Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

Weil Sie alle so herumkrakeelen, ich weiß, wovon ich spreche. Das Haus, in dem ich wohne, steht mitten im Weltkulturerbebereich. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Haus unter den heutigen Gegebenheiten gebaut worden wäre. Irgendeinem in Vilnius hätte es wahrscheinlich auch nicht gefallen, genauso wenig wie dieser Sächsische Landtag. Auch den hätte eine UNESCO niemals genehmigt. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Ich glaube, dass die UNESCO-lose Zeit für Dresden ein Glücksfall gewesen ist, meine Damen und Herren.

(Widerspruch des Abg. Karl Nolle, SPD)

Mich stören vor allem Ihre Zwischenrufe aus der Ferne – Herr Nolle, wenn Sie etwas zu sagen haben, können Sie ans Mikrofon kommen –, ansonsten sind es vor allem die Ratschläge Ihrer Parteifreunde, die ich aus der Ferne bekomme. Ich erinnere gern an den Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse, der am 07.04.2006 mit einem Zitat in den „Dresdener Neuesten Nachrichten“ geglänzt hat. Ich habe mich als eingefleischter Dresdner gewundert und gefragt: Wo läuft der eigentlich?

(Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei der NPD)

Er hat gesagt: „Ich gehe öfter zusammen mit meiner Frau spazieren auf dieser Elbseite, um den Blick zu genießen. Schließlich wohnt und studiert unsere Tochter in Dresden. Deshalb sind wir häufig da.“ – Für das Deutsch kann ich nichts, es ist ein Zitat. – „Natürlich war ich auch zu DDRZeiten öfter in Dresden. Da war natürlich dieser weltberühmte Anblick mit der Frauenkirche noch nicht vollständig. Dass der jetzt von einer Brücke verstellt werden soll, kann ich nachvollziehen.“

(Heiterkeit bei der FDP)

Wo läuft der? Wo? Wo?

(Heiterkeit bei der FDP)

Was wagt der Mann, sich über meine Heimatstadt ein Urteil zu bilden! Ich kann Ihnen sagen, wo der laufen muss, um zu sehen, wo die Silhouette verstellt ist. Das ist oben am Waldschlößchen, nicht an dem Pavillon, Herr Lichdi, sondern er muss dorthin gehen, wo ehemals die Kleingartensparten waren, zehn Meter den Hang hinunter. Wenn er dort schaut, dann ist die Frauenkirche verstellt, an keiner anderen Stelle, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Nun verstehen Sie vielleicht, warum mich das sehr skeptisch macht, wenn ich Ratschläge von außen bekomme, von Leuten aus der Ferne, die sich plötzlich als ganz große Dresden-Kenner hinstellen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Am besten, sie bleiben weg. Die werden immer von den großen Bussen hergebracht. Das ist ja falsch.)

Eine Frage möchte ich schon stellen, nämlich wie diese UNESCO eigentlich gearbeitet hat. Wir müssen uns als Dresdner von der UNESCO eine Menge Kritik gefallen lassen. An der Stelle kann man die UNESCO durchaus einmal hinterfragen. Einiges ist schon gesagt worden, das will ich überhaupt nicht wiederholen. Ich finde es hochinteressant, dass es im Rahmen der Entscheidung – weil Sie vorhin mit einem Gutachten kamen – auch ein anderes Gutachten gibt. Das ist eine Stellungnahme vom 19. Mai 2006 von sieben Professoren der Technischen Universität Dresden, die sich die Entscheidungsgrundlagen genau angesehen und beurteilt haben, auf welcher Basis die UNESCO ihre Entscheidung getroffen hat. Darin steht „eine Reihe von Unkorrektheiten aufgrund mangelnder Ortskenntnis und ungenügendem Recherchieren“ enthält dieses Gutachten.

