Protokoll der Sitzung vom 11.05.2006

Wenn es in Deutschland ein einheitliches Schulsystem gäbe, dann wäre jetzt nach sechs Jahren rot-grüner Politik das sächsische Schulsystem genauso schlecht wie in Bremen, Hamburg oder vielleicht in Niedersachsen.

Herr Lichdi bittet noch einmal um eine Zwischenfrage.

Nein, ich beantworte heute keine Zwischenfragen.

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, steht ebenfalls zu einer Zwischenfrage am Mikrofon.)

Und von der Frau Kollegin auch nicht?

Oh, es tut mir sehr Leid, aber …

(Allgemeine Heiterkeit)

Die Anerkennung der Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse über die Kultusministerkonferenz muss jedoch gewährleistet bleiben.

Jetzt muss ich einmal darauf hinweisen: Ich bin nicht der große Freund irgendwelcher Konferenzen, die in diesem Sinne überhaupt keine abschließende demokratische Legitimation haben.

Es gibt auch die Innenministerkonferenz und die Konferenz der Justizminister. Ich weiß nicht, ob das wieder eine Form ist, mit der der Föderalismus ausgehebelt wird. Die Bildungspolitiker werden sagen, dass es notwendig ist; denn wenn jemand aus dem Freistaat Bayern eine sächsische Schule besuchen will, diese aber erst mit der Mittelschule beginnt, dann muss er auch die Möglichkeit haben, ohne großen Nachholbedarf anzuschließen. Die Vergleichbarkeit – insoweit kann ich mich den Schulpolitikern nur beugen – ist ein wichtiges Instrument, das man zwischen den deutschen Ländern auszuhandeln hat. Ich kann mich nicht mehr so sehr kritisch dazu äußern.

Hoheit und Eigenverantwortung der Länder in der Schulpolitik müssen jedoch konsequent betrieben werden. Der Bund muss aufhören zu versuchen, durch zweckgebundene Finanzspritzen, die letztlich nur ein Strohfeuer entfachen, seine Politik durchzusetzen. Er lässt nämlich die Länder mit den finanziellen Auswirkungen und Folgekosten allein. Das kann es wohl nicht sein, wenn es um die Reform des Schulsystems geht.

Es ist deshalb zu begrüßen, dass der Entwurf der Reform vorsieht, die Zuständigkeit der Länder im Schulbereich dadurch zu stärken, dass Finanzhilfen des Bundes in dieser kurzfristigen Form unzulässig sind. Statt darauf zu hoffen, durch Zentralisierung von Schulpolitik werde es zu einer Änderung von Strukturen kommen, sollten die Einbringer dieser Anträge endlich begreifen, dass der Bildungserfolg nicht von der Gesamtschule abhängt, sondern von anderen Faktoren wie Kontinuität, Verlässlichkeit, Engagement der Lehrer und der Eltern. Natürlich gehört auch eine hohe Motivation der Schüler dazu, die den Stellenwert der Bildung in der Gesellschaft insgesamt erhöhen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben beim Aufbau des Freistaates Sachsen in den letzten 15 Jahren durchaus über Reformen gesprochen und uns diesen auch gewidmet. Ich gehe davon aus, dass der Deutsche Bundestag mit dem Bundesrat in verantwortungsvoller Form die Anhörung in der nächsten Woche beginnt und sich dort vielleicht noch etwas Weisheit dazuholt. Er sollte sich nicht zurückziehen und sagen: Wir dürfen nicht mehr über Änderungen nachdenken. Ansonsten könnte uns diese kleine Reform um die Ohren fliegen. Ich glaube, Solidität muss an erster Stelle stehen. Der zweite Punkt ist eine gute Gesetzgebung auf Bundesebene. Drittens haben auch die Grundgesetzänderungen kaum zu massiven Entlastungen der Bürger geführt. Wir müssen anpacken und gute Konzepte auf den Weg bringen. Ich hoffe, dass

das auf der Bundesebene in den nächsten Wochen stattfindet, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Brangs.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt mir jetzt noch einfacher, „Liebe Kolleginnen und Kollegen!“ zu sagen, weil die rechte Seite verwaist ist. Sonst war es immer schwierig, von „Kollegen“ zu sprechen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir haben auf der Bundesebene eine Diskussion begonnen, die im Wesentlichen eine umfassende Reform der bundesstaatlichen Ordnung zur Folge hat. Im Klartext ist damit die Föderalismusreform gemeint.

Ich glaube, es ist richtig und sinnvoll, dass wir ungeachtet aller noch zu klärenden Detailfragen tatsächlich zu einer Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern kommen.

(Heiterkeit des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Lieber Kollege Schiemann, was ist los? Es scheint Sie etwas besonders zu belustigen.

(Marko Schiemann, CDU: Nein!)

