Sie hatten das damals abgelehnt im Jahr 2005 noch mit der Begründung – zumindest zu unserer Dringlichkeit –, dass Sie nicht unerhebliches Vertrauen in die Bundesregierung besäßen. Wir erwiderten damals: Das haben wir nicht. Offensichtlich haben Sie es jetzt in Ihre eigene Landesregierung auch nicht mehr. Warum sonst verlangen Sie, dass sie etwas tut, wozu sie sowieso, nämlich nach
Warum formulieren Sie Ihren Antrag so unscharf? Er geht in die richtige Richtung, aber er lässt quasi alles offen.
Ich könnte mir vorstellen, dass Sie Ihrem Ministerpräsidenten und Frau Orosz den Rücken freihalten und ihnen freie Hand geben wollen wie damals, schon erwähnt, zu den Nachverhandlungen, nachdem im Vermittlungsausschuss kein befriedigendes Ergebnis erzielt wurde. Trotzdem, gerade dafür braucht es nach meinem Dafürhalten eine Vorstellung, worüber und in welcher Größenordnung verhandelt werden soll.
Einiges hat der Kollege Rohwer bereits erwähnt. Deswegen kann ich mir die Zahlen sparen. Aber nach meinem Dafürhalten besteht nicht nur dort Handlungsbedarf. Der ist tatsächlich vorhanden. Das ist richtig. Die in der Ausgangslage beschlossene Entlastung von 2,5 Milliarden Euro tritt durch die angestrebte Regelung durch die Bundesregierung nicht ein. Das Problem ist auch die völlig unzureichende Summe im Haushalt 2007, die dort eingestellt wurde. Ein weiteres Problem ist die Haushaltssperre, die im Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossen wurde.
Aber das zeigt vor allem auch eines – und das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, bevor Sie weiter an diesem Paket basteln und flicken und stopfen –: Das Maßnahmenpaket Hartz IV ist gescheitert. Es ist untauglich, soziale Probleme, vor allem aber Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Das kommt unter anderem durch die Gestaltung der Finanzierungsmöglichkeiten und das ständige Stopfen und Flicken, auch durch die Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen zum Ausdruck.
Es gibt kein solides Finanzkonzept. Auch dieses Jahr werden die Kosten wieder aus dem Ruder laufen. Deswegen ist nach meinem Dafürhalten der gestellte Antrag – auch wenn Sie einiges an Begründung beigetragen haben – im Großen und Ganzen kein in sich schlüssiges Konzept.
Er taugt nicht, um erfolgreiche Verhandlungen mit der Bundesregierung zu führen. Deswegen sollte Ihnen klar sein, welche Ziele Sie ausrufen. Sie hatten eben erwähnt, dass Sie der Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände folgen könnten, die errechnet haben, dass ein Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft von 40 % angemessen und ausreichend wäre. Das hätten Sie auch in Ihren Antrag schreiben können. Dann wäre er möglicherweise weniger orakelhaft gewesen.
Sie haben gesagt, dass Sie sich dafür einsetzen wollen, dass es eine Verlängerung der Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisung über den Fünfjahreszeitraum hinaus gibt. Das ist ja schön, aber noch steht es nicht zur Debatte.
Wichtig ist nach meinem Dafürhalten, auch auf die Grundprobleme hinzuweisen. Eines ist zum Beispiel, dass die entstandene Differenz zwischen den eingesparten
Sozialhilfekosten und den neu entstandenen und gestiegenen Kosten der Unterkunft, die auch weiter steigen werden, einfach nicht ausgeglichen wird, weder durch das eine Programm noch durch das andere.
Andere Beispiele sehen Sie in den Landkreisen selbst. Ich sage Ihnen auch noch einen weiteren Grund. Landkreise wie zum Beispiel Stollberg, Mittlerer Erzgebirgskreis, der Weißeritzkreis, ich glaube auch, die Niederschlesische Oberlausitz, haben jetzt schon die Kosten der Unterkunft angepasst. Das ist signifikant dafür, dass man sich erstens in der Höhe der Kosten der Unterkunft verschätzt hatte. Damals hatte man sie an eine Wohngeldtabelle aus dem Jahr 2005 angelehnt. Wir verhandeln hier übrigens über das Jahr 2007. Das sollte man in das Kalkül einbeziehen. Schon deswegen werden die Kosten in absehbarer Zeit weiter steigen. Die Großstädte werden mit Sicherheit nachziehen müssen.
