Protokoll der Sitzung vom 23.06.2006

Wir kommen zum Originalantrag der Fraktion der GRÜNEN mit der Drucksachennummer 4/5528. Wer dieser Drucksache folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Die Stimmenthaltungen! – Bei Stimmenthaltungen und Jastimmen ist der Antrag ebenfalls mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Erklärung zu Protokoll

Dass beim Stahlwerk Riesa die behördlich vorgegebenen Emissionsbegrenzungen in der Vergangenheit und auch zurzeit nicht eingehalten werden, ist unbestritten. Den Behörden aber vorzuwerfen, sie hätten darauf verzichtet, die Einhaltung der Grenzwerte tatsächlich durchzusetzen, entspricht nicht der Realität. Vielmehr ist die Verwaltung gemeinsam mit dem Stahlwerk Riesa seit Jahren ständig bemüht, die Emissionen zu verringern. Sie betragen derzeit noch 8,5 % der Dioxinmenge gegenüber dem Jahr 1997.

Durch die im laufenden Genehmigungsverfahren vorgesehenen Maßnahmen können wir davon ausgehen, dass die Begrenzung auf 0,1 ng Toxizitätsäquivalent/m³ ab dem Herbst 2006 zuverlässig eingehalten wird. Hierzu hat ESF im laufenden Genehmigungsverfahren den Einbau einer zusätzlichen zweiten Dioxinsenke beantragt: Dazu soll Kohlenstaub als Adsorbens in den Abluftstrom eingeblasen werden.

Dieses Verfahren hat sich inzwischen bei anderen Stahlwerken bewährt, die Emissionsbegrenzungen an Dioxinen und Furanen werden dort sicher eingehalten.

Zu den immer wieder aufgeführten „deutlichen Belastungswerten“ aus dem Messprogramm der Bund/LänderKommission im Jahr 1998 muss deutlich gesagt werden, dass sich diese Feststellung auf einzelne Messwerte bezieht.

Maßgebend für die Beurteilung ist jedoch der Vergleich aller Messwerte, aus denen der Jahresmittelwert gebildet wird. Dieser Mittelwert muss mit den Zielwerten, die der LAI zur Anwendung empfohlen hat, verglichen werden. Bei sämtlichen Messungen der Jahre 1998 bis 2005 wurden sowohl die Zielwerte für die Immissionsbelastung (150 fg Toxizitätsäquivalent/m³) als auch für die Deposition, also die Bodenbelastung (15 pg Toxizitätsäquiva- lent/m²/Tag), weit unterschritten.

Vom TÜV kürzlich an drei Standorten durchgeführte Bodenproben ergaben Gehalte an Dioxinen zwischen 1,8 und 7,1 ng Toxizitätsäquivalent/kg. Der Bericht über diese Messungen vom Mai 2006 wird derzeit im Regierungspräsidium Dresden ausgewertet; abschließende Aussagen lassen sich im Moment noch nicht treffen.

Bei allem Verständnis für die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, die in unmittelbarer Nähe zum Feralpi-Stahlwerk wohnen: Die festgestellten Immissionsbelastungen und die Depositionsmesswerte geben aus fachlicher Sicht keinen Anlass, weitergehende Untersuchungen im Einwirkungsbereich des Stahlwerkes durchzuführen.

Es ist aus fachlicher Sicht auch mehr als fraglich, ob eine weitere Studie diese Sorgen ausräumen kann. Diese Auffassung werde ich im Verlauf meiner Ausführungen begründen.

Wie in der Antragsbegründung zutreffend ausgeführt wird, liegt für die Jahre 1995 bis 2004 eine Auswertung des gemeinsamen Krebsregisters der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und der Freistaaten Sachsen und Thüringen bezüglich der Krebsneuerkrankungen in der Stadt Riesa, verglichen sowohl mit dem Landkreis als auch mit dem Freistaat Sachsen, vor. Danach ist die Krebserkrankungshäufigkeit in der Stadt Riesa insgesamt nicht auffällig.

Die Entstehung von Krebs hat zudem viele Ursachen, wie zum Beispiel das Rauchen für die Entstehung von Lungen- oder Kehlkopfkrebs oder der Alkoholmissbrauch für die Entstehung von Leber- oder Kehlkopfkrebs.

Zeitweilige geringfügige Grenzwertüberschreitungen bei Emissionen sind für die resultierende Gesamtbelastung nicht maßgeblich. 90 % des im Körper angereicherten Dioxins wird über die Nahrungskette aufgenommen. Und ebendieser Aufnahmeweg ist durch die allgemeinen Verzehrgewohnheiten schon lange nicht mehr von lokalen Bedingungen dominiert. Die Bürger kaufen ihre Lebensmittel aus deutschlandweiter Produktion in den Handelsketten.

Die lokale Verbreitung von Lebensmitteln aus eventuell durch Emissionen belasteten Gebieten spielt für diese Region selbst nur eine untergeordnete Rolle. Die Produkte werden breit gestreut.

Eine lokale Gefährdung ist auch insofern nicht gegeben, als in Riesa keine regionale Lebensmittelproduktion existiert. Ein eventuell vorhandener individueller Obst- oder Gemüseanbau in Kleingärten ist hierbei als Belastungsfaktor für den Einzelnen nicht relevant, da sich Dioxine vorwiegend in tierischen Fetten und Fleisch anreichern.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Bemerkung zu den immer wieder für die Region geforderten Untersuchungen im Sinne eines Humanbiomonitorings oder aufwändiger epidemiologischer Studien.

Solche Studien sind wenig Erfolg versprechend. Die Gründe habe ich Ihnen bereits genannt: Erstens liegt die Hauptquelle der Dioxinbelastung in der tierischen Nahrung aus deutschlandweiter Produktion. Regionale Studien aber machen keinen Sinn, wenn die Hauptquellen der Belastung nicht in der Region liegen!

Das soll jetzt nicht heißen – das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen –, dass zeitweilige Grenzwertüberschreitungen durch Großbetriebe von uns geduldet werden.

Duldung hieße, dass die Verwaltungsbehörden Untätigkeit hätten walten lassen und zeitweise Überschreitungen bewusst ohne eigene Handlungsaktivitäten gebilligt hätten. Das zähe Ringen, die ständigen Kontrollen und Messungen und die Tatsache, dass der Betrieb im vergangenen Jahr als Konsequenz des ständigen behördlichen

Druckes den Antrag auf Errichtung einer hochmodernen zusätzlichen Reinigungsstufe für mehrere Millionen Euro gestellt hat, sprechen eine deutliche Sprache.

Wir alle sollten froh sein, dass der größte Arbeitgeber in Riesa von den Behörden zu zusätzlichen Investitionen und nicht zur Schließung des Betriebes bewegt werden konnte. Das ist gut für die Arbeitsplätze, das ist gut für die Stadt Riesa und ihre Bürger, und das ist gut für die Umwelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung der 54. Sitzung ist abgearbeitet. Ich wünsche uns einen schönen Verlauf der Fußballweltmeisterschaft. Persönlich hoffe ich auf Schwarz-Rot-Gold.

Am 19. Juli, 10:00 Uhr, werden wir es alle wissen. Da treffen wir uns wieder.