Jeder hier im Raum hat feststellen können, dass die Zuständigkeitsregelung des Grundgesetzes in den vergangenen Jahren Schwächen gezeigt hat. Das hat sicherlich nicht nur damit zu tun, dass es teilweise eine wechselseitige Blockade zwischen Bundestag und Bundesrat gegeben hat. Insofern ist es richtig und sinnvoll, dass wir mit der Föderalismusreform vor allen Dingen zu einer Verringerung der Zahl der zustimmungsbedürftigen Gesetze kommen. Das mit der Reform verbundene erklärte Ziel, die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neu zu regeln und vor allen Dingen klar voneinander abzugrenzen, ist richtig. Ob dies gelingt, werden die nächsten Monate zeigen. Dazu haben Vorredner schon einiges gesagt. Die Anhörung hat noch nicht begonnen; am 15. Mai findet das Verfahren statt.

Für die SPD-Fraktion will ich deutlich sagen: Zu der Reform der bundesstaatlichen Ordnung gibt es keine Alternative. Insofern bin ich fest davon überzeugt, dass ein derart gewichtiges Reformvorhaben nur dann möglich ist, wenn man es im Zuge einer großen Koalition realisieren will.

Natürlich geht es auch darum – dieser Punkt spielt in der öffentlichen Debatte eine wichtige Rolle –, zu welchem Preis man eine solche Reform durchsetzt. Ich sage deutlich: Eine Reform zu jedem Preis sollte es nicht geben. Das Anhörungsverfahren, das wir uns in den nächsten Wochen zu Gemüte führen dürfen, wird die Schwachstel

Dass es einen sinnvollen Wettbewerbsföderalismus gibt, will ich durchaus einräumen. Aber wir müssen um die besten Konzepte, um die besten Lösungen ringen, nicht aber darum, möglichst niedrige Standards zu haben. Aus diesem Grund – auch in diesem Punkt gibt es Übereinstimmung mit unserem Koalitionspartner – ist die SPDFraktion der Auffassung, dass wir im Bereich des Strafvollzugs Anlass haben, das Ganze noch einmal sorgfältig zu prüfen. Es kann doch nicht das Ziel sein, dass wir – ich will es salopp formulieren – einen Wettbewerb um das dunkelste Verlies und um die billigste Verpflegung in den Strafvollzugsanstalten beginnen.

len aufzeigen. Es ist klar, dass Fehler, die sich wegen hoher Zustimmungshürden zur Verfassungsänderung im Grundgesetz niederschlagen, im Nachhinein nur schwer zu korrigieren wären. Anders gesagt: Die Änderungen, die Bundestag und Bundesrat planen, müssen zum Abbau zustimmungsbedürftiger Gesetze führen.

Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir die Gesetzgebungskompetenz neu ordnen und eine fachlich sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und den Ländern herbeiführen. Anders als im Antrag der GRÜNEN vorgesehen, halte ich es für verfrüht, dass wir, bevor die gemeinsamen Anhörungen von Bundestag und Bundesrat zu einem endgültigen Urteil geführt haben, schon jetzt Wertungen vornehmen und Entscheidungen zum Reformvorhaben treffen. Wenn das möglich wäre, dann könnten wir uns die Beratungen in Bundestag und Bundesrat sparen und direkt zur Abstimmung übergehen. Insofern werden wir den Antrag der GRÜNEN ablehnen.

Ähnlich sieht es im Bereich des Umweltrechts aus. Uns sind die Stimmen aus der Wirtschaft bekannt, die sagen: Wir haben in der Bundesrepublik unterschiedliche Standards; uns als Unternehmern kann nicht zugemutet werden, aufgrund dessen ständig unterschiedliche gesetzliche Vorgaben zu akzeptieren.

Das ist richtig. Aber ich will auch sagen, dass wir nicht zulassen dürfen, dass es über unterschiedliche Umweltstandards dazu kommt, dass wir einen Wettbewerb der Länder bekommen. Jedem im Hause ist klar, wenn es zu einem Unfall kommen sollte – das wollen wir nicht hoffen –, werden Giftwolken sicherlich nicht an den Grenzen der Bundesländer Halt machen. Da brauchen wir ganz andere Regelungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Beteiligten in Berlin, darunter beide Fraktionsvorsitzenden der großen Volksparteien, haben deutlich gemacht, dass das parlamentarische Beratungsverfahren ergebnisoffen ist. Das finde ich sehr wichtig. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die geplanten Regelungen sorgfältig geprüft werden müssen. Für mich steht allerdings auch fest, dass die Föderalismusreform nicht zu Nachteilen gerade für strukturschwache Länder führen darf. Wir müssen vor allem darauf achten, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gewahrt bleibt.

Auch im Bereich der Hochschulpolitik setzen wir weiterhin darauf, dass es im Rahmen der Verständigung dazu kommt, dass wir eine Finanzierung in Aussicht gestellt bekommen, die wichtige Impulse gibt, und dass damit die Fortführung der bestehenden Vorhaben im Hochschulbau gesichert wird.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Gerade wir als Vertreter Sachsens, eines ostdeutschen Bundeslandes, sollten besonders darauf achten, dass wir allen Ansätzen entgegentreten, die einseitige Veränderungen zugunsten westdeutscher Flächenländer zur Folge hätten.

