Ich will auch mit einer Mär aufräumen. In vielen Diskussionen, die ich verfolge, wird immer wieder gesagt, dass es genau diese Bevölkerungsgruppen sind, die natürlich davon profitieren, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz nicht erhöht wird. Das ist aus meiner Sicht eine sehr mutige Annahme, denn sie stimmt nicht.
Fast die Hälfte ihres Haushaltseinkommens gibt diese Bevölkerungsgruppe für Dinge aus, auf die der volle Mehrwertsteuersatz anzurechnen ist. Nur zur Erinnerung, was alles mit dem vollen Mehrwertsteuersatz von jetzt 16 %, demnächst bald 19 %, beglichen werden muss: Das ist Kleidung – übrigens auch Kinderkleidung –, das ist Strom, Heizung, Wasser. Das ist auch Spielzeug und das sind natürlich Benzin und Diesel.
Wenn Sie noch dazurechnen, dass wir in Sachsen sowieso das Land sind, das die höchsten Energiepreise, die höchsten Wasserpreise und die höchsten Spritpreise in ganz Deutschland hat, dann sehen Sie, dass der Staat mit der Mehrwertsteuererhöhung einfach weiter an der Preisschraube dreht. Das ist für uns nicht akzeptabel, meine Damen und Herren.
Angesichts solcher Tatsachen – Frau Orosz ist jetzt auch nicht da – fällt es mir übrigens schwer, die Frau Staatsministerin mit dem ernst zu nehmen, was sie beim letzten Mal in der Familiendebatte hier gesagt hat. Sie hat nämlich gesagt: Familien haben in der sächsischen Politik einen sehr hohen Stellenwert.
Dann hätte Frau Orosz wenigstens dafür sorgen sollen, dass demnächst auf Kindersachen der ermäßigte Mehrwertsteuersatz fällig wird.
Das hat sie nicht gemacht. Wir werden auch auf Kindersachen weiterhin den höheren Mehrwertsteuersatz zahlen müssen, Frau Nicolaus.
Sie hat es gefordert, na ja. Eine Forderung an denjenigen, der mit in der Regierung sitzt und in der eigenen Partei ist, ist natürlich leichter, als wenn ich etwas fordere.
Wer, wenn nicht Sie, Frau Nicolaus von der CDU, Regierungspartei hier und Regierungspartei in Berlin, kann in diesem Land etwas verändern? Sie sind es. Versuchen Sie es weiter, Frau Nicolaus, denn die Sache ist im Bundesrat noch nicht durch. Vielleicht gibt es eine Chance, auch auf Initiative des kinderfreundlichen Landes Sachsen, genau an dieser kleinen, aber wichtigen Stelle noch etwas zu tun, meine Damen und Herren.
Was im Moment aus meiner Sicht in Berlin gemacht wird, hat nicht einmal ansatzweise etwas mit solider Finanzpolitik zu tun. Das ist kein Konzept. Das ist Chaos. Erlauben Sie mir bitte diese flapsige Bemerkung: Aus meiner Sicht ist die Finanzpolitik, die wir in Berlin erleben, absolut unsächsisch.
Ich bin hier in Sachsen etwas anderes gewöhnt. Die beiden Finanzexperten Herr Milbradt und Herr Metz sind gerade nicht hier. Aber ich möchte die beiden einmal fragen, ob sie nicht selbst – wie soll ich es sagen – bald durchdrehen müssten, wenn man das sieht, was uns aus Berlin als solide Finanzpolitik verkauft wird.
In Sachsen sind wir einen anderen Weg gegangen. Ich verstehe inzwischen den Ministerpräsidenten, denke ich, auch ganz gut, wenn er mit Blick auf Berlin sagt, ihm bleibt nichts anderes übrig, als einfach mit der Parole „Augen zu und durch“ durch dieses Schlamassel zu gehen, meine Damen und Herren.
Zum Schluss: Aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass es wieder einmal die Bürger und wieder einmal die Unternehmen sind, die mit einer höheren Mehrwertsteuer den Preis für die Reformunfähigkeit der Politik und das Beharren in die überkommenen, nicht zeitgemäßen und
auch zu teuren Systeme bezahlen müssen. Anstatt dass der Staat zuerst seine eigenen Hausaufgaben macht, bei sich selbst spart, Sparpotenziale konsequent entdeckt und auch hebt, dreht er zuallererst sehr unkreativ wieder einmal an der Steuerschraube.
Die Mehrwertsteuererhebung, meine Damen und Herren, ist falsch. Sie ist noch dazu völlig unnötig. Sie schadet Sachsen. Deswegen fordere ich, fordert die FDP, dass Sachsen im Bundesrat einer Mehrwertsteuererhöhung nicht zustimmt.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Es wäre ja schön, wir hätten eines Tages die Möglichkeit, wenn Haushalte konsolidiert sind, solche Entscheidungen, wie wir sie heute nicht hier treffen, aber wie sie im Bund getroffen werden müssen – vielleicht –, auch einmal zurückzunehmen. Damit wird nicht zu rechnen sein. Die Entscheidung über die Dauer der Mehrwertsteuererhöhung – was man einmal hat, wird man selten wieder aufgeben.