Ein weiterer Auszug aus dieser Stellungnahme: „Der Gutachter weitet punktuelle Beeinträchtigungen (Blickbe- ziehungen) in unzulässiger Weise auf das gesamte Elbtal aus und kommt damit zu der keinesfalls objektiven Schlussfolgerung, dass der Bau der Brücke an dieser Stelle eine irreversible Schädigung der besonderen Qualität des Elbtals wäre.“ Das ist das Prinzip Thierse, der macht das ganz genauso. Wie sollen die Bürokraten der UNESCO saubere Entscheidungen treffen, meine Damen und Herren, wenn sie selbst nie vor Ort waren und die Gutachten, die eigentlich dieses Manko ausgleichen sollen, grob fehlerhaft sind? Die können niemals eine objektive Entscheidung treffen, meine Damen und Herren.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Lasst uns einen neuen Bürgerentscheid machen! – Widerspruch bei der NPD)

Lassen Sie mich zum Bürgerentscheid kommen. Es wurde vernachlässigt, vor allem von der Linken, darüber zu sprechen. Seit 1862 ist die Brücke in der Diskussion. Die Politik hat immer wieder versucht, eine Lösung zu finden. Die Politik hat es nie hinbekommen. Das muss man ehrlich sagen. Der Stadtrat in Dresden, in jeder Konstellation – Frau Ernst, das wissen Sie selbst – hat es nie hinbekommen, eine Entscheidung zu treffen. Am Ende hat die Politik die Notbremse gezogen, für mich eine sehr attraktive Notbremse, weil ich denke, dass man das Volk sehr häufig entscheiden lassen kann, und hat die Entscheidungsform gewählt, die uns allen am heiligsten sein sollte, über die wir überhaupt nicht sprechen, sondern die wir einfach akzeptieren sollten: Sie haben nämlich die Bürger entscheiden lassen, und die Bürger haben ein ganz klares Votum ausgesprochen. Dieses Votum, meine Damen und Herren, muss für jeden Politiker – ob im Stadtrat in Dresden, hier im Landtag, in Berlin oder in der UNESCO – absolut unantastbar sein.

(Beifall bei der FDP und der NPD)

Ich glaube, dass es einige meiner Kollegen auf der linken Seite mit Bürgerentscheiden nicht so ganz ernst nehmen, also, Bürgerentscheide sind gut, wenn sie meine Meinung widerspiegeln. Wenn ich aber Widerspruch ernte, gefällt mir plötzlich die direkte Bürgerbeteiligung überhaupt nicht mehr, dann ist das etwas ganz Schlimmes, dann trickse ich herum, bis ich zu einem Ergebnis komme, das mir passen könnte.

(Widerspruch bei der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Stimmt ja gar nicht!)

Dafür gibt es ein ganz klares Motto, welches ich in Dresden bei Ihnen von der PDS, bei der SPD und den GRÜNEN sehe, es heißt: „Was nicht passt, wird passend gemacht.“ Genau deshalb soll es einen neuen Bürgerentscheid geben. Im Übrigen glaube ich, die Bürger durchschauen das und wissen ganz genau, was sie wollen.

Ich möchte an dieser Stelle mit zwei Behauptungen aufräumen, die schlichtweg gelogen sind – die NichtDresdner werden vielleicht interessiert sein, was es ist –, nämlich mit der Behauptung, dass die Dresdner damals über etwas ganz anderes abgestimmt haben. Ich halte es schon für bedenklich, wenn Sie die Dresdner für dumm verkaufen. Ich glaube, dass in dieser Stadt, in der jeder Giebel, der irgendwie verändert wird, in jeder Zeitung steht und in der am längsten über städtebauliche Aspekte diskutiert wird, was die ganzen Leserbriefspalten in jeder Dresdner Zeitung füllt, kein einzelner Dresdner diese Entscheidung leicht genommen hat.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Aber damals ging es nicht um das Weltkulturerbe!)

Moment! – Es gab überhaupt noch keine Entscheidung – ich kenne keine und weiß auch nicht, ob es deutschlandweit schon einmal eine solche Entscheidung gegeben hat –, die derart intensiv, transparent und vielfältig vorbereitet worden ist. Ich kann mich noch daran erinnern – Herr Lichdi, Sie werden mir Recht geben –, es gab zum Beispiel im Stadtrat eine Debatte, ob man ein Abstimmungsbüchlein nach dem Schweizer Vorbild an alle Dresdner Haushalte verteilt. Dies ist beschlossen worden, und es ist getan worden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rohwer?