Außerdem treten mittlerweile absurde Situationen ein: dass Betroffene aus ihrem Regelsatz Teile für Kosten der Unterkunft selbst decken müssen. Sie wissen selbst, dass den Regelsatz nur der bekommt, der wirklich bedürftig ist.
Der zweite Grund sind natürlich unausgeglichene Haushalte in den Landkreisen und Großstädten. Sie haben das Beispiel Dresden erwähnt. Sie können ruhig einmal die Zahl sagen. Heute wird Dresden darüber entscheiden, überplanmäßig – und das ist das eigentliche Problem, nicht einmal die Höhe der Ausgaben, sondern überplanmäßig, also ungeplant im Vorjahr – 12,6 Millionen Euro für Kosten der Unterkunft auszugeben und 1,2 Millionen Euro für sonstige Kosten, also Mietkaution, Mietschulden, Umzüge und Ähnliches, für Beihilfen und einmalige Leistungen, Erstausstattungen, Klassenfahrten.
Und der Grund drei: Mehrbelastungen werden regelmäßig auch durch die jetzige Gesetzgebung nicht gedeckt. Das heißt, Kosten für Schülerbeförderung, Kita-Beiträge für bedürftige Eltern und für Empfänger von Kosten der Unterkunft nach SGB II. Das heißt, wer andere kritisiert, hat natürlich das Recht dazu, sollte aber möglicherweise vor der eigenen Tür kehren. Ich glaube, dass Sachsen hier seine Hausaufgaben noch nicht gemacht hat.
Zu den Hausaufgaben gehört zum Beispiel, die Mittel aus der Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisung in voller Höhe weiterzugeben. Dazu gehört, die Einsparung aus den Eingliederungsleistungen an die Kommunen weiterzugeben. Und es gehört dazu, die volle Einsparung beim Wohngeld an die Kommunen und Landkreise weiterzureichen, keine Halbierung vorzunehmen in der Berechnung in pauschale und fallzahlbezogene Zahlungen, sondern alles auf fallzahlbezogen umzustellen. Die Zahlen sind doch bekannt. Die liegen Ihnen vor. Wenn sie Ihnen nicht vorliegen, ich habe die Kleine Anfrage hier, da stehen sie drin.
Die Benachteiligung der Kommunen schaffen sie auf alle Fälle nicht ab, sondern nur ein neues Regelsystem.
Es wäre zum Beispiel auch hilfreich, wenn die Landesregierung in einer Richtlinie, die sie möglicherweise verfassen könnte – wir können gern einen Vorschlag dafür machen –, allgemein gültige und qualitative Standards zum Beispiel für Angemessenheit der Wohnung und Wohnungskosten, Härtefallregelungen für Schwangere, Alleinerziehende mit Kind, Familien mit Schulkindern – es gibt keine Familienkomponente in diesem System –, Behinderte, über Sechzigjährige bei drohender Wohnungslosigkeit und zur Unterbringung von Wohnungslosen festlegt. Aber dazu findet sich kein Wort.
Nebenbei gesagt: Die Revisionsklausel aus dem SGB II taugt lediglich, um Mehrbelastungen zwischen Bundesrepublik und Kommunen auszugleichen, nicht allerdings die Leistungsunterschiede zwischen den sächsischen Kommunen und Landkreisen. Das müssen wir schon selbst tun.
Einen weiteren Grund möchte ich hinzufügen. Die Kosten der Unterkunft setzen sich bekanntlich zum einen aus Mieten und zum anderen natürlich aus den Nebenkosten zusammen. Während sich die Miete nur moderat verändert hat und demzufolge eine Bemessungsgrundlage zwar angepasst werden müsste, aber nicht in dem Maße, sind die Nebenkosten explodiert, in den Kommunen teilweise um 35 bis 40 % innerhalb eines Jahres. Das heißt, wenn wir heute über das Jahr 2007 reden und verhandeln, dann müssen wir das bereits jetzt einkalkulieren. Ein Zurückgehen unter 40 % Bundesanteil sollte eigentlich gar nicht möglich sein.
Das heißt, es sollte das Mindeste sein, über 40 % zu verhandeln. Es ist nicht das Maximalziel, sondern es ist das Minimalziel, wenn die Lebensfähigkeit der sächsischen Kommunen und Landkreise nach dieser Kostensteigerung gewährleistet sein muss.
Nebenbei bemerkt, mag es sein, dass die Kosten gestiegen sind und Dresden diese im Moment noch auffangen kann, indem man nachplant. Überplanmäßige Kosten sind mittlerweile die Regel geworden. Wenn die Ausnahme aber die Regel wird, sollte man über das System nachdenken.