(Beifall der Abg. Martin Dulig, SPD, und Marko Schiemann, CDU)

Vielen Dank, Kollege Schiemann. Wenigstens einer hört mir hier noch zu. Ich möchte auch davor warnen, dass die Ergebnisse der Föderalismusreform zu einem Wettbewerb der Standards führen. Auch dazu hat mein Kollege Schiemann schon ausgeführt. Sie sehen: Die Koalition hat nicht nur Gegensätze, sondern auch Gemeinsamkeiten. Hinsichtlich der Föderalismusreform müssen wir berücksichtigen, dass wir einen europäischen Trend in eine vollkommen andere Richtung haben, nämlich immer umfassendere und möglichst einheitliche Regelungen zu schaffen. Deshalb ist ein Rückfall in die Kleinstaaterei der falsche Weg.

(Widerspruch bei der SPD)

Oh, Entschuldigung, meine Kollegen von der SPDFraktion habe ich vergessen! Mea culpa, mea culpa!

Eine wichtige Frage im Bildungsbereich ist zudem, wie wir die bundeseinheitlichen Standards schaffen und worauf wir sie beziehen sollen. Auch müssen wir die Frage stellen, wie wir im Hochschulbereich die Lasten der Länder untereinander gerecht verteilen.

Ich habe in einer anderen Debatte hier schon einmal deutlich gemacht, welche Positionen wir vertreten und wo wir noch Veränderungsbedarf sehen. Dazu gehört insbesondere das Dienst- und Besoldungsrecht für die Beamten. Ich glaube, es ist sinnvoll und richtig, dass wir uns gerade wegen der Erfahrungen, die wir in den letzten Jahrzehnten, insbesondere in den siebziger Jahren in den alten Ländern – da hat es sehr starke Wanderungsbewegungen gegeben –, sammeln konnten, darüber verständigen, in der Frage der Beamtenbesoldung nicht zu einem Wettbewerbsföderalismus zu kommen.

Das sind ein paar Punkte, die ich anreißen wollte, damit klar wird, dass wir abwarten sollten, was bei der Anhörung herauskommt. Dann können wir uns über die Ergebnisse verständigen und nicht heute schon vorschnell an der einen oder anderen Stelle zu einer Entscheidung kommen.

Die vorliegenden Anträge werden wir deshalb ablehnen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion ist nicht anwesend. Ich rufe jetzt die FDP-Fraktion auf. Herr Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Antrag der Fraktion der GRÜNEN zur Föderalismusreform wird die FDPFraktion so nicht zustimmen. Das gilt auch für den Antrag der Linksfraktion.PDS zur Schaffung gleichwertiger Rahmenbedingungen für das Bildungswesen.

Die Föderalismusreform ist ein sehr langwieriges Geschäft. Seit 20 Jahren wird darüber diskutiert, die Aufgaben zwischen Bund und Ländern neu, und zwar nach Möglichkeit trennscharf, zu definieren. Man kann über die einzelnen Punkte des vorliegenden Gesetzentwurfs, der am 6. März von den Bundesländern grundsätzlich gebilligt worden ist, diskutieren und streiten. Da ist nicht jedem alles recht. Das mag so sein. Die Diskussion hat es gezeigt. Kollege Brangs hat angesprochen, wie schwer es für Sozialdemokraten hinzunehmen ist, dass die Beamtenbesoldung von den Ländern unterschiedlich geregelt werden könnte. Ich kann nachvollziehen, dass das für manchen Sozialdemokraten ein Gräuel ist. Übrigens war das bis 1973 Ländersache. Man hat es dann einheitlich gemacht, mit dem Erfolg, dass nachher auf Bundesebene Eintarifierungen und Lohnvergütungssachen in Besoldungsfragen auf kleinster Arbeitsebene besprochen worden sind und ein Wust an Arbeit entstanden ist, der der Sache nicht mehr zweckdienlich war.

Wir werden über die einzelnen Punkte der Föderalismusreform noch diskutieren, aber der Antrag, den die Fraktion der GRÜNEN vorgelegt hat, ist wenig hilfreich. Es mag auch sein, dass das ein Ausdruck der Machtlosigkeit der GRÜNEN in den Bundesländern und jetzt auch im Bund ist. Aber ich will sagen, dass die Föderalismusreform wichtig ist. Den Grundansatz, nur wenn der Bund seine Finger mit drin hätte, könnte für die Länder etwas Vernünftiges herauskommen, teile ich nicht. Nein, wir stehen zu föderalen Strukturen. Wir begrüßen den Föderalismus, denn was wäre er wert, wenn die Länder im föderalen System einzig und allein die Freiheit hätten, das zu tun, was ihnen von Berlin vorgeschrieben wird? Föderale Strukturen zeichnen sich auch durch Unterschiede aus. Wir wollen, dass diese Unterschiede positiv genutzt werden, nicht, dass sie Probleme bereiten. Es gibt übrigens auch Probleme aus den alten Strukturen – ich erinnere an die Kultusministerkonferenz –, die auch noch zu lösen sind.