Protokoll der Sitzung vom 11.05.2006

Schließlich hat der Ausschuss in seiner 7. Sitzung am 25. April 2006 mit 14 gegen 5 Stimmen beschlossen, dem Landtag zu empfehlen, Anklage gegen Herrn Prof. Dr. Porsch nach Artikel 118 der sächsischen Landesverfassung zu erheben. Die Minderheitenmeinung, die im Ausschuss vertreten wurde, ist in der Beschlussempfehlung am Ende aufgeführt. Der Ausschuss hat darüber hinaus auch die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen persönlich eingeladen, um die von ihr übersandten Unterlagen mündlich zu erläutern und zu den dazu aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Die Bundesbeauftragte hat auf Ersuchen des Ausschusses ferner eine schriftliche Stellungnahme abgegeben, in der die Fragen beantwortet wurden, die im mündlichen Anhörungstermin nicht abschließend geklärt werden konnten.

Lassen Sie mich das als Bericht von mir als Berichterstatter vorwegschicken. Die Bewertung der Sachverhalte und der Argumente möchte ich den anderen Kollegen des Hauses überlassen.

Ich frage, ob weitere Mitglieder des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten das Wort wünschen. – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann frage ich das betroffene Mitglied des Landtages, ob es zur Beschlussempfehlung sprechen möchte.

Wir haben Herrn Prof. Dr. Peter Porsch in jeder Sitzung und jederzeit Gelegenheit gegeben, den Ausschussmitgliedern persönlich Rede und Antwort zu stehen und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Bedauerlicherweise hat Herr Prof. Dr. Porsch es vorgezogen, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen.

Leider war es dem Ausschuss auch nicht möglich, die von Herrn Prof. Dr. Porsch bzw. seinen Anwälten ursprünglich gegenüber dem Bewertungsausschuss zu seiner Entlastung angeführten Auskunftspersonen – es ging dabei um die ehemaligen Stasi-Führungsoffiziere – zu befragen, da

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Jetzt nicht!)

Jetzt noch nicht.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ich bereite das vor!)

Dabei ist festzustellen, dass es sich bei den Berichten um alles andere als um bloße Lappalien handelt. Hier wurden gezielt Personen ausgeforscht, persönliche Details preisgegeben und Bewertungen zum Charakter und zur politischen Einstellung der ausgeforschten Personen abgegeben. Der Inhalt der Berichte rechtfertigt also durchaus eine Anklageerhebung.

diese einer entsprechenden Einladung des Ausschusses nicht gefolgt sind. Wir haben uns deshalb entschlossen, auch einen Protokollauszug mit der Zeugenaussage einer dieser Personen in einem vor dem Landgericht Hamburg anhängigen Verfahren beizuziehen.

Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ausschuss hat wirklich alles getan, um zu einer fundierten Entscheidungsgrundlage zu gelangen. Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte: Der Verbleib von Herrn Prof. Dr. Porsch im Landtag ist nach Auffassung der Ausschussmehrheit, die ich teile, auch nicht zumutbar.

Lassen Sie mich im Folgenden auf einige Detailfragen eingehen, die, auch weil sie in den schriftlichen Stellungnahmen der Anwälte von Herrn Prof. Dr. Porsch immer wieder vorgetragen wurden, in den Ausschussberatungen eine wesentliche Rolle gespielt haben.

Darauf, dass die Berichte inhaltlich eine Anklageerhebung rechtfertigen, habe ich gerade hingewiesen.

Herr Prof. Porsch kann sich aber auch nicht darauf berufen, dass eine Anklageerhebung entsprechend dem Gedanken zu einer Nachbewährung seit 1990, die die Rechtsprechung für den öffentlichen Dienst entwickelt hat, nicht mehr verhältnismäßig sei, da er dem demokratisch gewählten Sächsischen Landtag seit nunmehr fast 16 Jahren angehört.

Es geht dabei zunächst um die Behauptung, Herr Prof. Dr. Porsch sei nie IM der Stasi gewesen, sondern von dieser lediglich ohne sein Wissen abgeschöpft worden.