Bei einer Staatsquote, die bei nahezu 50 % liegt, und einer Abgabenquote mit demnächst über 40 % macht das für jeden Steuerzahler und auch für jeden, der von Abgaben betroffen ist, keine Freude. Das Wachstum wird möglicherweise um 0,4 Prozentpunkte gebremst. Vorgezogene Käufe gibt es, die sind planbar von den Betrieben. Viel wichtiger wäre – wie Herr Zastrow es ausgeführt hat und wie es auch andere noch sagen werden – eine klare Ausgabenreduzierung, wie wir sie im Freistaat haben. Ich wage die These: Wir sind das erste Bundesland, welches mit sinkenden Ausgaben und sinkenden Quoten umgehen wird. Ob das ausreichend gewürdigt wird, weiß ich noch nicht. Aber wir tun es trotzdem, weil wir eine solide Haushaltspolitik haben. Es scheint tatsächlich nicht solide zu sein, was in Berlin passiert.
Daraus möchte auch unsere Fraktion plötzlich keinen Hehl machen. Und wir sind uns bewusst, was Schwarzarbeit und was Grenzregionen sind und was harte Einschnitte bedeuten. Allerdings, Herr Zastrow, glaube ich nicht, dass Sie sich in eine Situation einer Familie hineinversetzen können, wenn Sie sagen, Sie hätten Berechnungen angestellt, wie man in einer Familie mit Geld umgeht.
Ich darf Ihnen sagen: In einer Familie geben Sie deutlich größere Anteile als die von Ihnen genannten für den Bereich 0 % oder 7 % aus, nämlich für Miete und reine Lebensmittel, Schulkosten und, und, und – mehr als Sie denken. Vielleicht kann man sich das als DINK (double income, no kids) nicht richtig vorstellen. Das macht die Sache aber nicht leichter.
Letztlich allerdings haben wir das hier nicht groß zu verteidigen, ob wir nun diese Regierung in Berlin mit stellen. Es ist eine Politik der kleinen, der machbaren Schritte, und vollmundige Versprechungen, großmundige Versprechungen, was wir alles zu tun haben und was man tun könnte, scheitern an den vielen Anforderungen an diesen Haushalt, die in der Vergangenheit angelegt sind. Auch an heutigen Haushalten und Begehren von allen Parteien scheitert es. Ob es nun die Altlasten aus DDRZeiten sind, die die Finanzpleite herbeigeführt haben, ob es Ansprüche an Sozialsysteme sind, ob es Umweltmaßnahmen sind, ob es Wirtschaftsförderung ist – das sind alles Dinge, die unseren Haushalt belasten. Die Politik ehrlicher Schritte, nachvollziehbar ehrlicher Schritte, machbarer Schritte ist das, was in Berlin getan wird. Dazu gehört eine große Portion Vertrauen in diese Politik. Dieses Vertrauen haben wir nach wie vor.
Unsere Fraktion hat weiterhin das Vertrauen, dass am Ende dort aus einem Gesamtpaket etwas entsteht, was unsere Wirtschaft nach vorn bringen kann; Alternativen wurden unzureichend aufgezeigt.
Um die heutigen Haushalte in den Griff zu bekommen, braucht die Bundesregierung diese zweiprozentige Erhöhung. Sie haben das so schön gesagt, Herr Zastrow. Danke für das Lob. Wir haben es ehrlich angekündigt. Dass es 3 % geworden sind – nun, man lebt in einer Koalition. Sie kennen das mit dem Kassensturz. Was man früher halb wusste, weiß man hinterher ganz und muss alles noch einmal aufräumen. Ich glaube schon, dass die Bundesregierung, wäre sie von einer Fraktion geführt worden, klarere Ansagen in anderen Bereichen und damit auch eine Vermeidung dieses dritten Prozentpunktes erreicht hätte. Aber so ist es nun einmal: eine verlässliche Politik dessen, was in kleinen Schritten möglich ist.
Mir kommt es darauf an: Wie wird dieses Geld verwendet? Ob wir im Bundesrat dafür oder dagegen stimmen – wie verwenden wir diese Mehreinnahmen? Darüber sollten wir uns hier im Freistaat Gedanken machen. Wir werden sie – dies dürfte in der Koalition sowie im gesamten Plenum hoffentlich unstrittig sein – zur Schuldentilgung und zur vorzeitigen Vermeidung neuer Schulden einsetzen. Warum verwenden wir dieses Geld nicht, um bereits den Haushalt 2007 zu entlasten und im Jahr 2008 erst gar keine neuen Schulden aufzunehmen? Dies ist die Generallinie unserer sächsischen Politik, auch in der Koalition.
