Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in diesem Hause ein offenes Geheimnis, dass die von den etablierten Parteien zu verantwortende Politik – vor allem, was die Fragen der Infrastruktur und EU-Erweiterung angeht – gerade in den neuen Bundesländern Schneisen der Verwüstung auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen hat.
Die Zahlen und Fakten liegen lange genug auf dem Tisch, als dass man sie noch herunterbeten müsste. Sogar die Massenmedien haben – beispielsweise „Der Spiegel“ – seinerzeit ausführlich darüber berichtet, dass in der Folge des Beitritts Polens und der Tschechischen Republik zur Europäischen Union in Sachsen zigtausende von Arbeitsplätzen verloren gehen. Die NPD hat dies in den letzten Monaten immer wieder thematisiert und wird diese Zusammenhänge auch weiter in der gebotenen Deutlichkeit in Erinnerung rufen.
Nun ist aber das Kind in den Brunnen gefallen und die neuen Bundesländer – einschließlich Sachsens – drohen nicht etwa zu den versprochenen blühenden Landschaften zu werden, sondern zu Billiglohn-Wüsteneien und Dumping-Enklaven.
Vor diesem Hintergrund steht es für die NPD außer Frage, ihre Solidarität mit den Opfern Ihrer Arbeitsmarktpolitik, meine Damen und Herren, unter Beweis zu stellen und wenigstens zu retten, was noch zu retten ist.
Sehen Sie: Man kann zum Beispiel den Flächentarifvertrag mit guten Gründen für ein Relikt vergangener Zeiten halten, als die Gewerkschaften noch ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner waren und sich die Tarifparteien auf gleicher Augenhöhe begegnet sind. Unter solchen Rahmenbedingungen wären auch wir für mehr Flexibilität und würden sagen: Weg mit alten Zöpfen!
Nur, die volkswirtschaftlichen und strukturellen Rahmenbedingungen sind heute, über 15 Jahre nach der Wiedervereinigung, in den neuen Bundesländern vollkommen andere. Nach 15 Jahren beispielloser Kahlschlagpolitik, die schon lange vor der jüngsten EU-Erweiterung aus den früheren DDR-Wirtschaftsbiotopen Stätten des Ausverkaufs, der Arbeitslosigkeit, der Abwanderung Hunderttausender von Menschen gemacht hat, ist auch die Arbeitnehmermitbestimmung längst nicht mehr das, was sie einmal war.
Es ist kein Geheimnis mehr, dass auch in Sachsen der Grad der gewerkschaftlichen Organisationen geradezu lächerlich ist, gemessen an den Verhältnissen in den Altbundesländern, weshalb Lohnabschlüsse nach Tarifvertrag hier Seltenheitswert haben. Man muss wahrlich kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass sich die Situation noch drastisch verschärfen wird: Stichwort Kombilöhne, Stichwort EU-Dienstleistungsrichtlinie.
Man müsste verblendet sein, unter diesen Rahmenbedingungen eine weitere Aushöhlung der betrieblichen Mitbestimmung auch nur billigend in Kauf zu nehmen. Die NPD-Fraktion wird den Antrag unterstützen, obwohl wir uns in diesem Falle des Eindrucks nicht erwehren können,
dass es die Antragstellerin nicht ganz ernst meint. Denn kann man allen Ernstes, meine Damen und Herren, die Bertelsmann-Stiftung zur Evaluierung in Sachen Betriebsverfassung heranziehen, wie es im Sächsischen Mitbestimmungsappell des Gewerkschaftsbundes gefordert wird, wo doch längst hinlänglich bekannt ist, dass diese Stiftung heute zu den profiliertesten Schrittmachern jedweder Form von Flexibilisierung und Liberalisierung gehört?