Es ist sicherlich zutreffend, dass von ihm in den in Deutschland verfügbaren Unterlagen weder eine unterschriebene Verpflichtungserklärung noch eigenhändig gefertigte oder unterschriebene Berichte vorliegen. Es ist sicherlich auch zutreffend, dass dies eher ungewöhnlich ist. Es ist aber auch – dies haben uns sowohl die Bundesbeauftragte als auch der Landesbeauftragte für die StasiUnterlagen überzeugend dargelegt – kein Einzelfall und durchaus zu erklären.

Mir persönlich erscheint es zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung überhaupt so ohne Weiteres auf einen sächsischen Abgeordneten übertragen werden kann. Denn gerade in einer jungen Demokratie, die sich nach einer Zeit von über einem halben Jahrhundert Diktatur entwickeln und festigen muss, sind an die Integrität der Abgeordneten und an ihr Verhalten zu Diktaturzeiten besondere Anforderungen zu stellen, und hier zeigt sich im Verhalten von Herrn Prof. Dr. Porsch, in der Verharmlosung der DDR-Realität und in seiner öffentlichen Auseinandersetzung mit den erhobenen Vorwürfen eben doch eine fehlende Distanz zur jüngeren Geschichte und zur eigenen persönlichen Vergangenheit, die einen Verbleib von Herrn Prof. Dr. Porsch im Landtag auch im 16. Jahr der deutschen Einheit nicht zumutbar erscheinen lassen.

Nach Aktenlage müssen wir davon ausgehen, dass Herr Prof. Dr. Porsch bereits lange vor seiner Tätigkeit für die Bezirksverwaltung Leipzig, die die Grundlage für die Entscheidungsfindung des Geschäftsordnungsausschusses bildet, von der Stasi, und zwar von der HVA, angeworben wurde und dass er von der HVA lediglich an die Bezirksverwaltung Leipzig ausgeliehen wurde. Demzufolge wäre eine schriftliche Verpflichtungserklärung auch mit den Akten der HVA vernichtet worden.

Auch diese Einschätzung wurde mit Ausnahme der Vertreter der Linksfraktion.PDS von allen Vertretern des Ausschusses geteilt.

Auch dass von den konspirativen Treffen und den Berichten, die ein IM dabei gegeben hat, lediglich Tonbandabschriften vorliegen, deren Richtigkeit vom Führungsoffizier durch Unterschrift bestätigt wird, ist nicht so ungewöhnlich. Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen hat uns überzeugend dargelegt, dass eine Kontaktaufnahme durch die Stasi zwar durchaus, wie von Herrn Prof. Dr. Porsch behauptet, unter einer Legende erfolgen konnte, dass es aber nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen ist, dass diese Legende, wenn es sie denn gab, gegenüber Herrn Prof. Dr. Porsch die ganze Zeit aufrechterhalten wurde und er tatsächlich keine Ahnung hatte, dass er seine Gespräche eben nicht mit einem Beamten der Kriminalpolizei, sondern mit einem Vertreter des MfS führte. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Inhalt der Berichte und den konspirativen äußeren Umständen, unter denen diese Berichte gegeben wurden, sondern auch daraus, dass in den Unterlagen der Birthler-Behörde jeglicher Hinweis auf eine solche Legendenbildung fehlt, der nach den internen Arbeitsanweisungen der Stasi, die akribisch genau beachtet wurden, ansonsten zwingend in den Akten zu finden sein müsste.

Lassen Sie mich noch kurz auf den Vorwurf eines nicht rechtsstaatlichen Verfahrens und einer zeitlichen Verfristung der Anklage eingehen. Es ist richtig, dass Artikel 118 der Sächsischen Verfassung verlangt, das Nähere zum Verfahren der Abgeordnetenanklage gesetzlich zu regeln. Die Behauptung, die im Freistaat Sachsen vorhandenen gesetzlichen Regelungen seien unzureichend, ist allerdings nicht zutreffend. Wir haben grundsätzliche Regelungen im Abgeordnetengesetz und im Sächsischen Landeswahlgesetz, die den Anforderungen von Artikel 118 genügen. Dass das Verfahren nicht bis ins letzte Detail geregelt ist, sondern ergänzend durch die Geschäftsordnung und den Verfahrensbeschluss, den der Landtag selbst gefasst hat, untersetzt wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Gutachten der Landtagsverwaltung, das diese bereits in der 3. Wahlperiode bei gleicher Rechtslage erstellt hat.