Auf die nachhaltige Verwendung und die Entlastung der Arbeitsentgelte sind Sie bisher überhaupt nicht eingegangen. Entlastung der Arbeitsentgelte und Stimulierung des Arbeitsmarktes sind Aufgaben, die man sich durchaus auch – von Wirtschaftsfachleuten unterstützt – davon versprechen kann. Ob man das dafür richtig einkauft, ist
Sie haben von der hohen Arbeitslosenquote gesprochen. Also ist es Ziel unserer Politik, auf dieser Seite etwas zu tun. Nur, den kurzfristigen Finanzbedarf ändern wir damit nicht. Wenn wir eine Reduzierung der Abgabenquote vornehmen, haben wir noch nicht den Bedarf am sofortigen Budgetbedarf verändert, im Gegenteil: Es geht nicht allein durch Einschneidung von Subventionen hopplahopp und über Nacht. Es bedarf auch solcher, leider schwieriger Maßnahmen. Dies ist vorher ehrlich angekündigt worden. Man muss dies als Bestandteil eines Paketes betrachten. Dieses Vertrauen hat die CDUFraktion in die Bundesregierung. Keine Alternativen wären so kurzfristig wirksam. Uns drohen ja auch Strafzahlungen und Pönale von der Europäischen Gemeinschaft, wenn wir die Haushaltskriterien wieder nicht einhalten, was die vergangene Regierung bereits einige Jahre betrieben hat.
Es sind letztlich Investitionen in die Zukunft, und – quod erat demonstrandum – es muss sich beweisen, dass man in der Bundesregierung, so wie in Sachsen, eines Tages vorbildliche Haushaltspolitik macht und endlich mit dem auskommt, was man hat. Wir in Sachsen können das, aber wir können es auch nur mit der Solidarität. 50 % unseres Haushaltes wachsen uns von außen zu, und so müssen wir uns hier auch solidarisch zeigen – dafür bitte ich Sie um Zustimmung – mit denen, die nicht so vorbereitet sind, damit auch sie eine Möglichkeit haben, ihre Haushalte zu konsolidieren. Es ist nicht der Haushalt eines Staates, sondern der aller Bürger. Es sind Taschenumverteilungen, die wehtun, aber notwendig sind.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da frage ich mich doch am Donnerstag, dem 11. Mai 2006, was eine FDP denn dazu treiben mag, einen Antrag einzubringen, der die Sächsische Staatsregierung beauftragt, im Bundesrat einer Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht zuzustimmen, wenn derselbe Bundesrat bereits unter Zustimmung der Sächsischen Staatsregierung am 7. April 2006 darüber entschieden hat.
Bei der auch in diesem unseren Hohen Hause nicht gänzlich unbekannten Boshaftigkeit könnte ich nun sagen: Die FDP will sich wohl loben lassen; denn schließlich haben nur die beiden Länder, in denen die FDP mitregiert, die Erhöhung der Mehrwertsteuer abgelehnt. – Lob!
Doch eigentlich ist dieses Debakel um die Erhöhung der Mehrwertsteuer Ausdruck einer beispiellosen Maßlosigkeit und Beliebigkeit der Regierenden, die mir Angst macht.
Tönte nicht Schröder vollmundig, mit seiner SPD würde es keine Erhöhung der Mehrwertsteuer geben? Nun ist er weg und seine ganze SPD, die vorher mittönte, beschließt mit der CDU nicht nur die als Merkel-Steuer bezeichnete zweiprozentige Erhöhung, sondern gleich 3 %, und dies mit der gleichen Überzeugung, mit der sie vorher dagegen war.
Die CDU, die schon immer für ein Gürtel-enger-schnallen bei den kleinen Leuten war, sieht natürlich ebenso keine wirksame Alternative. Dies ist auch nachvollziehbar, wenn man sich ansieht, wie sich CDU/CSU und SPD bei ihrer so genannten Reichensteuer anstellen, bei der aus ursprünglich avisierten 660 Millionen Euro nur noch schlappe 127 Millionen Euro – oder vielleicht sogar noch weniger – zu erwarten sind.
Die Bundesrepublik ist zwar Exportweltmeister, aber offensichtlich führt ein solcher wirtschaftlicher Erfolg zur totalen Verarmung, und die 700 000 Euro-Millionäre, die wir haben, sind wahrscheinlich auch nur getarnte Tafelnutzer oder verkappte Unterstützungsbedürftige.
Also wird die ohne großen zusätzlichen Aufwand zu erhebende Mehrwertsteuer um 3 % erhöht. Das macht 19 Milliarden Euro für klamme Staatskassen. Interessanterweise können unisono die großen Wirtschaftsverbände, die Bundesbank, der Bund der Steuerzahler und Chefvolkswirte von renommierten Unternehmen, auf deren Sozialabbauvorschläge immer gehört wird, Sturm laufen, wie sie wollen. Dieses Mal bleiben sie ungehört. Das wird wohl auch nur der Auftakt sein zu weiterem Sozialabbau und Einschränkungen auf der einen Seite bei weiterer Anhäufung von Reichtum und Vermögen auf der anderen Seite.
Darüber können wir uns gern unterhalten, Herr Patt. Gehen Sie ans Mikrofon, wenn Sie eine Frage haben!