Die Herren Böckelmann und Fischler haben in ihrem lesenswerten Hintergrundreport über den BertelsmannKonzern aus dem Jahre 2004 festgestellt – ich zitiere –: „Nahezu unbekannt ist, dass die Stiftung die Hochschul-, Gesundheits-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik seit dem Antritt der Regierung Schröder entscheidend mitbestimmt hat. Die flächendeckende Politikberatung durch die Bertelsmann-Stiftung forciert die Tendenz zur Privatisierung der Politik.“
Meine Damen und Herren, ein klassischer Fall, wie der Bock zum Gärtner gemacht wird! Sie werden es uns deshalb nicht verargen, wenn das arbeitnehmerfreundliche Engagement der Antragstellerin, das in ihrem Antrag zum Ausdruck kommt, die NPD-Fraktion nicht so recht zu überzeugen vermag.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich kann mir zwar nicht erklären, was die Ausfälle von Herrn Apfel gegen die EU-Osterweiterung mit der Mitbestimmung zu tun haben, möchte aber doch zumindest für meine Fraktion klarstellen, dass wir als exportorientiertes Land Bundesrepublik Deutschland und auch als Sachsen, die wir wieder an alte Exportpositionen anknüpfen werden, sehr stark von der EU-Osterweiterung profitieren. Deswegen liegt diese Erweiterung ausdrücklich in unserem Sinne. Wir rücken von einer politischgeografischen Randlage in eine Mittellage. Das wird für die sächsische Wirtschaft von Vorteil sein. Der Ministerpräsident hat anlässlich der Eröffnung der AMI am vergangenen Samstag in Leipzig darauf hingewiesen. Ich unterstütze nachdrücklich das, was Prof. Milbradt zu diesem Thema ausgeführt hat.
Zum Antrag: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, Sie wollen mit diesem Antrag deutlich machen, dass sich der Sächsische Landtag der Bedeutung der betrieblichen Mitbestimmung in den Betrieben und Unternehmen des Landes bewusst ist. Ich denke, es ist niemand hier in diesem Raum, der sich dieser Bedeutung nicht bewusst ist. Insofern sind wir bei der Intention völlig bei Ihnen.
(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Warte nur ab!)
Ich selbst habe in meiner beruflichen Tätigkeit immer die Arbeitgeberrolle übernommen und hatte auch immer intensiven Kontakt mit den Betriebsräten. Ich muss sagen, in allen Funktionen, in denen ich bisher tätig war, habe ich diese Zusammenarbeit mit den Betriebsräten sehr geschätzt. Ich bin also der Auffassung, dass wir sehr wohl Betriebsräte benötigen. Wir brauchen auch die betriebliche Mitbestimmung.
Wir als FDP haben uns auf keiner Ebene irgendwann für die Abschaffung der betrieblichen Mitbestimmung ausgesprochen.
Nein, nein, Herr Brangs. Das müssen Sie genau nachlesen. Wir haben sehr wohl gewisse Vorstellungen, wie man sie ausgestalten sollte, aber wir haben sie in keiner Weise infrage gestellt. Im Gegenteil, wir von der FDP wären auch gern bereit, den Betriebsräten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Betrieben viel mehr Verantwortung zu übertragen, als ihnen bisher übertragen ist. Wir als FDP haben gefordert, dass auf betrieblicher Ebene von Flächentarifverträgen abgewichen werden kann, wenn mehr als 75 % der Mitarbeiter im Betrieb dies wollen. Dies ist eine ausdrückliche Stärkung der Kompetenzen im Betrieb, eine ausdrückliche Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung. Dies ist aber bisher leider von der Linkspartei und der SPD abgelehnt worden. Also, es ist nicht so, dass wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mehr Verantwortung zubilligen. Wir denken sehr wohl, dass sie das leisten können.
Nur, in dem Begriff „betriebliche Mitbestimmung“ steckt eben auch das Wort „Betrieb“ drin. Damit wird deutlich, dass es um Dinge geht, die vor Ort, betrieblich entschieden werden müssen. In einem Betrieb macht ein Betriebsrat unter Umständen Sinn – ich habe bisher immer erlebt, dass er Sinn macht –, ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass das in anderen Betrieben keinen Sinn macht. Das müssen aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben vor Ort entscheiden. Bezüglich der Frage, ob es sinnvoll ist, in dem einen oder anderen Betrieb einen Betriebsrat zu gründen, oder auch nicht, sollten sich die Gewerkschaften heraushalten, aber auch wir als Politik sollten uns da heraushalten.