Ja, sehr gern.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Der Wasserträger!)

Herr Zastrow, können Sie bestätigen, dass in genau dieser Broschüre die Brückengegner spätestens an der zweiten oder dritten Stelle dargestellt haben, dass nach ihrer Meinung die Elbauen zerstört würden? Können Sie also bestätigen, dass die Dresdner mit Sicherheit über diese Vorwürfe informiert worden sind?

Das klingt jetzt wie abgesprochen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wasserträger!)

Es ist nicht abgesprochen, es steht hier als mein nächster Absatz auf dem Zettel. Ich kann es auch, wenn es allgemeines Interesse findet, vorlesen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Machen Sie es doch!)

Ich sehe, es findet allgemeines Interesse. – Darin steht etwas, von dem ich sage, dass es eine Entscheidungshilfe war, weil sich darüber viele Dresdner Gedanken gemacht haben. Im Abstimmungsbuch der Brückengegner – wie gesagt, es war in allen Dresdner Haushalten – steht: „Liebe Dresdnerinnen und Dresdner! … Vor allem werden Sie bestimmen, wie mit der einzigartigen Elblandschaft, die zum UNESCO-Kulturerbe gehört, umgegangen wird.“

(Tino Günther, FDP: Hört, hört! Aha!)

Ich muss ehrlich sagen: Selbst ich mit einem Fachabitur kapiere, was damit gemeint ist, und weiß auch, Herr Hahn, welche Konsequenzen mich treffen können.

Ich möchte noch ein zweites Schriftstück zitieren, das Flugblatt – ich glaube, es hieß „Koalition gegen die Waldschlößchenbrücke“ – Zitat –: „Die Waldschlößchenbrücke zerstört die Elbauen. Die Elbauen sind Teil einer einzigartigen Kulturlandschaft und stehen deshalb unter dem Schutz der UNESCO. Die Brücke zerschneidet die Elbauen an der breitesten Stelle. Sie zerstört und verlärmt unwiederbringlich diese für Dresden charakteristische Landschaft.“

Die Konsequenzen dieser Entscheidung waren jedem Dresdner klar, ich brauche sie Ihnen nicht noch einmal zu nennen. Bitte akzeptieren Sie diese Entscheidung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU und der NPD)

Vielleicht ist Ihnen ja aufgefallen, um noch ein wenig inhaltlich zu sprechen: Dresden ist nicht die Grube Messel. Kennen Sie sie? Der eine oder andere kennt sie, auch Weltkulturerbe, eines von 32. Dresden ist nicht das einzige Weltkulturerbe, welches wir in Deutschland haben. Die Grube Messel ist es zu Recht, weil man in der Grube Messel – sie liegt, glaube ich, bei Darmstadt – sehr eindrucksvoll die Entwicklungsgeschichte der Erde vor rund 49 Millionen Jahren nachvollziehen kann. Sie ist zu Recht Weltkulturerbe, ganz klar; aber wir sind nicht die Grube Messel. Dresden ist gerade erst zur dynamischsten deutschen Großstadt gewählt worden. Wir sind die Stadt, die – auf jeden Fall im Osten – am stärksten wächst. Wir haben sogar Bevölkerungszuwachs.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Die konservative Mehrheit!)

Wir haben als Dresdner – darauf bin ich ganz stolz – eine wirtschaftliche Entwicklung, die hoch interessant ist und uns vielleicht in wenigen Jahren an die Spitze dieses Landes bringen kann. Selbst die UNESCO hat Dresden – wenn wir uns erinnern – als einer sich weiter entwickelnden Kulturlandschaft mit absichtlich zugelassenen Veränderungen damals den Kulturerbestatus verliehen.