Auch der Vorwurf der Verfristung geht ins Leere. Es ist zutreffend, dass das Verfassungsgericht gefordert hat, die Anklageerhebung müsse binnen Jahresfrist nach Bekanntwerden der Vorwürfe erfolgen. Dabei kann es aber nicht darauf ankommen, wann die Vorwürfe in der Medienöffentlichkeit erstmals erhoben wurden, sondern es muss auf die Übersendung der Unterlagen durch die Bundesbeauftragte abgestellt werden. Nur auf dieser Basis ist für den Landtag tatsächlich feststellbar, ob und gegebenenfalls welche Vorwürfe tatsächlich bestehen. Dies gebietet meines Erachten gerade auch die berechtigte Forderung nach einem rechtsstaatlichen Verfahren, das nicht mehr gewährleistet wäre, wenn für die Fristberechnung der erste Zeitpunkt einer Medienveröffentlichung herangezogen werden müsste, der, wie der vorliegende Fall zeigt, deutlich früher liegen kann als der Zeitpunkt, zu dem der Landtag tatsächlich nachprüfbares Datenmaterial und nachprüfbare Fakten erhält.

Lassen Sie mich abschließend noch eines klarstellen: Ich verwahre mich ausdrücklich gegen den Vorwurf von Herrn Prof. Porsch, er beteilige sich deshalb nicht an dem Verfahren, weil das Ganze eine abgekartete Sache sei, deren Ergebnis von vornherein feststehe und die lediglich dazu diene, eine unbequeme und führende Person der Opposition aus dem Landtag zu werfen, der man sich anders nicht erwehren könne. Dies war auch der Grund, Herr Prof. Porsch, weshalb Sie dem Ausschuss mitgeteilt haben, Sie würden sich am Verfahren persönlich nicht beteiligen.

Sie wissen selbst, dass dieser Vorwurf absurd ist. Damit treffen Sie weder mich noch die Mitglieder meiner Fraktion noch die Mitglieder irgendeiner anderen Fraktion in diesem Hohen Hause. Wir haben eben keinen politischen Schauprozess geführt und kein politisches Kesseltreiben veranstaltet, sondern uns um eine wirklich umfassende Sachverhaltsaufklärung bemüht, in der wir Ihnen immer wieder Gelegenheit gegeben haben, sich selbst zu verteidigen und zu entlasten. – Ich habe unsere diesbezüglichen Bemühungen eingangs geschildert. Aber Sie haben sich dem verweigert.

Ich bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, des Abg. Holger Zastrow, FDP, und der Staatsregierung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir liegen vier Wortmeldungen vor, und zwar von den Abgeordneten Nolle, Dr. Gerstenberg, Dr. Hahn und Gerlach. Ich bitte Herrn Nolle, das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Die heutige Debatte findet zu einem hochsensiblen Thema statt, nämlich zu der Frage, wie wir Deutschen die Folgen von zwei Diktaturen völlig unterschiedlichen Charakters verarbeitet haben. Heute wissen wir, dass auch große Demokratien nicht davor gefeit sind, wiederholt völkerrechtswidrige Kriege und Verbrechen gegen die Mensch

lichkeit zu begehen, und dass andere Demokratien sie dabei mit uneingeschränkter Solidarität offen oder bewusst im Geheimen unterstützen.

Meine Damen und Herren! Unser Volk der Dichter und Denker hat in seiner Geschichte nie viel Kraft darauf verwendet, seine jeweilige unsägliche Geschichte und ihre Ursachen aufzuarbeiten und die Verantwortlichen rechtsstaatlich korrekt zur Rechenschaft zu ziehen.

Ich habe schon in den sechziger Jahren mit Hunderttausenden anderer junger Menschen für eine solche Aufarbeitung der Nazizeit demonstriert und unsere Väter, Lehrer und Professoren gefragt: Wo wart ihr, was habt ihr getan?