Im Allgemeinen sind natürlich die neuen Bundesländer überdurchschnittlich stark benachteiligt. Auch deswegen habe ich mich über den Antrag gefreut, weil es nicht nur einer für Sachsen ist. Es ist auch ein Antrag für die neuen Bundesländer. Denn er geht auf die besonderen Bedingungen ein, dass die neuen Bundesländer durch im Verhältnis stärker gestiegene Kosten stärker belastet sind. Darüber habe ich mich gefreut, und schon deshalb wären zielorientierte Verhandlungen notwendig.
Es stellt sich jedoch die Frage: Worum geht es überhaupt? Es geht nach meinem Dafürhalten nicht nur darum,
Schaden vom Freistaat und den Kommunen abzuwenden; denn nicht nur ihnen dürfen keine finanziellen Nachteile entstehen, sondern es geht um die Menschen. Es geht auch und vor allem um die Bezieher der Kosten der Unterkunft und von Hartz IV.
Es entstehen teilweise groteske und absurde Situationen. Zum Beispiel kam es in einem Landkreis dazu, dass eine Familie, die aus vier Köpfen bestand – mittlerweile sind die Kinder ausgezogen und es sind nur noch zwei Personen da –, keine andere Wohnung finden kann. Die Kosten für Unterkunft sind eigentlich von der Höhe her angemessen, aber es steht keine andere – in diesem Fall keine kleinere – zur Verfügung. Was wird also getan? Der Landkreis möchte entgegenkommen und sagt: Bleibt doch einfach weiter dort wohnen. Wir schließen ein Zimmer zu. Ihr benutzt es nicht und bleibt in der Wohnung. – Das ist Unfug, es ist unangemessen und an der Realität vorbei. Das Regelwerk taugt nichts. Außerdem sind die Kosten der Unterkunft noch nicht einmal inflationssicher angehoben worden. Aber dazu hatte ich vorhin bereits einiges gesagt.
Für die Abstellung dieser und anderer Missstände und die Herstellung sozialer Ausgeglichenheit und Gerechtigkeit bekommen Sie unsere Stimme natürlich gern. Aber seien Sie einmal ehrlich, Herr Rohwer: Was hätte es Sie denn gekostet, im Titel Ihres Antrages – außer der Tatsache, dass natürlich den sächsischen Kommunen und dem Freistaat kein Schaden bzw. keine finanziellen Nachteile entstehen dürfen – die Bezieherinnen und Bezieher von Kosten der Unterkunft mit zu erwähnen? – Es hätte einen sozialen, christlichen Touch, und dies wäre nach meinem Dafürhalten nicht zu viel.
Nebenbei: Die Haushaltssperre im Bund kann nur der Haushaltsausschuss auflösen, und die Veränderungen kann natürlich nur die Bundesregierung selbst auslösen, die nicht so unterschiedlich zur Besetzung der Regierungskoalition hier im Land ist. Also, sprechen Sie noch einmal mit Ihren Kolleginnen und Kollegen. Möglicherweise lässt sich das eine oder andere schneller erreichen, und Sie brauchen nicht jedes halbe Jahr wieder einen neuen Ermächtigungsbeschluss, der Sie in die Lage versetzt, mit der Bundesregierung im Namen des Sächsischen Landtages zu verhandeln.
Ich empfehle also den Abgeordneten die Zustimmung zu diesem Antrag und Ihnen selbst für den nächsten Antrag weniger Orakel begehrende, leere Sätze.
Anfang an wussten die Hartz-IV-Macher, dass ihre Pläne finanziell kaum tragbar sein würden, und suchten deshalb nach einem Lastesel, dem sie möglichst viel aufladen könnten.
Wenn in Deutschland nun ein Lastesel gesucht wird, nimmt man oft und gern die Kommunen und Landkreise ins Visier, da diese im föderalen System einen relativ schwachen Stand haben und deshalb leicht Opfer der verfehlten Politik anderer werden können. Was wurde den Kommunen im Zuge der Hartz-Gesetze nicht alles aufgebürdet? Sie sind zuständig für die Kosten für Unterkunft und Heizung, für die Erstausstattung der Wohnung und mehrtägige Klassenfahrten von Schülern, und sie sind zuständig für die Schuldnerberatung, die psychosoziale Betreuung, die Suchtberatung, die Kinderbetreuung sowie die häusliche Pflege von Angehörigen von Arbeitslosengeld-II-Empfängern. Darüber hinaus sind die Kommunen für die Schaffung gemeinnütziger Beschäftigung zuständig – eine finanzielle Belastung in Milliardenhöhe.