Wir werden deswegen den Antrag der Linksfraktion ablehnen. Aber angesichts der bevorstehenden Betriebsratswahlen möchte ich deutlich sagen: Wir wünschen, dass sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an diesen Betriebsratswahlen beteiligen. Wir wünschen diesen Wahlen ausdrücklich eine deutlich bessere Wahlbeteiligung, als wir sie bei den letzten Landtagswahlen erleben mussten.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Vertrauen ist gut, Betriebsrat ist besser!“ So lautet das Motto der diesjährigen Kampagne des DGB zu den Betriebsratswahlen. Ich glaube, dieses Motto ist gut, denn Betriebsräte spielen eine wichtige Rolle im Unternehmen. Dort, wo die oder der einzelne Beschäftigte gegen die Unternehmensleitung machtlos ist, kann er auf die Kraft seiner Interessenvertretung, seines Betriebsrates vertrauen. Es ist der Betriebsrat, der die wirtschaftliche Macht einer demokratischen Kontrolle unterwirft. Es ist der Betriebsrat, der Machtmissbrauch bekämpft und begrenzt.
Dieses Motto ist gut, aber es könnte besser sein; denn Betriebsräte sind mehr als Kontrollorgane. Betriebsräte, wie wir sie kennen, suchen kreativ nach Auswegen, wenn Betriebsstilllegungen drohen. Betriebsräte sorgen für den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn es doch zu Stilllegungen kommt. Betriebsräte kümmern sich um korrekte Entlohnung. Sie bestimmen mit bei Arbeitszeit und Überstunden, bei Pausenzeiten oder bei Fragen der Weiterbildung.
Mitbestimmung, wie wir GRÜNEN sie verstehen, beschränkt sich aber nicht auf Betriebs- und Personalräte. Sie beginnt am Arbeitsplatz und endet nicht bei der Unternehmensmitbestimmung. Mitbestimmung kennzeichnet für uns eine demokratische Gesellschaft. Zur Mitbestimmung gehört die Selbstverwaltung in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung. Dazu gehören die pluralistisch besetzten Rundfunkräte und nicht zuletzt die Mitbestimmung in den Selbstverwaltungsstrukturen der Hochschulen.
Der Wunsch nach Verantwortung und Teilhabe, das heißt nach Gleichberechtigung und nach Mitbestimmung, ist ein elementares Bedürfnis der Menschen. Nur dort, wo der Mensch gestalten kann, wo er Verantwortung übernehmen kann, ist er auch selbstständig und frei. Das ist nicht nur ein demokratisches Prinzip, sondern hier geht es im Kern um „Res publica“, um öffentliche Angelegenheiten. Das heißt, Mitbestimmung ist ein Zeichen für die Freiheit des Einzelnen in einer republikanischen Gesellschaft. Die traurige Alternative gesellschaftlicher Art wäre gekennzeichnet durch Gleichgültigkeit, durch Resignation, durch Dienst nach Vorschrift.
Ich sage Ihnen, für mich persönlich war dieser Drang nach Mitbestimmung auch eine wichtige Antriebskraft in den Jahren 1989 und 1990. Mein Weg in die Politik begann damals mit dem Einsatz für freie Betriebsräte und für freie Gewerkschaften. Ich war und bin überzeugt, dass der Zweck des Wirtschaftens, dass die Organisation des Wirtschaftens nicht von der Gewinnmaximierung geleitet sein darf, sondern dass der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen müssen.
Ich bin überzeugt, dass ein solches unternehmerisches Handeln für die Gesellschaft von höchster Bedeutung ist, denn es fördert die Sozialverträglichkeit und es sichert damit auch den gesellschaftlichen Frieden. Nicht zuletzt deshalb dürfte die Mitbestimmung auch von hoher Akzeptanz in der Gesellschaft geprägt sein. Nach der letzten Emnid-Umfrage sind 82 % der Menschen gegen einen Abbau der Unternehmensmitbestimmung. Aber Mitbestimmung wird auch in Unternehmen vielfach als Vorteil gesehen. Die Unternehmensberatung Weissmann hat rund 500 Unternehmen befragt: 74 % dieser Unternehmen sehen in der Mitbestimmung einen Standortvorteil für Deutschland und wenn die Geschäftsführer entscheiden könnten, dann würden sich 82 % für die Beibehaltung ihres Betriebsrates und nur 3,5 % für seine Abschaffung aussprechen. Ich glaube, das ist kein Wunder, denn es gibt gute ökonomische Gründe für die Mitbestimmung. Mitbestimmung rechnet sich.