Wer die Verkehrssituation in Dresden kennt, weiß, wie oft die Stadt im Verkehr erstickt und dass wir genau diese Verbindung brauchen. Es gibt ein sehr praktisches Argument, das werden Sie auch wissen: Wir haben im Osten und Südosten Dresdens sehr viele Wohngebiete, in denen viele, viele Menschen wohnen, und wir haben inzwischen, wie es früher schon einmal war – vielleicht können Sie sich daran erinnern – Industriegelände und darüber hinaus die meisten Arbeitsplätze. Wenn ich will, dass die Menschen die Arbeitsplätze erreichen, gibt es die LichdiMethode: Sie sollen laufen oder mit dem Rad fahren.

(Zuruf von der NPD: Barfuß!)

Das können die Leute gern machen. Ich sage: Das muss man nicht machen, es gibt noch andere Lebensentwürfe. Für diejenigen, die den Individualverkehr nutzen, will ich eine Chance schaffen. Das ist einfach so, und deshalb brauchen wir die Brücke.

Wir brauchen sie noch aus einem anderen Grund, und dazu muss ich sagen – die Lösung erwarte ich im zweiten Teil der Debatte; sie wird mir bestimmt noch jemand präsentieren –: Was wird eigentlich, wenn das Blaue Wunder einmal gesperrt wird? Jeder, der in dieser Stadt aktiv ist, weiß, dass sie eine tickende Zeitbombe ist. Es wird immer mehr gesperrt, die Gewichtsbelastung immer weniger. Wir haben – das sagt jeder Fachmann – maximal zehn Jahre, dann muss sie quasi neu aufgebaut werden. Herr Iltgen wird es bestätigen können, es ist sein Wahlkreis. Uns steht eine riesige Baustelle ins Haus, die das Blaue Wunder für mehrere Monate – manche sagen sogar, für ein bis zwei Jahre – zumindest für den Autoverkehr völlig unpassierbar macht. Was dies für die dann östlichste Brücke der Stadt, die Albertbrücke, bedeutet, konnten Sie sehen, als beim diesjährigen Frühjahrshochwasser gesperrt war. Ich selbst wohne fast genau an der Brücke. Ich fahre jeden Tag darüber und behaupte, ich bin hier im Parlament der Meistbetroffene vom Brückenbau. Ich habe selbst die Abwägung treffen müssen und muss ganz ehrlich sagen: Die Lebensqualität, die ich habe, wenn ich hinten über die Bautzener Straße fahre, ist beschränkt; dann nehme ich die Brücke in Kauf, meine Damen und Herren.

Wenn vorhin beispielsweise von Frau Mattern gesagt wurde, was uns der Titel bringt – hören Sie mir doch zu, Sie haben es gleich geschafft! –:

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir lösen das Problem nicht, wenn wir nicht zuhören würden!)

Frau Mattern, wo, bitte schön, wirbt Dresden mit dem Titel „Weltkulturerbe“? Nennen Sie mir eine Stelle.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Wir selbst tun es überall!)

Ach! – Wir haben in Dresden etwas geschafft, darauf bin ich ganz stolz; die Stadt ist verdammt schnell: Nach 16 Jahren haben wir es geschafft, dass wir die Schilder in mehreren Sprachen bekommen haben – sehr schön. Sehen Sie darauf etwas von Weltkulturerbe? Nichts. Wenn Sie nach Dresden hineinfahren, gibt es ganz tolle elektronische Anzeigen. Wer auch immer sich diese ausgedacht hat, sie werden teuer gewesen sein. Was steht darauf? Nicht sinnvollerweise “Willkommen im Weltkulturerbe!“, sondern „Flüssiger Verkehr Richtung Stadtzentrum“.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich verstehe ein wenig vom Tourismus-Marketing, da ich in diesem Bereich tätig bin. Ich bin bei der DWT mit allem, was dazugehört. Wenn diese Stadt eines nie machen wird, dann ist es, diesen Titel offensiv zu verkaufen. Wenn man ihn hat, müsste man es richtigerweise tun. Warum tut man es nicht? Weil die Stadt dafür überhaupt kein Geld hat.