Die sächsischen Kommunen sind gerade dabei, unter dieser Last zusammenzubrechen. Seit Mitte des Monats können die ersten Landkreise keine neuen Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose bezahlen. Durch eine Kürzung des Bundesbudgets um 1,1 Milliarden Euro fehlen nach einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ vom 15. Juli 2006 im Freistaat bis zu 90 Millionen Euro, die die Kommunen bereits für die Zuschüsse an die HartzIV-Empfänger fest eingeplant haben. Fortbildungszuschüsse, Mobilitätshilfen oder auch die Unterstützung von Existenzgründungen fallen damit ab sofort in vielen Landkreisen flach.
Wie stellt sich nun die Situation auf Bundesebene dar? Für ihre neuen Aufgaben erhalten die Kommunen vom Bund einen Ausgleich, der sich im letzten Jahr auf 3,5 Milliarden Euro belief. Erwartungsgemäß hat sich die schwierige Finanzsituation der Kommunen trotzdem nicht verbessert. Gerade in den Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit hat sich, vor allem in Mitteldeutschland, die finanzielle Belastung der Kommunen deutlich erhöht.
Nun legen also ausgerechnet die sächsischen HartzParteien CDU und SPD einen Antrag vor, der einem Alarmruf an den Bund gleichkommt, obwohl immer klar war, dass die Lastenverschiebung auf die Kommunen bei diesen zu unlösbaren Problemen führen würde. Denn während die Agenturen für Arbeit die Regelleistungen des ALG II durch provozierte Sperrzeiten – unrühmlich auch als „Verfolgungsbetreuung“ bezeichnet – senken können, bleibt den Kommunen zur Kostensenkung nur die Möglichkeit, die Kostenübernahme für Unterkunft und Heizung zu drosseln.
Der Teufelskreis aus zunehmenden Finanznöten von Gemeinden und Landkreisen einerseits sowie Leistungskürzungen bei den ALG-II-Empfängern andererseits kann in der Tat nur vom Bund durchbrochen werden. Deshalb mahnt die NPD-Fraktion die noch offene Neuregelung zur Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten an, deren Fehlen sich Tag für Tag schmerzlicher bemerkbar macht,
Die kommunalen Belastungen betrugen 2005 13,2 Milliarden Euro. 2006 werden es zirka 15,5 Milliarden Euro sein. Davon hat der Bund im letzten Jahr rund 3,5 Milliarden Euro übernommen, und er wird sich in diesem Jahr mit 3,9 Milliarden Euro beteiligen. Das entspricht einem Anteil von jeweils 29,1 %, also der festen Kostenbeteiligungsquote des Bundes, die aber – was von Anfang an ein schwerer Fehler war – nur für 2005 und 2006 festgelegt wurde. Für 2007 gibt es bis heute überhaupt noch keine Regelung, so dass die Länder und Kommunen mit jeder Woche mehr in eine unangenehme Bittstellerposition geraten. Die Situation der Kommunen ist umso ärgerlicher, als nicht diese die Kostenexplosion bei Hartz IV zu verantworten haben, sondern die Bundesregierung, die das Problem der Massenarbeitslosigkeit einfach nicht in den Griff bekommt bzw. bekommen will.
Es kommen noch weitere bittere Aspekte für die Gemeinden hinzu. So haben die Berechtigten von Arbeitslosengeld II vielfach nur einen geringen Anspruch auf das vom Bund finanzierte ALG II, da ihr Einkommen angerechnet wird. Es verbleibt jedoch häufig ein hoher Anspruch auf die von den Kommunen zu finanzierenden Unterkunftskosten.
Weil die Situation der sächsischen Kommunen durch die Hartz-IV-Murkserei äußerst unbefriedigend ist, werden wir dem Antrag von Landes-CDU und -SPD zustimmen, der sich ja gegen ihre eigenen Bundesparteien richtet.
Natürlich darf der Bund seine Haushaltsprobleme nicht auf dem Rücken der Kommunen austragen, sondern muss die gegebenen Zusagen einhalten. Die nächsten Streitpunkte sind ja bereits absehbar. Kurz vor dem Kabinettsbeschluss über die Ausgaben von Hartz IV wurde im Etat von Bundesarbeitsminister Müntefering auch noch die Deckungsklausel für etwaige Mehrkosten beim ALG II geändert. Nur eine Milliarde Euro kann Steinbrück im Etat der Eingliederungshilfen abzweigen, wenn die Kosten für die Langzeitarbeitslosen erneut über den Planzahlen liegen sollten, was mit Sicherheit der Fall sein wird.