Die empirische Wirtschaftsforschung hat in der letzten Zeit eine ganze Zahl von Studien zu diesem Bereich vorgelegt. Es ist bereits von Herrn Tischendorf angesprochen worden, dass die Arbeit des Betriebsrates kostengünstig ist. Sie liegt deutlich unter einem Euro pro Tag und Beschäftigten, aber die Vorteile für die Betriebe sind erheblich. Betriebe mit Betriebsrat sind überdurchschnittlich produktiv. Die Betriebsräte unterstützen die Innovationstätigkeit in den Betrieben und mitbestimmte Unternehmen haben eine geringere Fluktuation und bessere Weiterbildungsmöglichkeiten für die Beschäftigten. Das heißt aber auch, dass solche Unternehmen die besseren Chancen haben im Kampf um die Talente angesichts der Verknappung der Arbeitskräfte ab dem Jahr 2010.
Alles in allem ist Mitbestimmung nicht nur zeitgemäß und gesellschaftlich notwendig, sondern auch ökonomisch vorteilhaft. Sie regelt die Beziehungen der Wirtschafts- und Sozialpartner in einer Art und Weise, die für die Gesellschaft unverzichtbar ist. Deshalb hat Rot-Grün im Jahr 2001 das Betriebsverfassungsgesetz novelliert und erneuert. Der Erfolg hat sich bereits in den Betriebsratswahlen 2002 und der Anwendung seitdem gezeigt.
Deshalb sollte auch hier im Sächsischen Landtag die Notwendigkeit der Novellierung des Personalvertretungsgesetzes auf die Tagesordnung kommen.
Das, was einst vor über zehn Jahren einvernehmlich verabschiedet wurde, ist mittlerweile wieder verbesserungsbedürftig.
Der wichtigste Beitrag der Regelungen liegt aber unterhalb der gesetzlichen Grenze. Es ist bereits gesagt worden, etwa 50 % der Beschäftigten sind in mitbestimmten Unternehmen beschäftigt. Lücken gibt es insbesondere im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Es sind deutschlandweit nur sieben Prozent der Unter
Deshalb sehen wir es als Aufgabe des Tages, neue Betriebsräte zu gründen. Dabei gilt es Widerstände abzubauen; Widerstände, die zum einen in den Unternehmen liegen, und da ist ein Dialog doch ausgesprochen angebracht. Warum soll nicht in einem Dialog geklärt werden, welche Formen des Anreizes gefunden werden können? Warum soll es nicht zum Beispiel auch möglich sein, betriebliche Mitbestimmung zu einem Förderkriterium zu machen?
Zurückhaltung liegt aber zum Teil auch aufseiten der Beschäftigten, wie gerade – ganz aktuell – SAP gezeigt hat. Auch dort sind Veränderungen im Gange. Gerade meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Informatikbereich denken neu nach, nachdem die New Economy nicht mehr nur die Erfolgslinie, sondern auch eine neue Krise geworden ist.
Für all diese Zwecke sind Gespräche über die Weiterentwicklung der Mitbestimmung zwischen den Sozialpartnern ein gutes Mittel. Der Mitbestimmungsdialog kann ein guter Weg sein, er kann dazu dienen, gute Beispiele aus der Praxis weiterzuverbreiten. Und was zählt so wie die Verbreitung von guten Beispielen?
Der DGB hat im „Sächsischen Mitbestimmungsappell“ diesen Vorschlag gemacht. Die Linksfraktion.PDS hat diesen in ihrem Antrag eins zu eins aufgenommen und wir stimmen diesem Antrag zu.
Wird von den Fraktionen noch einmal das Wort gewünscht? – Das sieht nicht so aus. – Herr Minister, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema der betrieblichen Mitbestimmung ist in der Tat besonders aktuell – es ist darauf hingewiesen worden –, schließlich werden in diesem Frühjahr Betriebsräte gewählt. Ich habe mehrfach dazu aufgerufen, sich rege an den Betriebsratswahlen zu beteiligen.
Herr Tischendorf, ich höre Ihnen immer ganz genau zu. Sie haben mich gewürdigt für meinen flammenden Appell anlässlich des Gewerkschaftskongresses.