(Heinz Eggert, CDU: In der Zeit sind wir bespitzelt worden!)

Meine Damen und Herren! Wir Westdeutschen haben damals in der Frage der zeitnahen Aufarbeitung der Verbrechen unter dem Hakenkreuz jämmerlich versagt. Ich erinnere nur daran, dass niemals auch nur einem Richter des Volksgerichtshofs ein Haar gekrümmt worden ist und den Massenmördern von Auschwitz-Birkenau zur Verurteilung leider keine niedrigen Beweggründe nachgewiesen werden konnten.

Der Umgang mit den Naziverbrechen ist bis heute ein Schandfleck unserer Demokratie geblieben. Aber mich hat damals auch ein Satz von Willy Brandt tief berührt, der als Junge vor den Nazis geflohen war. Er sagte einmal zu dieser Frage: Was hätten wir denn machen sollen? Hätte die eine Hälfte unseres Volkes die andere ausrotten sollen nach dem Krieg? – Und doch wäre eine gründliche Aufarbeitung notwendig gewesen. Südafrika hat uns das meines Erachtens mit der Wahrheitskommission als beschämendes Beispiel vorgemacht.

Meine Damen und Herren! Es ist meine feste Überzeugung als Sozialdemokrat, in dessen Godesberger Programm der demokratische Sozialismus als politisches Ziel festgeschrieben steht: Es gibt keinen Sozialismus ohne Demokratie und keine soziale Demokratie ohne Sozialismus. Und ich füge hinzu: ebenso nicht ohne Meinungs-, Informations-, Rede-, Versammlungs- und Gewerbefreiheit sowie strikte Rechtsstaatlichkeit. Daran gemessen war der Staatssozialismus der DDR eine Perversion, die kleinkarierte Phrase vom Sozialismus, auch wenn viele ehrlichen Herzens an diese Phrase geglaubt haben. Er war wie unsere Demokratie in Westdeutschland ein Mitbringsel einer alliierten Besatzungsmacht.

Meine Damen und Herren! Manche hier werden fragen, wie ich mich mit meiner westdeutschen Biografie denn überhaupt hier hinstellen kann.

(Angelika Pfeiffer, CDU: Das fragen wir uns alle!)

Die Frage ist berechtigt: Wie hätte ich mich verhalten? Hätte ich wie meine Großeltern und Eltern, die unter Lebensgefahr im Widerstand gegen die Nazis kämpften, gegen die zweite deutsche – und doch so unterschiedliche

Diktatur gekämpft? Ich glaube, ich hätte es. Ich glaube...

Meine Damen und Herren! Ich bin zutiefst betroffen, dass wir Deutschen und besonders wir Ostdeutschen bis heute keine Aufarbeitung der DDR-Geschichte hinbekommen haben – außer den ehrlichen Bemühungen einiger weniger. Das ist auch der Grund für die Schräglage in der Diskussion um Peter Porsch, die hier heute stattfindet.

Ich kann und will nur für mich sprechen, nur für mein Gewissen. Ich werde bei der heutigen Abstimmung mit Enthaltung stimmen. Ich kann nicht mit Nein und kann unter diesen Umständen hier auch nicht mit Ja stimmen. Aber ich habe Respekt vor denen, die reinen Herzens mit Ja stimmen, und vor denen, die reinen Herzens mit Nein stimmen, auch wenn aus beidem falsche Schlüsse gezogen werden können. Vor falschen Schlüssen ist man ebenso wenig gefeit wie vor falschen Freunden.

Meine Damen und Herren! Dies sind meine persönlichen Gründe:

Erstens. Ich kann und werde nicht mit den braunen Brunnenvergiftern stimmen, die sich selbst außerhalb unserer Verfassung, unserer freiheitlichen Demokratie gestellt haben und immer wieder stellen. Ich gebrauche das Wort so gut wie gar nicht, aber das lassen mein Gewissen, meine Ehre und das politische Vermächtnis meiner Eltern und Großeltern nicht zu.

