises ist diskussionswürdig, doch der Gedanke der Mitbestimmung wird am effektivsten durch erfolgreiche Betriebsratsarbeit populärer. Dafür tun viele Betriebsräte ihr Bestes. Ich glaube, das ist der richtige Weg: anhand guter Beispiele die Mitbestimmung populärer zu machen. Dass die Vorteile herausgestellt werden, ist hauptsächlich Aufgabe der Betriebsräte, der Unternehmen selbst sowie von Gewerkschaften und Arbeitgebern. Der ursprünglich vom DGB vorgeschlagene „Sächsische Mitbestimmungsdialog“ könnte dafür aber die geeignete Bühne sein. Besonders wenn auch die Arbeitgeber ihre positiven Erfahrungen mit Betriebsräten darstellen, werden die Kritiker an der betrieblichen Mitbestimmung schnell verstummen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich rufe das Schlusswort auf. Herr Tischendorf, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen mich etwas verwundert. Ich habe immer die Gegner unseres Antrages gesucht. Wenn ich die Diskussion richtig verfolgt habe, dann muss es eine breite Zustimmung geben.

Dass das in diesen Tagen, in denen Betriebsräte gewählt werden, dringend notwendig ist, kann ich Ihnen an einem aktuellen Beispiel belegen. In Chemnitz gibt es einen Speditionsunternehmer, – –

(Staatsminister Stanislaw Tillich: Nur einen?)

Einen, den ich meine. Es gibt mehrere. Aber hoffentlich gibt es nicht viele wie der, von dem ich jetzt spreche. Das würde ich mir wünschen.

Dieser Unternehmer hat zum Beispiel seinen Beschäftigten verboten, dass sie Beschäftigtenlisten auslegen, dass man sie überhaupt bekommt, dass sie sich für ihre Betriebsratswahlen treffen dürfen, und streitet sich jetzt mittlerweile mit ver.di. Dieser Spediteur heißt Lohse und Sie werden ihn vielleicht kennen. Er ist von der sächsischen CDU in Chemnitz für die Bundestagswahl aufgestellt worden.

(Karl Nolle, SPD: Das kann nicht sein!)

Selbstverständlich. Wenn Sie heute die „Sächsische Zeitung“ aufmerksam gelesen haben, finden Sie sogar noch ein Bild von ihm – so bekannt ist er – und er lässt sich auch noch zitieren. Da sehen Sie einmal, was in Sachsen Realität ist. Seine Aussage dazu, warum er Betriebsratswahlen verhindert, lautet – Zitat –: „Ich lasse über mein Geld nicht von anderen bestimmen. Die Kollegen, die das machen, sind die faulsten.“

So werden Unternehmer in Sachsen mit dem Parteibuch der CDU zurzeit agieren und da bin ich bei den alten Traditionen der SPD. Sie müssen sich schon überlegen, wie inflationär Sie immer für einen Antrag reden und dann gegen ihn stimmen. Sie müssten langsam einmal darüber nachdenken, ob Sie den richtigen Partner haben, mit dem Sie hier in Sachsen regieren, wenn dieser so grundsätzliche Dinge ignoriert.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Fast alle haben gesagt, dass dieser Antrag gut und sinnvoll ist.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD – Heiterkeit bei der SPD)

Ich habe den Zuruf leider nicht verstanden, tut mir Leid.

Wir wollen eigentlich nur das, was der DGB von der Landespolitik verlangt. Deshalb wurde dieser Mitbestimmungsappell geschrieben. Er will, dass wir uns für einen Dialog zwischen Wirtschafts- und Sozialpartnern einsetzen und dass die Staatsregierung initiativ wird. Er will, dass wissenschaftlicher Sachverstand, der zweifellos in Deutschland vorhanden ist, auch für Sachsen genutzt wird. Er will – was ist daran schlimm? –, dass sächsische Unternehmen einmal im Jahr für hervorragende betriebli

che Mitbestimmung geehrt werden. Es kann wirklich keinen Grund dafür geben, dem DGB, der die Hand ausstreckt, zu sagen: "Nein, so ist es nicht gemeint. Wir können diesem Antrag nicht zustimmen, nur weil er von der Linkspartei kommt und die Position des DGB ins Plenum trägt.“

Genau das war das Anliegen des DGB. Aber Sie können sich heute gern wieder verweigern. Die Gewerkschaftsmitglieder werden es zu schätzen wissen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. – Gibt es noch ein Problem?

Ich möchte punktweise Abstimmung beantragen. Herr Pietzsch hat so ein herrliches Plädoyer für alle Punkte außer II.2 gehalten, dass ich ihm die Gelegenheit geben will, den anderen zuzustimmen.

Es ist punktweise Abstimmung beantragt worden.

Ich rufe auf Drucksache 4/4273. Ich rufe auf I.1. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Mit einer Reihe von Stimmen dafür ist I.1 abgelehnt.

Ich rufe auf I.2. Wer möchte die Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung und einer Reihe von Stimmen dafür ist Punkt I.2 dennoch abgelehnt.

Ich rufe auf II.1. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier gibt es wieder eine Stimmenthaltung und eine Reihe von Stimmen dafür. Punkt II.1 ist abgelehnt.

Ich rufe auf II.2. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hier wieder eine Stimmenthaltung und Stimmen dafür. Punkt II.2 ist dennoch mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe auf II.3. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Gleiches Stimmverhalten. Punkt II.3 ist auch abgelehnt.

Damit erübrigt sich die Gesamtabstimmung.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Anstieg der Energiepreise stoppen

Drucksache 4/4331, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Endverbraucherpreise für Strom und Gas 2006 stabilisieren und senken