Zweitens vermisse ich eine gründliche, ehrliche Aufarbeitung, die Voraussetzung für einen sachlichen und lehrreichen Umgang mit dem Thema wäre. Auch hier gilt der Satz: Wenn du einen Sumpf trocken legen willst, darfst du nicht die Frösche fragen. Diese „Frösche“, meine Damen und Herren, leben zu Tausenden unter uns. Ja, sie sind auch im Parlament vertreten und keineswegs nur in einer Partei.

„Die Schutzmaßnahmen unserer Regierung an den Grenzen der Republik zur Frontstadt West-Berlin haben die Zustimmung der großen Mehrheit der friedliebenden Bürger unserer Republik gefunden. Wirkliche Menschenrechte: das sind die Freiheit von Kriegsfurcht und Kriegsdrohung, das Recht auf Leben und Sicherheit, der Schutz vor modernen Menschenhändlern und Kopfjägern, das Recht, in Ruhe und Frieden friedlicher Arbeit nachzugehen. Gerade der Sicherung dieser Rechte und Prinzipien dienen die Maßnahmen unserer Regierung. Deswegen datiert von diesem 13. August ab ein neues Kapitel unserer nationalen Entwicklung: das Kapitel des endgültigen und vollständigen Sieges der Friedenskräfte in ganz Deutschland.“ So die Ost-CDU in ihrem Parteiorgan im Herbst 1961, Heft 17 und 23.

Ein weiteres Zitat: „Die CDU ist ein zuverlässiger Bündnispartner der Partei der Arbeiterklasse als der führenden Kraft der sozialistischen Gesellschaft, indem sie eine neue, wahrhaft demokratische Ordnung des Sozialismus gestalten und die sozialistische Staatsmacht DDR festigen will. Deshalb ist sie bereit und fähig, diesen Staat, der zur politischen Heimstatt auch christlicher Bürger geworden

ist, weiter allseitig zu stärken und parteilosen Christen Beispiel und Hilfe für die Bewährung im Sozialismus zu geben.“ Dies aus einem Papier zur Durchführung des politischen Studiums im CDU-Kreisverband Hainichen, 1984/85.

(Zuruf der Abg. Angelika Pfeiffer, CDU)

Verantwortlich damals, meine Damen und Herren – einige von Ihnen kennen ihn wohl –, war ein Kreisschulungsreferent und heutiger Landrat, Verwaltungsrat der Sparkasse, Kirchenvorstand, Rundfunkrat, Innenministerkandidat – einer von vielen Landräten, Bürgermeistern und anderen Politikern in Sachsen, die offensichtlich vor der Wende nicht gelebt haben, wenn man ihre Biografien liest. Ausnahmen seien ausdrücklich erwähnt.

Ein Kreisschulungsreferent, meine Damen und Herren, war in der Regel Mitglied des Nomenklatursystems der SED. Diese standen in den Kadernomenklaturen – dem Herzstück der SED-Kaderpolitik, dem Verzeichnis der über 400 000 Führungspositionen in gesellschaftlichen Organisationen, Staatsapparat und Parteien bis hin zu Funktionären der Blockparteien. Führungspositionen durften nur von entsprechenden Nomenklaturkadern, die aus Sicht des SED-Apparates geeignet waren, besetzt werden. Jeder wusste, was er politisch vertreten musste und welche politisch-ideologischen Anforderungen an ihn gestellt waren. Keine Stasi ohne die SED, jawohl, aber auch ohne ihre Blockparteien nicht!

Leider hat die vielleicht nicht zufällige Verengung der Vergangenheitsbewältigung auf das Thema Staatssicherheit die Beurteilung der Nomenklaturkader ungünstig beeinflusst, da das Belastungskriterium Stasi für sie möglicherweise nicht zutreffend war. Aber sie gaben entweder der Stasi die Befehle oder arbeiteten mit ihnen offiziell zusammen, was die inoffizielle Anwerbung durch das MfS völlig erübrigte. Diese nicht erfolgte Vergangenheitsbewältigung, meine Damen und Herren, ist der zweite Punkt meiner Begründung.